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Full text of "Völkerrechtsverletzungen Grossbritanniens, nach englischen Parlaments-papieren"

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VÖLKERREGiSTÜCHES  SEM'NftR 
A»  DER  üliiVEilSITlT  ROSTOCK. 


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Völtoechtsverletzungen 
Grossbritanniens 


Nach   englischen   Parlamentspapieren 


Dr.  Ludwig  Beiidix 

Rechtsanwalt  in  Berlin 


Breslau  1919 

J.  U.  Kern"s  Verlag 

(Max  Müller) 


rx 


Die  rechtliche  Seite  des  Falles  ...  ist  bereits  in  diesen  Spalten 
erörtert  worden  und  interessiert  die  Öffentlichkeit  am  wenigsten. 

Die  Öffentlichkeit  mag  versichert  bleiben,  dass  sie  (die 
Regierung]  gezwungen  ist,  gewisse  Schranken  des 
Rechts  und  der  Politik  zu  beachten,  nicht  um  den 
Feind  zu  verpflichten,  sondern  um  ihren  eigenen 
guten  und  ehrlichen  Namen  unversehrt  zu  erhalten 
und  ihre  eigenen  Beziehungen  zu  den  neutralen 
Mächten  zu  pflegen.  Wir  sind  in  diesen  Krieg  irii  Protest 
gegen  die  Lehre  eingetreten,  die  das  Recht  aus  den  internatio- 
nalen Beziehungen  verbannt,  und  wir  sind  im  Recht,  wenn  wir 
die  Skrupellosigkeit  öffentlich  zurückweisen,  mit  der  unser  Feind 
die  Rechte  der  Neutralen  und  Nichtkombattanten  mit  Füssen 
tritt.  Unter  solchen  Umstanden  liegt  es  uns  ob,  in  unserem 
eigenen  Verii alten  vorsichtig  zu  sein  und  dem  Feinde  keine 
Handhaben  zu  bieten,  zu  sagen,  dass  wir  gerade  der 
Vergehen  schuldig  sind,  deren  wir  ihn  beschuldigen 
Westminster  Gazette  vom  22.  Oktober  1914: 
Die  allgemeine  Lage. 

Die  verbündeten  Nationen  sind  sich  bewusst,  dass  sie  nicht 
für  egoistische  Interessen  kämpfen,  sondern  vor  allem  für  di« 
Aufrechterhaltung  dör  Unabhängigkeit  der  Völker  und  der 
Humanität. 

Antwort  der  verbündeten  Regierungen  vom  lO.  Januar  1917 
auf  die  Note,  die  der  Gesandte  der  Vereinigten  Staaten 
am  20.  Dezember  1916  mitgeteilt  hat.  Miscellaneous 
Nr.  5  (1917)  Cd.  8468  Nr.  3. 

Der  Grundsatz  ist  deutlich  und  bestimmt,  doch  die  gegen- 
wärtige Praxis  der  Regierungen  Grossbritanniens  und  Frank- 
reichs ist  offenbar  eine  Verletzung  des  Grundsatzes. 

Der  Gesandte  der  Vereinigten  Staaten  an  den  englischen 
Minister  des  Äussern.    Mise.  Nr.  20  (1916)  Cd.  8261  S.  4  Nr.  9. 

Man  hat  angenommen,  dass  Kriegführungsrechte,  mögen  sie 
heissen,  wie  immer,  nicht  wieder  aufleben,  wenn  Grossbritannien 
einmal  auf  sie  nach  sorgfältiger  Prüfung  mit  Rücksicht  auf  die 
Zivilisation  verziehtet  hat.    Vestigia  nuUa  retrorsum. 

Lushington,  Introduction  S.  X. 


Herrn  Oberlandesgerichtsrat 

Dr.  Ernst  Müller-Meiningen 

Abgeordneten  des  deutsehen  Reichstages 
und  des  bayrischen  Landtages 

als  Ausdruck 
dankbarer  Verehrung 


zugeeignet 


Vorwort 

Die  folgenden  Aiisfiilirung-en  sind  durch  Anregungen  ent- 
standen, die  von  Herrn  Direktor  Dr.  Artur  Buclienau  zu  Berlin, 
dem  ich  dafür  und  für  Durchsicht  der  Fahnen  und  der  Über- 
setzungen meinen  besonderen  Dank  ausspreche,  ausgingen  und  eine 
(luellenraässige  Nachprüfung  und  Begründung  des  bekannten  wert- 
vollen Werkes  des  Abgeordneten  Dr.  Müller-Meiningen  über 
den  Weltkrieg  und  den  „Zusammenbruch  des  Völkerrechts" 
(4.  Auflage,  1917,  Georg  Reimers  Verlag)  zum  Ziele  hatten.  Die 
Arbeit  hat  sich  im  Laufe  der  Studien  unter  der  Hand  von  diesem 
Ziele  freilich  weit  entfernt;  sie  hat  sich  schliesslich  eigene  selb- 
ständige Aufgaben  gestellt.  Insbesondere  sollen  —  ohne  Anspruch 
auf  Vollständigkeit  —  in  möglichst  objektiver  wissenschaftlicher 
Weise  die  Völkerrechtsverletzungen  Englands  auf  Grund  seiner 
eigenen  Literatur  dargestellt  und  als  solche  begriffen  werden. 
Zur  Erfüllung  dieser  Aufgabe  ist  auf  die  rechtsgrundsätzlichen  Ge- 
sichtspunkte zurückzugehen.  So  ist  es  vielleicht  möglich,  einen  Bau- 
stein zu  der  doch  schliesslich  einmal  eintretenden  Verständigung  und 
dem  unvermeidlichen  Wiederaufbau   des  Völkerrechts   beizutragen. 

Das  Buch  ist  im  wesentlichen  in  der  zweiten  Hälfte  1917 
fertig  gestellt.  Diese  J^ntstehungszeit  musste  zu  einer  ruhigen 
und  sachlichen  Darstellung  führen,  die  soweit  erreicht  sein  dürfte, 
dass  auch  von  neutraler,  ja  gegnerischer  Seite  dem  Buche  nicht 
der  Vorwurf  einer  einseitigen  Parteischrift  gemacht  werden  kann. 
Hierbei  soll-  und  wird  nicht  verkannt  werden,  dass  die  Wahl  der 
Aufgabe  eine  bestimmte  kritische  Stellungnahme  in  sich  schliesst, 
die  den  Angehörigen  der  Ententestaaten  zurzeit  nur  unter  der 
grössten  Zurückhaltung,  wenn  überhaupt,  möglich  ist.  Es  wäre 
schon  viel  für  die  Herbeiführung  einer  Verständigungsmöglichkeit 
erreicht,  wenn  mit  der  folgenden  Arbeit  darauf  hingewirkt  würde, 
dass  auch  die  Gegenseite  die  vermeintlichen  Völkerrechtsverletzungen 
der  Mittelmächte  von  dem  hier  vertretenen  Standpunkte  aus  auf- 
nehmen möchte,  so  dass  an  Stelle  der  ursprünglichen  leidenschaft- 
lichen Parteinahme,  wie  sie  in  den  ersten  beiden  Kriegsjahren 
fast  durchweg  und  erklärlicherweise  bei  den  Angehörigen  der 
Kriegsparteien  in  die  Erscheinung  trat,  eine  ruhige  kritische  und 


VI  ,  Vorwort 

selbstkritische  Betrachtung-  tritt.  Vielleicht  ist  dieses  Buch  selbst 
schon  eine  Äusserung  dieser  heute  wohl  allgemein  verbreiteten 
objektiveren  Stimmung? 

Die  angestrebte  objektive  Darstellung  erheischte  eine  gewisse, 
auf  den  ersten  Blick  vielleicht  überflüssig  erscheinende  und  viel- 
leicht auch  ermüdende  Vollständigkeit  der  mitgeteilten  Belags- 
stellen, weil  nur  so  eine  sofortige  Nachprüfung  ermöglicht '  und 
der  leicht  auftauchende  Verdacht  absichtlicher  Fortlassungen  aus- 
geschlossen werden  konnte.  Die  wissenschaftliche  Überzeugung 
der  grundsätzlichen  Möglichkeit  verschiedener  und  entgegengesetzter 
Stellungnahme  zu  den  gleichen  Gegenständen  geschichtlichen  Lebens 
musste  dem  Verfasser  Zurückhaltung  auferlegen  und  machte  es 
ihm  zur  Pflicht,  das  Material  als  solches  möglichst  unbearbeitet 
so  vor  dem  Leser  auszubreiten,  dass  er  sich  unbeeinflusst  und  un- 
verärgert von  einer  von  ihm  vielleicht  als  einseitig  empfundenen 
Überarbeitung  des  Materials  durch  den  Verfasser  seine  eigene,  selbst 
abweichende  Meinung  bilden  kann.  Ich  bin  mir  bewusst,  dass  diese 
Darstellungsweise  an  den  Leser  hohe  Anforderungen  stellt,  und 
kann  nur  den  Wunsch  aussprechen,  dass  diese  Anforderungen  von 
dem  Studium  der  Arbeit  nicht  abschrecken.  Für  den  Leser,  der  zu 
einer  solchen  Arbeit  keine  Zeit  oder  Neigung  hat,  oder  den  nur  eine 
einzelne  Frage  interessiert,  ist  durch  ein  sorgfältiges  Sachregister  und 
durch  die  bishernicht  üblichen,  aber  doch  vielleicht  empfehlenswerten 
Verweisungen  im  Literatur-,  Namens-  und  Fallverzeichnis  gesorgt. 

Den  Bibliotheken  des  Auswärtigen  x\mtes  und  des  Reichs- 
tages, wie  der  Kriegssammlung  der  Königlichen  Bibliothek  zu 
Berlin  bin  ich  für  die  Bereitwilligkeit  zu  Dank  verpflichtet,  mit 
der  sie  mir  ihre  an  anderen  Stelleu  (z.  B.  Kgl.  Institut  für  See- 
verkehr und  \Velt^virtschaft  in  Kiel,  dem  ich  das  Material  Anm.  99 
verdanke)  schwer  zugänglichen  Schätze  zur  Verfügung  gestellt  haben. 

Dem  Aufbau  des  Buches  und  seinem  äusseren  Gewände  sind 
wertvolle  Anregungen  des  Herrn  Professor  Fleisch  mann  und  die 
vorbildliche  Mitarbeit  des  während  der  Drucklegung  verstorbenen 
Inhabers  der  Verlagsfirma,  des  Herrn  Handelsrichters  Max  Müller, 
zustatten  gekommen.  Meinem  Freunde,  Herrn  Professor  Dr.  Max 
Frischeisen- Köhler,  danke  ich  für  manche  Vorschläge,  insbe- 
sondere zu  den  allgemeinen  Fragen  und  den  Übersetzungen. 

Berlin,  im  November  1918.  Der  Verfasser. 


Inhaltsverzeichnis 

Seite 

Erstes  Kapitel 

Gibt  CS  Yerl)iii(llielie  ViUkerreelitssätzo  i 

§  1.     Einleitende  Bemerl^ungen 1—4 

§  2.     Die   massgebenden  Vöil^errechtssatzungen    (Haagcr  Abkommen, 

Londoner,  Pariser  Deklarationj 4—9 

§  ?>.     Die    Ansichten    der  Rechtslehrer,    Gerichtsentscheidungen    und 

diplomatischen  Schriftstücite  der  Ententestaalen    ....  9—12 

a)  Die  Ansichten  in  den  diplomatischen  Schriftstücken       .     .  9—11 

b)  Die  Ansichten  in  den  Gerichtsentscheidungen 11—12 

c)  Die  Ansichten  der  Völkerrechtslehrer 12 

§  i.     Grundsätzliche    Einwendungen    gegen    die    Anwendbarkeit   ver- 
bindlicher Völkerrechtssätze 13—24 

n.)  Vergeltungsmassregeln    der    kriegführenden    Staaten    und 

die  Rechte  der  Neutralen .'....       13—18 

h)  Schluss  von  der  Notwendigkeit  und  Tauglichkeit  der  an- 
gewandten Mittel  auf  ihre  Rechtmässigkeit       18  —  24 

§  5.     Art.  23  h  der  Landkriegsordnung 24—29 

Zweites  Kapitel 

Vorliältnis  von  Yölkerrecbt  und  Landesrecht 

(als  Mittel  zur  Nichterfüllung  völkerrechtlicher  Verbindlichkeiten). 
§  6.    Der  Standpunkt  der  englischen  Rechtslehre  und  -praxis  30—33 

a)  Die  ältere  englische  Eechtslehre       30—31 

bj  Die  jüngere  englische  Eechtslehre of"^^ 

c)  Der  Standpunkt  der  Gerichte 33 

§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung '  .     .      34—44 

a^  Die  Auseinandersetzung  mit  der  Regierung  der  Vereinigten 
Staaten  über  die  Verbringung  neutraler  Schiffe  in  eng- 
lische Häfen 34—40 

b)  Die  Auseinandersetzung  mit  der   gleichen  Regierung  über 

das  Verbot  des  Handels  mit  dem  Feinde  (Schwarze  Listen  u.  a.)       40—43 

c)  Die  Haltung  der  englischen  Regierung  im  amerikanischen 
Bürgerkriege       43—44 

Drittes  Kapitel 

Die  Tölkerreelitliclie  Bedeutung  der   englischen 
Seekriegshestimniunuen    über    Beiveislast    und 
BeweisTerrautungen. 

§  8.     Die  Auffassung   der   Regierung   Englands   und   der  Vereinigten 

Staaten  in  ihrem  diplomatischen  Schriftwechsel     ....  44—55 

§  9.     Die  völkerrechtliche  Bedeutung  des  Schriftwechsels     ....  56—58 

aj  Der  Trentfall 56—57 

b)  Rechtliche  Würdigung 57—58 


YIJJ  Inhaltsverzeichnis 

Seite 
Viertes  Kapitel 

Die  üiizulässigkeit  der  britisclieii  Seeliriegsmass- 
iialimen  in  englisclier  Beleuclituiig. 

Zusammenfassung    der   Rechtsgrundsätze     in    den    britischen 

Seekriegsmassnahmen       59—60 

§  10.    Die  englische  Stellungnahme  im  Burenkriege  und  im  amerilia- 

nischen  Bürgericriege 60—75 

a)  Die    englische    Stellungnahme    im    Buvcnkriege    gegenüber 
Deutschland 60-62 

b)  Die  angebliche  und  wirkliche  Haltung  Englands  im  Spring- 

bokfall 62-65 

c)  Sonstige     Stellungnahme     Englands     im     amerikanischen  ^ 
Bürgerkriege       66—75 

§  11.  Die  englische  Stellungnahme  im  französisch-chinesischen  Kriege 
1885,  im  japanisch-russischen  Kriege  1904  und  bei  den  Ver- 
handlungen über  die  Ratifikation  der  Londoner  Deklaration  75—89 

a)  Der  englische  Standpunkt  im  franz. -cliincsisclion  Kriege  1885  75 — 77 

b)  Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  im  russisch-japa- 
nischen Kriege  1904 j     •     •  77—82 

c/i  Der  Fall  des  englischen  Schiffes  Oldhamia  in  diesem  Kriege      82—84 
dl  Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  bei  den  Verhand- 
lungen über  die  Ratifikation  der  Londoner  Deklaration  mit 
den  ihr  widerstrebenden  englischen  Handelskammern     .     .       84—86 
e)  Rechtliche  Würdigung 86—89 

Fünftes  Kapitel 

Die  Üiizulässigkeit    Ijritischer   Laiidkriegsmass- 
iialiiiieii  in  englischer  IJeleuclitung. 

§  12.     Die    englischen    Gesetze    über    die    Heranziehung    russischer 

Staatsangehöriger  zum  englischen  Heeresdienste    ....      91—96 

§  13.     Der  überlieferte  englische  Standpunkt  über  die  unverletzliche 

Rechtsstellung  der  eingewanderten  Fremden       96—99 

Sechstes  Kapitel 

Die  Vergewaltigung   Grrieclienlands   und   der 
Einmarsch  in  Belgien. 

§  14.    Vergewaltigung  Griechenlands 99  —  102 

§  15.     Einmarsch  in  Belgien 102—104 

Siebentes  Kapitel 

Schlussbetrachtung. 

§  16.    Die  praktisch-politische  Bedeutung  von  Staatsverträgen     .     .  104—106 

§  17.     Charakteristik  des  englischen  Wesens 106—110 

§  18.    Folgerungen  und  Ausblicke 110—116 

Anhang.   Aus  Brewer:  Rechte  und  Pflichten  der  Neutralen,  Kap. XV    117—120 

Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis 121 — 138 

Zusammenstellung   der  im  Text  benutzten,   insbesondere   englischen 

Parlaraentspapiere  und  sonstigen  amtlichen  Veröffentlichungen  139 — 143 

Rechtsquelleu • 143—144 

Sachregister       145— -149 


Erstes  Kapitel 

Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

,üii(l  diese  Idee-  (der  Menscliheit)  „muss,  wenn  das  Völker- 
recht wirklich  Recht  sein  und  sich  fortentwickeln  soll,  auch 
gegenwärtig  und  in  Zukunft  als  rechtlich  massgebliches  Prinzip 
anerkannt  werden.  Jede  von  irgendeiner  Seite  vorgebrachte 
vertretene  völkerrechtliche  Norm,  jedes  internationale  Verhalten 
muss  der  Prüfung  unterworfen  sein,  ob  bei  allgemeiner  An- 
wendung und  Beobachtung  die  gedeihliche  Existenz  und 
Fortentwicklung  der  gesamten  Menschheit  nicht  nur  möglich, 
sondern  wahrscheinlich  ist,  einer  Prüfung,  bei  welcher  die 
Tradition,  die  oftmals  erfolgte  Beobachtung  oder 
Billigung   Berücksichtigung  verlangt"'). 

Ludwig  V.  Bar,  Archiv,  158. 

§    1 

Einleitende  Bemerkungen. 

Die  neutralen  und  die  kriegführenden  Mächte  haben  sich  in 
ihren  zahlreichen  Veröffentlichungen  zum  Krieg  für  die  von  ihnen 
eingenommenen,  sich  widersprechenden  Standpunkte  auf  das 
Völkerrecht  berufen  und  die  von  ihnen  zurückgewiesenen  Hand- 
lungen als  völkerrechtswidrig  bezeichnet.  Dieser  Streit  der 
Meinungen  ist  ein  Streit  über  Völkerrechtssätze ;  deren  Feststellung 
ist  einhellig  überhaupt  kaum  möglich.  Ist  schon  in  jedem  ernsten 
Zivil-  oder  Strafprozess  die  Entscheidung  zweifelhaft,  und  die 
innere  Anerkennung  der  schliesslich  vom  Gericht  getroffenen  Ent- 
scheidung abhängig  von  dem  Standpunkt  des  Anerkennenden,  wie 
ihn  vielfach  sein  Interesse  bestimmt,  so  ist  die  Stellungnahme  zu 
dem  über  das  bekannte  Mass  weit  hinausragenden  Kriegsverfahren 
von  der  in  den  genannten  Verfahren  grundsätzlich  nicht  ver- 
schieden. Hier  wie  dort  muss  davon  ausgegangen  werden,  dass 
oft  Tatbestand  wie  Rechtssatz  mehrdeutig  sind,  und  dass  vielfach 


')   Die   Hervorhebung   der  {luicli    Druck   hervorgehobenen   Stelleu    stammt 
yom  Verfasser,  wenn  nicht  ausdrücklich  etwas  anderes  gesagt  ist. 

Bendix,  Vülkerrechtsverletzungen  1 


2  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

keine  Brücke  von  der  Deutung  des  einen  Interessenten  zu  der 
seines  Gegeninteressenten  führt.  Während  aber  in  der  innerstaat- 
lichen Gesetzgebung  eine  formell  allgemein  anerkannte  Satzung 
gegeben  ist,  fehlt  es  an  e'iner  solclien  vielfach  im  Völkerrecht; 
und  wenn  wirklich  in  Staatsverträgen,  die  keine  Klauseln  ent- 
halten, die  ihre  Wirksamkeit  wieder  aufheben,  zweifelsfreie  ge- 
setzliche Grundlagen  gegeben  zu  sein  scheinen,  dann  werden  diese 
wiederum  durch  die  allgemeinen  Grundsätze  des  Rechts  der 
Kriegführung  oder  des  Rechts  der  Selbsterhaltung  in 
Frage  gestellt. 

Ist  es  doch  keine  Seltenheit,  dass  eine  Kriegspartei  ihr  an- 
gefochtenes Verhalten  als  notwendige  Fortbildung  des  Völkerrechts 
in  Anspruch  nimmt,  was  von  der  dadurch  betroffenen  Gegen- 
partei als  ein  Rechtsbruch  mit  mehr  oder  weniger  starken 
Worten  gebrandmarkt  wird,  und  dass  diese  alsbald  in  gleicher 
Weise  verfährt  und  beurteilt  wird.  Die  in  ihren  Interessen  sich 
beeinträchtigt  fühlenden  Neutralen  verneinen  die  Möglichkeit  einer 
solchen  nach  ihrer  Meinung  einseitigen  Fortbildung  des  Kriegs- 
rechts auf  ihre  Kosten  und  können  doch  vielleicht  nicht  in  Ab- 
rede stellen,  dass  bei  der  erforderlich  gewordenen  künftigen  Neu- 
ordnung als  nunmehr  geltendes  Recht  anerkannt  werden  wird, 
was  sie  als  unrecht  zurückgewiesen  haben. 

Das  Völkerrecht  entwickelt  sich  also,  wie  es  jedes  Recht  tut, 
auch,  und  ganz  besonders,  durch  Rechtsverletzung-).  Der  Rechts- 
brecher kann  der  Prophet  einer  neuen  und  der  Toten- 
gräber einer  alten  Zeit  sein;  sein  Tun  kann  dadurch  ver- 
letzten Grundsätzen  zu  neuem  Glänze  verhelfen  oder  neue  Grund- 
sätze aufstellen.  Das  mehr  oder  weniger  dringende  Interesse 
hat  noch  immer  die  Handlungen  bestimmt  und  zur  Behauptung 
ihrer  Rechtmässigkeit  geführt,  das  Interesse  hat  noch  immer  den 
Splitter  im  Auge  des  Gegners  erkannt  und  gegen  den  Balken  im 


*)  Ganz  anders  und  grundsätzlicii  vmbaltbar  Eltzbacher,  für  den  es 
keine  Völkerrecbtsverletzungen,  ja  eigentlich  überhaupt  keine  Rechtsverletzungen 
gibt,  weil  sie  bereits  neues  „lebendes"  (?!)  Recht  sein  sollen.  Aebnliche  Aeusse- 
rungen  bei  Grafton  Wilson,  passim.  Siehe  dagegen  Root  393,  Fricker  (1872) 
359,  (1878)  384,  von  Bar,  Bnrenkrieg  60  und  Archiv  145;  dagegen  Schoen, 
den  wieder  Nelson  widerlegt.  Bruno  Schmidt  214 fg. :  „Die  Verletzbarkeit 
des  Rechts  liegt  notwendig  im  Begriffe  des  Rechts,  das  Vorhandensein  von  Un- 
recht ist  .  .  .  geradezu  Voraussetzung  der  Annahme  von  Recht". 


§  1.     Einleitende  Bemerkungeü  3 

eigenen  Auge  blind  gemacht,  und  jede  der  Parteien  wird  dieses 
von  der  anderen  behaupten,  •  wenn  sie  überhaupt  auch  nur  das 
Vorhandensein  eines  Splitters  im  eigenen  Auge  gesteht.  Ein 
solches  Zugeständnis  ist  von  keiner  Kriegspartei  erklärt  worden, 
bis  auf  die  bekannten  Erklärungen  des  deutschen  Reichskanzlers 
über  den  Einmarsch  in  Belgien.  Es  fragt  sich  freilich,  ob  nicht 
in  der  Behauptung  einer  Fortbildung  des  Völkerrechts,  in  der 
stets  wiederkehrenden  Verweisung  auf  die  veränderten  Verhält- 
nisse des  modernen  Krieges  stillschweigend  ein  Widerspruch  des 
verteidigten  Tuns  mit  den  anerkannten,  bis  dahin  geltenden  Regeln 
des  Völkerrechts  ausgesprochen  und  damit  zugleich  auch  deren 
Verletzung  angenommen  wird.  Die  Entscheidung  dieser  Frage 
wird  sicherlich  von  offenen  oder  geheimen  Interessengesichtspunkten 
bestimmt  werden,  wenn  auch  der  Entscheidende  sich  darüber  viel- 
leicht selbst  nicht  klar  wird. 

Aber  der  im  folgenden  gelegene  wichtige  objektive  Gesichts- 
punkt ist  doch  bei  der  Entscheidung  zu  beachten :  Es  ist  das  tra- 
gische Schicksal  des  Rechts,  dass  es  immer  den  Tatsachen  nachhinkt. 
Jede  Rechtssatzung  kann  immer  nur  den  im  Augenblick  der  Rechts- 
schaffung gegebenen  und  aufgegebenen  Sachverhalt  regeln ;  sie  will 
nur  dieses  und  kann  gar  nichts  anderes  wollen,  weil  kein  Gesetz- 
geber die  Zukunft  vollständig  vorwegnehmen  kann.  Machen  neue 
Verhältnisse  neue  Satzungen  nötig,  so  mögen  und  können  solche 
gefordert  und  auf  dem  früheren  Wege  erlassen  w^erden.  Die  alte 
Satzung  ist  so  lange  auch  im  Widerspruch  zu  den  neuen  Verhält- 
nissen Rechtens,  als  sie  nicht  in  ordnungs  massig  er  Weise  einer 
neuen  Platz  gemacht  hat.  Völkerrecht  entsteht  aber  nur  durch 
übereinstimmenden  Verkehr  der  Staaten  untereinander  (Staaten- 
praxis) und  formelle  Abmachungen.  Beide  zusammen  sind  Aus- 
fluss  einer  bestimmten  Rechtsüberzeugung,  die  bei  Stellungnahme 
zu  Auslegungs fragen  und  staatlichen  Verhaltungsweisen  von  Be- 
deutung ist,  insbesondere  w-enn  Zeugnisse  dieser  Rechtsüberzeugung 
aus  einer  Zeit  vorhanden  sind,  aus  der  noch  kein  besonderes  In- 
teresse eine  bestimmte  Antwort  erheischte.  Als  derartige  Zeug- 
nisse kommen  insbesondere  die  Lehrmeinungen  der  Rechtsgelehrten 
des  betreft'enden  Landes,  seine  Gerichtsentscheidungen  und  die 
Äusserungen  seiner  diplomatischen  Vertreter  aus  der  genannten 
Zeit  in  Betracht. 

1* 


4  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

Wird  vorläufig  einmal  unterstellt,  dass  sich  durch  Benutzung 
dieser  objektiven  Zeugnisse  als  zweifelsfrei  allgemein  anzu- 
erkennende Völkerrechtssätze  feststellen  Hessen,  so  ist  indessen 
noch  zu  beachten,  dass  es  auch  ausserrechtliche  Handlungen 
der  kriegführenden  Staaten  gibt,  die  überhaupt  in  Rechtssätze  nicht 
eingeordnet  werden  können.  Die  Besetzung  eines  Landes  ist  eine 
Kriegshandlung,  seine  Annexionserklärung  und  die  Annexion  sind 
Rechtshandlungen,  durch  die  völkerrechtliche  Vertragsverpflich- 
tungen verletzt  werden  können.  Das  Verbot  der  Ausfuhr  nach 
neutralen  Ländern  kann  ein  unfreundlicher  politischer  und  un- 
menschlicher Akt  sein  und  als  politisches  Druckmittel  benutzt 
werden,  völkerrechtswidrig  wird  es  erst,  wenn  es  bestimmten 
Vertragspflichten  zuwiderhandelt.  Die  Staaten  der  Völkerrechts- 
gemeinschaft sind  wie  die  Individuen  zum  Rechtsverkehr  nicht 
verpflichtet,  wenn  nicht  besondere  Verbindlichkeiten  nach  dieser 
Richtung  übernommen  sind,  wie  dies  zumeist  in  den  Handels- 
verträgen geschehen  sein  wird. 

Die  Entscheidung  der  Frage,  ob  bestimmte  völkerrechtliche 
Rechtssätze  eigentlich  in  den  vielen  Rechtskonflikten  des  Welt- 
krieges gelten,  wekhe  dies  sind,  und  wie  sie  in  den  einzelnen 
Konflikts  fällen  auszulegen  sind,  wird  entsprechend  der  Stellung- 
nahme zu  den  vorstehenden  Ausführungen  verschieden  ausfallen. 
Die  folgenden  Darlegungen  bauen  sich  auf  den  vorgenannten 
Zeugnissen  auf  und  erwarten  Zustimmung  nur  von  denen,  die 
einen  nach  Objektivität  strebenden  Ausgangspunkt  für  gerecht- 
fertigt erachten. 

§  2 
Die  massgebenden  YölkeiTOchtssatzungen. 

Als  massgebende  Völkerrechtssatzungen  kommen  die  Haager 
Abkommen,  die  Londoner  und  die  Pariser  Deklaration  in  Betracht. 

a)  Haag  er  "Ab  kommen.  Eine  vollständige  Übereinstimmung 
aller  Signatarmächte  ist  nicht  erzielt:  es  gibt  kaum  einen  Ver- 
trag, zu  dem  nicht  ein  Vertragsstaat  einen  Vorbehalt  erklärt  hat, 
und  nicht   einen,   in   dem   sich   nicht  die   Allbeteiligungsklausel ^) 


*)  „Die  Bestimmungen  dieses  Abkommens  sind  nur  unter  den  vertrag- 
schliessenden  Mächten  anwendbar  und  nur  dann ,  wenn  alle  Kriegfniirenden 
sämtlich  Vertragsparteien  sind".     Vgl.  hierzu  Anm.  18. 


§  2.     Die  massgebenden  Völkerrechtssatzungen  5 

findet,  die  zur  Ungültigkeit  der  Konvention  füliren  müsste,  weil 
die  Kriegführenden  nicht  sämtlich  Vertragsparteien  sind.  Aber 
wenn  selbst  die  formelle  Uuverbindlichkeit  aller  Haager  Abkommen 
von  1907  angenommen  würde,  die  ja  vielfach  in  der  Literatur 
imd  in  diplomatischen  Schriftstücken  der  kriegführenden  Staaten 
vertreten  wird,  die  Haager  Vereinbarungen  haben,  über  die  Frage 
ihrer  formellen  Verbindlichkeit  liinaus,  eine  viel  weitertragende 
Bedeutung.  Sie  sind  der  Ausdruck  der  allgemeinen  Rechtsüber- 
zeugung unserer  Kulturstaaten;  die  Berufung  auf  sie  ist  der 
Appell  an  die  erklärte  Rechtsüberzeugung  der  Kulturstaaten  und 
erübrigt  den  Nachweis  des  geltend  gemachten  Rechtssatzes  aus 
der  Staatenpraxis.  Wenn  deshalb  auch  die  kriegführenden  Staaten 
je  nach  dem  Interesse,  das  sie  vertreten,  die  Unverbindlichkeit 
der  Haager  Abkommen  oder  des  gerade  in  Betracht  kommenden 
Vertrages  ausdrücklich  hervorheben  oder  auch  nur  zaghaft  an- 
deuten oder  ganz  dahin  gestellt  sein  lassen,  so  hindert  sie  das 
nicht,  sich  auf  die  Haager  Abkommen  zu  berufen,  wenn  sie  ein 
bestrittenes  Recht  verteidigen  oder  die  Rechtsverletzungen  des 
Gegners  beweisen  wollen,  wie  auch  die  neutralen  Staaten  grund- 
sätzlich unangefochten  die  Bestimmungen  der  Haager  Ab- 
kommen zur  Rechtfertigung  ihres  Standpunktes  anführen.  Die 
Haager  Abkommen  sind  also  die  öffentliche  Meinung  der  Regierungen 
und  somit  Völkerrecht,  wenn  anders  die  Begriffsbestimmung 
Hollands  richtig  ist,  nach  der  Völkerrecht  ist 

„die  allgemeine  Überzeugung  der  Regierungen  der  zivilisierten  Welt  von  den 
Rechten,  durch  die  jeder  Staat  gerechtfertigt  sein  würde,  der  zu  ihrem 
Schutze  seine  Zuflucht  zu  den  Waffen  nähme"  *). 

Diese  Sach-  und  doch  auch  Rechtslage  bringen  die  Einleitungs- 
worte   der  meisten   Haager  Konventionen  zum   klaren  Ausdruck. 


')  Studies  194.  Vgl.  auch  Westlake  3,  II  145  und  Lawrence,  Principles 
665,  ebenso  Phillipson,  Great  War  351  und  Effect  of  war  5,  Eysinga 
(1915)  67,  (1916)  96,  Stier-Souilo  125.  Für  unsere  Betrachtungen  genügt 
schliesslich  auch  die  als  solche  recht  zweifelhafte  Begriftsbestimmung  Woodrow 
Wilsons  455:  „Das  Völkerrecht  ist  ein  Recht,  das  auf  den  ungeschriebenen 
Grundsätzen  des  Rechttuns,  der  Gerechtigkeit  und  der  Rücksichtnahme  beruht, 
die  eine  so  allgemeine  Zustimmung  im  Gewissen  der  Völker  und  eine  'so  all- 
gemeine Annahme  in  den  Moralbegriffeu  der  Menschen  überall  gefunden  haben, 
dass  man  sie  als  Naturgesetz  bezeichnen  kann,  die  jedoch  ethischen  Grund- 
sätzen viel  näher  stehen,  als  dem  wirklichen  Recht".  Das  Entscheidende  ist, 
dass  diese  Grundsätze  allgemciu  anerkannt  werden,  und  dass  Zuwiderhandluugeu 
gegen  sie  als  Rechtsverletzung  empfunden  und  bezeichnet  werden. 


6  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

Nach  diesen  soll  nicht  neues  Recht  geschaffen,  sondern  es  sollen 
anerkannte  Bestimmungen  und  Gewohnheiten  enger  umschrieben 
und  klarer  ausgedrückt  werden.  Wenn  also  später  Bestimmungen 
der  Haager  Abkommen  bei  der  Beurteilung  völkerrechtlich  erheb- 
licher Massnahmen  der  Ententestaaten  zugrunde  gelegt  werden, 
so  kann  ganz  dahin  gestellt  bleiben,  ob  diese  Bestimmungen  for- 
mell verbindlich  sind.  Ihre  Anwendung  als  Bcurteilungsmassstab 
hat  bei  Annahme  ihrer  formellen  Unverbindlichkeit  alsdann  die 
Bedeutung,  dass  sie  Übereinstimmung  mit  oder  Abweichung  von 
der  allgemein  anerkannten  Rechtsüberzeugung  erkennen  lassen.  Im 
Verkehr  der  Staaten  untereinander  ist  dies  vielleicht  wichtiger, 
als  ein  formell  gültiger  Rechtssatz,  dessen  Inhalt  und  Tragweite 
von  dem  interessierten  Staate  bestritten  werden  kann  und  wird, 
wie  dies  beim  Artikel  23  h  geschehen  ist.    (Siehe  unten  §  5.) 

b)  Londoner  Deklaration.  Die  vorstehenden  Ausführungen 
gelten  entsprechend  auch  für  die  Londoner  Deklaration,  obgleich 
sie  mangels  Ratifikation  formell  überhaupt  völkerrechtlich  un- 
gültig ist^). 

In  der  Note  von  Sir  Edward  Grey  an  den  schwedischen 
Gesandten  Grafen  Wrangel  vom  31.  Januar  1916^)  heisst  es 
wohl  unter  Nr.  7: 

„Ich  lasse  als  gänzlich  unerheblich  das  Argument  beiseite,  das  sich  auf 
die  Londoner  Deklaration  gründet"  .  .  . 

Aber  in  der  Erwiderung  vom  11.  Februar  1916  wird  geltend 
gemacht : 

„Was  die  Londoner  Deklaration  anlangt,  so  wird  genügen,  daran  zu 
erinnern,  dass  sie  zu  London  unterzeichnet  ist,  und  zwar  auf  die  Initiative 
Grossbritannieus  hin,  und  in  den  Eingangsworten  bestätigte,  „dass  die  darin 
enthaltenen  Regeln  im  wesentlichen  den  allgemein  anerkannten  Grundsätzen 
des  internationalen  Rechts  entsprechen".  Diese  Behauptung,  welche  die  Re- 
gierung Seiner  Britannischen  Majestät  gewiss  nicht  in  Abrede  stellen  wird,  ist 
als  Regel  bekanntlich  unbestreitbar". 

c)  Pariser  Deklaration.  Die  Rechtsgültigkeit  der  Pariser 
Deklaration  steht  ausser  Zweifel,  obgleich  sie  von  England  nicht 
ratifiziert  worden  ist  und  sich  dort  wirklich  ein  politischer  Schrift- 


')  Vgl.  statt  vieler  Stier-Somlo  127  ff. 

6)  Mise.  Nr.  28  (1916)  Cd.  8322,  10  und  13  (vgl.  auch  9  und  13  in  bezug 
auf  die  Geltung  der  XI.  Haager  Konvention).  Siehe  auch  Nr.  9  Memorandum 
vom  12.  10.  16,  Mise.  Nr.  2  (1917)  Cd.  8438. 


§  2.     Die  massgebenden  Völkerrechtssatzungen  7 

steiler')  gefunden  hat,  der  deshalb  ihre  völkerrechtliche  Unver- 
bindlichkeit  behauptet  hat.  Es  genügt,  T.E.Holland  zu  zitieren, 
der  sagt: 

„Es  kann  nun  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  die  Bestimmungen,  die  in 
der  Pariser  Deklaration  von  1856  getroffen  sind,  —  möglicherweise  mit  Aus- 
nahme des  Verbots  der  Kaperei  —  durch  die  allgemeine  Annahme  während 
60  Jahren,  verstärkt  durch  ausdrücklichen  Beitritt  so  vieler  Regierungen, 
ein  Teil  des  internationalen  Rechts  und  daher  auch  für  Grossbritannien,  trotz- 
dem die  Ratifikation  der  Deklaration  unterlassen  wurde,  bindend  geworden 
sind Bei  diesem  frülieren  Versuche  der  Gesetzgebung  für  die  Krieg- 
führung scheint  es  für  ausreichend  erachtet  worden  zu  sein,  dass  die  Abschlüsse, 
zu  denen  die  amtlichen  Delegierten  gelangt  sind,  veröffentlicht  wurden,  ohne 
in  einen  Vertrag  aufgenommen  zu  sein"  ®). 

Warum  das  Verbot  der  Kaperei  möglicherweise  ausgenommen 
sein  soll,  begründet  Holland  nicht  weiter.  Er  kann  es  wohl 
auch  nicht '').  w^eil  hier,  wie  so  häufig,  der  Wunsch  der  Vater  des 
Gedankens  ist,  und  die  als  solche  erkannte  Möglichkeit,  im  gegen- 
wärtigen Kj"ieg  eine  von  der  Regel  abweichende  Handlung  be- 
gehen und  verteidigen  zu  sollen,  zur  Erweckerin  des  Zweifels  an 
der  Geltung  einer  solchen  lästigen  Regel  geworden  sein  dürfte. 
Man  braucht  ja  nur  die  englische  Deklaration  vom  29.  März  1854 
und  die  an  den  entscheidenden  Stellen  gleichlautende  noch  gültige 
Order  in  Coimcil  vom  15.  April  1854  ^°)  und  die  französische  De- 
klaration  vom    29.  März  1854,    welche   zur   Pariser   Deklaration 


')  Bowles,  Declaration,  besonders  Ch.  XII. 

*)  Supplement,  Brief  vom  13.  August  1916,  p.  33,  und  schon  1905  in  Neu- 
tral Duties  p.  9  und  10  unter  Aufgabe  des  noch  in  Nr.  142  des  Manual  ver- 
tretenen, die  Rechtsverbindlicbkeit  der  Pariser  Deklaration  erheblich  einschrän- 
kenden Staudpunktes. 

')  Siehe  Ti verton  5,  Latifi  90ff.,  Ben t wich,  Private  property  15, 
Lushington.  Introduction  X,  Scott,  Cases  900,  Cobbett  vol.  I  10,  vol. 
II  393.  Holland  denkt  vielleicht  an  sec.  39  der  Naval  Prize  Act  1864: 
„Jedes  Schiff  oder  Gut,  das  als  Prise  durch  die  Offiziere  und  Mannschaften 
eines  anderen  Schiffes  als  das  eines  Kriegsschiffs  Ihrer  Majestät  ge- 
nommen ist,  soll  .  .  .".  Doch  damit  ist  über  die  völkerrechtliche  Zulässigkeit 
der  Kaperei  nichts  gesagt.  Wegen  ihrer  Unzulässigkfeit  ist  denn  auch  sec.  39 
nicht  praktisch  geworden.  Sec.  39  ist  nur  das  Ueberbleibsel  einer  alten  unan- 
wendbar gewordenen  Regel,  wie  sie  schon  die  Proklamation  Karls  I.  1625 
(bei  Snow  463)  enthält. 

*")  Supplement  to  the  London  Gazette  8.  March  1854.  Vgl.  Niemeyer 
Teil  II  65,  abgedruckt  auch  bei  Holland,  Manual  119  im  Anschluss  an  Nr.  142. 
Holland  hat  anscheinend  die  Fortgeltung  dieser  Order  nicht  beachtet,  die 
Lord  Evans  im  Fall  Möwe  (Prize  Gases  71)  annimmt,  und  die  eine  formelle 
Ratifikation  der  Deklaration  erübrigte,  da  seine  Bestimmungen  durch  die  Order 
bereits  Landesrecht  geworden  waren. 


8  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrcchtssätze? 

führt,  zu  beachten,  um  zu  erkennen,  dass  ihre  berühmten  vier 
Regeln  insgesamt  nicht  angezweifelt  werden  dürfen.  In  der  grund- 
legenden englischen  Deklaration  vom  28.  März  1854  heisst  es : 

„.  .  .  .  sie  (Ihre  Majestät)  imiss  das  Recht  des  Kriegführenden  aufrecht 
erhalten,  Neutrale  daran  zu  hindern,  jede  effektive  Blockade  zn  brechen, 
welche  mit  einer  ausreichenden  Macht  gegen  des  Feindes 
Festungen,  Häfen  oder  Küsten  aufrecht  erhalten  wird. 

Aber  Ihre  Majestät  will  das  Recht  aufgeben,  feindliches  Gut  in 
Beschlag  zu  nehmen,  das  sich  an  Bord  neutraler  Schiffe  befindet, 
mit  Ausnahme  von  Kriegskouterbande. 

Es  ist  nicht  Ihrer  Majestät  Absicht,  mit  Ausnahme  von  Kriegskonterbande 
die  Konfiskation  neutralen  Gutes  in  Anspruch  zu  nehmen,  das 
sich  auf  feindlichen  Schiffen  befindet;  und  ferner  erklärt  Ihre  Ma- 
jestät, dass  ...  es  ihre  Absicht  gegenwärtig  nicht  ist,  Kap  erb  riefe  aus- 
zustellen". 

Der  amerikanische  Gesandte  in  London,  Mr.  Page,  sagt  in 
seiner  Note  vom  5.  November  1915  unter  Nr.  19^'): 

„Die  Deklaration  von  Paris  aus  dem  Jahre  1856,  welche  allgemein  als 
eine  zutreffende  Fassung  des  internationalen  Rechtes  über  Blockade  anerkannt 
worden  ist  ..." 

ein  Ausspruch,  der  in  der  eingehenden  Erwiderung  des  Memoran- 
dums vom  24.  April  1916  unter  Nr.  35  als  solcher  nicht  zurück- 
gewiesen, sondern  als  zutreffend  unterstellt  worden  und  damit 
nach  der  gründlichen  Art"  des  diplomatischen  Schriftwechsels  an- 
erkannt worden  ist. 

Schliesslich  mag  hier  auch  noch  die  diplomatische  Antwort 
Greys  auf  die  Frage  Ton  Lord  Beresford  Platz  finden,  die  dieser 
am  8.  Dezember  1915  im  House  of  Commons  stellte, 

„ob  er  bemerkt  habe,  dass  Seiner  Majestät  Regierung  beliauptet  habe,  die 
Order  in  Council  vom  11.  März  1915  berühre  nicht  die  Geltung  der  Pariser 
Deklaration  von  1856,  der  Londoner  Deklaration  von  1908,  der  14  Haager 
Abkommen  von  1907  und  alle  die  juristischen  Feinheiten,  die  sich 
auf  Konterbande  und  das  Recht  der  Kaperei  zur  See  beziehen ;  oder  ob  er  be- 
merkt habe,  dass  gemäss  dieser  Behauptung  Seiner  Majestät  Regierung  erklärte, 
die  Deklaration  von  London  habe  keine  internationale  Geltung,  und  ob  er 
dem  Hause  auseinander  setzen  wolle,  welche  der  erwähnten  Deklarationen  etc. 
gültig,  und  welche  ungültig  seien?" 

Grey  erwiderte: 

„Die  Geltung  oder  Ungültigkeit  der  erwähnten  Urkunden  hängt  von  den 
Vorschriften  der  Urkunden  selbst  ab,  auf  die  ich  den   edlen  Lord  wegen   der 


")  Mise.  Nr.  15  (1916)  Cd.  8234,  Nr.  1  und  2. 


§  3.     Rcchtslehrer,  Gerichte,  Diplomatie  9 

Informationen  verweisen  nuiss,  die  er  wünscht.  Ihre  Geltung  ist,  Avas 
sie  immer  gewesen  ist.  Die  Deklaration  von  London  hat  niemals  als 
eine  Konvention  irgendeine  Geltung  gehabt ,  weil  Artikel  67  die  Ratifikation 
vorsieht,  und  die  Deklaration  niemals  ratifiziert  wurde"  ^^). 

Man  muss  doch  aus  dem  Gegensatz  der  beiden  letzten  Sätze 
schliessen,  dass  die  in  der  Frage  genannten  völkerrechtlichen  Ab- 
machungen mit  Ausnahme  der  Londoner  Deklaration  von  Grey 
als  gültig  anerkannt  sind,  wenn  auch  nicht  verkannt  werden  kann, 
dass  Grey  seine  sehr  vorsichtigen  Worte  noch  dahin  auslegen 
kann,  auch  die  übrigen  Abkommen  oder  doch  einzelne  von  ihnen 
seien  nicht  immer  für  gültig  gehalten  worden,  und  insoweit  und 
deshalb  habe  er  ihre  Geltung  auch  nicht  anerkannt. 

Wie  nach  den  wiedergegebenen  Äusserungen  an  der  Geltimg 
aller  Bestimmungen  der  Pariser  Deklaration  kein  Zweifel  bestehen 
kann,  so  werden  auch  die  Ausführungen  zu  a  und  b  durch  die 
Ansichten  bestätigt,  welche  die  Rechtslehrer,  die  Gerichts- 
entscheidungen und  diplomatische  Schriftstücke  der  Ententestaaten 
und  der  Neutralen  vortragen. 

§  3 

Die  Ansichten  der  Reebtsl ehrer:  (Gerichtsentscheidungen  und 

diplomatische  SchriftstUclie. 

a)  Die  Ansichten  in  den  diplomatischen  Schriftstücken. 

In  Nr.  9  des  wichtigen  an  die  Vereinigten  Staaten  gerichteten 
3Iemorandums  Frankreichs  und  Englands  vom  12.  Oktober  1916 
—  Mise:  2  (1917)  Cd.  8438  —  -wird  erklärt, 

„.  .  .  dass -durch  diese  verschiedenen  Gründe  (6  kriegführende  Mächte 
haben  nicht  gezeichnet  und  ratifiziert,  Deutschland  habe  unter  Bezugnahme 
auf  Art.  V  die  Verbindlichkeit  der  Bestimmungen  verneint)  das  Abkommen 
(U.  Haager  Abkommen  von  1907),  um  die  Wahrheit  zu  sagen,  nur  einen  ziem- 
lich zweifelhaften  gesetzlichen  Wert  darstellt.  Trotz  alledem  sind  die 
verbündeten  Regierungen  von  den  Absichten  erfüllt,  welche  bei 
den  Verhandlungen  zu  Haag  geäussert  und  in  den  Eingangs- 
worten des  Abkommens  11  anerkannt  wurden.  .  .  .  Die  verbündeten 
Regierungen  haben  sich  zurzeit  nicht  geweigert,  die  vernünftig  ausgelegten 
Bestimmungen  des  Abkommens  zu  beobachten,  aber  sie  haben  nicht  anerkannt 
und  würden  nicht  anerkennen .  dass  in  ihm  eine  endgültige  gesetzliche  Ver- 
pflichtung gelegen  sei,   der  sie  sich  nicht  entziehen  dürften.    Die  verbündeten 


^)  Times  doc.  bist.  400, 


10  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Vöikerrechtssätze? 

Regierungen  behielten  sicii  ausdrücklich  die  Freiheit,  es  zu  tun,  für 
den  Fall  vor,  dass  die  Missbräuche  und  Betrügereien  des  Feindes, 
seine  Verstellungs-  oder  seine  Täuschungskünste  diese  Mass- 
nahmen notwendig  machen  würden'^). 

Es  ist  zu  beachten,  dass  es  sich  um  eine  Parteierklärung 
handelt,  deren  berechtigter  Kern  oben  allgemein  ausgesprochen 
ist  und  ihre  im  Druck  hervorgehobenen  Bedingungen  als  unbe- 
gründet ergibt.  Derartige  Vorbehalte  sind  in  jedem  ernsten  Streite 
üblich,  um  nicht  die  Unrechtraässigkeit  des  eigenen  Tuns  bekennen 
zu  müssen,  und  um  die  Berechtigung  der  eigenen  Handlungsweise 
nach  aussen  vertreten  zu  können.  Es  kommt  auch  vor,  dass  eine 
Partei  von  einem  derartig  vorbehaltenen  Rechtsstandpunkt  schliess- 
lich selbst  überzeugt  ist  und  ihn  gegen  eine  Welt  von  Gegnern 
und  gegen  die  überzeugende  Kraft  von  Gerichtsurteilen  verteidigt, 
ohne  dadurch  irre  zu  werden,  dass  sie  selbst  in  anderem  Zusammen- 
hange grundsätzlich  einen  entgegengesetzten  Standpunkt  mit  gleicher 
Überzeugungskraft  vertreten  hat.  Die  hervorgehobenen  Vorbehalte 
besagen,  dass  die  verbündeten  Regierungen  sich  mit  Rücksicht 
auf  die  Eingangsworte  der  XI.  Haager  Konvention  nach  dieser 
richten  wollen,  als  wenn  sie  verbindlich  wäre,  vorausgesetzt,  dass 
sie  vernünftig  ausgelegt  wird  —  nicht  vernünftig  ist  natürlich, 
was  dem  eigenen  Bedürfnis  widerspricht  — ,  und  dass  nicht  ein 
Abgehen  von  diesen  Bestimmungen  durch  Missbräuche  und  Betrugs- 
handlungen des  Feindes  notwendig  würde,  dass  also  durch 
ausserordentliche  Umstände  auch  ausserordentliche  Massnahmen 
gerechtfertigt  würden.  In  der  Note  der  englischen  Gesandtschaft 
an  den  schwedischen  Minister  für  auswärtige  Angelegenheiten 
vom  14.  Oktober  1916^*),  also  genau  um  dieselbe  Zeit,  wie 
die,  zu  der  die  vorhin  erwähnte  Note  abgefasst  ist, 
heisst  es  nun  gegen  die  Rechtfertigung  der  Kogrundsperre  durch 
die  schwedische  Regierung: 

„Die  schwedische  Note  vom  9.  September  betrachtet  es  als  „unzulässig", 
dass  die  Vereinbarungen  eines  Vertrages  zu  Kriegszeiten  die  vertragschliessenden 
Mächte  hindern  könnten,   die  Ausnahmemassregeln  zu  treifen,   welche  durch 


")  Vergleiche  die  selbstverständliche  Unterstellung  der  Anwendbarkeit  der 
Londoner  Deklaration  in  der  holländisch-deutschen  Korrespondenz  vom  April  des 
Jahres  1915  in  Overzicht  1914/15  S.  1  ff .  ixnd  ebendoit  1915/16  S.  11,  siehe  auch 
Mededeelingen  S.  Uff. 

")  Mise.  Nr.  8  (1917)  Cd.  8478  S.  7  Nr.  2  Abs.  4. 


§  3.     Kechtslclirer,  (Berichte,  Diplomatie  H 

die  Uinstäiidc  iiotweiulig  geworden  sind.  Aber  das  ist  eine  Lelire,  die  von 
der  Regierung  eines  neutralen  Staates  angerufen  zu  sehen  unerwartet  ist,  und 
die  nur  unter  den  ausdrücklichsten  Vorbehalten  von  der  Regierung  Seiner 
Britannischen  Majestät  zugelassen  werden  würde  '*)". 

b)  Die  Ansichten  In  den  Gerichtsentscheidungen. 

Lord  Evans  sagt  nicht  gerade  ermutigend  in  dem  am  9.  No- 
vember 1914  von  ihm  entschiedenen  Falle  „Möwe"  (Prize  Cases  73): 

„Wann  immer  ein  ausw<ärtiger  Feind  sich  denkt,  dass  er  unter  einem  der 
Haager  Abkommen  von  1907  zu  irgendeinem  Schutze  oder  zu  einer  Unter- 
stützung berechtigt  sei,  so  soll  er  berechtigt  sein,  als  Kläger  zu  erscheinen 
und  seinen  Anspruch  vor  dem  Gerichtshof  auseinander  zu  setzen.  In  Artikel  3 
des  6.  Haager  Abkommens,  dem  Deutschland  nicht  zustimmte,  und  von  dem 
seine  Bürger  keinen  Nutzen  ziehen  können  .  .  .", 

ein  Gesiclitspunkt,  den  auch  der  französisclie  Prisengerichtshof  im 
Falle  des  „Zaren  Nikolaus  11."^^)  in  gleicher  Anerkennung  der 
Anwendbarkeit  dieser  Haager  Konvention  geltend  macht,  und  der 
Evans  nicht  hindert,  darzulegen,  aus  welchen  Gründen  nach  seiner 
Meinung  Artikel  3  nicht  gegeben  sei.  Wenn  dieser  hervorragende 
Jurist  an  anderer  Stelle  der  gleichen  Entscheidung  vorsichtig 
ausführt : 

„Es  würde  kaum  wünschenswert  scheinen,  dass  die  Nichtratifikation 
durch  diese  Mächte  (Montenegro  und  Serbien)  die  Anwendbarkeit  der  See- 
abkonimen  aufheben  würde", 

und  den  Rat  hinzufügt: 

„Es  mag  sein,  dass  die  Ratgeber,  welche  die  Verantwortlichkeit  für  die 
Beratung  der  Krone  haben,  es  richtig  finden,  zu  raten,  dass  durch  Proklamation 
oder  anderweitig  unser  Land  erklären  sollte,  es  wolle  den  Abkommen,  ob  sie 
nun  nach  ihrem  Wortlaut  wirklich  bindend  seien  oder  nicht, 
Folge  geben", 


^^)  Auf  den  Unterschied  des  Tons  in  den  an  die  Vereinigten  Staaten  ge- 
richteten Noten  von  den  an  Schweden  gerichteten  mag  hier  nur  nebenher  hin- 
gewiesen werden ;  dort  verbindlich  und  entgegenkommend,  hier  scharf,  hoch- 
fahrend bis  zur  Grobheit,  herausfordernd  bis  zur  Drohung. 

'®)  D^cisions  12.  Beide  Entscheidungen  beachten  freilich  bei  diesem  Ge- 
sichtspunkte nicht,  dass  die  Wirksamkeit  eines  derartigen  Vorbehaltes  von  dem 
Verhältnis  des  Völkerrechts  zum  Landesrecht  abhängig  ist,  und  zu  prüfen  ge- 
wesen wäre,  ob  denn  der  völkerrechtlich  erklärte  Vorbehalt  auch  landesrechtlich 
wirksam  gewesen  wäre,  wenn  dieses  die  Konvention  vorbehaltlos  eingeführt 
hätte.  Das  gilt  auch  für  die  Entscheidungen  in  den  interessanten  drei  gleich- 
artigen Entscheidungen  des  englischen  Prisengerichtshofes  zu  Alexandria, 
Gutenfels,  Barenfels  f  und  Marquis  ßacquehem  (Prize  Cases  102,  122,  130),  in 
denen  auch  die  Gültigkeit  der  Haager  Konventionen  anerkannt  wird. 


12  Erstes  Kapitel:   Cübt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

SO  kann  und  muss  aus  dem  Vergleich  dieser  grundsätzlichen  Vor- 
behalte mit  der  darauffolgenden  wirklichen  Anwendung  der  Be- 
stimmungen geschlossen  werden,  dass  Lord  Evans,  wie  die  eng- 
lische und  französische  Regierung  (vgl.  §  3  a),  auf  dem  hier  dar- 
gelegten Standpunkt  steht,  jedenfalls  noch  zur  Zeit  der  Entscheidung 
im  November  1914.  Dass  sich  im  Laufe  der  Kriegsentwicklung 
die  Ansichten  ändern  und  den  neu  auftretenden  Bedürfnissen  folgen, 
ist  eine  Erscheinung-,  der  wir  häufiger  begegnen  werden,  die  aber 
an  der  ursprünglichen  Rechtslage  nichts  ändern  kann. 

c)  Die  Ansichten  der  Völlterrechtslehrer. 

Der  ausgezeichnete  Völkerrechtslelirer  John  Westlake   sagt 
in  dem  von  Oppenheim  herausgegebenen  Werke ^'): 

„Da  ist  in  der  Tat  (über  die  Einleituugsklausel  zur  Londoner  Dekla- 
ration) keine  wirkliche  Meinungsverschiedenheit,  denn  wenn  die  Bestimmungen, 
welche  in  der  Deklaration  enthalten  sind,  von  den  Unterzeichnern  nicht 
als  solche  des  internationalen  Rechts  angesehen  worden  wären,  so  könnten 
sie  nicht  von  ihnen  als  eine  Vorschrift  angesehen  werden,  wie  sie 
Artikel  7  der  Konvention  erfordert.  Die  Deklaration  ist  deshalb  ein  feier- 
licher Ausdruck  dessen,  was  die  zehn  Mächte  in  diesem  Jahr  1910  über 
die  in  ihr  geregelten  Punkte  als  internationales  Recht  angenommen 
haben,  und  insoweit  wird  sie  durch  keine  Kündigung  abge- 
schwächt oder  berührt.  Eine  Kündigung  wird  den  Vertrag  insoweit 
aufheben,  aber  die  Deklaration  wird  als  eine  historische  Tatsache, 
anführbar  selbst  gegen  den  Kündigenden,  bestehen  bleiben". 

In  gleich  bestimmter  Weise  sagt  T.  E.  Holland ^^)  über  die 
IV.  Haager  Konvention  (Landkriegsordnung): 

„Dieses  Abkommen  mit  seinem  angefügten  Reglement  mitbestimmten 
andern  diplomatischen,  alsbald  zu  erwähnenden'Akten,  auf  die  es  sich  bezieht, 
zusammengenommen,  darf  wohl  als  eine  annähernd  vollständige  Fest- 
stellung des  internationalen  Landkriegsrechts  angesehen  werden. 
Es  dürfte  vielleicht  nicht  unpassend  als  der  „Haager  Landkriegs-Kodex"  be- 
zeichnet werden". 


")  Westlake,  Collected  papers  646.  Siehe  auch  Borchard  256  ff',  und 
Norman  Bentwich,  Declaration  26  und  41. 

^*)  Laws  of  War,  p.3;  ebenso  Phillipson,  Great  War,  p.  158:  „.  .  .  wenn 
wir  uns  erinnern,  dass  fast  alle  (Haager)  Abkommen  in  einer  mehr  systema- 
tischen Form  Regeln  und  Gewohnheiten  des  Kriegs  zusammenfassen,  die  lange 
vor  den  Haager  Verhandlungen  bindende  Kraft  besassen,  müssen 
wir  ohne  Zögern  das  Argument  der  deutschen  Verteidiger  der  Unverbindlichkeit 
der  Abkommen  wegen  der  Allbeteiligungsklausel  zurückweisen  als  ein  Mittel 
und  eine  unwirksame  Entschuldigung,  um  gesetzwidriges  Verhalten  zu  decken". 


§  4.    Grundsätzliche  Einwendungeü  13 

§  4 

(xruiidsätzliehe  Eiinveiidiiiigeu   gegen  die  Anwendbarkeit 
verbindliclier  ViUkerreclitssätze. 

Aus  einem  Teil  der  vorstellenden  Zitate  treten  gegen  die 
Anwendbarkeit  verbindlicher  Rechtssätze  grundsätzliche  Einwände 
hervor,  die  eine  besondere  Rolle  im  Seekriegsrecht  spielen,  aber 
auch  von  ganz  allgemeiner  Bedeutung  sind. 

a)  Vergeltungsmassnahmen  der  kriegführenden  Staaten  und  die  Rechte 
der  Neutralen. 

Es  handelt  sich  um  die  grundlegende  Frage,  ob  und  inwie- 
weit die  Vergeltungsmassregeln  der  kriegführenden  Staaten  in  die 
Rechte  der  neutralen  Mächte  eingreifen  dürfen,  also  um  die  Ab- 
grenzung der  beiderseitigen  Rechte.  Eine  allgemein  gültige  Lösung 
dürfte  nicht  möglich  sein.  Aber  bei  Stellungnahme  zu  dieser 
Frage,  die  eine  vorzügliche,  klare  antithetische  Behandlung  in 
Nr.  33  und  Nr.  37,38^^)  der  in  Anm.  11  genannten  Noten  gefunden 


'")  Nr.  87.  Bevor  die  Frage  uach  der  Gültigkeit  der  Massnahmen  ver- 
lassen wird,  die  Frankreich  und  Grossbritannien  gegen  den  feindlichen  Handel 
getroffen  haben,  niiiss  Stellung  genommen  werden  zu  der  Auffassung  im  3.3.  Pa- 
ragraphen in  der  Note  der  Vereinigten  Staaten,  dass  „die  Beschneidung  der 
Rechte  der  Neutraleu  durch  diese  Massnahmen,  die  geständlich  Ver- 
geltungsmassnahmen und  deshalb  ungesetzlich  sind,  .  .  .  nicht  zu- 
gestanden werden  kann".  Seiner  Majestät  Regierung  ist  ganz  ausserstande, 
den  Grundsatz  zuzugestehen,  dass  diese  Massnahmen  in  der  Ausdehnung  wie 
sie  zur  Vergeltung  dienen,  ungesetzlicli  sind.  Tatsächlich  sind  diese  Mass- 
nahmen durch  die,  ungesetzliche  und  unverantwortliche  Proklamation  verur- 
sacht und  erzwungen,  welche  die  deutsche  Regierung  am  4.  Februar  1915 
erlassen  hat,  und  die  die  Gewässer  um  Grossbritannien  einschliesslich  des  ganzen 
englischen  Kanals  als  „Kriegszone"  bestimmt,  in  die  neutrale  Schiffe  auf  ihre 
Gefahr  eindringen  würden,  und  in  der  sIq  es  sich  selbst  zuzuschreiben  hätten, 
wenn  sie  dort  bei  Sicht  zum  Sinken  gebracht  würden.  Diese  Proklamation 
Avar  begleitet  von  einem  Memorandum,  in  dem  ausgeführt  wird,  dass  die  Ver- 
letzung des  internationalen  Rechts  durch  Grossbritannien  die  Vergeltungs- 
massnahmen der  deutscheu  Regierung  rechtfertige,  die  der  Beruhigung  der 
Neutralen  gegen  das  Vorgehen  unseres  Landes  dienen  sollten.  Die  Berechtigung 
des  Gebrauches  von  Vergeltungsmassnahmen  war  ganz  durch  die  Deutschen  zu- 
gestanden, obgleich  Seiner  Majestät  Regierung  und  ihre  Verbündeten  bestininit 
die  Tatsachen  bestritten,  auf  denen  ihre  Aigumente  gegründet  waren.  Aber 
obgleich  diese  Massnahmen  durch  die  gesetzwidrige  Führung  des  Feindes  her- 
vorgerufen sein  mögen,  sie  verletzen  in  Wirklichkeit  keinen  allgemeinen  Grund- 
satz des  Völkerrechts,  der  Menschlichkeit  oder  der  Zivilisation.  Sie  werden 
unter  Berücksichtigung  der  Interessen  neutraler  Länder  durchgeführt  und  sind 
deshalb  juristisch  gesund  und  gültig.  [Fortsetzung  S,  14] 


14  JErstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerreclitssatze? 

hat,  sind  in  jedem  einzelnen  Falle  die  treffenden  Worte  West- 
lakes  (Collected  Papers  257)^'")  als  Auslegungsregeln  im  Auge 
zu  behalten: 

„Es  gilt  zu  zeigen,  um  wievid  melir  das  Verhalten  der  Neutralen  einer 
unwirksamen  Blockade  gegenüber  von  politischen  als  rechtlichen  Gesiclitspunkten 
abhängt,  und  eine  Blockade-Erklärung  britischer  Häfen,  wenn  Neutrale  irgend- 
wie dahin  geführt  werden  koniiteii,  sie  zu  achten,  würde  den  Vorteil  haben, 
dass  unsere  Zufuhren  ebenso  unter  neutraler  Flagge  wie  unter  unserer  eigenen 
angegriffen  würden.  Ich  habe  deshalb  kaum  einen  Zweifel,  dass  man  den 
Versuch  machen  und  dass  das  Verhalten  der  Neutraleu  demgegenüber 
hauptsächlich  von  ihren  politischen  Sympathien  abhängen  würde,  oder  dass, 
wenn  er  nicht  gemacht  würde,  es  aus  dem  Grunde  nicht  geschähe,  weil  die 
Überlegenheit  Englands  zur  See  so  überragend  wäre,  dass  unser  Handel  von 
irgendeinem  Rechtszustand  wenig  zu  fürchten  hätte.  Aber  solch  eine  An- 
wendung —  oder  auch  Missbrauch  —  der  Blockade  würde  ernstlich  die 
Beweggründe  dafür  abschwächen,  Schiffe  unter  neutrale  Flaggen  zu  stellen ; 
und  dies  ist  für  mich  ein   weiterer  Grund,   dass   ich  zögere,   an   den  Ruin  zu 


Nr.  38.  Die  mehr  abstrakte  Frage  nach  der  Rechtmässigkeit  von  Ver- 
geltungsmassnahmen,  die  von  einem  Kriegführenden  gegen  seine  Gegner  an- 
gewandt werden,  aber  auch  auf  Neutrale  einwirken,  ist  eine  solche,  dass  die 
Erörterung  nach  Meinung  Seiner  Majestät  Regierung  wohl  verschoben  werden 
könnte.  Sie  ist  ein  Gegenstand  von  erlieblicher  Schwierigkeit  und  Verwicklung, 
jedoch  ist  Seiner  Majestät  Regierung  überrascht,  zu  bemerken,  dass  die  Staaten- 
regierung alle  solche  Vergeltungsmassnahmen  im  Kriege  als  gesetzwidrig  zu 
betrachten  scheint,  wenn  sie  zufällig  den  Neutralen  Schaden  zufügen.  Der 
Vorteil,  den  ein  solcher  Grundsatz  dem  entschlossenen  Rechtsbrecher  geben 
würde,  wäre  so  gross,  dass  Seiner  Majestät  Regierung  sich  nicht  denken  kann, 
dass  er  vor  dem  Gewissen  der  Menschheit  empfehlenswert  wäre.  Ein  ein- 
faches Beispiel  zu  nehmen,  man  unterstelle,  dass  ein  Kriegführender  Minen  auf 
den  Handelsweg  streut,  um  den  Handel  seines  Feindes  zu  verhindern  oder 
zu  zerstören  —  eine  Handlungsweise,  welche  unrechtmässig  und  bestimmt 
ist ,  den  Neutralen  ebenso  wie  dem  anderen  Kriegführenden  Schaden  zu- 
zufügen — ,  was  darf  dieser  Kriegführende  tunV  Darf  er  diesem  gesetz- 
losen Angriff  auf  ihn  durcli  seinen  Feind  in  keiner  Weise  entgegentreten? 
Seiner  Majestät  Regierung  kann  nicht  denken,  dass  er  anf  dem  Vergeltungs- 
wege nicht  berechtigt  wäre,  seinerseits  Minen  zu  streuen,  auch  selbst  dann, 
wenn  er  durch  ein  solches  Tun  in  neutrale  Rechte  eingreift.  Oder  aber  man 
unterstelle  einen  noch  extremeren  Fall,  nämlich,  dass  ein  Neutraler  sein  Ziel 
nicht  erreichte  und  den  anderen  Kriegführenden  nicht  daran  hinderte,  in 
gleicher  Weise  zu  verfahren.  Es  möchte  scheinen,  dass  nach  der  richtigen 
Ansicht  jeder  Kriegführende  berechtigt  ist,  darauf  zu  bestehen , 
dass  ihm  erlaubt  sei,  seinem  Feinde  unter  den  Bedingungen 
gleicher  Handlungsfreiheit  zu  begegnen.  Wenn  einem  von  ihnen 
erlaubt  ist,  einen  Angriff  auf  den  andern  ohne  Rücksicht  auf 
neutrale  Rechte  zu  machen,  muss  seinem  Gegner  in  der  Auswahl 
von  Kampfmitteln  gleicher  Spielraum  gewährt  werden,  auch  dürfte 
.  er  in  diesem  Falle  nicht  auf  die  Annahme  von  Massnahmen  beschränkt  sein, 
die  genau  die  gleichen  sind  wie  die  seines  Gegners. 

•^")  Aehnlich  Bold  in  lf>4,  184,  siehe  auch  83,  237  und  Anm.  95. 


§  4.    Grundsätzliche  Einwendungen  15 

glauben,  den  unser  näclister  grosser  Krieg  über  den  britischen  Handel  bringen 
soll,  wenn  das  geltende  Recht  aufrecht  erhalten  wird". 

Und  weiter  S.  258 : 

.  „Und  die  richtige  Schlussfolgerung  dürfte  sein,  dass  der  einzige  hin- 
reichende Beweggrund  für  die  Aufrechterhaltung  der  gegen- 
wärtigen Praxis  in  dem  etwa  wirklich  massgeblichen  Gesichtspunkte  be- 
steht, dass  die  Anhaltung  der  feindlichen  Seeleute  und  Schiffe  wünschenswert 
ist,  um  die  Landung  oder  den  Verlust  unserer  Überlegenheit  zur  See  zu 
verhindern". 

Und  S.  615  heisst  es  dann^i): 

„Nichts  als  die  blinde  Gewohnheit  hindert  nun  an  der  Einsicht,  dass 
Handelsblockaden,  die  sich  von  der  Belagerung  befestiger  Häfen  unter- 
scheiden, ein  Krieg  sind,  der  gegen  Neutrale  geführt  wird,  aber  wenn 
es  sich  bloss  darum  handelt,  das  Gefühl  durch  Beschränkung  des  Kriegs  auf  die 
Handeis  flagge  des  Feindes  zu  befriedigen,  so  ist  der  Krieg  gegen 
Neutrale  fortzusetzen,  mit  der  Gewissheit,  dass  Handelsblockaden ,  wenn 
sie  die  einzigen  Mittel  zur  Bekämpfung  des  feindlichen  Seehandels  geworden 
sind,  in  ihrer  Anwendung  soweit  durchzuführen  sind,  als  die  Kühnheit 
wagen  kann,  die  geltenden  Bestimmungen  zu  spannen  oder  zu 
verletzen". 

Und  schliesslich  sagt  Westlake  S.  635: 

„Bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  war  es  üblich,  die  Welt  in  bezug 
auf  das  Seekriegsrecht  in  zwei  grosse  Klassen  von  Kriegführenden  und  Neu- 
tralen zu  teilen,  und  es  als  ein  Axiom  anzuwenden,  dass  die  Interessen  Gross- 
britanniens solche  der  Klasse  der  Kriegführenden  seien.  Das  war  das  natürliche 
Ergebnis  des  ungeheueren  Übergewichts  der  britischen  Seemacht  über  jede 
eines  anderen  Staates,  und  der  Tatsache,  dass  die  Skandinavischen  Königreiche, 
zu  schwach,  um  vielleicht  Teilnehmer  an  den  Kriegen  der  grösseren  Staaten 
zu  sein,  zu  den  bedeutendsten  Ursprungsländern  der  Haupterfordernisse  der 
Schiffsausrüstung  —  Bauholz,  Teer  mit  seinen  verwandten  Produkten  und 
Hanf  —  gehörten.  Die  Szene  hat  sich  in  diesen  beiden  Richtungen  geändert. 
Die  Seemacht  Grossbritanniens  ist  keineswegs  unvergleichlich 
viel  grösser  als  diejenige,  welche  eine  mögliche  Kombination 
gegen  sie  vereinigen  könnte,  und  seine  Politik  hat  friedlicheren 
Charakter  angenommen". 

Diese  klar  ausgesprochenen  Ansichten  ^2) ,  welche  in  der 
Kriegspolitik  der  verbündeten  Staaten  ihre  Verwirklichung  und 
in  ihren  diplomatischen  Noten  den  Versuch  ihrer  Rechtfertigung 
gefunden  haben,  lassen  deutlich  erkennen,  dass  stets  auf  den  Unter- 
schied politischer  und  rechtlicher  Argumentation  genau  geachtet 


*•)  Aus  dem  Beitrag  zu  Latifi  147. 

")  Sie  sind  auch  der  Leitgedanke  Loreburns, 


16  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

werden  muss,  dass  Rechtsverletzungen  politisch  gefordert  werden 
mögen,  die  Meinung  ihrer  politischen  Notwendigkeit  aber  selbst 
keinen  Rechtstitel  abzugeben  vermag.  Diese  Ansicliten  führen 
aber  weiter  zu  einem  Problem,  dessen  Lösung  die  Entscheidung 
der  Einwände  gegen  die  Geltung  der  hier  erörterten  völkerrecht- 
lichen Rechtssatzungen  enthält:  Ist  diese  geschichtliche  Ent- 
wicklung des  Völkerrechts  durch  Rechtsverletzungen  möglich? 
oder  in  welcher  Weise  sonst?  Die  Antwort  ist  durch  die  oben 
(S.  5)  mitgeteilte  Hollandsche  Definition  des  Völkerrechts  gegeben: 
Es  muss  der  Überzeugung  jeden  Staats  von  dem  Recht,  das  in 
Anspruch  genommen  werden  soll,  als  auch  für  ihn  verbindlich 
entsprechen.  Es  muss  gefragt  werden  können,  ob  die  betreffende 
Rechtsregel  für  alle  Staaten  der  Völkerrechtsgeraeinschaft  Geltung 
haben  kann  und  soll,  und  ob  der  kriegführende  Staat  sich  selbst 
der  Regel  unterwerfen  würde  oder  sie  anerkennen  müsste,  wenn 
er  neutral  wäre.  Mit  dieser  Fragestellung  ist  aber  zugleich 
die  Grundlage  der  Entwicklung  des  Völkerrechts  gegeben,  dass 
sie  sich  nämlich  rechtmässig  nur  durch  gegenseitige  Überein- 
stimmung der  souveränen  Staaten  vollziehen  kann  -^).  Eine  solche 
Übereinstimmung  ist  in  den  Haager  Abkommen,  der  Londoner  und 
Pariser  Deklaration  niedergelegt;  wer  von  ihren  Regeln  abgehen 
will  und  abgeht,  verletzt  sie,  wenn  er  dies  ohne  Zustimmung  oder 
gar  gegen  den  Widerspruch  der  davon  betroffenen  und  beteiligten 
Staaten  tut,  mag  er  nach  seiner  Meinung  noch  so  berechtigte 
Vergeltungs-  oder  kriegspolitische  Zwecke  verfolgen.  Alle  seine 
darauf  gegründeten  Argumente  sind  solche  de  lege  ferenda.  Was 
die  Vereinigten  Staaten,  Schweden,  die  Niederlande  in  ihren  Pro- 
testnoten nach  dieser  Richtung  ausgeführt  haben,  ist  rechtlich  un- 
anfechtbar, während  die  Gegenausführungen  der  Ententestaaten 
bei  genauer  Untersuchung  in  der  Tat  sich  als  rechtspolitische 
Forderungen  einer  interessierten  Partei  herausstellen^*). 

■^*)  Siehe  liierzu  Joliu  Macdonell  102. 

")  Schwedische  Note  vom  11.  Februar  1916  (p.  12  Mise.  28  von  1916),  Od. 
8322:  „Wenn  man  die  britisclien  Massnahmen  unter  dem  Gesichtspunkte  von 
Eepressalien  betrachten  wollte,  zu  denen  die  deutschen  Massnalimen  berech- 
tigten, so  fehlt  dieser  Rechtfertigung  der  Sinn  gegenüber  den  Neutralen.  Die 
Repressalien  dürften  aus  diesen  selben  Gründen  nur  gegen  einen  Gegner  gerichtet 
werden,  die  Rechte  der  Neutralen  dürften  durch  eine  behauptete  Kriegsnot- 
wendigkeit nicht,  verringert  werden". 

Amerikanisdie  Note  vom  5.  November  1915  (p.  9  Nr.  :?3  Mise.  15  von  1916, 


§  4.    Grundsätzliche  Einwendungen  17 

Hieran  ändert  nichts  die   an  die  Schulstube   erinnernde  Be- 
« 

gründung,  wie  sie  regelmässig  in  den  diplomatischen  Schriftstücken 
der  Ententestaaten  gefunden  wird,  dass  der  Gegner  angefangen 
habe,  völkerrechtliches  Unrecht  zu  tun,  eine  Begründung,  die  stets 
eine  Untersuchung  darüber  vermissen  lässt,  ob  denn  dieses  ver- 
meintliche Unrecht  nicht  auf  vorher  begangenes  eigenes  Unrecht 
zurückzuführen  ist,  und  von  der  Gegenpartei  auf  dieser  Grundlage 
angefochten  werden  wird.  Denn  der  unbeteiligte  Neutrale  wird 
mit  Recht  einwenden,  dass  die  Verletzung  seiner  Rechtslage  durch 
die  eine  Kriegspartei  doch  nicht  der  anderen  das  Recht  geben 
könne,  auch  ihrerseits  in  seine  Rechtssphäre  einzugreifen,  und  dass 
alsdann  wieder  der  erste  Rechtsverletzer  weitere  rechtswidrige 
Eingriffe  vornehmen  dürfe,  und  so  fort,  wie  es  das  berühmte 
Mittel  der  Kontinentalsperre  lehrt ^^),  von  der  Phillimore"^^)  sagt: 

„Es  mag  eine  gewisse  Beschönigung  sein,  dass  die  Massnahmen  (die 
englischen  Orders)  Vergeltungsmassnahmen  waren,  aher  das  ist  nach  den  Regeln 
des  ewigen  Eechts  und  der  Gerechtigkeit  keine  Rechtfertigung.  Die  Wahrheit 
ist,  dass  Frankreich  der  erste  Übeltäter,  Grossbritannien  der  zweite  war". 


Cd.  8234) :  „Ich  glaube,  es  ist  zwingend  dargelegt  worden,  dass  die  Methoden 
nicht  gerechtfertigt  sind,  welche  Grossbritanuien  anzuwenden  trachtet,  um  Be- 
weise von  der  feindlichen  Bestimmung  der  Schiffsladungen  zu  erlangen  und  zu 
benutzen,  welche  nach  neutralen  Häfen  fahren,  und  um  solchen  Schifi'sladungen 
Konterbandecbarakter  beizulegen;  dass  die  Blockade,  auf  welcLe  diese  Methoden 
zum  Teil  gegründet  werden,  nicht  effektiv,  gesetzwidrig  und  unhaltbar  ist; 
dass  das  Gerichtsverfabren,  das  als  ein  Mittel  zur  Wiedergutmachung  inter- 
nationalen Unrechts  dargeboten  wird,  nach  seiner  Eigenart  für  den  Zweck 
mangelhaft  ist ;  und  dass  in  vielen  Fällen  behauptet  wird,  die  Rechtsprechung 
verletze  das  Völkerrecht.  Die  Vereinigten  Staaten  können  sich  deshalb  der  Be- 
schneidung ihrer  neutralen  Rechte  durch  diese  Massnahmen  nicht  unterwerfen, 
die  geständlich  Vergeltungszwecken  dienen  und  deshalb  (vgl.  oben  Anm.  19)  in 
Theorie  und  Praxis  gesetzlich  unhaltbar  und  bestimmt  sind,  die  Feinde  Gross- 
britanniens für  die  von  ihnen  angeblich  begangenen  Gesetzwidrigkeiten  zu  be- 
strafen. Die  Vereinigten  Staaten  sind  nicht  in  der  Lage,  dem  entgegenzutreten, 
wenn  ihre  Interessen  und  die  aller  Neutralen  dadurch  nicht  berührt  würden, 
aber  wenn  sie  berührt  werden,  so  kann  es  nicht  unwidersprochen  geduldet 
werden,  dass  ihre  Rechte  und  Interessen  mit  der  Begründung  weiter  beeinträch- 
tigt werden,  dass  die  geographische  Ausnahmestellung  der  Feinde  Grossbritauniens 
unterdrückende  und  gesetzwidrige  Gegenmassnahmen  erfordert  und  rechtfertigt". 

Für  die  Niederlande  siehe  die  in  Anm.  13  angezogene  Stelle  und  Recueil 
und  van  Eysinga  an  den  zitierten  Stelleu. 

»5)  Niemeyer  35—47. 

-«)  Commeutaries  312  und  654.  Ebenso  Wheaton,  Captures  51,  der  in 
bezug  auf  die  Orders  von  einer  räuberischen  Strenge  spricht,  „welche  die  ge- 
sunde Vernunft  der  zivilisierten  Menschheit  immer  verdammen  wird,  und  welche 
die  bessere  Vernunft  Englands  in  anderen  Tagen  auch  verdammt  hat".  Vgl. 
auch  die  interessante  historische  Darstellung  über  die  Kriegführung  gegen  den 
Handel  1793-1806  und  1806—1812  bei  Maiian.  lufluence  II,  Cap.XVII  u.  XVIII. 

Bendix,  VölUerrecbtsverletzuiigeu  2 


18  Erstes  Kapitel:  Gibt  es  verbindliche  VölkerrcchtssätzeV 

Dagegen  wird  von  englischer  Seite  der  autoritative  Ausspruch 
des  berühmten  Richters  Lord  Stow  eil  im  Fox-Falle  (1811) 
geltend  gemacht,  welcher  lautet: 

„Das  Gericht  hat  niemals  gehurt,  dass  die  Begründung  aufrecht  erlialteii 
■wird,  die  Verordnungen  seien  als  Vergeltnngsgesetze  mit  dem  Grundsatz 
nicht  vereinhar,  denn  es  sind,  wie  sie  sind,  Vergeltungsgesetze.  Sie  sind  so  in 
der  eigenen  Sprache  der  Regierung  erklärt,  die  sie  erlassen  hat.  Ich  hahe 
keine  Bedenken,  zu  sagen,  dass  sie  aufhören,  gesetzmässig  zu  sein ,  wenn  sie 
aufhören,  Vergeltungsgesetze  zu  sein"  ^'). 

Baty-^)  bemerkt  hierzu  kurz  und  schlagend: 

„Es  ist  schwer  einzusehen,  wie  ein  Kriegführender  Vergeltung  an  Neu- 
tralen üben  kann,  und  Phillimore  meint,  dass  die  Verordnungen  (London  1807) 
das  Gesetz  verletzen". 

b)  Schluss  von  der  politischen  Notwendigkeit  und  Tauglichkeit  der  angewandten 
Mittel  auf  ihre  Rechtmässigkeit. 

Eine  mit  gleicher  Parteinaivität  überzeugt  vorgetragene  Be- 
gründung als  völkerrechtswidrig  angefochtener  Massnahmen  kehrt 
in  den  diplomatischen  Schriftstücken  der  Ententestaaten  regel- 
mässig wieder:  Die  Schlussfolgerung  von  den  kriegspolitischen 
Zielen  "^)   auf  das  Recht  des  Kriegführenden  oder,   anders  ausge- 


")  Bei  Cobhett,  vol.  II  188. 

28)  Baty-Morgan  360. 

29)  Sie  treten  mit  einer  unverhüllten  Deutlichkeit  in  Mise.  Nr.  2  (191G),  Cd. 
8145,  hervor,  in  dem  es  unter  der  Ueherschrift  „Conclusion"  in  XI  Nr.  30  heisst: 

„Um  die  Politik  zusammenzufas.sen ,  welche  angenommen  worden  ist.  um 
die  Blockade  Deutschlands  zu  erzwingen,  sei  folgendes  dargelegt: 

I.  Der  deutsche  Exporthandel  nach  überseeischen  Ländern,  ist  fast  voll- 
ständig unterdrückt.  Die  Ausnahmen,  welche;  gemacht  worden  sind,  betreffen 
Fälle,  in  denen  die  Weigerung  der  Erlaubnis  des  Exports  von  Gütern  den 
betreffenden    Neutralen  getroffen    hätte,    ohne  Deutschland  Schaden    zuzufügen. 

IL  Alle  Schiffsladungen  zu  neutralen  Ländern  an  Deutschlands  Grenzen 
sind  sorgfältig  daraufiiin  geprüft  worden,  eine  verborgene  feindliche  Bestimmung 
zu  entdecken.  Wo  immer  ein  vernünftiger  Grund  für  den  Verdacht  solcher 
Bestimmung  war,  wurden  die  Güter  vor  das  Prisengericht  gebracht.  Zweifel- 
hafte Sendungen  werden  einbehalten,  bis  befriedigende  Garan- 
tien beigebracht  werden. 

III.  Laut  Vereinbarung,  die  mit  den  Körperschaften  der  Handelsvertretungen 
in  mehreren  an  Deutschland  grenzenden  neutralen  Ländern  abgeschlossen  sind, 
werden  strenge  Garantien  von  den  Importeuren  gefordert,  und  soweit  wie 
möglich  wird  jeder  Handel  zwischen  dem  neutralen  Lande  und  Deutschland, 
ob  er  aus  Übersee  stammt  oder  aus  dem  neutralen  Lande  selbst,  eingeschränkt. 

IV.  Nach  Vereinbarung  mit  Schiffahrtslinien  und  durch  eine  kräftige  An- 
Wendung  des  Rechtes,  Bunkerkohle  zu  verweigern,  ist  ein  grosser  Teil  der 
neutralen  Handelsmarine,  die  zwischen  Skandinavien  und  Holland  Handel 
treibt,    dahin    gebracht    worden,    Bedingungen    zuzustimmen,    die    den    Zweck 


§  4.    Grundsätzliche  Einwendungen  l9 

drückt,  die  selbstverständliche  Unterstellung,  dass  die  Mittel, 
welche  notwendig  sind,  um  die  verfolgten  Kriegsziele  zu  erreichen, 
aucli  völkerrechtlich  erlaubt  sein  müssten  und  seien,  dass  aus  ihrer 
Tauglichkeit  zu  dem  beabsichtigten  Erfolge  die  Rechtmässigkeit 
folge  30). 


verfolgen,  zu  verhindern,    dass  Güter,    die  in  diesen  Schiffen  gebracht  werden, 
den  Feind  erreichen. 

V.  Jede  Anstrengung  ist  gemacht  worden,  -ein  Rationierungssystem  ein- 
zuführen, welches  erzwingen  will,  dass  die  betreffenden  neutralen  Länder  nur 
solche  Mengen  namentlich  aufgefülirter  Artikel  einführen,  die  sie  normalerweise 
früher  für  ihren  eigenen  Verbrauch  eingeführt  haben. 

Es  verdient  auch,  das  Ergebnis  dieser  Praxis  festgehalten  zu  werden. 
Nr.  ^9  in  X  —  Eesults  —  lautet : 

„Was  das  Ergebnis  der  in  diesem  Memorandum  beschriebenen  Politik 
anlangt,  so  sind  alle  ihre  Wirkungen  nicht  zu  übersehen.  Aber  einige  Dinge 
siml  klar.  Es  ist  schon  dargelegt  worden,  dass  der  deutsche  Handel  im 
Avesentlichen  zerstört  ist.  Was  die  Einfuhrgüter  anlangt,  so  ist  anzunehmen, 
dass  einige  der  bedeutendsten,  wie  Baumwolle,  Wolle  und  Gummi 
seit  vielen  Monaten  Deutschland  nicht  erreicht  haben.  Andere, 
wie  Fette  und  Öle  und  Milchprodukte,  können  dort  nur,  wenn  überhaupt,  zu 
Wucherpreisen  erworben  werden.  Alle  amtlichen  und  nichtamtlichen  Nachrichten, 
welche  Seiner  Majestät  Reoierungf  zukommen,  stimmen  in  der  Feststellung 
überein,  dass  eine  beträchtliche  Unzufriedenheit  in  Teilen  der  deutschen  Be- 
völkerung besteht,  und  in  einigen  der  grösseren  Städte  scheinen 
auch  Hungerrevolten  vorgekommen  zu  sein.  Dass  unsere  Blok- 
•kade  jede  Ware  verhindert,  Deutschland  zu  erreichen,  trifft 
nic'ht  zu  und  kann  auch  unter  den  geographischen  Verhältnissen 
nicht  zutreffen.  Aber  sie  ist  ziemlich  erfolgreich  bis  zu  einem  Grade, 
den  gute  Beobachter  hier  und  in  Deutschland  für  absolut  unmöglich  hielten, 
und  ihre  Wirkung  wächst  von  Tag  zu  Tag.  Es  muss  hinzugefügt 
werden,  dass  diese  Ergebnisse  ohne  einen  ernsten  Zusammen- 
stoss  mit  einer  neutralen  Regierung  erreicht  sind.  Es  gibt  augen- 
fällige Bedenken,  ob  der  für  uns  so  wichtige  gute  Wille  der 
neutralen  Nationen  fortdauern  wird;  aber  jeder,  der  die  geographische, 
militärische  und  kommerzielle  Lage  der  verschiedenen  Länder  betrachtet, 
wird  sicherlich  nicht  den  Wert  dieser  Betrachtung  unterschätzen.  Es  besteht 
grosse  Gefahr,  bei  Beliandlung  internationaler  Fragen  die  Aufmerksamkeit 
zu  ausschliesslich  auf  einen  Paukt  allein  zu  richten,  selbst  wenn  dieser  Punkt 
von    so  vitaler   Bedeutung   ist,    wie  unzweifelhaft  die  Blockade  Deutschlands". 

^°)  Ein  Musterbeispiel  dieser  Art  Beweisführung  bietet  Mise.  Nr.  6  (1917) 
Cd.  8469,   in  dem  es  unter  1.  Nature  and  Scope  of  Enquiry  heisst: 

„Neutrale  Schüfe  sind  unter  der  Order  in  Council  vom  11.  März  1915  in 
britische  Häfen  gebracht  worden,  damit  der  Kriegführende  sich  von  dem 
Charakter,  Eigentum,  Ursprung  oder  der  Bestimmung  der  Ladung,  die  sie 
führen,  überzeuge.  Ob  ein  Aufenthalt,  der  durch  die  Methoden  verursacht 
wird,  die  bei  der  Behandlung  der  so  eingebrachten  Schiffe  und  Ladungen  ange- 
wandt werden,  verraeidbar  ist  oder  nicht  ist,  muss  nach  dem  Aufenthalt  beurteilt 
werden,  der  mit  der  vollständigen  Ausübung  dieses  Rechtes  untrennbar  ver- 
bunden ist.  Dass  seine  Ausübung  einigen  Aufenthalt  mit  sich  bringt,  ist  klar. 
Das  würde  auch  zutreffen,  wenn  der  Kriegführende  sich  entschlösse,  sich  aus- 
schliesslich auf  die  ältere  Praxis  der  Durchsuchung  zur  See  zu 
verlassen.  Aber  unser  Verfahren  erscheint  in  Anbetracht  der 
Tatsache  gerechtfertigt,  dass  die  A  ufrech  t  erhaltung  dieser  Praxis 

2* 


20  Erstes  Kapitel:  Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze!-' 

So  wird  denn  schliesslich  als  Recht  des  Kriegführenden  hin- 
gestellt, was  seinem  Interesse  dienlich  ist,  und  dieses  Recht  dann 
in  dem  Masse  erweitert,  als  es  die  Kriegsnotwendigkeit  erheischt 
und,  wie  Westlake  richtig  vorausgesehen  hat,  die  Rücksicht  auf 
die  Stärke  und  den  Kriegswillen  der  Neutralen  zulässt.  Es  han- 
delt sich  hier  um  eine  Argumentation,  wie  sie  uns  ähnlich  im 
bürgerlichen  Rechtsverkehr  begegnet;  Die  Staaten  treten  als 
Kriegsparteien  nicht  anders  auf  wie  Privatpersonen,  sie  setzen 
als  selbstverständlich  voraus,  dass  das  Recht  billige,  was  ihr  In- 
teresse als  Recht  für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Bei  England 
kommt  aber  eine  besondere,  man  darf  wohl  sagen,  nationale  Eigen- 
tümlichkeit hinzu:  Die  englische  Diplomatie  kennt  keine  theore- 
tischen Erwägungen  grundsätzlicher  Art,  sie  kann  in  einem  Atem 
unvereinbare  Gründe  aussprechen,  ohne  ihren  offensichtlichen  Wider- 
spruch zu  bemerken  (vgl.  S.  10  u.  unten  §  17):  dies  ist  nur  möglich 
bei  einer  Geistesverfassung,  in  der  das  Bewusstsein  vollständig 
von   dem   eigenen   Vorteil   und   Interesse   ausgefüllt  wird,  und   so 


bei  der  wachsenden  Beschlagnahme  von  Schiffen  weder  möglich 
ist,  noch  bei  dem  Vorgehen  der  feindlichen  Unterseeboote  im  In- 
teresse des  Lebens   und  Eigentums  der  Neutralen  wünschenswert. 

Aber  mehr  als  das:  die  Ausübung  des  Rechtes  nur  'mit  den 
Mitteln  der  älteren  Praxis  würde  offenbar  eine  vollständige 
Aufgabe  des  Rechts  selbst  sein.  Die  Zeit  ist  vorbei,  dass  die  Scliiffs- 
papiere  einen  zwingenden  oder  notwendigerweise  nur  Vermutungsbeweis  des 
wahren  Charakters,  Eigentums  oder  der  Bestimmung  der  Ladung  gewähren. 
Das  erbebliche  Anwachsen  von  verschiedenen  Möglichkeiten,  die  Güter  auf 
dem  Wege  nach  oder  von  dem  feindlichen  Lande  zu  senden,  und  das  Vor- 
handensein von  anderen  und  leichteren  Mitteilungsmitteln  zwischen  den  Händlern, 
als  es  das  Schiff  ist,  das  die  Güter  trägt,  verschaffen  fast  unendliche  Gelegen- 
heiten des  Verheimlichens.  Die  Papiere,  weiche  die  wahre  Natur  des  Geschäfts 
offenbaren  würden,  die  Verträge,  Korrespondenzen  und  Telegramme  können 
ihren  eigenen  Weg  gehen.  Wenn  der  Neutrale  deshalb  nicht  mit  besseren, 
die  wahre  Natur  der  Geschäfte  enthaltenden  Urkunden  versehen  werden  soll, 
als  die  Papiere  sind,  welche  sich  auf  dem  Schiffe  befinden,  so  muss  der  Krieg- 
führende darauf  bedacht  sein,  den  Beweis  der  wahren  Tatsachen  aus 
Quellen  ausserhalb  des  Schiffes  zu  erfahren. 

So  ist  eine  geAvisse  Änderung,  nicht  des  Grundsatzes,  aber 
der  Praxis  notwendig  geworden;  und  die  Einzelheiten,  mit  denen 
die  Order  in  Council  vom  11.  März  1915  zur  Durchführung  ge- 
langte, sind  das  moderne  Gegenstück  zu  den  älteren  Metiioden. 
Um  zu  bestimmen,  ob  die  Verzögerungen,  die  sich  aus  den  moderneu  Methoden 
ergeben,  verringert  oder  vermieden  werden  können,  haben  wir  es  für  unsere 
Pflicht  gehalten,  Punkt  für  Punkt  alle  Einzelheiten  dieses  Mechanismus  zu 
untersuchen,  und  haben  bei  allen  in  Betracht  kommenden  Amtsstellen  Er- 
mittlungen angestellt".     (Vgl.  Dicey,  Lecture.s  282  A.  3.) 

Ebenso  argumentieren  Piggott  und  Pyke,  siehe  unten  Aum.  95. 


§  4.     Gnindsiltzliche  Einwendungen  21 

arbeitet,  class  alle  dem  widersprechenden  Gesichtspunkte  völlig- 
verdrängt werden.  Die  Schrankenlosigkeit  der  Wahrnehmung- 
eigener Interessen  wird  mit  einer  wunderbaren  Selbstverständlich- 
keit praktisch  und  theoretisch  durchgesetzt,  wogegen  es  liier 
nicht  interessiert,  dass  sie  sich  häufig  in  wunderlicher  Weise  mit 
einer  selbst  als  echt  empfundenen  sittlichen  Entrüstung  über  ein 
vermeintlich  gleiches  Tun  des  Gegner^  vereinigt  findet.  Ein  gutes 
Beispiel  für  diese  methodisch  und  logisch  unhaltbare,  aber  prak- 
tisch-politisch nicht  unwirksame  Art  findet  sich  in  dem  auch 
sonst  bedeutsamen  Memorandum  der  englischen  und  französischen 
Regierung  an  die  Vereinigten  Staaten  vom  12.  Oktober  1916'^') 
unter  Nr.  32 : 


31)  MLsc.  Nr.  2  (^1917)  Cd.  8438,  Der  Geist  dieses  Meuioraudums  ist  eng- 
liscli,  Aveun  auch  die  Spradie  französiscli  ist.  Ein  anderes  Beispiel  siehe  in 
:Misc.  Nr.  32  (1916)  Cd.  8348,  p.  16,  21,  26,  wo  es  als  Völkerrecht  in  Anspruch 
genommen  wird,  die  Zivilbevölkerung  Deutschlands  auszuhungern  und  Vorsorge 
zu  treffen,  dass  keine  Lebensmittel  aus  den  besetzten  Gebieten  nach  Deutschland 
gelangen.     Vgl.  auch  Mise.  Nr.  24  (1916)  Cd.  8295. 

Schliesslich  gehört  hierher  die  recht  bedenkliche  Art,  im  Leser  einen  Irr- 
tum zu  erregen  oder  zu  unterhalten,  indem  es  offenbar  für  seine  Sache  gehalten 
wird,  den  Dingen  auf  den  Grund  zu  gehen,  und  als  Eecht  in  Anspruch  genommen 
wird,  die  bekannte  Wahrheit  zu  verschAveigen  und  die  Unwahriieit  nicht  un- 
mittelbar, sondern  mittelbar,  sozusagen  durch  Benutzung  der  Unkenntnis  des 
andern  vom  wahren  Sachverhalt  zu  verbreiten.  In  Nr.  75  des  belgischen  Grau- 
buches heisst  es:  t      i        i       iq    a         <•  iqi^ 

London,  den  13.  August  1914. 

Sehr  geehrter  Herr  Minister.. 

In  Beantwortung  Ihrer  Depesche  vom  7.  August  habe  ich  die  Ehre,  zu 
Ihrer  Kenntnis  zu  bringen,  dass  die  britische  Begierung  sich  nicht  dem  bel- 
gischen Vorschlag  anscliliessen  kann,  der  sich  darauf  bezieht,  die  Neutralität 
der  Besitzungen  zu  wahren,  welche  die  kriegführenden  Mächte  im  konven- 
tionellen Kongobecken  haben. 

Die  deutschen  Truppen  von  Deutsch-Ostafrika  haben  schon  gegen  das 
englische  Protektorat  von  Zentralafrika  die  Offensive  ergriffen.  Andererseits 
haben  britische  Truppen  schon  den  deutschen  Hafen  von  Daressalani  ange- 
griffen, wo  sie  die  Station  der  Funkentelegraphie  zerstört  haben. 

Unter  diesen  Umständen  kann  die  englische  Regierung  den  belgischen 
Vorschlag  nicht  annehmen,  selbst  wenn  sie  von  seiner  politischen  und  stra- 
tegischen Nützlichkeit  überzeugt  wäre. 

Die  Regierung  zu  London  glaubt,  dass  die  Streitkräfte,  welche 
sie  nach  Afrika  schickt,  genügen  werden,  um  jeden  Widerstand 
zu  beseitigen.  Sie  wird  alles  ihr  Mögliche  tun,  um  Erhebungen  in  der 
Eingeborenen-Bevölkerung  zu  verhindern. 

Frankreich  ist  der  gleichen  Ansicht  wie  England,  mit  Rücksicht  auf  die 
Tätigkeit  der  Deutschen,  die  in  der  Nähe  von  Bonar  und  Ekododo  wahr- 
genommen worden  ist. 

Gestatten  Sie  etc.  Graf  von  Lalaing. 

Bei  jedem  unbefangenen  Leser  müssen  und  sollen  diese  Zeilen  den  Eindruck 
erwecken,  als  wenn  Deutschland  in  Ostafrika  den  Krieg  „angefangen"  hätte. 
Vgl.  Alfred  Zimmermanns  Darstellung. 


22  Erstes  Kaintel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

Das  amerikanische  Meninraiiiliim  glaubt,,  mit  Bestimmtheit  eriuiieni  zu 
sollen,  (lass  die  Rechte  der  Neutralen  und  die  Rechte  der  Kriegführenden  in 
gleicher  Weise  geheiligt  sind  und  genau  beachtet  werden  müssen.  Die 
Verbündeten  Regierungen  erkennen,  was  diese  anlangt,  diesen  (ie- 


Eine  der  ersten  Regieruugshandlungen  Grossbritanniens  nach  Kriegsausbruch 
am  4.  August  1914  war  aber,  sich  der  deutschen  Kolonien  insgesamt  so  schnell 
wie  möglich  zu  benicächtigen.  Am  6.  August  1914  telegraphiert  bereits  der  eng- 
lische Staatssekretär  für  die  Kolonien  —  vgl.  Correspondence  on  tlie  subject  of 
the  pruposed  naval  and  military  expedition  against  German  i^outh  "West  Africa 
(April  1915)  Cd.  7875,  und  Corre.spopdence  relating  to  the  occupation  of  German 
Samoa  by  an  expeditionary  force  from  New  Zealand  (September  1915)  Cd.  7972. 
das  letzte  auch  abgedruckt  in  Times  Doc.  hist.  135  und  219  (Cd.  7975): 
Der  Staatssekretär  an  den  Gouverneur  von  Neuseeland. 

den  6.  August  1914. 
Wenn  Ihre  Minister  wünschen  und  in  der  Lage  sind,  die  deutsche  Funken- 
station zu  Samoa  zu  nehmen,  so  würden  wir  dies  für  einen  grossen  und 
nützlichen  Dienst  im  Interesse  des  Reichs  halten.  Vergegenwärtigen  Sie 
sich  jedenfalls,  dass  jedes  b.esetzte  Gebiet  bei  Kriegsende  für  die 
Zwecke  eines  endgültigen  Ausgleichs  zur  Verfügung  der  Reichs- 
regierung sein  muss.  Andere  Dominions  sind  in  gleicher  Weise 
verständigt  und  auf  einem  ähnlichen  Wege  tätig,  und  insbesondere 
ist  Commonwealth  im  Begriffe,  sich  die  Funkenstation  zu  Neu-Guinea,  Yap, 
Marschall-Inseln  und  Nauru  oder  Pleasant  Island  zum  Ziele  zu  nehmen. 

Harcourt. 

Der  Staatssekretär  an  den  Generalgouverneur  von  Australien. 

6.  August  1914  (Auszug). 
Wenn  Ihre  Minister  wünschen  und  in  der  Lage  sind,  die  deutscheu  Funken- 
stationen zu  Neu-Guinea,  Yap,  auf  den  Marschall-Inseln  und  Nauru  auf 
Pleasant  Island  zu  besetzen,  so  würden  wir  dies  für  einen  grossen  und  drin- 
genden Dienst  im  Interesse  des  Reichs  halten  usw.  [wie  vorher,  jedoch  zum 
Schluss:]  Und  insbesoiulere  ist  Neuseeland  nahegelegt  worden,  gegen  Samoa 
vorzugehen.  Harcourt. 

Das  erste  Telegramm  ist  bis  auf  die  Worte  „und  insbesondere"  usw.  bis 
zum  Schluss  am  gleichen  Tage  an  den  Generalgouverneur  von  Südafrika  abge- 
sandt'worden.  Die  Daten  sprechen  für  sich  selbst.  Am  10.  August  1914  hat 
bereits  ein  englischer  Kreuzer  die  Funkenstation  Daressalam  zerstört  (p.  84 
der  Times  Doc.  bist.).  Es  erscheint  ganz  ausgeschlossen,  dass  deutsche  Truppen 
vor  Beginn  der  Ausführung  dieser  telegraphischen  Anordnungen  —  es  genügte 
schon  \»r  dem  Tage  dieser  Anordnungen!  —  feindliche  Handlungen  gegen  Englisch- 
Ostafrika  begangen  hätten.  Wenn  irgendein  Zweifel  bestände,  so  wird  er  durch 
die  Tatsache  beseitigt,  dass  England  das  Datum  dieser  feindlichen  Handlungen 
nicht  angibt,  dass  di«s  aber  zweifellos  geschehen  wäre,  wenn  eben  nicht  mit 
unrichtigen  Schlussfolgeruugen  aus  den  unbestimmten  Angaben  gerechnet  worden 
wäre,  und  dass  sich  England  vor  seiner  Kriegserklärung  der  Hilfe  seiner  Über- 
seedominions  zu  Lande  und  zur  See  vergewissert  hatte,  deren  Zusagen  ihm  von 
Neuseeland  am  31.  7.  1914  (1),  Canada  am  2.  8.,  dem  australischen  Staatenbund 
am  3.8.,  Südafrica  am  4.8.1914  zuging,  was  die  Correspondence  in  Cd.  7607 
(vgl.  auch  7608  und  7646)  beweist. 

Es  mag  hier  schliesslich  noch  eine  Verfügung  Platz  finden,  die  beweist, 
dass  an  eine  dauernde  Einverleibung  der  besetzten  deutschen  Kolonialgebiete 
von  vornherein  nicht  gedacht  worden  ist,  während  sich  Grossbritanuien  nicht 
gescheut  hat,  unter  Verletzung  des  Völkeriechts  Aegj7)ten  und  Zypern  formell 
zu  annektieren  (Times  Doc.  hist.  137  Nr.  6): 


§  4.     Giundsiltzliche  Einwendungen  23 

sich t.siniiikt  volls täuilig  an.  Sie  maclien  auch  aufrichtige  Anstrengnngen, 
lim  zu  vermeiden ,  dass  die  Ausübung  ihrer  Rechte  als  Kriegführender  in 
die  rechtmässige  Ausübung  der  Rechte  des  harmlosen  neutralen  Handels  ein- 
greift. Aber  sie  sind  der  Meinung,  dass  es  ihr  Recht  als  Krieg- 
führender ist,  auf  hoher  See  die  Aufsicht  auszuüben,  welche 
ihnen  das  internationale  Recht  zuerkennt,  uui  jedem  Trausport 
entgegenzutreten,  der  bestimmt  ist,  ihren  Feind  in  der  Krieg- 
führung und  Anfrechterhaltung  seines  Widerstandes  zu  unter- 
stützen. Nach  ihrer  Meinung  darf  das  Recht  der  Vereinigten  Staaten  als 
neutraler  Staat  nicht  daliin  führen,  dass  die  Bundesregierung  Expeditionen, 
Sendungen,  Korrespondenzen  oder  Mitteilungen  ihren  Schutz,  in  welcher  Form 
auch  immer,  verleiht,  die  offenbar  feindlichen  Charakter  haben  oder 
verbergen  und  eine  mittelbare  oder  unmittelbare  feindliche 
Bestimmung  besitzen,  welche  die  amerikanischen  Privatleute  nur  auf 
die  Gefahr  hin  fördern  mögen,  an  ihrem  Vermögen  oder  ihrer  Person  Schaden  zu 
leiden.  Das  ist  der  Grundsatz,  an  den  sogar  ausdrücklich  durch  den  Präsidenten 
der  Vereinigten  Staaten  in  seinen  Neutralitätsproklamationen  erinnert  worden  ist. 

Es  wird  in  dieser  bestimmt  auftretenden  Auseinandersetzung- 
gar  nicht  bemerkt,  dass  die  restlose  Verwirklichung  bestimmter 
Rechte  mit  ihnen  selbst  nicht  gegeben  ist,  dass  die  Rechte  durch 
Gegenrechte  beschränkt  und  vielfach  wirkungslos  werden,  dass 
aber  die  Wirkungslosigkeit  eines  Rechts  unter  bestimmten  Ein- 
schränkungen eines  anderen  Berechtigten  nicht  den  Schluss  auf 
die  Nichtbeachtung  dieser  Einschränkungen  und  den  Anspruch 
auf  das  Zurücktreten  des  Berechtigten  rechtfertigt.  Die  Aufgabe 
der  Kriegführung  ist  es  wohl,  die  Kriegführung  des  Feindes  zu 
bekämpfen  und  seinen  Widerstand  zu  brechen,  aber  die  Erfüllung 
dieser  Aufgabe  ist  nicht  mit  allen  nach  der  Kriegslage  für  not- 
wendig erachteten  Mitteln  erlaubt,  die  Zulässigkeit  der  zu 
wählenden  Kriegsmittel  wird  durch  die  völkerrechtlichen  Be- 
stimmungen und  die  darauf  gegründeten  Rechte  des  Feindes, 
wie  der  Neutralen  begrenzt.  Es  ist  gar  nicht  einzusehen, 
warum  die  Rechte  der  Neutralen  nicht  den  Schutz  von  Sendungen 


Der  Staatssekretär  an  den  Gouverneur  von  Neuseeland. 

18.  August  1914. 
In  Verbindung  der  Expedition  gegen  Samoa  soll  in  allen  Gebieten,  die 
durch  die  Streitkräfte  Seiner  Majestät  erfolgreich  besetzt  sind,  die  britische 
Flagge  gehisst  werden,  und  passende  Einrichtungen  für  eine  vorüber- 
gehende Verwaltung  sollen  getroffen  werden:  Aber  keine  Pro- 
klamation, durch  die  ein  solches  Gebiet  formell  annektiert  wird, 
darf  ohne  vorherige  Verbindung  mit  Seiner  Majestät  Regierung 
erlassen  werden.  Harcourt. 


24  Erstes  Kapitel:   Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

feindliclien  Charakters  ergeben  können,  warum  von  diesem  uner- 
wünschten Schutz  darauf  geschlossen  werden  muss,  dass  die  Rechte 
der  Neutralen  insofern  denen  der  Kriegführenden  zu  weichen 
haben,  und  nicht  diese  jenen.  Im  Zweifels  falle  wird  zu  fragen 
sein,  wie  wäre  der  Streit  zu  entscheiden,  wenn  derjenige  Staat, 
der  die  Zulässigkeit  seiner  angefochtenen  Massnahme  in  Anspruch 
nimmt,  kein  oder  ein  Gegen-Interesse  an  ihr  hätte,  wenn  er  z.  B. 
neutral  wäre,  da  doch  die  etwa  fragliche  Rechtsregel  allgemein 
für  alle  Staaten  gelten  muss,  wie  auch  immer  ihre  Beteiligung 
am  Kriege  sein  mag^-). 

§  5 
Artikel  23  h  der  Laiidkriegsordmuig. 

Die  Geltung  und  Tragweite  der  Haager  Abkommen  und  Lon- 
doner und  Pariser  Deklaration  in  dem  hier  dargelegten  Sinne 
kann  aber  auch  noch  durch  die  Auslegung  der  einzelnen  Be- 
stimmungen in  Frage  gestellt  werden.  Das  bekannte,  an  dieser 
Stelle  zu  erörternde  Beispiel  ist  die  neuere  englische  Auslegung 
des  Artikels  23  h  ^^)  der  vierten  Haager  Konvention.  Die  Ent- 
stehungsgeschichte und  die  beiden  in  Frage  stehenden  Ansichten 
sind  in  mustergültiger,  fast  verdächtiger  Objektivität  von  Hig- 
gins^*)  dargestellt  worden.  In  Sachen  Porter /.  Freudenberg  gibt 
das  Urteil  des  High  Court  of  Justice  vom  19.  Januar  1915,  das 
eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt  hat,  den  englischen  Standpunkt 
gut  wieder.  Nach  wörtlicher  Mitteilung  der  Artikel  22  und  23 
und  Hinweis  auf  die  äussere  Ordnung  des  Anhangs  zur  Konven- 
tion heisst  es  wörtlich  ^^): 


^2)  Vgl.  die  treffende  Kritik  Brevvers,  unten  S.  117  ff.  übersetzt,  und  die 
niederländische,  vielfach  mit  der  später  wörtlich  wiedergegebenen  amerikanischen 
Kritik  übereinstimmende  Stellungnabme  des  Recueil  21—54. 

*')  Abgesehen  von  den  durch  Sonderverträge  aufgestellten  Verboten  ist 
namentlich  untersagt:     (folgt  a  bis  g  und  dann) 

h)  Die  Aufhebung  oder  zeitweilige  Ausserkraftsetzung  der  Rechte  und  For- 
derungen von  Angehörigen  der  Gegenpartei  oder  die  Ausschliessung  ihrer  Klag- 
barkeit.    (Amtliche  Uebersetzung.) 

^*)  Hague  263.  In  War  S.  56  stellt  sich  Higgins  denn  auch  auf  den 
neuen  englischen  Standpunkt. 

^°)  Uebersetzt  in  „Ausnahmegesetze",  Urtext  im  Auszuge  bei  Phillipson, 
Great  war  112  (vgl.  auch  105). 


§  5.     Artikel  23  li  der  Landkriegsordnung  25 

.L»ie  Frage  ist,  ob  die  Wirkung  dieser  Bestimmung  die  alte  Regel  (die 
keine  Eigentümlichkeit  des  englischen  Rechts  ist,  obwohl  sie  in  England  mehr 
hervortritt,  als  anderswo),  dass  das  Klagerecht  des  feindlichen  Ausländers 
während  des  Krieges  ruht,  ausser  Kraft  setzt  oder  nicht.  Nach  sorgfältiger 
Erwägung  der  verschiedenen  Ansichten  hervorragender  Juristen  ist  der  Ge- 
richtshof der  unzweifelhaften  Meinung,  dass  die  Bestimmung  keine  solche 
Ausserkraftsetzung  bedeutet.  In  erster  Reihe  spricht  der  Wortlaut  der  Be- 
stimmung selbst  gegen  eine  derartige  Ansicht.  Was  verboten  ist,  ist  eine 
Erklärung.  „Es  ist  verboten,  zu  erklären".  Das  ist  nicht  auf  ein  Land  an- 
wendbar, in  welchem,  Avie  in  England,  für  eine  Erklärung  kein  Raum  ist. 
Kraft  des  geltenden  Rechtes  des  Landes  hat  die  blosse  Tatsache  des  Krieges 
ipso  facto  die  Wirkung,  dass  sie  das  Klagerecht  feindlicher  Ausländer  aufhebt. 
Ein  hervorragender  deutscher  Jurist,  Dr.  Sieveking,  war  der  Ansicht,  dass 
aus  diesem  Grunde  die  Bestimmung  gegenüber  England  wirkungslos  sei. 
Zweitens  beweist  der  Wortlaut,  dass  die  Bestimmung  tatsächlich  aufgefasst 
werden  muss  als  Verbot  einer  Erklärung  des  militärischen  Befehlshabers  von 
Streitkräften  bei  der  Besetzung  feindlichen  Gebiets,  welche  die  EiuAvohner 
verhindern  soll,  sich  ihrer  Gerichte  zur  Bestätigung  oder  zum  Schutze  ihrer 
bürgerlichen  Rechte  zu  bedienen.  Die  Bestimmung  ist  in  eine  Gruppe  der 
Bestimmungen  eingeschlossen,  die  den  Artikel  23  bilden  und  von  denen  jede 
andere  sich  nur  auf  das  Verhalten  von  Streitkräften  und  ihrer  Befehlshaber 
im  Felde  bezieht.  Das  Kapitel,  zu  dem  der  Artikel  gehört,  ist  überschrieben 
„Mittel  zur  Schädigung  des  Feindes,  Belagerungen  und  Beschiessungen" ;  und 
"  der  Abschnitt  der  Anlage,  zu  dem  das  Kapitel  gehört,  trägt  die  allgemeine 
Überschrift  „Feindseligkeiten".  Die  Erklärung,  welciie  die  ganze  Anlage  be- 
herrscht und  ihre  Anwendung  regelt,  ist  im  Artikel  1  zu  finden:  .Die  Ver- 
tragsraächte  werden  ihren  Landheeren  Verhaltungsmassregeln  geben,  welche 
der  dem  vorliegenden  Abkommen  beigefügten  Ordnung  der  Gesetze  und  Ge- 
bräuche des  Landkriegs  entsprechen'.  Dies  war  die  im  Jahre  1911  bekannt- 
gegebene Ansicht  der  britischen  Regierung". 

Diesen  Ausführungen  lässt  sich  eine  gewisse  formal-juristische 
Geschlossenheit  -nicht  abstreiten.  Freilich  hätte  das  Hohe  Gericht 
die  Stelle  der  Äusserung  des  hervorragenden  Juristen  angeben  sollen, 
damit  sie  leichter  hätte  nachgeprüft  werden  können ;  auch  hätte  es 
nahegelegen,  die  Äusserungen  anderer,  nicht  minder  hervorragender 
deutscher  Juristen  heranzuziehen,  welche  mit  schwer  widerleg- 
baren Gründen  gerade  die  vom  Gericht  aufgenommenen  Argumente 
zu  widerlegen  versucht  haben  ^^).     Wenn  aber  in  Anbetracht  der 


2«)  Müller-Meiningen,  Bd.  II  6;  Bornhak  51;  Triepel,  Zukunft  28; 
Kohler  312;  Nippold,  Bd.  II  26,  Zeitschrift  388;  Huber  581;  Strupp, 
Landkriegsrecht  65,  in  Zeitschrift  für  Internat.  Recht  Bd.  23,  118  ff.  und  25,  351, 
und  Zeitschrift  für  Völkerrecht  Bd.  8,  57;  Deutsches  W^eissbuch  7;  Zitelmann 
in  Deutschland  und  der  Weltkrieg  810,  Versicherung  und  Krieg  19,  62  ff.,  74. 
Die  Ausführungen  Sievekings,  die  gemeint  sind,  finden  sich  p.  169 ff.  und  sind 


26  Erstes  Kapitel:    Gibt  es  verbindliche  Völkerrechtssätze? 

Aiisfiiliruiigen  am  Schluss  des  §  4  eine  solche  theoretisch-methodische 
Selbstbesinnung"  und  grundsätzliche  Auseinandersetzung  bei  dem 
nationalen  Interesse  an  einer  Entscheidung  im  Sinne  des  Gerichts 
auch  nicht  g"ut  erwartet  werden  kann,  so  hätten  doch  abweichende 
Meinungsäusserungen  hervorragender  englischer  Juristen  nicht 
übergangen  werden  dürfen.  Schon  Holland,  dessen  Autorität 
nicht  angezweifelt  werden  wird,  vertritt  S.  5  seines  bereits  zitierten 
Buches  „The  Laws  of  War  on  Land",  das  1908  erschienen  ist  und 
den  Vorzug  hat,  unter  dem  unmittelbaren  Eindruck  der  eben  ab- 
geschlossenen Verhandlungen  entstanden  zu  sein,  den  englischen 
Standpunkt  schwankend  und  unsicher,  wenn  er  sagt: 

2)  Es  ist  bedauerlich,  dass  Bestimimuigen,  die  zur  Anleitung  der  Feld- 
heere dienen  sollen,  wie  es  in  den  meisten  dieser  Abniacliungen  der  Fall  ist,  mit 
Bestimmungen  vermischt  sind,  die  sich  auf  die  Pflichten  der  kriegführenden 
Regierungen  in  der  Heimat  beziehen.  Als  Beispiele  dieses  Irrtums  sei  Ar- 
tikel 23  h  des  Haager  Eeglements  angeführt,  Avelcher  die  unterzeichnenden 
Staaten  aufzufordern  scheint,  Gesetze  zu  erlassen  zur  Abschaffung  der  Un- 
fähigkeit des  Feindes,  vor  Gericht  aufzutreten.  Artikel  23,  27  und  28  der 
Genfer  Konvention  schaffen  eine  ähnliche  Pflicht  zur  Gesetzgebung , 
und  viele  der  Artikel  des  V.  Haager  Abkommens  handeln  von  den  Ver- 
pflichtungen der  Staaten  im  Gegensatz  zu  denen  der  Individuen. 

3)  Die  Mächte  hätten  es  übernehmen  sollen  ,  das  Reglement  im  Wortlaut 
zu  verkünden,  eher  als,  wie  es  jetzt  vorgesehen  ist,  Anweisungen  in  Über- 
einstimmung mit  ihm  zu  erlassen. 

.4)  Ein  Blangel  an  logisclier  Methode  ist  ausserdem  dem  Haager  Reglement 
selbst  vorzuwerfen.  Zum  Beispiel  hätte  in  Artikel  23  die  Klausel  f  über  den 
Misshrauch  der  Flaggen  und  Abzeichen  dem  Artikel  24  folgen  sollen,  der 
von  den  Kriegslisten  handelt;  und  die  Klausel  h  über  das  Klagerecht  des 
Feindes  ist,  wenn  sie  überhaupt  hierher  gehört,  in  dem  Artikel,  in  dem 
sie  steht,  gar  nicht  an  ihrem  Platze.  Viele  der  Bestimmungen,  welche  offenbar 
nur  in  bezug  auf  „besetzte  Gebiete"  aufgestellt  sind,  werden  auch  unter 
andern  Umständen  gebraucht. 

Die  später  S.  44  ausgesprochenen  Bedenken  erhöhen  den  Ein- 
druck der -Unsicherheit  Hollands ^^)  und  werden  durch  andere 
englische,  amerikanische  und  französische  Schriftsteller^'')  ebenso 


in  der  eben  zitierten  deutschen  Literatur  z.  T.  schon  vorweg  widerlegt,  ohne  dass 
der  Vortrag  Sievekings  überhaupt  erwähnt  wurde.  Ihn  auszugraben,  war  dem 
englischen  Gericht  vorbehalten. 

"')  Siehe  freilich  seine  klare  Stellungnahme  im  englischen  Sinne  in  the 
Law^  Quarterly  Review;  dagegen  hat  sich  Lawrence,  Principles  358—360 
ganz  auf  den  deutschen  Staudpunkt  gestellt,  ebenso  Bord  well  210  und  2(J4. 
Und  schon  im  Jahre  1880  Wheaton,  International  Law  358  §  300.    Ebenso 


§  5.     Artikel  23  li  der  Landkriegsordnung  27 

juristisch  widerlegt,  wie  durch  die  ausführlicheren  Darlegungen 
Strupps,  auf  die  ich  hier  verweisen  muss.  Wenn  demgegenüber 
der  englische  Gerichtshof  das  Wort  ,.declarer"  presst  und  ganz  wört- 
lich nimmt,  so  ist  es  unverständlich  und  unbegründet,  warum  mit 
Artikel  23  h  gemeint  sein  soll,  dass  eine  derartige  Deklaration 
in  futuro  verboten  sein  soll,  und  dieses  Verbot  nicht  auch  auf  die 
Vergangenheit  sich  erstrecken  soll.  Das  Verbot,  zu  erklären, 
ist  doch  gegen  den  Rechtszustand  gerichtet,  den  eine, 
solche  Erklärung,  mag  sie  nun  bereits  nach  bestehenden  Ge- 
setzen vorhanden  sein  oder  durch  neue  Gesetze  eingeführt  werden, 
zur  Folge  haben  würde.  In  beiden  Fällen  ist  der  verbotene 
Rechtszustand  verpönt.  Wenn  ein  Vertragsstaat  die  Aufhebung, 
zeitweilige  Ausserkraftsetzung  und  Ausschliessung  der  Klagbarkeit 
von  Rechten  und  Forderungen  der  Angehörigen  der  Gegenpartei 
aufrechterhält,  so  erklärt  er  doch  nach  seinem  Landesrecht 
für  Recht,  was  Artikel  23  h  verbieten  will  und  verboten  hat,  und 
verletzt  damit  diese  Bestimmung.  Dass  aber  Artikel  23  h  kein 
Verbot  an  die  militärischen  Befehlshaber  aussprechen  will,  folgt 
aus  den  eigenen  Darlegungen  des  Urteils  über  das  Wort  „declarer". 
Diese  haben  völkerrechtlich  doch  nur  dann  einen  rechten  Sinn, 
wenn  der  Adressat  des  Verbots  der  Vertragsstaat  selber  und  nicht 
sein  militärischer  Befehlshaber  ist.  Dass  dieser  die  fragliche  Er- 
klärung nicht  erlassen  darf,  folgt  ja  aus  dem  dritten  Abschnitt 
über  die  militärische  Gewalt  auf  besetztem  feindlichem  Gebiet 
(Artikel  43,  46,  53,  55)  und  bedurfte  keiner  besonderen  Regelung. 
Beide  Entscheidungsgründe  des  Urteils  sind  miteinander  unver- 
träglich:  wenn  das  Wort  „declarer"  mit  der  dort  ausgeführten 
Einschränkung  gelesen  werden  müsste,  dann  kann  das  Verbot 
nicht  an  die  Militärbefehlshaber  gerichtet  sein;  wenn  es  aber  an 
sie  gerichtet  wäre,  dann  ist  die  Einschränkung  unhaltbar,  dann 
hat  das  Wort  eine  viel  weitere,  hier  vertretene  Tragweite,  dass 
es,  wie  so  häufig,  den  Weg  der  Gesetzgebung  in  allgemeiner 
Wendung  in  gleicher  Bedeutung  mit  dem  Gesetz  gebraucht,  das 
Erklären  mit  dem  Erklärten  gleichgesetzt  hat.  Nun  wird, 
was  bisher  nicht  erkannt  worden  ist,  klar,  warum  die  Bestimmung  h 


Latifi  40;  Phillipson.  Effects  45  unten,  46  oben  und  73;  Hershe}',  Essen- 
tials  395  A.  56;  HuU  235;  Scott,  Hague  Bd.  I  536;  ß.onfils  Nr.  1065; 
Politis,  Bustamante  Nr.  224.     Zweifehid  Spaight  140, 


28  Erstes  Kapitel:    (übt  es  verbindliche  Vülkcrrcchtssätze? 

in  den  Zusammenhang  der  anderen  Vorschriften  des  Artikels  23 
gehingt  ist  und  dort  auch  insofern  seinen  richtigen  Platz  hat: 
alle  Bestimmungen  von  a— h  des  Artikels  23  sind  sinnlos,  wenn 
man  sie  wörtlich  nimmt,  wie  es  die  englische  Entscheidung  tut, 
und  zu  eng,  wenn  man  sie  ausschliesslich  im  Zusammenhang  mit 
Artikel  1  der  Konvention  liest.  Holland  hat  schon  in  der  oben 
wiedergegebenen  Stelle  auf  diesen  Mangel  an  Logik  und  Methode 
in  der  Randnotiz  („Eine  logischere  Methode  hätte  angewendet  werden 
sollen")  hingewiesen^^).  Dieser  Mangel  verschwindet  oder  tritt  doch 
ganz  erheblich  zurück,  wenn,  wie  erforderlich,  Artikel  1  der  Kon- 
vention von  dem  darin  erwähnten  Reglement  logisch  gesondert  und 
Konvention  und  Reglement  als  zwei  nebeneinander  bestehende  Ord- 
nungen für  sich  betrachtet  werden.  Alsdann  wird  klar,  dass  der 
leitende  Gedanke  des  Reglement  die  selbständige  Koditizierung 
der  Gesetze  und  Gebräuche  des  Landkriegs  ist,  und  dass  es  in 
seiner  Fassung  unabhängig  von  der  Konvention  selbst  verstanden 
sein  will.  Nach  dieser  Klarstellung  ist  ersichtlich,  dass  Abschnitt  II 
die  allgemeinen  Grundsätze  von  den  Feindseligkeiten  ausspricht 
und  Artikel  23  nicht  die  Tätigkeit  der  dort  in  verbaler 
Form  aufgezählten  Handlungen  treffen,  sondern  den 
Rechtszustand  schaffen  will,  der  besteht,  wenn  die  ver- 
botenen Handlungen  entfallen.  Er  arbeitet  also  mit  einer 
gewissen  indirekten  Methode.  Sein  leitender  und  alle  Fälle 
zusammenfassender  Gedanke  ist  nicht  die  Tat  des  Rechtsbrechers 
und  seine  Rechtsstellung,  sondern  die  Rechtslage  des  Ver- 
letzten und  sein  Anspruch  auf  üiiterlassung.  Der  in  seiner 
Lage  durch  Artikel  23  a — h  Geschützte  kann  von  seinem  Gegner 
verlangen,  dass  er  alle  dort  verbotenen  Handlungen  nicht  begehe. 
Die  Ansprüche  auf  Unterlassung  bestimmter  feindlicher 
Akte  durch  den  Gegner  sollen  geregelt  werden  und  da- 
mit ein   von   den  Feindseligkeiten  unberührbarer,   trotz 


^^1  Neuerdings  durch  von  Liszt,  Völkerrecht  298  Anni.  8.  zu  Unreclit 
wiederholt.  Oppenheim,  Zukunft  Ififi  ff.,  führt  den  Art.  23  h  als  Bei-spiel  einer 
leichtfertigen  gesetzgeberischen  Methode  an,  entscheidet  sich  weder  für  die  eng- 
lische noch  für  die  deutsche  Auffassung  und  setzt  schliesslich  134  ff.  und  198 
an  die  Stelle  des  hier  gegebenen  Versuchs  einer  den  Avahren  und  letzten  Sinn 
der  Gesetzesworte  erfassenden  Auslegung  sehr  heaclitenswerte  Ausfüiirungf^n 
über  die  verschiedene  Denkweise  (Methode)  der  kontinentalen  und  der  auylo- 
ainerikanischeu  Juristen. 


§  5,     Artikel  23  Ii  der  Landkriegsordnung  29 

ihnen  fortbestehender  Friedenszustancl  umschrieben 
werden.  In  diesem  Zusammenhang  gesehen,  gehört  auch  die 
Aufrechterhaltuiig  und  Klagbarkeit  der  Rechte  und  Forderungen 
von  Angehörigen  der  Gegenpartei  zu  dem  Friedens  wer  li,  das 
trotz  der  Feindseligkeiten  durch  das  erste  Kapitel  des  zweiten 
Abschnitts  der  Landkriegsordnung  geschaffen  werden  sollte.  Hierin 
dürfte  die  letzte  Begründung  für  die  richtige  Meinung  gelegen 
sein,  dass  Artikel  1  der  Konvention  nicht  das  Reglement  ein- 
schränken kann,  sondern  nur  insoweit  gilt,  als  dieses  überhaupt 
Bestimmungen  enthält,  welche  für  Anweisungen  an  die  Streit- 
kräfte in  Betracht  kommen  ■'^). 


Zweites  Kapitel 

Verhältnis  von  Völkerrecht  und  Landesrecht 

(als  Mittel  zur  Nichterfüllung  völkerrechtlicher  Verbindlichkeiten). 

„Weun  die  Neutralen  während  der  Kriegsdauer  festzustellen 
liätten,  wo  das  gute  Recht  wäre,  so  würde  ihnen  die  Lösung  der 
Aufgabe  leicht  gemacht.  Sie  fänden  dieses  gute  Recht  als  eine 
unabänderliche  Tatsache  auf  der  Seite  der  stärksten  Kriegs- 
führenden-. Gustave  Leßon,   29i. 

, . . .  wenn  dem  Handel  der  Neutralen  kein  Schaden  zugefügt 
worden  wäre,  würde  die  britische  Kriegsflotte  ohnmächtig  sein, 
dem  wirtschaftlichen  Leben  Deutschlands  mehr  als  Unbeciuem- 
licbkeiten  zuzufügen^  H.  Sidebotham,  77. 

Mit  Annahme  der  Geltung  bestimmter  völkerrechtlicher  Rechts- 
sätze auf  Grund  der  Ausführungen  im  ersten  Kapitel  ist  über  die 
Art  und  Natur  ihrer  Geltung  und  die  Erfüllung  ihrer  Verbindlich- 
keiten noch  nichts  gesagt.  Verpflichtungen  aus  Staatsverträgen  oder 
Staatsgewohnheiten,  um  die  es  sich  bei  den  Haager  Abkommen, 
der  Pariser  und  Londoner  Deklaration  und  anderen  in  Betracht 
kommenden  Abmachungen  handelt,  können  zu  gleicher  Zeit  Teil 
einer  völkerrechtlichen  und  einer  staatsrechtlichen  Ordnung  sein. 
Das  Verhältnis  dieser  beiden  Ordnungen  zueinander  kann  nach 
dem  Staatsrecht  jedes  einzelnen  Landes  verschieden  sein.  Es  sind 
die  folgenden  ]\Iöglichkeiten  zu  unterscheiden :  Die  völkerrechtliclie 


^')  Zitelmaiin  hat  ganz  reclit,  wenn  er  S.  810  liervorliebt.  dass  Frank- 
reich unter  keinem  Gesichtspunkte  die  englischen  Gründe  sich  zu  eigen  niaclien 
durfte  und  def^halb  völlig  widerrechtlich  sich  über  Artikel  23  h  hinweggesetzt  hat. 


30  Jiweites  Kapitel:  Verhältnis  von  Völkerrecht  und  Landesrecht 

Verbindliclikeit  bedarf  zu  ilirer  Erfüllung  bestimmter  staatsrecht- 
licher (Gesetzgebungs-,  Verwaltungs-)  Akte,  erschöpft  sich  in  diesen, 
oder  sie  steht  als  solche  den  Landesgesetzen  unmittelbar  gleich 
und  drängt  entgegengesetzte  landesgesetzliche  Bestimmungen  un- 
mittelbar zurück,  macht  sie  unwirksam,  wird  aber  auch  durch 
spätere  Landesgesetze  als  landesgesetzliche  Norm  selbst  unwirk- 
sam gemacht.  Der  Unterschied  besteht  darin,  dass  in  dem  ersten 
Falle  die  völkerrechtliche  Rechtssatzung  von  der  staatsrechtlichen 
streng  getrennt  bleibt,  im  zweiten  die  völkerrechtliche  Rechts- 
ordnung selbst  innerstaatliches  Gesetz  ist.  Die  dritte  Möglichkeit 
bestellt  darin,  dass  die  Völkerrechtsordnung  eine  Art  höherer, 
übergeordneter  Rechtssatzung  darstellt,  welche  widersprechende 
innerstaatliche  Bestimmungen  ungültig  macht.  Die  hier  auf- 
tauchenden Fragen  sind  für  das  deutsche  Staatsrecht  und  das  der 
Vereinigten  Staaten  an  anderer  Stelle  ^°)  eingehend  erörtert  worden. 
Hier  ist  der  englische  Standpunkt  kurz  darzustellen,  weil  er  einen 
interessanten  Einblick  in  die  englische  Kriegspolitik  und  zugleich 
einen  Beleg  für  die  Ausführungen  in  §  4  b  bietet,  aber  auch  be- 
reits erkennen  lässt,  in  welcher  Weise  Völkerrechtsverletzungen 
möglich  sind,  für  welche  die  Regierung  des  betreffenden  Staates 
die  Verantwortung  abzulehnen  berechtigt  scheint,  wie  durch  ge- 
schickte Benutzung  des  Verhältnisses '  von  Völker-  und  Landesrecht 
die  Erfüllung  der  völkerrechtlichen  Verbindlichkeit  mit  dem  Schein 
der  Rechtmässigkeit  wirkungslos  gemacht  werden  kann  und  wird. 


Der  Standpunkt  der  englischen  ßeelitslehre  und  -praxis. 

a)  Die  ältere  englische  Rechtslehre. 

Phillimore  (a.a.O.  614  ff.)  gibt  die  häufig  zitierten  Ent- 
scheidungsgründe des  berührnten  Richters  Stowell  aus  dem  An- 
fang des  19.  Jahrhunderts  im  Fox-Falle  und  gleiche  Meinungs- 
äusserungen der  angesehenen  Richter  Sir  James  M'ackintosh  und 
Lord  Mansfield  wieder  und  stellt  sich  selbst  auf  den  darin  ver- 
tretenen Standpunkt, 


*«)    Siehe    Ludwig    Bendix,    Falinenflncht    137  if.     Vgl.    Triepel,    1899, 
111  ff.  und  253  ff. 


§  6.    Der  Standpunkt  der  cngliscLen  Rechtslehre  und  -praxis  31 

„dass  es  niemals  die  Ansicht  der  britisciien  Prisengerichte  gewesen  ist,  die 
Krone  habe  das  Recht,  ihnen,  weil  sie  die  Autorität  der  Krone  verkörpern, 
Bestimmungen  vorzuschreiben,  die  das  internationale  Recht  verletzen". 

Lord  Manst'ield  hatte  erklärt, 

„dass  eine  Parlamentsakte  das  Völkerrecht  nicht  ändern  würde,  und  dass 
die  ganze  Welt  an  einer  Entscheidung  eines  Adtairalitätsgericlites.  das  ein 
Prisengericht  ist,  teil  hat.  Maekintosh  war  im  Falle  solcher  gesetzwidrigen 
Anweisungen  überzeugt,  dass  englische  Admiralitätsgerichte  ebenso 
wie  englische  Gerichte  des  gemeinen  Rechts  ihre  Unabhängig- 
keit von  willkürlichen  Aufträgen  behaupten  würden  .  .  .,  aber 
er  würde  sicher  den  Standpunkt  vertreten  haben,  dass  es  in  einem  solchen 
vorgestellten  Falle  Pflicht  des  Richters  sei,  die  Anweisungen  zu 
III  i s s a c h  t e n  und  nur  das  W e  1 1 r e  c h t  zu  Rate  zu  ziehen,  dem  a n e r - 
kanntermassen  alle  zivilisierten  Fürsten  und  Staaten  sich  unter- 
worfen haben,  und  über  das  keiner  von  ihnen  die  Herrschaft 
beanspruchen  kann". 

Diese  Meinung  wird  auch  noch  neuerdings  während  des 
Krieges  von  Baty-Morgan  (a.a.O.  362)  vertreten  mit  den 
Worten : 

„Das  Prisengericht  gleicht,  kurz  gesagt,  wie  Dr.  T.  A.  Waker  bemerkt 
hat  (Wissenschaft  vom  Internationalen  Recht  S.  46),  einer  Abteilung  eines 
grossen  internationalen  Gerichtshofes,  die  in  einem  einzelnen  Lande  ihren 
Sitz  hat.  Es  mag  und  soll,  wenn  es  in  zweifelhaften  Punkten  die  Anwei- 
sung und  Anleitung  von  dem  örtlichen  Souveiän  erhält,  aber  es  mnss  nicht 
ihre  Widersprüche  zu  anerkannten  Grundsätzen  zur  Geltung 
bringen". 

b)  Die  jüngere  englische  Rechtslehre. 

Holland*^)  dagegen  zitiert  spätere  Entscheidungen  des 
gleichen  Richters  Lord  Stowell  und  des  Richters  Dr.  Lushington. 
welche  schon  einen  etwas  vorsichtigeren  und  einschränkenderen 
Standpunkt  einnehmen,  und  vertritt  selbst  die  Meinung, 

..das  Völkerrecht  ist  zweifellos  dem  gemeinen  Recht  einverleibt,  das  die 
Gerichte  dieses  Landes  bindet  .  .  .  Wenn  es  (das  Völkerrecht)  nur  dadurch 
Anerkennung  beanspruchen  kann,  dass  es  in  dem  gemeinen  Recht  des  Reiches 
einverleibt  ist,  so  sollten  wir  erwarten ,  zu  finden ,  dass  es,  wie  jeder  andere 
Teil  des  gemeinen  Rechts,  von  unseren  Richtern  nicht  beachtet  wird, 
wenn  es  in  Widerspruch  gerät  mit  einer  ausdrücklichen  gesetz- 
lichen Vorschrift". 

Diese  Meinung  fasst  Holland  zum  Schluss  (S.  199)  noch  ein- 

*')  Studies  195. 


32  Zweites  Kapitel:  Verhältnis  von  Völkerrecht  und  Landesrecht 

mal  zusammen;    er   verleiht  ihr  später^-)    (im  März   1909)  nocli 
entschiedeneren  Ausdruck,  wenn  er  sagt: 

„Tatsache  ist,  dass,  welch  hochberedte  Sprache  Lord  Stowell  als 
Richter  auch  immer  in  einem  entgegengesetzten  Sinne  gesprochen  haben  mag, 
heute  kaum  geleugnet  werden  wird,  dass  ein  Prisengericht  auf  Grund  nationaler, 
nicht  internationaler  Ermächtigung  sitzt  und  gehalten  ist,  die  Ansicht  des- 
jenigen internationalen  Rechtes  anzunehmen,  welches,  wenn  über- 
haupt, ihnen  durch  den  verfassungsmässig  ausgedrückten  Willen 
seiner  eigenen  Regierung  vorgeschrieben  ist". 

Die  gleiche  Meinung  vertritt  Oppenheim  mit  den  Worten *^) : 

„Fernerhin  können  Landesgerichte  bei  Ausübung  der  Rechtsprechung 
keine  Bestimmung  des  internationalen  Rechts  anwenden,  wenn 
und  soweit  diese  Bestimmung  nicht  in  ihr  Landesrecht  aufge- 
nommen ist,  sei  es  durch  besonderen  Gesetzgebungsakt  oder  durch  Gewohnheit 
oder  durch  stillschweigende  Anerkennung.  Wenn  Laudesgerichte  finden,  dass  eine 
bestimmte  Vorschrift  des  internationalen  Rechts  in  dieser  Weise  nicht  auf- 
genommen ist,  können  sie  sie  nicht  anwenden;  und  wenn  sie  finden,  dass  ihr 
Landesrecht  eine  Regel  enthält,  die  unzweifelhaft  mit  einer  Regel  des  inter- 
nationalen Rechts  unvereinbar  ist,  so  müssen  sie  die  letzte  unbeachtet 
lassen  und  die  erste  anwenden". 

In  diesem  Sinne  ist  denn  auch  der  Fall  Mortensen  v. Peters 
—  14.  Scot.  L  T,  R.  227  (1906)  8  Fräser  93  —  abgedruckt  bei 
Bentwich,  Gases  14,  entschieden;  hier  wird  unter  vollständiger 
Abweichung  von  der  früheren  Rechtsprechung  ausgeführt: 

„Für  uns  ist  eine  Parlamentsakte,  die  verfassungsmässig  die  Lords  und 
Gemeinen  passiert  und  die  Zustimmung  des  Königs  gefunden  hat,  das  oberste 
Gesetz,  und  wir  sind  gezwungen,  seine  Bestimmungen  zur  Geltung 
zu  bringen" "). 

Bentwich  meint  in  seiner  Anmerkung  zu  dieser  Entscheidung, 
dass  die  Entscheidung  des  Gerichtshofes  nicht  vollstreckt  würde, 
wenn  die  davon  betroffenen  Mächte  gegen  die  Ausdehnung  der 
nationalen  Souveränität  protestieren,  und  bringt  damit  einen  Ge- 
sichtspunkt zum  Ausdruck,  der  in  den  englischen  Noten  zur  Recht- 
fertigung der  angefochtenen  Kriegsmassnahmen  und  Prisengerichts- 
entscheidungen häufig  wiederkehrt. 


")  Letters  to  ,The  Times"  1914,  S.  183. 

*')  In  der  Introductory  Note  S.  VIII  bei  Norman  Bentwich,  Leading 
Gases,  ebenso  Pyke  216,  Scott,  Gases  1.  Die  neuere  Auffassung  der  eng- 
lischen Rechtslelire  hat  Zitelmann  S.  806  anscheinend  nicht  beachtet. 

**)  Das  ist  auch  der  Standpunkt  der  deutschen  Prisengerichte  im  jetzigen 
Kriege  in  den  Fällen  Ellida,  Batavier  V,  Zaanstroom. 


§  6.     Der  Standpunkt  der  englischen  Rechtslehre  und  -praxis  33 

c)  Der  Standpunkt  der  englischen  Gerichte  im  Kriege. 

Dagegen  hat  Lord  Evans  in  dem  schnell  berühmt  g-ewordenen 
Zamora-Fain^)  am  21.  Juni  1915  unter  breiter  Darlegung  von 
Literatur  und  Rechtsprechung  mit  dem  ihm  eigenen  politischen 
Instinkt  sich  auf  den  Standpunkt  Lord  Stowells  gestellt,  dessen 
Entscheidung  er  ausser  der  oben  mitgeteilten  Stelle  ausführlich 
wiedergibt.     Evans  sagt: 

„Wenn  diese  Frage  (ob  dieses  Gericht  gezwungen  ist,  einer  Order  in 
Council  zu  gehorchen,  die  zu  dem  anerkannten  Völkerrecht  in  Widerspruch 
steht)  sich  erheben  sollte,  so  begnüge  ich  mich,  in  aller  Bescheidenheit,  den 
Standpunkt  des  Lord  Stowell  im  Falle  Fox  uneingeschränkt  anzunehmen; 
in  ihm  hatte  er  mit  den  Orders  in  Council  zu  tun ,  welche  als  Vergeltungs- 
massnahmen  nach  den  berühmten  Berliner  und  Mailänder  Dekreten  Napoleons 
erlassen  wurden,  und  er  drückte  seine  Ansicht  von  der  Pflicht  des  Prisen- 
gerichts in  bezng  auf  das  Völkerrecht  aus  ..." 

und  nimmt  dann  später  noch  ausdrücklich  selbst  Stellung  zu  den 

vorigen : 

„Ich  bin  so  külin,  die  Hoffnung  und  den  Glauben  auszusprechen,  dass 
die  Weltnationen    nicht   besorgt   zu    sein    brauchen,    dass  Orders   in  Council 

,  von  der  Regierung  dieses  Landes  unter  derartiger  Verletzung  des  anerkannten 
Völkerrechts  erlassen  werden,  dass  es  verständlich  wird,  wenn  unsere  Prisen- 
gerichtshöfe sich  veranlasst  fühlten,  aus  Achtung  vor  dem  Völkerrecht  die  Vor- 
schriften solcher  Orders  zu  vernachlässigen  und  ihnen  den  Ge- 
horsam zu  verweigern""). 


*^)  Prize  Cases  309  if.  (siehe  hier  ausführliche  Angaben  der  Literatur  und 
Rechtsprechung  zur  Frage),  insbesondere  327  und  331.  Nach  der  Order  XXIX 
der  Prize  Court  rulcs  in  neuer  Fassung  (Pulling  Manual  Snppl.  3  p.  510  in  Ver- 
bindung mit  Order  I  2  (The  Prize  Court  rules  1914  und  Pulling,  ebendort  vol.  I 
p.  262)  können  Scliiff  und  Ladung  vor  der  endgültigen  Prisengerichtsentscheidung 
auf  Antrag  der  Krone  requiriert  werden.  Das  schwedische  Schiff  Zamora  ist 
auf  seiner  Fahrt  von  New  York  nach  Stockholm  auf  hoher  See  angehalten,  in 
einen  englischen  Hafen  gebracht  und  vor  ein  Prisengericht  gestellt  worden: 
seine  Ladung  von  400  Tonnen  Kupfer  ist  nach  der  genannten  Order  requiriert 
worden.  Der  Richter  konnte  aus  „historischen  und  anderen  Gründen"  keine 
Verletzung  des  internationalen  Rechtes  durch  die  Order  erkennen,  er  hat  die 
Veränderung  der  Rechtslage  durch  die  Verbringung  in  einen  englischen  Hafen 
für  unerheblich  erachtet  oder  nicht  bemerkt,  wenn  er  die  Verbringung  selbst 
und  die  Veränderung  der  Rechtslage  durch  die  damit  geschaffene  englische  Ge- 
richtsgewalt stillschweigend  für  gutes  englisches  Recht  gehalten  hat. 

*''')  Uebereinstimmend  The  Westrand  Central  Gold  Älining  Company  Ltd. 
V.  Rex  bei  Cobbett  vol.  I  15  und  die  amerikanische  Gerichtspraxis  (Myer 
VII,  §  3187  ff.,  p.  729)  im  Gegensatz  zum  Fall  Maisonnaire  v.  Keating  (Prize 
Cases  329),   in  dem  entschieden  ist,   dass  Landesrecht  dem  Völkerrecht  vorgeht. 

ßendix,  Völkerreclit.sverletzuiigei)  3 


54  Zweites  Kapitel:   Verhältnis  von  Völkerrecht  und  Landesreclit 

§  7 
Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung. 

Die  englische  Regierung  hatte  danach  in  der  englischen  Lite- 
ratur und  Rechtsprechung  die  beiden  entgegengesetzten  Ansichten 
vorgefunden.  Da  ist  es  nicht  ohne  Interesse,  zu  sehen,  wie  sie  sich 
jeweilig  auf  diejenige  berief,  die  ihren  kriegspolitischen  Zwecken 
diente  und  die  Erfüllung  der  völkerrechtlichen  Verbindlichkeit 
von  der  dafür  verantwortlichen  Regierung  auf  die  dafür  nicht 
verantwortliche  Rechtsprechung  abwälzte. 

a)  Die  Auseinandersetzung   mit  der  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  über  die 
Verbringung  neutraler  Schiffe  in  englische  Häfen. 

Die  Vereinigten  Staaten  hatten  schon  in  ihrer  Note  vom 
28.  Dezember  1914  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  Völker- 
und  Landesrecht  gestreift,  als  sie  gegen  die  Verbringung  ihrer 
Schiffe  in  die  englischen  Häfen  mit  den  folgenden  Worten  Protest 
erhoben : 

„Die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  erkennt  bereitwillig  die  volle 
Berechtigung  des  Krieglühreudeu  an,  auf  holier  See  die  Schiffe  der  ameri- 
kanischen Bürger  oder  neutrale  Schiffe  amerikanischer  Bürger  oder  neutrale 
Schiffe  mit  amerikanischen  Gütern  anzuhalten  und  zu  durchsuchen  und  sie, 
wenn  genügender  Beweis  die  Annahme  rechtfertigt,  dass  Konter - 
handeartikel  unter  ihrer  Ladung  sind,  festzuhalten  (im  Original 
gesperrt),  aber  Seiner  Majestät  Regierung  mnss  nach  ihren  eigenen  Erfahrungen 
in  der  Vergangenheit  sich  gegenwärtig  halten,  dass  die  Staaten-Regierung  nicht 
ohne  Protest  zulassen  kann,  dass  amerikanische  Schiffe  oder  amerikanische 
Ladungen  in  britische  Häfen  gebracht  und  dort  in  den  meisten  Fällen  zu  dem 
Zwecke  festgehalten  werden,  sie  auf  Konterbande  zu  durchsuchen,  oder  auf 
Vermutungen  hin,  die  durch  besondere  Landesgesetze  geschaffen 
worden  sind,  welche  offenbar  mit  Recht  und  Praxis  der  Völker 
im  Widerspruch  stehen"*'). 


*')  Mise.  Nr.  6  (1915)  Cd.  7816  Nr.  1  p.  3  stimmt  überein  mit  p.  58  Supple- 
ment to  the  American  Journal  of  International  Law,  Juli  1915  (Band  9). 

In  diesem  Parlameutspapier  werden  ohne  weitere  Quellenangabe  Blatt  15 
und  26  Aeusserungen  des  Fürsten  Bismarck  aus  dem  Jahre  1885  und  des 
Grafen  Caprivi  aus  der  Reichstagssitzung  vom  4.  März  1892  wörtlich  für  den 
englischen  Standpunkt  angeführt.  Die  Aeusserung  Bismarcks  ist  offenbar 
übernommen  aus  Mise.  Nr.  8  (1911)  Cd.  5718,  wo  sich  unter  Nr.  1  die  Ueber- 
setznng  der  Bismarckschen,  in  der  Norddeutschen  Allgemeinen  Zeitung  vom 
8.  April  1885  veröffentlichten  Antwort  auf  eine  Anfrage  der  Kieler  Handels- 
kammer ohne  jeden  weiteren  Kommentar  befindet.  Dem  Verfasser  hat  das  Aus- 
wärtige Amt  eiklärt,   dass  seine  Akten  zur  Sache    ausser  der  Anfrage  und  der 


§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  35 

Diese  vorsichtig  in  einen  Relativsatz  eingekleidete  Verwahrung 
wird  dann  später  durch  eine  ausdrückliche  Stellungnahme  in  der 
Note  vom  16.  Juli  1915  grundsätzlich  zum  vollen  Protest  erhoben. 
Der  amerikanische  Gesandte  schreibt  an  Sir  Edward  Grey^^): 

„Die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  wünscht  in  Anbetracht  der 
Meinungsverschiedenheit,  weiche  zwischen  den  beiden  Ländern  über  die  auf 
Prisengerichtsfälle  anwendbaren  Grundsätze  besteht,  Seiner  Majestät  Re- 
gierung klar  zu  machen,  dass  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten,  insofern 
die  Interessen  der  amerikanischen  Bürger  betroffen  werden,  sich  gezwungen 
sieht,  auf  den  Rechten  ihrer  Bürger  zu  bestehen,  die  unter  den 
bisher  festgesetzten  Grundsätzen  und  Regeln  für  den  neutralen 
Handel  in  Kriegszeiten  gelten,  ohne  Änderungen  oder  Beschrän- 
kungen durch  Orders  in  Council  oder  andere  landesgesetzliche 
Massnahmen  der  Regierung  Grossbritanniens. 

Ich  bin  angewiesen,  hinzuzufügen,  dass  die  Regierung  der  Vereinigten 
Staaten  die  Rechtswirksamkeit  eines  Verfahrens  der  Prisengerichte 
Seiner   Majestät    nicht    anerkennen    kann,    das    Beschränkungen 


bekannten,  auch  an  die  Flensburger  Handelskammer  gegangenen  Antwort 
nichts  enthielten,  was  auf  eine  grundsätzliche  Stellungnahme  von  allgemeiner 
Bedeutung  .schliessen  lasse.  Die  Veröffentlichung  ist  offenbar  aus  politischen 
.  Gründen  erfolgt,  um  dem  diplomatischen  Vorgehen  Englands  gegen  China  im 
französisch-chinesischen  Kriege  (siehe  §  11,  a)  eine  Warnung  auszusprechen,  und 
fusst  auf  der  Rechtfertigung  Prankreichs,  der  entgegenzutreten  kein  politisches 
Interesse  bestand,  dass  der  Reis  Tribut  für  die  chinesische  Regierung  und  für 
ihre  Soldaten  an  Stelle  der  Löhnung  bestimmt  sei  (vgl.  Pyke  181).  Es  han- 
delt sich  übrigens  auch  gar  nicht  um  eine  völkerrechtlich  erhebliche  Erklärung 
von  Staat  zu  Staat,  sondern  um  die  Aeusserung  einer  innerstaatlich  gegebenen 
Rechtsansicht,  die  von  der  Münchener  Allgemeinen  Zeitung  vom  16.  März  1885 
in  ihrem  Artikel  „Ist  Reis  Kriegskonterbande?"  mit  Recht  zurückgewiesen  wurde. 
Die  Aeusserung  Caprivis  stammt  ersichtlich  nicht  aus  den  Stenographischen  Be- 
richten des  Deutschen  Reichstages  VIII.  Legislaturperiode  Bd.  120  (1890 — 1892) 
S.4Ö57  u.  4558,  weil  dann  das  Zitat  unterblieben  wäre.  Denn  Caprivi  antwortet 
unter  rein  politischen,  nicht  rechtlichen  Gesichtspunkten  auf  den  freisinnigen 
Antrag  Nr.  718,  nach  dem  „bei  dem  gegenwärtigen  friedlichen  Einvernehmen 
mit  den  auswärtigen  Mächten  Verhandlungen  eingeleitet  werden  sollen,  welche 
zum  Zwecke  haben,  durch  Uebereinkunft  von  Staat  zu  Staat  die  Freiheit  des 
Privateigentums  zur  See  in  Kriegszeiten  zu  einem  vertragsmässig  anerkannten 
Grundsatz  des  Völkerrechts  zu  erheben".  Diesen  Antrag  lehnt  Caprivi  ab, 
weil  er  nach  seiner  Ansicht  aussichtslos  sei.  Seine  wiedergegebenen  Aeusserungen 
entlialten  eine  rein  politische  Begründung  dieser  seiner  Ansicht,  die  englische 
Wiedergabe  fusst  otfenbar  auf  der  zweiten  Quellenangabe  des  in  Anm.36  erwähnten 
Vortrages  von  Dr.  Sieveking  p.  172  und  173,  oder  auf  der  Times  vom  5.  März 
1892,  die  Latifi  126  zitiert. 

Es  ist  die  Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  die  Unter- 
lassung der  Quellenangabe  einer  besonderen,  durchsichtigen  Taktik  der  britischen 
Diplomaten  entspringt. 

*8)  Mise.  Nr.  14  (1916)  Cd.  823.3  p.  10.  Die  letzten  drei  Worte  fehlen  hier, 
finden  sich  aber  p.  154  der  Anm.  47  genannten  amerikanischen  Veröffentlichung. 
Siehe  auch  unten  Anm.  73. 

3* 


36  Zweites  Kapitel:   Verhältnis  von  Vülkeriecht  und  Landesrecht 

anwendet,  die  durch  die  L  a  u  d  e  s  g-  e  s  e  t  z  g  e  b  u  n  g  G  r  o  s  s  h  r  i  t  a  n  n  i  e  n  s 
auferlegt  werden  und  die  völke  rrecii  tlich  begründeten  Rechte 
amerikanischer  Bürger  beeinträchtigen". 

Durch  die  Fortlassung-  der  drei  Worte  in  der  englischen 
Veröffentlichung-  („under  international  law"  =  „völkerrechtlich  be- 
gründet") wird  der  Anscliein  erweckt,  als  wenn  es  sich  bloss  um 
einen  Gegensatz  der  nationalen  Rechte  handle,  wobei  es  hier  nicht 
interessiert,  ob  etwa  die  Worte  zu  diesem  Zwecke  absichtlich 
weggelassen  worden  sind. 

Die  englische  Regierung  konnte  nicht  ausweichen,  sie  musste 
sich  entscheiden.  Entschied  sie  sich  für  die  neuere  Ansicht  der 
englischen  Rechtslehre,  wie  sie  modernen  Rechtsanschauungen  ent- 
sprechen dürfte*''}  und  in  neueren  englischen  Gerichtsentscheidungen 
auch  vertreten  worden  ist,  so  wäre  die  unmittelbare  logische 
Folge  gewesen,  dass  sie  sich  sofort  auf  diplomatische  Auseinander- 
setzungen hätte  einlassen  und  die  Verantwortung  ohne  weiteres 
hätte  übernehmen  müssen.  Denn  alsdann  wäre  es  ihre  Aufgabe 
gewesen,  das  Landesrecht  so  zu  gestalten,  dass  die  Recht- 
sprechung es  im  Einklang  mit  dem  internationalen  Recht  aus- 
schliesslich anwenden  musste  oder,  anders  ausgedrückt,  dass  das 
internationale  Recht  als  Landesrecht  Anwendung  finde.  Entschied 
sie  sich  für  die  ältere  Ansicht  der  englischen  Rechtsprechung  und 
Literatur,  dann  gewann  sie  Zeit,  konnte  auf  den  ordentlichen 
Rechtsweg  und  die  in  ihrer  allgemeinen  Geltung  doch  vielleicht 
sehr  anfechtbare  Regel  verweisen,  dass  die  gerichtlichen  Ent- 
scheidungen abzuwarten  seien.  Die  Wahl  konnte  nicht  zweifel- 
haft sein,  weil  die  Regierung  bei  dem  Ausfall  der  Entscheidungen 
ihrer  Gerichte  und  insbesondere  mit  Rücksicht  auf  die  wirklich 
nationale  Rechtsprechung  der  Prisengerichte  wusste,  dass  sie  keine 
Gefahr  lief,  von  ihren  Gerichten  ins  Unrecht  gesetzt  zu  werden,  deren 
Rechtsprechung  in  wunderbarer  Weise  dem  nationalen  Interesse 
entsprach.  Grey  antwortete  in  seiner  Note  vom  31.  Juli  1915^"), 
nachdem  er  die  bekannte  Stelle  aus  dem  Urteil  des  Lord  Stow  eil 
im  Fox-Falle  (S.  18)  und  die  oben  mitgeteilte  Stelle  aus  dem 
Zamora-Falle  wiedergegeben  hatte,  unter  Nr.  6  und  7: 


")  Vgl.  Triepel,  1899.  438  ff. 

^°)  p.  16  der  in  Anni.  48   bezeichneten  englischen   und   p.  163  der  dort  an- 
geführten amerikanischen  Veröffentlichung. 


§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  37 

6.  In  der  Note,  welche  ich  Eurer  Exzellenz  am  23.  Juli  aushändigte, 
bemühte  ich  mich,  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  zu  überzeugen, 
und  ich  vertraue  darauf,  dass  die  Massnahmen,  zu  deren  Annahme  wir  uns 
durch  zahlreiche  Taten  gezwungen  gesehen  haben,  die  von  unseren  Feinden 
unter  Verletzung  des  Kriegsrechts  uod  der  Forderungen  der  Menschlichkeit 
begangen  worden  sind,  mit  den  Grundsätzen  des  internationalen  Rechts  über- 
einstimmen. Die  Gesetzmässigkeit  dieser  Massnahmen  ist  noch  nicht  Gegen- 
stand einer  Prisengerichtsentscheidung  geworden;  aber  ich  möchte  diese  Ge- 
legenheit wahrnehmen,  um  Eure  Exzellenz  daran  zu  erinnern,  dass  jedem  Bürger 
der  Vereinigten  Staaten,  dessen  Ansprach  das  Prisengericht  prüft,  freisteht, 
geltend  zu  machen,  dass  eiue  Order  in  Council,  welche  seinen  An- 
spruch betreffe,  mit  den  Grundsätzen  des  internationalen  Rechts 
unvereinbar  und  deshalb  für  das  Gericht  nicht  bindend  sei^'). 
Wenn  das  Prisengericht  ablehnt,  seine  Ansicht  anzunehmen,  und  wenn  nach- 
her eine  solche  Entscheidung  auf  die  Berufung  durch  das  Judicial  Comniittee 
Seiner  Majestät  Privy  Council  bestätigt  wird ,  und  die  Regierung  der  Ver- 
einigten Staaten  von  Amerika  meint,  dass  ernster  Grund  für  die  Annahme 
besteht,  dass  die  Entscheidung  unrichtig  sei  und  die  Rechte  ihrer  Bürger 
verletze,  so  steht  es  ihr  frei,  zu  beanspruchen,  dass  sie  einem  internationalen 
Gerichtsliof  zur  Nachprüfung  vorgelegt  werde. 

7.  Dieser  Grundsatz,  dass  die  Entscheidungen  der  nationalen  Prisen- 
gericbte,  soweit  sie  sich  dazu  eignen,  internationaler  Nachprüfung  unter- 
worfen werden  sollen,  ist  von  Grossbritannien  im  Artikel  7  des  Jay  Vertrages 
von  1793^^)  und  vou  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  in  dem  Vertrage  von 
Washington  von  1871*^)  eingeräumt  worden.  Ihre  ßxzellenz  wird  sich  zweifel- 
los erinnern,   dass  gewisse  Fälle    (insgesamt  als  Matamoros- Fälle")   bekannt) 


5')  Ebenso  Holland,  Neutral  duties  13;    Pyke  216. 

^■')  Richtig  1794  bei  Malloy,  Vol.  I  596;  Moore,  Vol.  5  §  826.  Artikel  7 
bestimmt,  dass  die  Vereinigten  Staaten  und  England  ihre  Staatsangehörigen 
gegenseitig  durch  eine  fünfgliedrige  Kommission  für  unregelmässige  oder  un- 
gesetzliche Beschlagnahmen  oder  Verurteilungen  von  Schiffen  oder  anderem 
Eigentum  entschädigen,  was  England  11,6  Millionen  Dollar,  die  Union  140000 
Dollar  kostete. 

^')  Bei  Fleischmann  95  und  Malloy  I  705. 

")  In  dem  amerikanischen  Bericht  von  Haie  246  „Rio  Grande  cases"  ge- 
nannt. Es  handelt  sich  um  die  Prisenfälie  der  Schiffe  Sir  William  Peel,  Dashing 
Wave,  Geziena  Heligonda,  Volant  und  Science,  die  in  der  Mündung  des  Rio 
Grande  lagen  und  ihre  Ladung  im  mexikanischen  Grenzhafen  Matamoros  löschten 
oder  empfingen.  Die  bekannten  amerikanischen  und  englischen  Kompendien  und 
Entscheidungssammlungen  in  Auswahl  erwähnen  sie  bis  auf  wenige  Ausnahmen 
(Moore,  International  law,  und  StoAvell-Munro)  nicht.  Es  werden  vielmehr 
die  mit  ihnen  verwandten  Fälle  Bermuda,  Stephen  Hurt,  Springbok  und  Peter- 
hoff (siehe  Snow  465,  509,  Scott  852,  Cobbett  II  470,  auch  Mise.  Nr.  1  [1900J 
[Cd.  34]  p.  24—39,  42—45,  61—65)  abgehandelt.  Moore  VII  715  und  Stowell- 
Munro  II  391  erörtern  den  Fall  Peterhoff  im  Widersprach  mit  dem  englischen 
und  amerikanischen  Bericht  als  Hauptbeispiel  der  Matamorosfälle.  Die  Literatur 
siehe  bei  Oppenheim  II  470  Anm.  6  und  503  Anm.  1  u.  2  und  bei  Moore 
a.  a.  0.,  die  Entscheidungen  des  Supreme  Court  über  die  Matamorosfälle  bei 
Wallace,  Vol.  5,  170,178,179,517;   die   Lage   der   vier  abgeurteilten  Schiffe 


38  Zweites  Kapitel:    Verhältnis  vuii  Völkerrecht  uml  Landesrecht 

der  Kommission  vorgelegt  wurden,  welche  gemäss  Artikel  12— 17*^)  des 
Vertrages  von  Washington  errichtet  worden  ist.  In  jedem  dieser  Fälle  sind 
Prisengerichtsverfahreu  bei  den  Prisengerichten  der  Vereinigten  Staaten  vor- 
ausgegangen, und  in  jedem  dieser  Fälle  ist  das  Urteil  des  Höciisten  Gerichts, 
des  Gerichts  letzter  Instanz  in  Prisenfällen,  erwirkt  worden.  Die  Vereinigten 
Staaten  erhoben  eine  Einrede,  indem  sie  ausführten,  dass  die  Entscheidungen 
zweiter  Instanz,  nachdem  jene  Fälle  durch  die  Prisengerichte  der  Vereinigten 
Staaten  in  erster  und  zweiter  Instanz  geprüft  worden  sind,  endgültig  seien, 
und  kein  begründeter  Bechtsanspruch  vor  der  Kommission  geltend  gemacht 
werden  könne.  Die  Einrede  wurde  bei  der  gerichtlichen  Prüfung,  der  Fälle 
einmütig  verworfen,  und  der  Vertreter  der  Vereinigten  Staaten  legte  in  seinem 
Bericht  über  die  Kommissionsverhandlungen  dar,  dass  er  persönlidi  „keinen 
Zweifel  an  der  Gerichtsgewalt  der  Kommission  als  eines  internationalen  Gerichts- 
hofes habe  ^/®),  die  Entscheidungen  der  Prisengerichte  der  Vereinigten  Staaten 
nachzuprüfen,  nachdem  die  sich  beschwert  fühlenden  Parteien  ihre  Ansprüche 
durch  Eechtsmittel  bis  zum  Gericht  letzter  Instanz  verfolgt  hätten.  Da  die 
Gerichtsgewalt  freilich  manchmal  in  Frage  gestellt  worden  ist,  hielt  er  es 
für  wünschenswert,  wenn  die  Kommission  eine  formelle  Entscheidung  über 
diese  Frage")  erlassen  würde". 

Zum  Scliluss  lieisst  es  dann  in  Nr.  9 : 

„Wenn  vom  Prisengericht  und  auf  Berufung  vom  Judicial  Committee 
of  Privy  Council  angenommen  wird,  dass  die  Orders  und  Anweisungen,  die 
von  Seiner  Majestät  Regierung  in  Prisensachen  erlassen  sind,  sich  mit  den 
Grundsätzen    des  interaationalen  Rechts   in  Einklang   befinden,   und    die  Re- 


(mit  Ausnahme  der  Geziena  Helligonda)  ist  aus  der  Skizze  p.  173  ersichtlich; 
hier  ist  auch  p.  1 — 28  die  Quelle  der  Entscheidung  des  Spriugbok-  und  p.  28—62 
des  Peterhoff-Falles;  Wallace,  Vol.  3  p.  514 — 559  befindet  sich  der  Bermuda-, 
559-560  der  Hurt-Fall.  Moore,  Arbitrations,  gibt  I  fi83  ff.  eine  Darstellung 
der  civil  war  Claims  im  wesentlichen  auf  Grund  des  Haieschen  und  Howard- 
scheu Berichtes  und  IV  3928  ff.  des  Springbokfalles  und  der  Matamorosfälle. 

^^)  Aehnlich  Avie  Artikel  7  des  Jay- Vertrages,  jedoch  umfassender.  Die 
Kommission  von  drei  Mitgliedern  sprach  England  eine  Entschädigung  von  rund 
2  Millionen  Dollar  in  Gold  zu  (North  Amerika  3, 1874),  p.  34  und  p.  837  des 
Vol.  75.     Ebenso  Haie  229. 

**)  Bei  Haie  88  heisst  es  entertaiued,  nicht  maintained,  wie  die  Note 
unrichtig  anführt. 

**')  Der  Bericht  fährt  fort:  „Die  Kommission  nahm  einstimmig  ihre  Gerichts- 
barkeit in  dieser  Klasse  von  Fällen  (es  handelt  sich  um  die  Unanfechtbarkeit 
letztinstanzlicher  Priseugerichtsentscheidungen  vor  der  Kommission)  an,  und  alle 
Mitglieder  der  Kommission  vereinigten  sich  übrigens,  in  solchen  Fällen  gegen  die 
Vereinigten  Staaten  (die  diesen  formellen  Einwand  erhoben  hatten)  zu  entscheiden". 

Dieses  Ergebnis  spricht  in  der  Tat  nicht  für  die  nationale  Prisengerichts- 
barkeit. Die  Note  verkennt  übrigens,  dass  es  sich  bei  jener  Streitfrage  airs- 
schliesslich  um  eine  Auslegung  des  Vertrages  von  Washington  handelte,  und 
dass  die  Vertröstung  auf  ein  künftiges  Schiedsgerichtsverfahren  das  Unrecht 
einer  gesetzwidrigen  Prisengerichtsentscheidung  als  solches  nicht  rechtfertigen 
oder  wieder  gut  machen  kann,  selbst  wenn  jenes  Schiedsverfahren  so  günstig 
verläuft,  wie  es  in  den  Matamoros-Fälleu  übrigens  auch  nur  zu  einem  Teil  zutrifft. 


§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  39 

gierung  der  Vereinigten  Staaten  sich  leider  gezwungen  sehen  sollte,  ihre 
entgegengesetzte  Ansicht  aufrecht  zu  erhalten,  so  würde  Seiner  Majestät  Re- 
gierung bereit  sein,  sich  mit  der  Staatenregierung  über  den  besten  Weg  zu 
verständigen,  auf  dem  der  obige  Grundsatz  auf  die  Lage  anzuwenden  ist,  die 
alsdann  gegeben  sein  wird". 

In  g'leicher  Schärfe  wird  der  Standpunkt  der  älteren  Theorie 
und  Praxis  in  Nr.  40,  41  und  44  des  an  die  Vereinigten  Staaten 
gerichteten  Memorandums  vom  24.  April  1916^^)  vertreten,  nach- 
dem diese  Regierung  in  ihrer  Antwortnote  vom  5.  November  1915 
in  Nr.  29  und  30  rund  heraus  erklärt  hatte,  dass  die  Art  der  Recht- 
sprechung- vor  den  Prisengerichten  verbiete,  ihren  Spruch  abzu- 
warten, und  dass  diese  überhaupt  nicht  autorisiert  seien.  Denn 
„das  internationale  Recht  allein  entscheidet  die  Rechtmässigkeit  der  Ausübung 
des  Kriegführungsrechts  zur  Beschlagnahme  und  Festhaltung  solcher  Schiffe". 

Und  vorher  wird  Nr.  26  ausgeführt: 

„Sie  (die  Fälle)  ergeben  sich  aus  Handlungen,  die  von  den 
britischen  Seebehörden  auf  hoher  See  begangen  werden,  auf 
der  die  Gerichtsgewalt  über  neutrale  Schiffe  allein  nach  inter- 
nationalem Recht  erlangt  wird  .  .  .  wenn  die  Prisengerichte  an  die  Ge- 
setze und  Bestimmungen  gebunden  sind,  auf  Grund  deren  die  Festhaltungen 
-  und  Beschlagnahmen  erfolgen,  und  von  denen  die  Kläger  behaupten,  dass  sie 
Übertretungen  des  Völkerrechts  darstellen,  so  sind  diese  Gerichte  machtlos, 
auf  den  wirklichen  Beschwerdegrund  einzugehen  oder  für  Unrecht  dieser  Art 
Abhilfe  zu  schaffen  ...  wie  kann  ein  Gerichtshof,  der  in  seiner 
Rechtsprechung  und  seinem  Verfahren  durch  Landesgesetze  ge- 
fesselt ist,  sich  selbst  von  diesen  Beschränkungen  frei  erklären 
und  innerlich  frei  die  Bestimmungen  des  internationalen  Rechts 
anwenden?  .  .  . " 

S.  9  Nr.  29: 
„Landesgesetze  und  Bestimmungen,  welche  die  internationalen  Rechte 
anderer  Nationen  verletzen,  können  auf  hoher  See  nicht  in  der  Weise  auf 
Schiffe  der  letztgenannten  ausgedehnt  werden,  dass  ein  kriegführendes  Land 
berechtigt  ist,  sie  in  seine  Häfen  zubringen  und,  nachdem  es  sie  gesetz- 
widrig in  den  Bereich  seiner  Gebietshoheit  gebracht  hat,  sie  zu 
zwingen,  sich  den  heimischen  Gesetzen  und  Bestimmungen  des 
Landes  zu  unterwerfen". 

Der  Gegensatz  ist  klar:  Der  amerikanische  Standpiinkt  ver- 
tritt die  moderne  Rechtsauffassung,  dass  das  Völkerrecht  eine 
eigene   selbständige  Ordnung   ist,   mit   der   das  Landesrecht  und 


88)  Mise.  Nr.  15  (1916)  Cd.  8234  p.  8  und  28. 


40  Zweites  Kapitel:   Verhältnis  vun  Völkenetht  und  Landesrecht 

seine  Rechtsprechung-  in  Einklang  zu  bringen  unmittelbare  Pflicht 
des  der  Völkerrechtsgemeinschaft  angehörigen  Staates  ist;  danach 
ist  gerade  dieser  Einklang  der  eigentliche  und  wichtigste  Gegen- 
stand der  Vülkerrechtsverpflichtungen  des  Staates.  Nach  dem 
Standpunkt  der  englischen  Regierung  ist  die  Frage  der  Überein- 
stimmung von  Landesrecht  mit  dem  Völkerrecht  Aufgabe  der 
Rechtsprechung,  ihre  Sprüche  sind  massgebend  für  die  Frage,  ob 
eine  Übereinstimmung  vorliegt  oder  nicht,  und  mögen  mit  poli- 
tischen Mitteln  angefochten  werden,  rechtlich  sagen  sie  endgültig 
aus,  ob  das  internationale  Recht  durch  das  Landesrecht  verletzt 
wird  oder  nicht,  da  ja  danach  die  Gerichtshöfe  die  Befugnis  haben, 
verletzende  Landesrechtsnormen  für  unanwendbar  zu  erklären. 
Hiernach  hat  also  das  Landesrecht  dem  internationalen  Recht  zu 
weichen,  ohne  dass  es  einer  Regierungsmassnahme  bedürfe,  auf 
Grund  richterlicher  Nachprüfung^^). 

Ein  anderer  Weg  zum  gleichen  Ziele  einer  Einschränkung 
der  Anwendbarkeit  des  Völkerrechts  liegt  in  der  Richtung,  dass 
überhaupt  geleugnet  wird,  die  betreffende  Massnahme  der  Landes- 
gesetzgebung beträfe  völkerrechtliche  Gegenstände,  dass  also  die 
ausschliessliche  Zuständigkeit  der  landesgesetzlichen  Regelung 
behauptet  wird.  Auch  diesen  Weg  weiss  die  englische  Regierung 
zu  gehen,  ohne  den  inneren  Widerspruch  mit  dem  anderen  Stand- 
punkt zu  bemerken  oder  gelten  zu  lassen,  wenn  sie  ihn  wirklich 
bemerkt  hätte.  Der  Widerspruch  liegt  aber  darin,  dass  im  ersten 
Falle  gesagt  wird,  das  internationale  Recht  würde  von  den  Ge- 
richten als  dem  Landesrecht  übergeordnet  anerkannt  und  ange- 
wandt, und  im  zweiten  Falle  die  Meinung  vertreten  wird,  dass 
eine  solche  Anwendung  gar  nicht  in  Betracht  komme,  weil  der 
Gegenstand  zur  ausschliesslichen  Zuständigkeit  der  Laudesgesetz- 
gebung gehöre;  das  heisst  doch  letzten  Endes,  dass  diese  ihrer- 
seits dem  internationalen  Recht  übergeordnet  sei. 

b)    Die   Auseinandersetzung   mit  der   gleichen    Regierung    über   das  Verbot   des 
Handels  mit  dem  Feinde  (Schwarze  Listen  u.a.)'"). 

Diesen  letzten  Standpunkt  nimmt  die  englische  Regierung  zur 


*)  Uurichtig  von  Liszt  in  seinem  Beitrag  zum  „Englischen  Gesicht"  231. 
")  Vgl.  hierzu  Curti  2  ff .   und   die  Moratorien  S.  119  ff.,  sowie  die  Aus- 


§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  41 

Verteidigung'  ihrer  Einführung  der  schwarzen  Listen  und  in  dem 
wirklich  gründliclien,  umfassend  ausgebauten  System  des  gänz- 
lichen Verbotes  eines  Handelsverkehrs  mit  den  darauf  gesetzten 
Firmen  eiu^^).  In  der  Note  vom  10.  Oktober  1916  führt  Grey 
Mr.  Page  gegenüber  aus: 

2.  ...  Es  ist  ausschliesslich  ein  Stück  der  Laudesgesetzgehung  und  sieht 
vor,  dass  Seine  Majestät  im  Wege  der  Proklamation  Personen  im  Vereinigten 
Königreich  verhietet,  mit  irgendwelchen  Personen  in  fremden  Ländern  Handel 
zu  treiben ,  die  etwa  in  solchen  Proklamationen  oder  in  folgenden  Orders 
näher  bezeichnet  werden,  und  es  werden  auch  angemessene  Strafen  Personen 
in  den  Vereinigten  Königreichen  auferlegt,  welche  die  Vorschriften  dieser 
Satzungen  verletzen. 

3.  Das  ist  alles.  Seiner  Majestät  Regierung  bezweckt  weder  noch  bean- 
sprucht sie,  irgendwelche  rechtlichen  Nachteile  oder  Strafen  neutralen  Indi- 
viduen oder  dem  neutralen  Handel  aufzuerlegen.  Die  Massnahme  ist  ein- 
fach darauf  gerichtet,  diejenigen,  welche  Grossbritannien  die 
Untertanentreue .  schuldig  sind,  zu  verpflichten,  die  Handels- 
beziehungen mit  Personen  aufzugeben,  welche,  wie  festgestellt, 
dem  Feinde  beistehen  oder  Dienste  leisten. 

4.  Ich  kann  kaum  glauben,  dass  die  Staatenregierung  beabsichtigt,  das 
Recht  Grossbritanniens  als  eines  souveränen  Staates  streitig  zu  machen,  Ge- 
setze zu  erlassen,  durch  welche  allen  denen,  die  ihm  Untertaneutreue  schulden, 
der  Handel  mit  bestimmt  bezeichneten  Personen  verboten  wird,  wenn  ein 
solches  Verbot  im  öffentlichen  Interesse  für  notAvendig  gehalten  wird.  Das 
Recht  hierzu  ist  so  offenbar,  dass  ich  sicher  bin,  der  Protest,  den  Eure  Exzellenz 
mir  zustellten,  beruht  auf  einem  Missverständnis  des  Zweckes  und  der  Absicht 
der  getroffenen  Massnahmen. 

5-.  Diese  Ansicht  wird  durch  einige  Bemerkungen  bestärkt,  die  in  der 
Note  gemacht  worden  sind.  Es  ist  zum  Beispiel  dargelegt,  dass  diese  Mass- 
nahmen „die  Rechte  der  Bürger  aller  nicht  in  den  Krieg  verwickelten  Nationen 
in  unvermeidlicher  und  wesentlicher  Weise  verletzen".  Die  Note  fährt  dann 
fort,  auseinanderzusetzen,  dass  Bürger  der  Vereinigten  Staaten  völlig  in  ihrem 
Rechte  seien,  wenn  sie  es  unternehmen,  „mit  einer  der  jetzt  im  Kriege  be- 
findlichen Nationen  Handel  zu  treiben".  Seiner  Majestät  Regierung  gibt  ohne 
weiteres  zu,  dass  die  Bürger  jeder  neutralen  Nation  berechtigt  sind,  mit 
kriegführenden  Ländern  Handel  zu  treiben.  Die  Vereinigte  Staatenregierung 
wird  zweifellos  in  gleicher  Weise  ohne  Aveiteres  zugeben,  dass  sie,  Avenn  sie 
dies  tun,  dem  Recht  des  andern  Kriegführenden  unterworfen  sind,  diesem 
Handel  mit  allen  Mitteln,  die  in  seiner  vom  internationalen  Recht  anerkannten 
Macht  stehen,  ein  Ziel  zu  setzen,  zum  Beispiel  durch  solche  Massnahmen,  Avie 


uahmegesetze  S.  7  ff.  Vgl.  Zeitschr.  f.  Völkerrecht  X  (1917)  S.  189—198.  Die 
Kenntnis  dieser  Werke  oder  der  ihnen  zugrunde  liegenden  Vorschriften  Avird 
vorausgesetzt. 

«1)  Mise.  Nr.  36  (1916)  Cd.  8352  p.  3. 


42  Zweites  Kapitel:   Verhältnis  von  Völkerrecht  und  Landesrecht 

die  Beschlagnahme  neutraler  Güter  als  Konterbande  oder  wegen  Blockade- 
bruches usw.  Die  hier  in  Frage  stehenden  Ausnahmegesetze  gehören  freilich 
nicht  zu  dieser  Klasse  von  Massnahmen.  Sie  sind  ausschliesslich 
Landesgesetze,  und  zwar  in  Ausübung  des  souveränen  Rechtes 
eines  unabhängigen  Staates  über  seine  eigenen  Bürger  erlassen, 
und  weiter  nichts.  Diese  Tatsache  hat  sich,  wie  ich  annehme,  die  Regierung 
der  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  nicht  ganz  vergegenwärtigt,  denn  die 
Note  behauptet,  dass  die  Regierung  nicht  einverstanden  sein  könne,  wenn  sie 
sieht,  dass  diese  Mittel  und  Strafen  willkürlich  unter  Verletzung  der  Rechte 
ihrer  Bürger  geändert  und  erweitert  werden,  und  sagt,  dass  „unter  den  Grund- 
sätzen, welche  die  zivilisierten  Nationen  der  Welt  zur  Aufrechterhaltung  der 
Rechte  der  Nationen  angenommen  haben,  der  richtige  und  anerkannte  Grund- 
satz berühmt  ist,  nach  dem  Neutrale  weder  veiurteilt,  noch  ihre  Güter  ein- 
gezogen werden  dürfen,  wenn  nicht  auf  Grund  eines  einwandsfreien  Richter- 
spruches, und  nachdem  Gelegenheit  gegeben  worden  ist,  die  Sache  vor  einem 
Prisengericht  oder  in  anderer  geregelter  Weise  vorzutragen". 

6.  Wie  ich  oben  gesagt  habe,  verbieten  die  Gesetze  nur  Personen  in  den 
Vereinigten  Königreichen  den  Handel  mit  bestimmt  bezeichneten  Individuen, 
von  denen  wegen  ihrer  Nationalität  oder  ihrer  Verbindungen  festgestellt 
worden  ist,  dass  sie  die  Sache  des  Feindes  unterstützen,  so  dass  der  Handel 
mit  ihnen  dessen  Sache  fördert.  Insoweit  diese  Gesetzgebung  in  Frage  kommt, 
wird  kein  Recht  oder  Eigentum  dieser  bestimmten  Individuen  betroffen;  weder 
sie  noch  ihr  Eigentum  werden  verurteilt  oder  eingezogen ;  sie  sind  so  frei, 
wie  zuvor,  ihre  Geschäfte  zu  betreiben.  Der  einzige  Nachteil,  den  sie 
erleiden,  ist,  dass  britischen  Staatsangehörigen  verboten  ist,  sie 
mit  britischem  Kredit  und  britischem  Eigentum  zu  unterstützen 
und  zu  fördern. 

In  diesen  interessanten  Ausführungen  wird  die  Frage  ge- 
flissentlich nicht  untersucht,  auf  die  alles  ankommt,  ob  näm- 
lich die  formell  unanfechtbaren  landesgesetzlichen  An- 
weisungen den  anerkannten  völkerrechtlichen  Verpflich- 
tungen nicht  widersprechen,  wie  sie  sich  aus  den  allgemein 
geltenden  und  besonderen  Staatsverträgen  mit  den  Vereinigten 
Staaten  ergeben. 

In  dem  hier  erörterten  Zusammenhange  ist  nur  noch  hervor- 
zuheben, dass  die  beiden,  wie  dargelegt,  einander  widersprechenden 
Begründungsversuche  nicht  geeignet  sind,  ihren  Zweck  zu  erreichen. 
Sind  bestimmte  Völkerrechtssätze  vorhanden,  so  wird  ihre  Ver- 
letzung nicht  dadurch  aufgehoben,  dass  sie  durch  eine 
willige  Rechtsprechung  gebilligt  oder  durch  eine  rück- 
sichtslose Landesgesetzgebung  umgangen  werden.  Bei 
dem  bisher  erörterten  Versuch,  eine  solche  materielle  Verletzung 


§  7.     Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  43 

der  Normen  als  rechtmässig  hinzustellen,  handelt  es  sich  um  die 
Rechtfertigung  von  Massnahmen,  welche  den  Inhalt  der  völker- 
rechtlichen Verbindlichkeiten  als  solchen  treffen.  Es  sind  noch 
Massnalimen  zu  besprechen,  welche  die  Normen  selbst  unberührt 
lassen,  ihre  Wirksamkeit  aber  durch  prozesstechnische  Bestim- 
mungen aufheben.  Bevor  hiei-auf  eingegangen  wird,  dürfte  eine 
kleine  geschichtliche  Abschweifung  lehrreich  sein. 

c)  Die  Haltung  der  englischen  Regierung  im  amerikanischen  Bürgerkriege. 

Die  beiden  Argumentationen  der  englischen  Regierung  zur 
Ausdehnung  der  Rechte  des  kriegführenden  Staates  empfangen 
durch  die  Haltung  Englands  als  eines  neutralen  Staates  ein  be- 
sonderes Licht.  Im  amerikanischen  Bürgerkriege  waren  Abge- 
sandte der  Südstaaten  durch  ein  Kriegsschiff  der  Nordstaaten  von 
dem  englischen  Schiff  Trent  heruntergeholt  und  gefangen  gesetzt 
worden.  Es  entspann  sich  darüber  eine  lebhafte  diplomatische 
Auseinandersetzung,  die  uns  noch  anderweitig  (§  9)  beschäftigen 
wird.  .Frankreich,  Russland,  Österreich  und  Preussen  nahmen 
den  Standpunkt  Englands  ein  und  ergriffen  entschieden  in  diplo- 
matischen Noten,  von  denen  die  französische  ganz  besonders 
interessiert,  für  England  Partei.  Earl  Russell,  der  englische 
iMinister  für  auswärtige  Angelegenheiten,  schreibt  nun  am  23.  Januar 
1862  an  den  englischen  Gesandten  in  den  Vereinigten  Staaten,  Lord 
Lyons,   unter  anderen  völkerrechtlichen  Auseinandersetzungen^-): 

,Mit  Rücksicht  ^uf  die  Grundsätze,  die  von  Herrn  Seward  (dem  Staats- 
sekretär der  Nordstaaten  für  auswärtige  Angelegenheiten)  vertreten  werden, 
und  die  Folgerung-en,  die  sie  einscbliesseu,  hält  es  Ihrer  Majestät  Regierung 
für  notwendig,  zu  erklären,  dass  sie  sich  bei  der  Kaperuug  eines  britischen 
Handelsschiffes  unter  ähnlichen  Umständen,  wie  des  Trent,  nicht  beruhigeu 
würde,  und  dass  die  Einleitung  eines  prisengerichtlichen  Ver- 
fahrens gegen  ein  britisches  Schiff,  obgleich  dadurch  die  Sachlage 
geändert  wird,  selbst  diese  Tatsache  die  Schwere  der  dadurch  be- 
gangenen Zuwiderhandlung  gegen  das  Völkerrecht  nicht  ver- 
ringern würde". 

Zum  Schluss  heisst  es  dann  weiter: 

„Herr  Seward   behauptet,  dass  es,    ,wenn  die  Sicherheit   der  Union   die 


*'^)  Bei  Montague  Bernard  222.  Es  ist  bemerkenswert,  das  Vol.  10 
(1916)  p.  1  ff.  American  Journal  aus  Beruard  den  hier  fraglichen  Schriftwechsel 
zum  grössten  Teil  zum  Abdruck  bringt. 


44  Drittes  Kapitel:    ßeweislast  und  Beweisvermutungen 

Festualnne  iler  gekaperten  Personen  erforderte,  das  Recht  und  die  PHielit 
der  Regierung  sein  würde,  sie  festznlialten".  Er  sagt  weiter,  dass  der 
Rückgang  des  Aufstandes  und  die  verhältnismässig  geringe  Bedeutung  der 
gekaperten  Personen  selbst  ihm  verbieten,  zu  dieser  Begründung  seine  Zuflucht 
zu  nehmen.  Herr  Se ward  vertritt  hier  kein  im  internationalen  Recht 
begründetes,  den  neutralen  Nationen  vielleicht  unbequemes  und 
sie  verbitterndes  Recht;  er  verliert  ganz  den  Blick  für  den  un- 
geheuren Unterschied,  der  zwischen  der  Ausübung  eines  äusserst 
weitgehenden  Rechts  und  der  Begehung  eines  fraglosen  Unrechts 
besteht.  Sein  Freimut  zwingt  mich,  in  gleicher  Weise  offen  zu 
sein  und  ihm  mitzuteilen,  dass  Grossbritanuien  sich  der  Ver- 
übung dieses  Unrechts  nicht  unterworfen  haben  würde,  welchen 
Umfang  auch  immer  der  Aufstand  im  Süden  angenommen  hätte, 
und  wie  bedeutend  auch  immer  die  gekaperten  Personen  gewesen 
wären". 

Die  Frage  liegt  nahe,  welche  Sprache  Grossbritannien  wohl 
gefunden  haben  würde,  wenn  es  in  einem  Kriege,  wie  dem  gegen- 
wärtigen, als  neutraler  Staat  dasselbe  hätte  von  einem  krieg- 
führenden Staate  erdulden  müssen,  was  es  selbst  jetzt  den  neu- 
tralen Staaten  zufügt.  Für  die  rechtliche  Beurteilung  der  Mass- 
nahmen einer  Kriegspartei  ist  natürlich  ihre  eigene  Haltung  in 
der  Stellung  des  neutralen  Gegeninteressenten  während  eines  Krieges 
unter  anderen  Parteien  zu  deren  ähnlichen  Anordnungen  von  nicht 
zu  unterschätzender  Bedeutung.  Man  wird  doch  sagen  müssen, 
dass  sich  eine  Kriegspartei  die  Beurteilung  gefallen  lassen  muss, 
welche  sie  selbst  in  einem  ähnlichen  Konflikt  in  früherer  Zeit 
vertreten  hat,  und  ganz  besonders  dann,  wenn  sie  sich  hierbei 
selbst  in  der  Lage  eines  neutralen  Staates  befand. 

Drittes  Kapitel 

Die  völkerrechtliche  Bedeutung  von  Bestimmungen  über  die 
Beweislast  und  die  Einführung  von  Beweisvermutungen. 

§  8 

Die  Auffassung"  der  Regierungen  Englands  und  der  Vereinigten 

Staaten  in  ilirem  diplomatisclien  Scliriftwechsel. 

Das  beste  materielle  Recht  kann  durch  ein  schlechtes  Prozess- 
recht wirkungslos  gemacht  werden.  Zweifelsfreie  Rechtsansprüche 
scheitern  an  den  Beweisschwierigkeiten   oder  an  der  einseitigen 


§  8.     Auffassung  Englands  und  der  Vereinigten  Staaten  45 

Beweiswürdigung'  des  nationalen  Prisenrichters.  Die  praktische 
Durchsetzung  dogmatisch  gegebenen  Rechts  ist  also  schon  durch 
die  Abhängigkeit  von  Menschen  und  Dingen  grundsätzlich  frag- 
lich'''^), wird  aber  völlig  unsicher,  das  Recht  selbst  wird  durch 
einen  technischen  Kunstgriff  zur  leeren  Hülse,  seiner  Wirkungs- 
möglichkeit  beraubt,  wenn  gesetzliche  Beweisverrautungen  —  von 
richterlichen  Beweiskonstruktiouen  durch  die  richterliche  Über- 
zeugung ganz  zu  schweigen  —  die  tatsächliche  Grundlage  für  die 
Verwirklichung  der  Ansprüche  von  vornherein  festlegen,  so  dass 
die  formell  offengelassenen  Gegenbeweise  praktisch  nicht  zu  führen 
sind.  In  dieser  Richtung  ist  die  englische  Seekriegsgesetzgebung 
vorbildlich.  Freilich  hat  sie  von  vornherein  den  schärfsten  Wider- 
spruch von  selten  der  Neutralen  erfahren.  In  der  Note  vom 
28.  Dezember  1914  (Anm.  47)  machen  die  Vereinigten  Staaten 
geltend : 

„Die  britischen  Behörden  unternahmen  diese  Beschlagnahmen 
und  Festhaltungen,  ohne  im  Besitz  von  Tatsachen  zu  sein, 
welche  einen  vernünftigen  Grund  dafür  abgäben,  dass  die  Ver- 
schiffungen in  Wirklichkeit  eine  feindliche  Bestimmung  hätten, 
,  wie  der  Ausdruck  im  internationalen  Recht  lautet,  obgleich  bei  der  Fahrt 
nacli  neutralem  üebiet  eine  unschuldige  Bestimmung  .vermutet  wird.  Blosser 
Verdacht  ist  kein  BeAveis,  und  Zweifel  sollten  zugunsten  des 
neutralen  Handels,  nicht  gegen  ihn  entschieden  werden". 

Und  weiter  heisst  es : 

„Es  scheint  auch,  dass  Ladungen  dieser  Art  aus  dem  Grunde  von  den 
britischen  Behörden  beschlagnahmt  worden  sind,  weil  sie  schliesslich 
das  Gebiet  der  Feinde  Grossbritanniens  erreichen,  wenn  sie  auch 
von  den  Verladern  von  vornherein  nicht  dorthin  bestimmt  waren. 
Doch  dieser  Grund  verwandelt  sich  häufig  in  eine  reine  Furcht  in  Anbetracht 
der  Beschlagnahmen,  die  bei  bestimmten  Artikeln,  aus  denen  sich  die 
Ladungen  zusammensetzen,  von  den  neutralen  Bestimmungsländern  angeordnet 
worden  sind. 

Dass  für  Artikel,  die  in  dem  Verzeichnis  bedingter  Konter- 
bande eingetragen  sind  und  nach  eiuem  neutralen  Hafen  ver- 
schifft werden,  wieder  eine  gesetzliche  Vermutung  feindlicher 
Bestimmung  aufgerichtet  wird,  scheint  im  Widerspruch  zustehen 
mit  dem  Grundsatz,  den  Grossbritannien  selbst  früher  vertreten 
hat,   und   der  während   des  südafrikanischen  Krieges  vom   Lord   Salisbury 


''^)  Ludwig  Bendix:  Problem  der  Eechtssicherheit ,  Die  freie  Beweis- 
würdigung  des  Strafrichters,  im  Archiv  für  Strafrecht  Band  63  S.  31  ff.,  siehe 
auch  Sächsisches  Archiv  1916.  377  und  Gerichtssaal  Bd.  85  S.  77. 


46  Drittes  Kapitel:   Beweislast  uncl  Bevveisvermutungen 

wie  folgt  festgestellt  worden  ist:  ^Lebensmittel  "*)  können,  selbst  wenn 
sie  eine  feindliche  Bestimmung  haben,  als  Kriegskonterbande 
nur  angesehen  werden,  falls  sie  für  die  feindlichen  Streitkräfte 
bestimmt  sind.  Es  genügt  nicht,  dass  sie  zu  einem  Gebrauch 
durch  diese  geeignet  sind.  Es  muss  bewiesen  werden,  dass  dies 
in  Wirklichkeit  zur  Zeit  ihrer  Beschlagnahme  ihr  Zweck  ge- 
wesen ist. 

Mit  dieser  Feststellung  des  Begriffes  der  bedingten  Konterbande  stimmen 

die  Ansichten  imserer  Regierung  vollständig  überein,   und  die  amerikanischen 

Schiffer    sind  berechtigt,    sich    auf    diese  Lehre   zu  verlassen,    welche  Gross- 

britannieu  in  der  Vergangenheit  ständig  vertreten  hat,  mochte  es  Krieg  führen 

.  oder  neutral  sein"*^). 

Grey  antwortet  am  10.  Februar  1915  (in  Anm.  47  S.  10,  11, 
12  und  14): 

„Niemand  wird  in  diesen  Tagen  den  allgemein  anerkannten  Satz  bestreiten, 
dass  ein  Kriegführender  berechtigt  ist,  Konterbandegüter  auf  ihrem  Wege 
ziun  Feinde  zu  kapern;  dieses  Recht  ist  ja  durch  lauge  Übung  und  allgemeine 
Übereinstimmung  geheiligt  worden.  Wenn  dieses  Recht  auch  alt  ist,  so 
ändern  und  entwickeln  sich  die  Mittel  seiner  Ausübung  mit  den 
Änderungen  in  den  Methoden  und  dem  Mechanismus  des  Handels. 
Vor  einem  Jahrhundert  machten  die  Schwierigkeiten  des  Landtransportes  es  für 
den  Kriegführenden  unausführbar,  Zufuhren  von  Überseegüteru  über  ein  benach- 
bartes neutrales  Land  zu  erlangen.  Hieraus  folgt,  dass  die  Kriegshandlungen 
seiner  Gegner  eine  Nachprüfung  der  Warensendungen  auf  ihrem  Wege  zu  einem 
neutralen  Hafen  weder  erforderten  noch  rechtfertigten.  Dieser  Grundsatz  ist  in 
den  Entscheidungen  anerkannt  und  angewandt  worden,  in  denen  Lord  Stowe  11 
die  Gesichtspunkte  aufstellte,  unter  deren  Beachtung  solche  Güter  beschlag- 
nahmt werden  durften. 

Nachdem  die  Dampfkraft  ihren  Siegeszug  durch  die  Welt  angetreten  hat, 
ist  es  für  einen  Kriegführenden  leicht  geworden,  sich  durch  die  Häfen  eines 
benachbarten  neutralen  Landes,  wie  durch  seine  eigenen  zu  versorgen,  und 
deshalb  ist  es  für  seine  Gegner  unmöglich  geworden,  sich  einer  Einmischung 
in  den  für  den  Feind  bestimmten  Handel  zu  enthalten,  nur  weil  er  auf  seinem 
Wege  zu  einem  neutralen  Hafen  betrieben  wird. 

Kein  besseres  Beispiel  für  die  Notwendigkeit,  neuen  Kunstgriffen  und 
neuen  Methoden  der  Beförderung  von  Konterbandegütern  zum  Feinde  ent- 
gegenzutreten und  für  die  Anwendung  des  fundamentalen  Grundsatzes,  auch 
solclie  Konterbande  za  beschlagnahmen,  kann  es  geben,  als  die  Schritte,  welche 
die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  während  des  amerikanischen  Bürger- 
krieges zu  unternehmen  für  notwendig  hielt. 


«*)  Ebenso  schon  im  Falle  Jonge  Margareta  (1799)  [1.  C.  Roh.  189]  bei 
Tudor  981,  Snow  467,  Scott.  Gases  762  (vgl.  766  Anm.  1).  Siehe  zu  diesem 
Falle  Smitt-Sibley  229  ff. 

«5;  Vgl.  z.  B.  Lushingtou  Nr.  164,    Holland,  Manual  Nr.  50  u.  142. 


§  8.     Auffassung  Englands  und  der  Vereinigten  Staaten  47 

Die  Gelegenheiten,  die  jetzt  ein  Kriegführender  besitzt,  um  Zufuhren  über 
neutrale  Häfen  zu  erlangen,  sind  weit  grösser,  als  sie  vor  fünfzig  Jahren 
waren,  und  die  geographischen  Bedingungen  des  gegenwärtigen  Krieges  ge- 
währen dem  Feinde  Aveitere  Unterstützung,  derartige  Wareneinfuhren  herein 
zu  bringen.  Wir  stehen  der  Aufgabe  gegenüber,  solche  Zufuhren  zu 
unterbrechen,  die  mit  Aussicht  auf  Erfulg  unternommen  werden,  weil  ihnen 
eine  ausgearbeitete  Organisation  zur  Verfügung  steht,  und  die  Höhe  der  Kosten 
keine  Eolle  spielt.  Wenn  unsere  Kriegführungsrechte  aufrecht  er- 
halten werden  sollen,  ist  es  für  uns  von  höchster  Bedeutung, 
zwischen  dem  wirklich  gutgläubigen  für  das  betreffende  neu- 
trale Land  bestimmten  Handel  und  dem  für  das  feindliche  Land 
bestimmten  Handel  zu  unterscheiden.  Durch  die  Organisation 
dieses  Handels  wird  jede  Anstrengung  gemacht,  die  Waren- 
bestimmung zu  verbergen,  und  wenu  ein  Recht  besteht,  den  un- 
schuldigen neutralen  Handel  von  dem  feindlichen  Handel  zu 
unterscheiden,  ist  es  un  ab  weislich,  dass  Seiner  Majestät  Re- 
gierung berechtigt  sein  muss,  auch  bei  Gefahr  eines  geringen 
Aufenthalts  für  die  betroffenen  Personen  die  Bestimmung  der 
einzelnen  Warensendungen  eingehend  zu  untersuchen.  Wenn 
solche  Untersuchungen  nicht  gemacht  werden  dürfen,  dann 
niüsste  entweder  die  Ausübung  unserer  Kriegf ühruugsrechte 
aufgegeben  werden,  was  die  Verlängerung  dieses  Krieges  und 
die  Vermehrung  der  Verluste  u'nd  Leiden  bedeuten  würde,  welche 
der  ganzen  Welt  auferlegt  werden,  oder  andernfalls  muss  man 
gegen  die  ununterschiedene  Kaperung  neutraler  Güter  und  ihre 
Festhaltung  während  der  ganzen  Zeit  des  sich  anschliessenden 
Prisengerichtsverfahrens  nachsichtig  sein®*^).  Unter  dem  jetzt  an- 
genommenen System  hat  es  sich  als  möglich  herausgestellt,  ohne  Aufenthalt 
und  folglich  ohne  neuneuswerten  Verlust  für  die  beteiligten  Personen '  alle 
Güter  freizulassen,  deren  unschuldige  Bestimmung  durch  die  Untersuchungen 
sich  herausgestellt  hat. 

Wohl  mag -das  System  derartiger  Untersuchungen  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  eine  neue  Einrichtung  sein,  die  in  weit  höherem  Grade 
als  in  einem  früheren  Kriege  angewandt  worden  ist;  wenn  es  aber  als  eine 
neue  Richtung  beschrieben  wird,  so  ist  es  eine  Richtung,  welche 
durchaus  im  Interesse  der  Neutralen  liegt,  und  die  den  Zweck  verfolgt,  sie 
soweit  wie  möglich  vor  Verlust  und  Belästigung  zu  bewahren. 

In  diesen  Tagen  ist  keine  Macht  imstande,  während  eines  grossen  Krieges 
die  Ausübung  des  Anhaltungs-  und  Durchsuchungsrechts  aufzugeben.    Schiffe, 


''^)  In  einem  Briefe  des  Foreign  office  vom  3.  April  1862  (bei  Snow  513) 
dagegen  heisst  es  richtig,  dass  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  kein 
Recht  habe,  ein  britisches  Schiff  in  Beschlag  zu  nehmen,  das  von  einem  britischen 
Hafen  zu  einem  andern  neutralen  Hafen  fahre.  Ebenso  The  Imina  (1800) 
[3.  Roh.  167]  bei  Scott,  Cascs  776,  und  Smitt-Sibley  237,  Myer  29  §  326, 
Kleen,  Neutralit^  I  376,    Hall  109,  119  ff. 


48  Drittes  Kapitel :   Beweishiat  uiul   iJcweisvennutungen 

welclie  offensichtlicb  hannlose  Kauffalirer  siiul,  künneii  zum  Transport  luul 
zum  Legen  von  Minen  bestimmt  sein,  und  sind  sogar  geeignet,  Torpedos  ab- 
zufeuern. Zufuhren  für  Unterseeboote  können  oline  Schwierigkeit  unter  anderer 
Ladung  verborgen  werden.  Der  einzige  Schutz  gegen  diese  Gefahren 
besteht  darin,  jedes  Schiff,  das  in  der  Operationszone  erscheint,  anzu- 
halten und  vollständig  zu  durchsuchen  und,  wenn  die  Umstände 
derart  sind,  dass  die  Ausführung  an  der  Stelle  unmöglich  ist,  wo  das  Schiff 
angetroffen  wird,  dann  bleibt  in  ytler  Tat  nur  als  einzig  gangbarer  Weg-, 
das  Schiff  zu  diesem  Zweck  an  einen  passenderen  Ort  zu  bringen.  Wenn  so 
verfahren  wird,  so  ist  das  nicht  als  die  Inanspruchnahme  eines  neuen  Krieg- 
führungsrechts anzusehen,  sondern  als  eine  Anpassung  des  geltenden  Rechts 
an  die  modernen  Handelsbedingungen.  .  .  . 

Der  Grundsatz,  dass  die  Beweisla.st  stets  dem  Kaperer  aufzuerlegen  sei, 
wird  in  der  Theorie  gewöhnlich  angenommen.  In  der  Praxis  ist  es  jedocli 
fast  immer  anders  gewesen,  und  jeder,  der  die  Prisengerichtsentscheidungen 
der  Vergangenheit  oder  auch  moderner  Kriege  kennt,  weiss,  dass  Waren  selten 
der  Verurteilung  entgehen,  wenn  ihr  Eigentümer  nicht  in  der  Lage  ist, 
zu  beweisen,  dass  sie  eine  unschuldige  Bestimmung  haben*'). 
Vor  einigen  Jahren  ist  in  der  unratif izierten  Londoner  Dekla- 
ration ein  Versuch  gemacht  worden,  einige  bestimmte  Regeln 
über  diesen  Gegenstand  vorzuschreiben,  aber  die  Zeit  aliein 
kann  uns  lehren,  ob  die  dort  aufgestellten  Regeln  die  Proben 
moderner  Kriegführung  bestehen  werden". 

Grey  schliesst  seine  Note  mit  dem  häufig  wiederkehrenden 
Gesichtspunkt,  ohne  zu  beachten,  dass  allein  entscheidend  wäre, 
wer  mit  den  Rechtswidrigkeiten  begonnen  hat: 

„Es  ist  unmöglich,  dass  der  eine  Kriegführende  von  Bestimmungen  und 
Präzedenzien  abgeht,  der  andere  dagegen  an  sie  gebunden  bleibt". 

In  antithetischer  Schärfe  treten  sich  dann  wieder  die  An- 
sichten der  damals  neutralen  Vereinigten  Staaten  in  ihrer  Antwort 
vom  5.  November  1915  und  des  kriegführenden  Grossbritannien  in 
seiner  Erwiderung  vom  24.  April  1916  gegenüber  ^^).  Inder  ersten 
heisst  es  (vgl.  Anm.  58  p.  2,  3,  4,  5,  8,  9)  : 


*^')  Von  den  Vereinigten  Staaten  als  kriegführenden  Staaten  in  der  Tat 
ebenso  gehandhabt,  siehe  Myer  29  §§  1699  ff. 

'^*)  Vgl.  auch  die  Korrespondenz  zwischen  dem  britischen  Gesandten  in 
Haag  und  dem  holländischen  Minister  des  Auswärtigen  im  Herbst  1914  in  The 
Times  Doc.  Hist.  p.  69  ff.  und  Recueil  131. 

Loudon  schreibt  am  7.  Oktober  1914:  „Aus  Eurer  Exzellenz  Mitteilung 
scheint  zu  folgen,  dass  solche  Schiffe,  und  sogar  Fischersegelboote,  ohne  weiteren 
Beweis  als  mit  Minenlegen  beschäftigf;  angesehen  werden,  und  dass  sie,  Avenn 
sie  versuchten,  durch  Flucht  dem  Durclisuchungsrecht  der  britisclien  Kriegsflotte 
zu  entgehen,  versenkt  und  die  von  der  Mannschaft  Gefangenen  als  „Kriegs- 
verbrecher" behandelt  würden. 


§  8.     Auffassung  Englands  und  der  Vereinigten  Staaten  49 

Nr.  8.  Erstens:  Die  Festhaltungen  von  amerikanischen  Schiffen  und 
Schiffsladungen,  welche  seit  dem  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  stattgefunden 
haben,  verfolgen  vermutlich  die  Erzwingung  der  Orders  in  Council,  welche 
am  20.  August  und  29.  Oktober  1914  und  11.  März  1915  erlassen  wurden  und 
sich  auf  den  Konterbandeverkehr  und  die  Unterbrechung  des  Handels  von 
und  nach  Deutschland  und  Österreich-Ungarn  beziehen.  In  der  Praxis 
sind  diese  Festhaltungen  nicht  gleichmässig  auf  Beweise  ge- 
gründet worden,  welche  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  vorlagen, 
viele  Schiffe  sind  vielmehr  festgehalten  worden,  bis  Nach- 
forschungen nach  einem  Beweis  des  Konterbandecharakters  der 
Ladungen  gemacht  waren  oder  wegen  einer  Absicht,  den  verkehrs- 
unterbrechenden Massnahmen  Grossbritanniens  auszuweichen. 

Die  Frage  ist  folglich  eine  Beweisfrage,  wie  nämlich  eine  Annahme  oder 
in  vielen  Fällen  ein  blosser  Verdacht  der  feindlichen  Bestimmung  oder  ge- 
legentlich des  feindlichen  Ursprungs  der  betreffenden  Güter  begründet  werden 
kann.  Ob  dieser  Beweis  mittelst  Durchsuchung  auf  See  zu  erbringen 
ist,  bevor  das  Schiff  oder  Gut  in  den  Hafen  geschafft  wird,  und 
welcher  Art  Beweismittel  vorliegen  müssen,  um  die  Festhaltung 
zu  rechtfertigen,  das  sind  die  Punkte,  auf  welche  ich  Ihre  Aufmerksam- 
keit lenken  möchte. 

Nr.  8.  Was  nun  die  Art  und  Rechtsgültigkeit  der  Beweismittel  für  die 
Konterbandenatur  der  Verschiffungen  anlangt ,  auf  Grund  deren  die  Fest- 
haltung eines  verdächtigen  Schiffes  oder  Gutes  zum  Zwecke  prisengerichtlichen 
Verfahrens  gerechtfertigt  wird,  ,so  ist  zu  erinnern,  dass  Prisengerichte 
bei  einem  zur  Aburteilung  eingebrachten  Schiff  bisher  durch 
eine  wohlbegründete  und  seit  langem  anerkannte  Praxis  ge- 
halten waren,  in  der  ersten  summarischen  Verhandlung  die 
Schiffspapiere  und  Dokumente  und  die  an  Bord  gefundenen 
Güter  zusammen  mit  den  bei  dem  eidlich  vorgenommenen  Verhör 
niedergeschriebenen  Antworten  der  Offiziere  und  Seeleute®'^), 
jedes  für  sich  so  schnell  wie  möglich  und  ohne  Verbindung  und  Unter- 
weisung durch  AuAvälte  zu  prüfen,  damit  Entstellungen  und  Täu- 
schungen möglichst  vermieden  werden. 

Nr.  9.  Die  Geltendmachung  weiterer  Beweismittel  wurde 
nicht  erlaubt,  es  sei  denn,  dass  das  Gericht  weiteren  Beweis 
anordnete,  und  dann  auch  nur,  nachdem  die  Sache  auf  Grund 
der  bereits  bewiesenen  Tatsachen  vollständig  verhandelt  worden 
war,  oder  wenn  diese  einen  Grund  boten,  weitere  Untersuchungen 


Der  Königin  Regierung  kann  nicht  annehmen,  dass  es  wirklich  die  Absicht 
der  britischen  Regierung  ist,  sich  allein  auf  eine  Kette  einfacher  Ver- 
mutungen zu  stützen,  um  die  Schuld  von  Personen  festzustellen,  die  absolut 
unschuldig  sein  mögen",     p.  72  vgl.  Eysinga  1915  S.  68,  1916  S.  111. 

ö^)  Vgl.  Lushington  Nr.  120  und  Holland,  Manual  Nr.  324,  und  p.  82 
bis  88  bei  dem  ersten,  p.  110—117  bei  dem  zweiten  die  umfangreichen  36  Ab- 
sätze mit  den  einzelnen  Fragen.  Die  amerikanische  Gerichtspraxis  bei  Myer 
Vol.  29  §§  1660  ff. 

Beudix,  Völkerrechtsverletzungen  4 


50  Drittes  Kapitel:   Bewcislast  und  Beweisvermutungen 

anzustellen.  Dies  war  die  Praxis  der  Vereinigten  Staaten -Gerichte  während 
des  Kriegs  von  1812,  des  amerikanischen  Bürgerkriegs,  wie  dies  durch  die 
veröffentlichten  Entscheidungen  dieser  Gerichte  bewiesen  wird,  und  ist  auch 
die  Praxis  der  britischen  Prisengerichte  über  ein  Jahrhundert 
lang  gewesen.  Diese  Praxis  ist  durch  die  britischen  Prisen- 
gerichtsregeln verlassen  worden,  welche  für  den  gegenwärtigen 
Krieg  durch  die  Order  in  Council  vom  5.  August  eingeführt 
wurden.  Unter  diesen  neuen  Regeln  gibt  es  keine  „erste  summa- 
rische Verhandlung"  auf  Grund  des  vom  Schiff  hergeleiteten 
Beweismaterials  mehr,  und  das  Prisengericht  ist  nicht  mehr  be- 
hindert, aus  fremden  Quellen  Beweismaterial  zu  verwerten,  für 
das  in  dem  vorläufigen  Beweismaterial  keine  Grundlage  ent- 
halten war.  Das  Ergebnis  ist,  wie  oben  auseinandergesetzt,  dass  un- 
schuldige Schiffe  oder  Ladungen  nunmehr  auf  blossen  Verdacht 
hin  beschlagnahmt  und  so  lange  festgehalten  werden,  bis  Be- 
mühungen gemacht  worden  sind,  um  aus  fremden  Quellen  Be- 
weismaterial zu  erhalten,  durch  das  die  Festhaltung  und  der 
Beginn  des  Prisengerichtsverfahrens  gerechtfertigt  wird.  Die 
Wirkung  dieses  neuen  Verfahrens  ist,  dass  den  Händlern  Ver- 
lustgefahren, Zeitversäumnisse  und  Aufwendungen  auferlegt 
werden,  die  so  gross  und  lästig  sind,  dass  dadurch  ein  grosser 
Teil  des  Ausfuhrhandels  der  Vereinigten  Staaten  nach  den  neu- 
tralen Ländern  Europas  vernichtet  wird. 

Nr.  10.  Um  die  Verantwortung  für  die  Zeitversäumnisse  der  Schiffe  und 
Ladungen  den  amerikanischen  Klägern  aufzuerlegen,  sucht  die  Order  in  Council 
vom  29.  Oktober  1914,  wie  in  der  britischen  Note  vom  10.  Februar  auseinander- 
gesetzt, die  Beweislast  für  den  Nichtkonterbandecharakter  den 
Klägern  in  Fällen  aufzuerlegen,  wo  die  Güter  an  Order  adressiert 
sind,  und  der  Empfänger  nicht  genannt  ist,  oder  der  Empfänger 
sich  im  feindlichen  Gebiete  befindet.  Ohne  zuzugeben,  dass  die 
Beweislast  in  diesen  Fällen  rechtmässig  dem  Kläger  auferlegt 
werden  könne,  genügt  es  für  die  Zwecke  dieser  Note,  darzulegen,  dass 
unter  die  drei  Klassen  von  Fällen,  welche  in  der  Order  in  Council  vom 
29.  Oktober  angegeben  werden,  nur  wenige  der  vielen  Beschlagnahmen  oder 
Festhaltungen  zu  bringen  sind,  welche  tatsächlich  von  britischen  Behörden 
vorgenommen  worden  sind. 

Nr.  15.  In  Gemässheit  dieser  Ausführungen  bleiben  die  Vereinigten  Staaten 
bei  ihrem  Standpunkt  in  dieser  Sache  und  haben  keine  andere  Möglich- 
keit, als  die  Rechtmässigkeit  von  Schiffsbeschlagnahmen  zur  See 
auf  Mutmassungen  und  Verdacht  hin  und  die  Praxis  zu  bestreiten, 
nach  der  sie  zu  dem  Zweck  in  den  Hafen  gebracht  werden,  um 
durch  Durchsuchung  oder  sonstwie  Beweismaterial  zu  erhalten 
und  so  die  Prisengerichtsverfahren  wegen  des  Trausports  von 
Konterbandegütern  oder  der  Zuwiderhandlung  gegen  die  Order 
in    Council   vom    11.  März    zu   rechtfertigen     Unter  Bezugnahme   auf 


§  8.     Auffassung  Englands  und  der  Vereinigten  Staaten  51 

die  Rücksicht,  welche  Seiner  Majestät  Regierung  vor  dem  gegenwärtigen 
Krieg  so  häufig  und  unabänderlich  für  die  Grundsätze  der  Gerechtigkeit 
an  den  Tag  gelegt  hat,  erwartet  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten,  dass 
die  britische  Regierung  ihre  Offiziere  anweisen  wird,  sich  dieser  beunruhi- 
genden und  gesetzwidrigen  Massnahmen  zu  enthalten. 

Nr.  29.  Es  gibt  noch  einen  anderen  Grund,  weshalb  amerikanische  Bürger 
die  Wiedergutmachung 'ö)  des  ihnen  durch  unzulässige  Festhaltungen  und  Be- 
schlagnahme angetanen  Unrechts  nicht  den  britischen  Prisengerichten  zur 
Entscheidung  unterbreiten  können,  ein  Grund,  den  ich  nicht  unerwähnt  lassen 
kann.  Es  ist  die  Art  und  Weise,  in  der  die  britischen  Gerichte  über  solche 
Fälle  Recht  sprechen.  Die  Gerichtsgewalt  über  Kauffahrteischiffe  auf  hoher 
See  steht  der  Nation  zu,  deren  Flagge  sie  rechtmässig  führen.  Dieser  Grund- 
satz des  Völkerrechts  und  der  Staatenpraxis  folgt  aus  dem  Grundsatz  der 
Meeresfreiheit.  Landesbestimmungen  einer  kriegführenden  Macht 
können  keine  Gerichtsgewalt  verleihen  oder  Beweisregeln  auf- 
stellen, durch  welche  die  Gesetzmässigkeit  der  Beschlagnahmen 
von  Schiffen  neutraler  Nationalität  auf  hoher  See  bestimmt 
wird.  Nur  internationales  Recht  beherrscht  die  Ausübung  des  Kriegführungs- 
rechts der  Beschlagnahme  und  Festhaltung  von  Schiffen.  Landesgesetze 
und  -bestimmungen,  welche  die  internationalen  Rechte  einer 
anderen  Nation  verletzen,  können  nicht  auf  die  auf  hoher  See 
befindlichen  Schiffe  der  letzteren  ausgedehnt  werden,  um  auf 
diese  Weise  einer  kriegführenden  Nation  einen  Rechtfertigungs- 
grund zu  geben  dafür,  dass  sie  die  Schiffe  in  ihre  Häfen  bringt 
und  sie,  nachdem  sie  gesetzwidrig  in  den  Bereich  ihrer  Gebiets- 
hoheit gebracht  worden  sind,  zwingt,  sich  den  inländischen  Ge- 
setzen und  Bestimmungen  dieser  Nation,  zu  unterwerfen.  Diese 
so  erlangte  Gerichtsgewalt  verletzt  die  Grundsätze  der  Gerech- 
tigkeit und  Billigkeit,  Avelche  alle  Nationen  anerkennen  sollten. 
Eine  solche  Praxis  macht  j  ede  Verfügung  eines  einheimischen 
Gerichts  über  so  eingebrachtes  Eigentum  rechtsungültig.  Die 
Regierung  der  Vereinigten  Staaten  ist  deshalb  überrascht  und  befremdet  durch 
den  Versuch  der  Regierung  Seiner  Majestät,  den  britischen  Prisengerichten  durch 
diese  gesetzwidrige  Anwendung  von  Gewalt  die  Befugnis  zur  Rechtsprechung 
zu  verleihen,  damit  diese  Gerichte  auf  Schiff  und  Ladungen  neutraler  Staats- 
angehörigkeit, die  auf  hoher  See  beschlagnahmt  sind,  Landesgesetze  und  Vor- 
schriften anwenden,  die  rechtmässig  nur  in  den  Territorialgewässern  Gross- 
britanniens oder  gegen  Schiffe  britischer  Staatsangehörigkeit  erzwingbar  sind, 
wenn  diese  sich  auf  hoher  See  befinden. 

Nr.  30.  Unter  diesen  Umständen  meinen  die  Vereinigten  Staaten,  dass 
man  billigerweise  von  ihnen  nicht  erwarten  kann,  ihren  Bürgern  zu  raten,  vor 
Gerichtshöfen  Hilfe  zu  suchen,  die  nach  ihrer  Meinung  nicht  berechtigt 
sind,    durch    uneingeschränkte    Anwendung    des    internationalen 


")  Vgl.  ebenso  den  Protest  der  Niederlande  im  Recueil  36. 

4* 


52  Drittes  Kapitel:   ßeweislast  und  Reweisvermutinigcn 

Rechtes  Schadensersatz  zuzusprechen,  oder  sie  davon  abzuhalten, 
ihre  Ansprüche  unmittelbar  bei  der  britischen  Regierung  auf  diplomatischem 
Wege  geltend  zu  machen''^). 

Grossbritannien  entgegnete  (vgl.  Anm.  58  p.  22,25,26,27,28): 
„Die  Frage,  an  welchem  Ort  die  Durchsuchung  stattfindet,  ist  jedenfalls 
von  untergeordneter  Bedeutung.  Nach  Ansicht  der  Regierung  Seiner  Majestät 
ist  das  Recht  eines  Kriegführenden,  Konterbande  auf  ihrem  Wege 
zum  Feinde  anzulialten,  als  eines  seiner  Hauptrechte  anerkannt 
und  unbestreitbar,  und  sollte  nicht  auf  Anhaltung  solcher  Kon- 
terbande  eingeschränkt   werden,    bei   der   an   Rord    des   Schiffes 


''^)  Bemerkenswert  ist  auch  die  Zusammenstellung  der  verschiedenen 
Gründe,  aus  denen  Schiffe  und  Güter  von  englischen  Behörden  in  die  Häfen 
gebracht  und  dort  prisenrechtlich  oder  auch  aussergerichtlich  untersucht  Avorden 
sind.  Diese  Feststellung,  betreffend  die  von  britischen  Behörden  festgehaltenen 
Schiffe,  vom  lü.  September  1915,  die  sich  Seite  11  der  Mise.  Nr.  15  (1916)  Cd. 
8234  als  Appendix  Nr.  2  zur  Note  vom  5.  November  befindet,  enthält  die  fol- 
genden zehn  Aufzählungen  : 

1.  Schiffe,  deren  Ladungen  und  Papiere  nach  ihrer  ganzen  Natur  nur  kurze 
Zeit  zur  Prüfung  erforderten,  sind  nach  den  Informationen  dieser  Regierung 
für  längere  Zeiträume  zurückgehalten  worden,  in  einigen  Fällen  mehr  als  einen 
Monat,  und  dann  ohne  Anordnung  eines  Prisengerichtsverfahrens  freigelassen 
worden. 

2.  Schiffe  sind  solange  festgehalten  worden,  bis  sie  die  Adresse  ihrer  Sen- 
dungen an  einen  von  der  britischen  Regierung  bezeichneten  Empfänger  in  einem 
neutralen  Lande  umschrieben. 

3.  Festhaltungen  sind  ohne  Beweis  auf  blosse  Wahrscheinlichkeit  hin  erfolgt. 

4.  Schiffe  sind  nach  den  Mitteilungen  der  britischen  Regierung  wegen  der 
Art  zurückgehalten  worden,  in  der  die  Sendungen  adressiert  worden  sind. 

5.  Güter  sind  nach  den  Informationen  dieser  Regierung  von  der  britischen 
Regierung  beschlagnahmt  worden,  weil  das  Bestimmungsland  ihre  Ausfuhr  nicht 
verboten   bat. 

6.  Die  britischen  Behörden  haben  wiederholt  Artikel  beschlagnahmt,  die 
zur  Klasse  der  Konterbande  gehörten,  und  Artikel,  die  zur  Klasse  der  bedingten 
Konterbande-  wie  der  Nichtkonterbande-Güter  gehörten  und  nach  den  skandi- 
navischen Ländern,  nach  den  Niederlanden  und  dem  damals  neutralen  Italien 
fuhren,  obgleich  die  Wiederausfuhr  solcher  Waren  von  diesen  Ländern  verboten 
worden  ist. 

7.  Festhaltungen  sind  trotz  der  Versicherung  erfolgt,  dass  erlaubt  werden 
würde,  die  beschlagnahmten  Güter  durch  ein  neutrales  Land  zu  den  Verbündeten 
Grossbritanniens  zu  schaffen. 

8.  Von  Zeit  zu  Zeit  hat  diese  Regierung  erfahren,  dass  Ladungen  deshalb 
beschlagnahmt  worden  sind,  weil  bekannt  geworden  ist,  dass  die  Empfänger 
mit  dem  Feinde  Handel  treiben,  oder  weil  ein  solcher  Verdacht  bestehe. 

9.  Schiffe  sind  beschlagnahmt  und  in  den  Hafen  gebracht  und  von  den 
britischen  Behörden  aufgefordert  worden,  Lotsen-,  Hafen-,  Lösch-,  Transport-, 
Lager-  und  andere  Gebühren,  Kosten  und  Aufwendungen  zu  bezahlen,  bevor 
über  die  Gültigkeit  der  Beschlagnahme  von  Schiff  oder  Ladung  richterlich  ent- 
schieden war. 

10.  Schiffe  sind  festgehalten  worden,  weil  sie  von  europäischen  Häfen  kamen. 
Diese  Aufzählung   wird   illustriert    und    ergänzt    durch    Edwin  J.  Clapp 

S.  19  (Mangel  eines  eidlichen  Zeugnisses  als  „Beweisgrund"  der  Bestimmung  für 
die  feindlichen  Streitkräfte). 


§  8.     Auffassung  Enghuuls  uml  der  Vereinigten  Staaten  53 

zufällig  Beweismittel  vorhanden  sind,  die  zu  ihrer  Verurteilung 
.ausreichen.  Wesentlich  ist  allein,  zu  bestimmen,  ob  die  Güter 
sich  auf  dem  Wege  zum  Feinde  befinden  oder  nicht.  Wenn  das 
zutrifft,  ist  ein  Kriegführender  berechtigt,  sie  festzuhalten,  und  die  Ver- 
bündeten sind  in  Anbetracht  des  Kampfes,  in  den  sie  verwickelt 
sind,  gezwungen,  die  für  die  Ausübung  dieses  Rechtes  wirk- 
samsten Mittel  zu  ergreifen. 

Nr.  12.  Die  alte  Praxis  und  das  alte  Verfahren  sind  in  der  Form  ver- 
altet und  gehören  einer  Zeit  an,  in  der  die  modernen  Fortschritte  des  gericht- 
lichen Verfahrens  noch  nicht  entwickelt  waren,  einer  Zeit,  in  der  es  zum 
Beispiel  nicht  zulässig  war,  dass  die  beteiligten  Parteien  bei  Klagen,  die  ihre 
Reclite  betrafen,  als  Zeugen  auftraten.  Die  Änderungen  in  der  Praxis  und 
den  Regeln  der  Prisengerichte  sind  im  Geiste  dieser  Fortschritte  erdacht  und 
durchgeführt  worden.  Die  Ziele,  wegen  deren  die  alte  Praxis  abgeschafft 
wurde,  bestanden  darin,  Zeitversäumnis  zu  verhüten,  Formalitäten  aliszu- 
schliessen  und  den  Parteien  zu  ermöglichen,  alle  wahren  und  wesentlichen 
Tatsachen  zu  beweisen  und  ihren  besonderen  Fall  dem  Gericht  zu  unterbreiten. 

Nr.  13.  Überdies  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  die  Be- 
dingungen sich  vollständig  geändert  haben,  unter  denen  zur  See 
Güter  von  einem  Lande  ins  andere  gebracht  werden.  In  den 
Tagen,  da  die  alten  Regeln  entwickelt  wurden,  waren  die  Schiffspapiere  ein 
sicherer  und  zufriedenstellender  Wegweiser,  was  Natur  und  Bestimmung  der 
Ladung  anlangt.  Wenn  die  Schiffspapiere  nicht  den  wahren  Gegenstand  und 
das  richtige  Ziel  der  Sendung  angaben,  würde  der  Empfänger  im  ungewissen 
darüber  gewesen  sein,  was  er  mit  den  angekommenen  Gütern  machen  sollte, 
und  das  Handelsgeschäft  würde  in  LTnordnung  gebracht  worden  sein;  denn 
damals  gab  es  keine  Eilpost  oder  Telegraphenkabel,  mit  deren  Hilfe  ergän- 
zende Mitteilungen  hätten  gesandt  werden  können.  Wenn  keine  Schiffspapiere 
vorhanden  waren,  oder  wenn  sie  offenbar  nicht  echt  waren,  so  war  dies  ein 
Grund  zur  Verurteilung.  Wenn  aber  keine  Veranlassung  vorlag,  sie  anzu- 
zweifeln, so  konnte  das  Gericht  mit  Bestimmtheit  annehmen,  dass  die  Papiere 
das  Geschäft  wahrheitsgemäss  erkennen  Hessen.  Heute  haben  sich  die 
Bedingungen  geändert.  Die  Papiere  mögen  äusserlich  vollkommen  echt 
und  vollständig  sein,  trotzdem  sie  zu  dem  ausgesprochenen  Zweck  hergestellt 
sind,  die  wahre  Natur  des  Geschäfts  zu  verbergen.  Diese  irreführenden  Pa- 
piere würden  jedoch  keine  Schwierigkeit  verursachen,  mit  den  Gütern  bei 
ihrer  Ankunft  richtig  zu  verfahren,  weil  die  notwendigen  Anweisungen  an 
den  Empfänger  auf  anderen  Wegen  befördert  werden  können.  Folglich  ist 
die  alte  Regel  nicht  länger  anwendbar,  dass  die  Schiffspapiere  allein 
nachgeprüft  werden  müssen,  und  Beweise  auf  Grund  anderer  Quellen  ausge- 
schlossen seien;  in  der  Tat  würde  das  in  der  Note  der  Vereinigten  Staaten 
vertretene  System,  nach  dem  den  Schiffspapieren  der  Charakter  endgültigen 
und  schlüssigen  Beweises  zugesprochen  wird,  Schiffer,  die  Konterbande  führen, 
zur  Fälschung  der  Papiere  ermutigen,  da  sie  sich  dadurch  absolute  Beschlag- 
nahraefreibeit  sichern  würden.  In  gleicher  Weise  ist  es  einer  Änderung 


54  Drittes  Kapitel:   Bcweislast  und  Bewoisveimutungcn 

der  Umstände  zuzuschreiben,  dass  die  durch  den  Kapitän  und  die 
Schiffsmannschaft  gebotenen  Beweise  in  der  Mehrzahl  der  Prisenfälle  nicht 
mehr  von  grosser  Bedeutung  sind ;  gewöhnlich  wissen  sie  jetzt  nichts  von  der 
wirklichen  Bestimmung  der  von  ihnen  beförderten  Sendung,  und  je  geschickter 
die  Beförderung  der  Güter  mit  einer  feindlichen  Bestimmung  ersonnen  ist, 
um  so  wirksamer  wird   diese  den  an  Bord  Befindlichen  verheimlicht  werden. 

Nr.  23.  Gegenüber  den  Tatsachen,  wie  sie  hier  dargelegt  sind,  wird  die 
Vereinigte  Staaten-Regierung  vermutlich  mit  Seiner  Majestät  Regierung  darin 
übereinstimmen,  dass  kein  Kriegführender  sich  iif  modernen  Zeiten  einer  ihn 
einschränkenden  Regel  fügen  könnte,  nach  der  nur  Güter  beschlagnahmt 
werden  dürften,  wenn  sie  von  Papieren  begleitet  würden,  die  ihre  Bestim- 
mung zu  einem  feindlichen  Lande  bestätigten,  und  dass  alle  Festhaltungen 
von  Schiffen  und  Gütern  gleichmässlg  auf  Beweise  gegründet  sein  müssen,  die 
zur  Zeit  der  Beschlagnahmen  vorliegen.  Wenn  aus  einer  solchen  Theorie 
alle  Folgerungen  gezogen  werden,  so  führt  dies  zu  der  For- 
derung, dass  jeder  Handel  zwischen  neutralen  Häfen  frei  sein 
soll,  sie  würde  die  Anwendung  der  Seemacht  wertlos  machen 
und  den  Druck  vernichten,  den  die  Verbündeten  auf  Grund  ihrer 
Beherrschung   der  See    ihrem  Feinde   auferlegen  können"). 

Nr.  27.  Es  mag  freilich  zugestanden  werden,  dass  die  Anstrengung, 
den  feinlichen  Handel  über  neutrale  Länder  zu  unterbrechen, 
Reizbarkeit  und  Unzufriedenheit  hervorrufen  muss.  Seiner  Maje- 
stät Regierung  hat  daher  in  ihrem  Bestreben,  keine  Bemühungen  zu  unter- 
lassen, die  Belästigungen  zu  mildern,  welche  unvermeidlich  den  neutralen 
Händlern  verursacht  werden  müssen,  ihre  Zuflucht  zu  der  Politik  genommen, 
den  ganzen  Bedarf  des  betreffenden  Landes  zu  ermitteln  und 
solche  Einfuhren  zu  verhindern,  von  denen  vermutet  wird,  dass 
sie  diesen  Bedarf  überschreiten,  keinen  Teil  des  normalen 
Handels  jenen  Landes  bilden  und  deshalb  für  den  Feind  be- 
stimmt sind. 

Nr.  31.  Überdies:  Die  Tatsache,  dass  ein  dem  feindlichen  Ge- 
biete benachbartes  Land  eine  abnorme  Quantität  an  Zufuhren 
und  Waren  importiert,  von  denen  es  gewöhnlich  nur  verhältnismässig 
geringe  Mengen  einführt,  an  denen  aber  der  Feind  grossen  Bedarf  hat,  und 
von  denen  bekannt  ist,  dass  sie  über  das  neutrale  Land  zum  Feinde  gelangen, 
diese  Tatsache  ist  für  sich  selbst  ein  Beweisstück,  auf  Grund 
dessen  das  Prisengericht  berechtigt  sein  würde,  vorzugehen,  es  sei  denn,  dass 
es  durch  andere  Beweise  widerlegt  würde.  Da  feindliche  Bestimmung 
eine   Tatfrage    ist,    so  würde   das  Gericht   alle   erheblichen  Umstände    in 


'^)  Als  Frankreich  in  seinem  Kriege  mit  China  1885  beanspruchte,  Schiffe 
zu  beschlagnahmen,  die  Konterbande  von  einem  neutralen  Hafen  nach  dem  eng- 
lischen Haten  Hongkong  brachten,  protestierte  England  gegen  ein  solches  Ver- 
fahren, weil  neutralen  Schiffen  der  Handel  mit  neutralen  Häfen  offenstände 
(Pyke  157,  der  sich  des  unhaltbaren  Widerspruchs  mit  der  jetzt  von  England 
geübten  entgegengesetzten  Praxis  gar  nicht  bewusst  wird). 


§  8.     Auffassung  Englands  und  der  Vereinigten  Staaten  55 

Erwägung  zu  ziehen  haben,  um  zu  seiner  Entscheidung  zu  kommen,  und  da 
scheint  es  keinen  grundsätzlichen  Gesichtspunkt  zu  geben,  nach  dem  die  Tat- 
sachen begrenzt  wären,  zu  deren  Prüfung  das  Gericht  in  einem  Falle  dieser 
Art  berechtigt  wäre  ")  '*). 


'*)  In  ähnlicher  Weise  (vgl.  auch  oben  S.  Hb)  sind  die  Auseinandersetzungen 
hin  und  her  gegangen  bei  den  Angriffen  Schwedens  (Mise.  Nr.  28  [1916]  Cd.  8322), 
dargestellt  bei  Stowell-Munro  Vol.  II  608  f.,  und  der  Vereinigten  Staaten 
(betreifend  Holland  vgl.  Eysinga.  1916,  S.  107;  Recueil  S.  59—78)  auf  die 
Postbeschlagnahme  ( siehe  Army  Memorandum  on  the  censorship  Gd.  7679 
London  1915  und  on  the  Official  Press  Bureau  Gd.  768U  London  1915)  und 
den  Rechtfertigungsversuchen  der  englischen  und  französischen  Regierung  (vgl. 
Mise.  Nr.  5  [1916]  G(i.  8173,  Mise.  Nr.  20  [1916]  Gd.  8261,  Mise.  Nr.  23  [1916] 
Gd.  8294,  und  The  Garoline  bei  Robinson  Vol.  6  p  461).  Hierzu  siehe,  in  welcher 
eindringlichen  und  zutreffenden  Weise  die  englische  und  französische  Regierung 
den  richtigen  Standpunkt  vertritt  und  die  jetzt  geübte  Praxis  als  völkerrechts- 
widrig selbst  nachweist,  Hall  131  f.,  Bernard  a.a.O.  S.  196  f.  Es  sei  aus 
dem  Briefe  des  M.  Thouvenel  an  M.  Mercier  vom  3.  Dezember  1861  die  auch 
heute  noch  zutreffende  Stelle  hierhergesetzt : 

„Die  Vereinigten  Staaten  haben  mit  uns  in  den  von  beiden  Ländern  ab- 
geschlossenen Verträgen  anerkannt,  dass  die  Freiheit  der  Flagge  sich  auf  die 
an  Bord  befindlichen  Personen  erstreckt,  selbst  wenn  diese  Feinde  der  einen 
von  beiden  Kriegsparteien  sind,  ausser  wenn  es  sich  um  Militärpersonen  handelt, 
die  sich  Avirklich  im  Dienste  des  Feindes  befinden.  Die  Herren  Mason  und 
Slidell  waren  also  in  Gemässheit  dieses  Grundsatzes,  den  wir  stets  ohne 
Schwierigkeiten  in  unseren  Freundschafts-  und  Handelsverträgen  haben  auf- 
nehmen können,  unter  der  neutralen  Flagge  Englands  vollständig  frei.  .  .  .  Der 
Trent  war  nicht  nach  einem  Hafen  bestimmt,  der  einem  der  Kriegführenden 
gehörte.  Er  beförderte  seine  Ladung  und  Passagiere  in  neutrales  Land,  und 
ausserdem  hatte  er  sie  in  einem  neutralen  Hafen  an  Bord  genommen.  Wenn 
es  zugestanden  würde,  dass  unter  solchen  Bedingungen  die  neu- 
trale Flagge  die  beförderten  Personen  und  Waren  nicht  mehr 
vollständig  deckte,  so  wäre  ihr  Schutz  nichts  als  ein  leeres  Wort: 
In  jedem  Augenblick  würde  Handel  und  Schiffahrt  dritter  Mächte 
in  ihren  unschuldigen  oder  gar  indirekten  Beziehungen  zu  dem 
einen  oder  anderen  der  Kriegführenden  zu  leiden  haben.  Diese 
letzten  würden  sich  nicht  nur  im  Recht  befinden,  wenn  sie  von  dem  Neutralen 
eine  vollständige  Unparteilichkeit  verlangten  und  ihm  jede  Einmischung  in  die 
Feindseligkeiten  untersagten,  sie  brächten  auch  für  seine  Handels-  und 
Schiffahrtsfreiheit  Beschränkungen  mit  sich,  deren  Gesetzmässig- 
keit das  moderne  internationale  Recht  anzuerkennen  abgelehnt 
hat.  Man  würde  so  mit  einem  Wort  wieder  zu  den  drückenden 
Massnahmen  kommen,  gegen  welche  zu  anderen  Zeiten  keine  Macht 
lebhafter  protestiert  hat,  als  die  Vereinigten  Staaten  .  .  . 

Es  läge  in  solchem  Falle  auch  eine  Verleugnung  des  Grund- 
satzes vor,  der  aus  einem  Schiff  einenTeil  des  Gebiets  der  Nation 
macht,  deren  Flagge  es  trägt,  und  folglich  auch  eine  Verletzung  des 
Schutzes,  nach  dem  es  unzulässig  ist,  dass  ein  fremder  Souverän 
dort  seine  Gerichtsgewalt  ausübt.  Es  ist  ohne  Zweifel  unnötig,  an  die 
Entschiedenheit  zu  erinnern,  mit  der  die  Vereinigten  Staaten  bei  jeder  Gelegen- 
heit   diesen   Schutz    und    das    daraus    abgeleitete  Asjirecht   verteidigt   haben". 

Vgl.  unten  Anm.  96  und  97.  Root  422  verweist  auf  den  Trentfall  als 
ein  nachahmenswertes  Beispiel  dafür,  dass  internationale  Rechtssätze  nicht  bloss 
von  dem  verletzten  Staate  (England),  sondern  auch  von  den  andern  nicht  be- 
teiligten Staaten   (Preussen.  Frankreich,  üesterreich)   grundsätzlich  gegen   deu 


50  Drittes  Kapitel:    Bowciahist  und  Bevveisyenuutungcn 


§  9 

Die  vöIkeiTcclitlicho  BcMleutiiiig'  des  diploinatisclieii 

Schriftwechsels. 

a)   Der  Trentfall. 

Auch  hier  drängt  sich  die  Frage  auf,  was  und  wie  würde 
Grossbritannien  sprechen,  wenn  ihm  das  Scliicksal  bereitet  würde, 
das  es  den  neutralen  Staaten  aufgezwungen  hat.  Die  Antwort 
dürften  die  oben  wiedergegebenen  Äusserungen  Russe  11s  im 
Tr entfalle  ergeben  und  seine  früheren  Instruktionen  an  den  eng- 
lischen Gesandten  in  den  Nordstaaten  vom  30.  November  1861, 
die  hier  Platz  finden  mögen  ^^) : 

„Es  scheint  so,  als  wenn  bestimmte  Individuen  gewaltsam  von  Bord  eineis 
britischen  Fahrzeuges,  des  Schiffes  einer  neutralen  Macht,  genommen  worden 


verletzenden  Staat  (Vereinigte  Staaten)  zur  Geltung  gebracht  Averden.  Zu  diesem 
Gesichtspunkt  siehe  die  Zusammenstellung  der  Literatur  bei  Herbert  Kraus 
389  Anm. 

'*)  Vgl.  hierzu  Lushington,  dessen  Buch  für  die  Seeoffiziere  Englands 
bestimmt  ist  und  offiziellen  Charakter  hat,  Introduction  S.  XVI:  „Es  ist  wahr, 
dass  ein  Blockadebruch  weder  durch  ein  Schiff  begangen  wird,  das  selbst  ausser- 
halb der  Blockadelinie  Güter  an  Bord  nimmt,  die  über  Land  (gesperrt  von 
Lush.)  aus  dem  blockierten  Hafen  ausgeführt  werden,  noch  durch  ein  Schiff, 
das  in  einen  offenen  Hafen  Güter  bringt,  die  von  dort  über  Land  nach  dem 
blockierten  weitergeleitet  werden:  aber  in  jedem  dieser  Fälle  haben  die  Güter 
die  Blockadelinie  nicht  durchkreuzt,  mit  andern  Worten,  die  Blockade  ist  nicht 
durchbrochen".  Wenn  diese  Sätze  schon  für  die  Blockade  gelten,  um  wie  viel 
mehr  für  die  ünrechtmässigkeit  der  Seekriegsmassnahmen  gegen  den  Uebersee- 
handel. 

^")  Bernard  a  a.  0.  p.  192  und  193.  Es  verschlägt  hier  nichts,  dass  der 
englische  Gesandte,  Lord  Lyons,  ein  ruhiger  Mann  war  und  nicht  so  scharf 
vorging,  wie  ihm  aufgetragen  wurde  (p.  195),  und  dass  die  Instruktion  erheblich 
milder  abgefasst  wurde,  als  ursprünglich  beabsichtigt  war  (vgl.  Low  274  u.  286). 
Vgl.  auch  Bruno  Schmidt  128  und  Hugh  H.  L.  Bellet  56  f.,  wo  es  heisst: 
„Friede  ist,  wie  Professor  Lawrence  richtig  gesagt  hat,  der  normale  Zustand 
der  zivilisierten  Welt.  Wenn  die  Interessen  von  Neutralen  und  Kriegführenden 
gegeneinander  abgewogen  werden,  müssen  die  der  er.sten  den  Vorzug  haben. 
Ein  Kriegführender  ist  nicht  berechtigt,  sich  gegenüber  einem 
Neutralen  auf  militärische  Notwendigkeit  zu  berufen.  Durch  eine 
solche  früher  zulässige  Verteidigung  werden  die  neutralen  liechte 
in  Stücke  gerissen  und  wird  dem  internationalen  Recht  der  Boden 
ausgeschlagen.  Natürlich  ist  es  höchst  nachteilig  für  Kussland,  die  Ver- 
einigten Staaten  und  Deutschland  als  Kriegführende,  dass  sie  wenige  oder  keine 
Ueberseehäfen  besitzen,  das  ist  ihr  Missgeschick,  aber  es  ist  kein  gültiger  Grund, 
die  Neutralen  ihrer  Eechte  zu  berauben.  Derartige  Rechte  stehen  über 
jeder  wirklichen  oder  eingebildeten  militärischen  Notwendigkeit 
der  Kriegführung".    (Literatur  zum  Trentfall  bei  Stowell-Munro  11,463). 


§  9      VöUcerrecIitliclie  Bedeutung  des  diplumatischen  Schriftwechsels     57 

seien,  während  das  Fahrzeug  eine  zulässige  und  unschuldige  Eeise  verfolgte, 
ein  Gewaltakt,  der  eine  Beschimpfung  der  britischen  Flagge 
und  eine  Verletzung  des  internationalen  Rechts  darstellt. 

Denn  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  darf  keineswegs  ausser  acht 
lassen,  dass  die  britische  Regierung  solch  eine  Beschimpfung  ihrer 
nationalen  Ehre  ohne  volle  Wiedergutmachung  nicht  durch- 
gehen lassen  kann,  und  Ihrer  Majestät  Regierung  will  nicht  glauben, 
dass  es  die  wohlüberlegte  Absicht  der  Regierung  der  Vereinigten  Staaten 
sein  könnte,  zwischen  den  beiden  Regierungen  über  eine  Frage  von  so  schwer- 
wiegendem Charakter  unnötigerweise  eine  Auseinandersetzung  zu  er- 
zwingen, um  so  weniger,  als  die  ganze  britische  Nation  sicher- 
lich in  ihrer  Beurteilung  der  Frage  einmütig  zusammenstehen 
würde. 

Ihrer  Majestät  Regierung  vertraut  deshalb  darauf,  dass  die  Regierung 
der  Vereinigten  Staaten,  wenn  diese  Sache  ihr  wieder  zur  Prüfung  vorgelegt 
wird,  aus  eigenem  Antriebe  der  britischen  Regierung  solche  Genug- 
tuung anbieten  wird,  wie  sie  allein  die  britische  Nation  befriedigen 
würde,  nämlich  die  Freilassung  der  vier  Herren  und  ihre  Auslieferung 
au  Ihre  Lordschaft,  damit  sie  wieder  unter  britischen  Schutz  gebracht 
werden,  und  eine  angemessene  Entschuldigung  für  das  begangene 
Unrecht. 

Wenn  Herr  Seward  um  Aufschub  bittet,  damit  diese  ernste  und  pein- 
liche Angelegenheit  sorgfältig  geprüft  werden  könnte,  so  stimmen  Sie  einem 
Aufschub  von  nicht  mehr  als  sieben  Tagen  zu.  Wenn  nach  Ablauf  dieser  Frist  keine 
Antwort  eingegangen  ist.  oder  wenn  eine  andere  Antwort  eingegangen  ist. 
als  die  Einwilligung  in  die  Forderung  Ihrer  Majestät  Regierung,  wird  Eure 
Lordschaft  angewiesen,  Washington  mit  allen  Mitgliedern  Eurer  Gesandtschaft 
unter  Mitnahme  des  Gesandtschaftsarchivs  zu  verlassen  und  sich  unmittelbar 
nach  London  zu  begeben. 

b)  Rechtliche  Würdigung. 

Wenn  dem  Staat  seinem  Wesen  nach  eine  einheitliclie  Ge- 
saratpersonliclikeit  zugesprochen  wird,  so  zerfällt  er  in  seinen 
verschiedenen  Tätigkeitsgebieten  in  einzelne  verselbständigt  zu 
denkende  Teile.  Muss  er  sich  mit  Gegeninteressenten  vor  den 
Gerichten  auseinandersetzen,  so  muss  dies  regelmässig  auf  formell 
gleicher  Grundlage  geschehen,  darf  er  nicht  von  vornherein  in 
seiner  prozessualen  Lage  besser  gestellt  werden,  als  seine  Gegner, 
um  so  weniger  dann,  wenn  er,  wie  in  Kriegszeiten,  auf  die  be- 
sondere Geneigtheit  seiner  nationalen  Richter  rechnen  kann.  Es 
geht  deshalb  nicht  an,  dass  der  Staat  als  gesetzgebende  Macht 
für  sich  als  verklagte  Partei  durch  Regelung  von  Beweislast  und 
Aufstellung  von  Beweisvermutungen  eine  Prozesslage  schafft,  die 


58       §  9-  Völkerrechtliche  Bedeutung  des  diplomatischen  Schriftwechsels 

den  Ausgang  der  prozessualen  Auseinandersetzung  zu  seinen  Gunsten 
kaum  noch  zweifelhaft  erscheinen  lässt,  weil  die  Gegenpartei  die 
ihr  künstlich  auferlegten  Beweise  nicht  erbringen  kann.  Denn 
es  ist  nicht  blosse  Theorie,  dass  der  Kaperer  die  Kechtmässigkeit 
der  Wegnahme  beweisen  mnss,  und  dass  die  Wegnahme  völker- 
rechtlich unrechtmässig  ist,  wenn  nicht  alle  Voraussetzungen  der 
bedingten  oder  unbedingten  Konterbande  oder  der  feindlichen  Be- 
stimmung wirklich  und  nicht  auf  Grund  von  gesetzlich  festgelegten 
Beweisvermutungen  bewiesen  sind.  Es  ist  anerkannter  Grundsatz 
des  modernen  Prozessrechts,  dass  die  tatsächlichen  Grundlagen 
geltend  gemachter  Ansprüche  von  demjenigen  zu  beweisen,  sind, 
der  sie  erhebt  ^'^).  Wenn  aber  der  Staat  die  ihm  obliegende  Beweis- 
last auf  seinen  Gegner  abwälzt  und  ihm  eine  zumeist  unmögliche 
Aufgabe  stellt,  dann  eröffnet  er  ihm  doch  nur  noch  den  Schein 
eines  geordneten  Verfahrens,  wenn  er  zulässt,  dass  er  seine  An- 
sprüche vor  seinen  Gerichten  verfechten  darf;  er  könnte  ebensogut 
den  Rechtsweg  überhaupt  versperren  und  nur  den  Verwaltungs- 
weg offen  halten.  Mit  einer  solchen  völkerrechtswidrigen  Regelung 
wird  aber  schliesslich  erreicht,  was  erreicht  werden  soll:  Die 
tatsächlichen  Grundlagen  der  für  erforderlich  erachteten 
Beweise  werden  selbst  unter  die  Kontrolle  des  krieg- 
führenden.  Staates  gebracht.  Die  Schiffer  und  Ladungs- 
interessenten werden  gezwungen,  ihren  gesamten  Geschäftsverkehr 
unter  seine  Aufsicht  zu  stellen,  weil  sie  ausserstande  sind,  auf 
andere  Weise  im  ordentlichen  Prisengerichtsverfahren  die  auf  sie 
völkerrechtswidrig  abgewälzte  Beweislast  zu  erfüllen.  Denn  voll- 
gültige Beweise  sind  schliesslich  nur  diejenigen  Beweismittel, 
welche  der  Staat,,  der  die  Widerlegung  seines  gesetzlich  ausge- 
sprochenen Verbotes  eines  unerlaubten  Verkehrs  mit  dem  Feinde 
fordert,  selbst  nach  aussergerichtlicher  Prüfung  als  solche  aner- 
kennt und  bescheinigt"). 


'*)  Siehe  auch  Tiverton  p.  91. 

'^)  Vgl.  Ch.  Peyreigne  p.  356  über  die  Frage,  ob  die  Prisengerichtshöfe 
Verwaltungsaufgaben  erledigen  oder  richterliche  oder  beides.  Siehe  auch  Edwin 
M.  Borchard  a.a.O.  p.  274  f.  Der  Vorsitzende  der  1915  gegründeten  Grotius 
Society,  H.  Goudy,  erkennt  die  Verletzung  des  Völkerrechts  durch  die  englischen 
Kriegsmassnahmen  p.  13  f.  an  und  erklärt  p.  16  oft'en :  „Unsere  eigene  Be- 
schlagnahme neutraler  Schiffe  ohne  den  Beweis  von  Konterbande 
bei  der  Durchsuchung  ist  den  gleichen  Einwänden  ausgesetzt  (wie 
die    Versenkung    von    Schiffen    durch    die   deutschen    Unterseeboote)      Smith- 


Viertes  Kapitel:    Unzulässigkeil  der  britischen  Seekriegsmassnahmen       59 


Viertes  Kapitel 

Die  Unzulässigkeit  der  britischen  Seel<riegsmassnahmen 
in  englischer  Beleuchtung. 

„Jedes  Volk  bat  das  Recht  auf  Dasein  und  auf  ScLutz  und 
Erhaltung  seines  Daseins;  aber  dieses  Recht  schliesst  weder  das 
Recht  ein  noch  rechtfertigt  es  das  Verhalten  des  Staates,  zu 
seinem  Schutze  oder  zur  Erhaltung  seines  Daseins  ungesetzliche 
Handlungen  gegen  unschuldige  und  rechtmässig  handelnde  Staaten 
zu  begehen. 

Jedes   Volk,   dem   nach   dem  Völkerrecht  ein  Recht   zusteht, 

kann  verlangen,   dass   dieses   Recht   von    allen   anderen  Völkern 

anerkannt  und  beschützt  wird,  denn  Recht  und  Pflicht  entsprechen 

sich,  und  es  ist  die  Pflicht  aller,  das  Recht  des  einen  zu  achten-. 

Erklärung  der  Rechte  und  Pflichten  der  Völker  vom 

6.  Januar  1916  (Recommendations  p.  46\ 

,Aber  wenn  die  Vereinigten  Staaten  dies  von  einem  andern 
verlangen  können,  so  kann  dieser  andere  es  von  ihnen  verlangen, 
weil  internationale  Verbindlichkeiten  nach  ihrer  Xatur  notwendig 
gegenseitig  sind.  Das  Recht,  wenn  ein  solches  besteht,  wird  durch 
das  Völkerrecht  gewährt,  und  was  für  den  einen  Recht  ist,  d;is 
ist  unter  denselben  Umständen  auch  Recht  für  den  andern.  Die 
"■  Vereinigten  Staaten  sind  verpfliclitet,  ein  Recht,  das  durch  das 
Völkerrecht  einem  Staate  oder  seinem  Volke  gewährt  wird,  wie 
die  Vertreter  dieses  Staates  zu  schützen". 

Hauptrichter  Waite  (120  United  States  Report  479,487}. 

Zum  Schliiss  von  §  2  ist  im  Anscliluss  an  den  Trentfall  darauf 
hingewiesen  worden,  welch  hohes  Interesse  die  englische  Stellung- 
nahme in  einem  modernen  Kriege  habe,  in  dem  Grossbritannien 
neutrale  Interessen  zu  vertreten  gehabt  hat.  Die  Ausführungen 
der  englischen  Staatsmänner  zur  völkerrechtlichen  Begründung 
des  englischen  Standpunktes  während  des  amerikanischen  Bürger- 
krieges zu  Anfang  der  60  er  Jahre,  des  französisch-chinesischen 
Krieges  1885,  des  Burenkrieges  um  die  Wende  des  Jahrhunderts 
und  des  russisch-japanischen  Krieges  1904  sprechen  für  sich  selbst 
und  bestätigen  die  im  Anschluss  an  die  Darlegungen  der  Ver- 
einigten Staaten  und  Schwedens  hier  vertretenen  völkerrechtlichen 
Grundsätze  '^^). 


Sibley  p.  228  verwerfen  das  Verfahren  der  russischen  Prisengerichte,  nach  dem 
der  Eigentümer  der  beschlagnahmten  Ladung  den  unmöglichen  Beweis  zu  führen 
habe,  dass  kein  Teil  davon  in  die  Hände  des  Feindes  komme. 

•8)  Vgl  auch  Ej^singa,  Annuaire  pour  1915,  67,  und  pour  1916,  109,  und 
Eecueil  21—54.  Die  holländischen  Verwahrungen  gegen  England  und  Frank- 
reich stimmen  in  den  wichtigen  Teilen  wörtlich  überein  (Recueil  S.  33  und  4U, 
37  und  iS),    wie   ja   auch  Frankreich    und   später   Italien   (Kecueil  S.  53)    dem 


60       Viertes  Kapitel:  Unzulässigkeit  der  biitischen  Seekricgsmassnahmen 

Vorweg  ist  der  englische  Standpunkt  kurz,  wie  folgt,  zu- 
sammenzufassen: Das  Recht  des  Kriegführenden  schliesst  unter 
anderem  das  Recht  in  sich, 

1)  das  Land  des  Feindes  von  allen  mittelbaren  und  unmittel- 
baren Zufuhren,  auch  Lebensmitteln,  abzuschneiden; 

2)  den  Handel  zwischen  den, dem  feindlichen  Staate  anliegenden 
neutralen  Staaten  und  anderen  neutralen  Staaten  zu  sperren   und 

3)  die  Handelsbeziehungen  der  Angehörigen  des  feindlichen 
Staates  auf  der  ganzen  Welt  durch  landesgesetzliche  Massnahmen 
zu  vernichten; 

4)  die  Ansprüche  der  durch  Seekricgsmassnahmen  Beeinträch- 
tigten ausschliesslich  vor  die  nationalen  Prisengerichte  zu  ver- 
vif eisen  und  eine  diplomatische  Erledigung  abzulehnen; 

5)  den  Beeinträchtigten  vor  den  Prisengerichten  die  Beweis- 
last aufzubürden; 

6)  zur  Erreichung  der  Kriegszwecke  alle  Schiffe  der  Neutralen 
unterschiedslos  auf  blossen  Verdacht  hin  zu  beschlagnahmen  und 
in  die  eigenen  Häfen  zu  bringen; 

7)  zu  gleichem  Zwecke  die  Post  zu  durchsuchen. 

Für  alle  diese  neuen  Grundsätze  müssen  Konterbande  und 
Blockade  in  einer  bisher  nicht  gekannten  Begriffserweiterung  die 
formellen  Rechtfertigungsgründe  hergeben,  wie  wir  dies  gesehen 
haben. 

§  10 

Die  ciigliscbe  Stelluiiguahmc  im  Burenkriege  und  im 
amerikiiiiisclieii  Bürgerkriege. 

a)  Die  englische  Stellungnahme  Im  Burenkriege  gegenüber  Deutschland. 

Der  Grundsatz  zu  2,  der  vielfach  mit  dem  der  fortgesetzten 
Reise  zusammenfällt,  und  die  zu  4,  6  und  7  sind  im  Burenkriege 
zwischen  der  deutschen  und  englischen  Regierung  wegen  der  Fest- 
haltung der  deutschen  Dampfer  Bundesrat  und  Herzog,  die  nach  por- 
tugiesischen Häfen  in  der  Nähe  von  Transvaal  fuhren,  und  General, 
der  in  Aden  festgehalten  wurde,  eingehend  erörtert  worden.    Der 

Vorbilde  Englands  einfach  folgten  und  gegen  sich  gelten  lassen 
müssen,  was  hier  von  der  Unzulässigkeit  britischer  Seekricgsmassnahmen  ge- 
sagt wird. 


§  10.     r.urenkrieg  uiul  amerikaiiischer  Bürgerkrieg  61 

nur  aus  euglisclier  Quelle  (Africa  No.  1  1900  [Cd.  33])  zugängliche 
diplomatische  Schriftwechsel  spricht  für  sich  selbst: 

Inclosure  in  No.  11  Admiralty  to  Eear-Admiral  (Telegramm  1.1.1900): 
, Weder  der  ^Herzog"  noch  andere  deutsche  Postdampfer  sollen  auf  blossen 
Verdacht  hin  beschlagnahmt  werden ,  wenn  nicht  offenbar  ist,  dass  der 
„Bundesrat"  Konterbande  führt". 

Im  Telegramm  vom  3.  Januar  1900  weist  Chamberlain  den 
Gouverneur  Sir  W.  Hely-Hutchinsen  in  Natal  an,  beim  Prisen- 
gericht die  Freigabe  der  Post  sofort  zu  beantragen.  Am  4.  Januar 
1900  führt  der  deutsche  Gesandte  Graf  Hatzfeldt  in  seinem 
Schreiben  an  den  Marquis  of  Salisbury  aus: 

,Ein  Prisengerichtsverfahren  ist  nur  in  Fällen  gerechtfertigt,  wo  die 
Anwesenheit  von  Kriegskonterbande  bewiesen  ist,  und,  was  auch  immer  an 
Bord  des  „Bundesrat"  gewesen  sein  mag,  es  hat  keine  Kriegskonterbande 
sein  können,  da  es  nach  den  anerkannten  Grundsätzen  des  inter- 
nationalen Rechts  keine  Kriegskonterbande  im  Handel  zwischen 
neutralen  Häfen  gibt"  (Nr.  16). 

Zur  Begründung  verweist  Graf  Hatzfeldt  auf  den  Spring- 
bokfall,  in  dem  England  eine  g'leiche  Haltung*  eingenommen  habe, 
und  auf  die  gleiche  Stellungnahme  des  Manual  von  Lushington. 
Salisbury  leugnet  am  4.  Januar  1900  den  von  Deutschland  ver- 
tretenen Grundsatz  (Nr.  18);  er  erhält  (Nr.  20)  vom  Berliner  Ge- 
sandten Englands  ein  Telegramm,  nach  dem  Graf  Bülow  darauf 
hingewiesen  habe,  England  habe  selbst  stets  den  Grundsatz  ver- 
treten, dass  der  Verkehr  neutraler  Schiffe  zwischen  neutralen 
Häfen  frei  sei. 

Am  5.  Januar  1900  (Nr.  21)  verlangt  Graf  Hatzfeldt,  die 
englische  Regierung  solle  die  Befehlshaber  ihrer  Schilfe  in  den 
afrikanischen  Gewässern  anweisen,  „die  Regeln  des  internationalen 
Rechts  zu  achten  und  dem  Handel  zwischen  Neutralen  keine 
weiteren  Hindernisse  in  den  Weg  zu  legen",  eine  Forderung,  die 
Salisbury  veranlasst,  dem  Berliner  englischen  Gesandten  am 
T.Januar  1900  (Nr.  33)  zu  schreiben:  „I  have  received  two  notes 
from  German  Ambassador  of  a  tone  very  unusual  in  diploraatic 
correspondence". 

Am  5.  Januar  1900  (Einlage  zu  Nr.  33)  wies  die  Admiralität 
den  Befehlshaber  der  Seestreitkräfte  an,  den  ältesten  Schiflfsoffizier 
zu  Aden  zu  beauftragen,  dort  künftig  keine  nach  Südafrika  be- 
stimmten, anhaltenden  oder  vorbeifahrenden  Schilfe  zu  durchsuchen, 


62     Viertes  Kapitel:   ünzulässigkeit  der  liiitisclien  Seekriegsmassnahmen 

weil  es  ausserordentlich  schwierig  sei,  in  so  weit  von  Südafrika 
entfernten  Häfen,  wie  Aden  und  Perim,  die  wahre  Bestimmung 
von  Kriegskonterbande  zu  beweisen. 

Der  englische  Gesandte  in  Berlin  berichtete  am  5.  Januar  1900 
an  Salisbury,  die  deutsche  Regierung  bleibe  dabei,  dass  der 
Handel  neutraler  Schiffe  zwischen  neutralen  Häfen  frei  sei,  und 
dass  dies  auch  im  Springbokfall  England  anerkannt  habe. 

Am  8.  Januar  1900  (p.  16)  ordnet  die  Admiralität  die  Frei- 
gabe des  „Herzog"  an  mit  Ausnahme  der  an  Bord  befindlichen 
Lebensmittel,  wenn  sie  für  die  feindliche  Regierung  oder 
deren  Agenten  oder  für  die  Versorgung  ihrer  Truppen 
bestimmt  sind. 

Am  9.  Januar  1900  leugnet  Salisbury  in  einer  Mitteilung 
an  Lascelles,  den  englischen  Gesandten  in  Berlin,  das  Recht 
eines  Neutralen,  über  einen  neutralen  Hafen  zu  einem  Krieg- 
führenden Konterbande  zu  schaffen,  und  setzt  ihm  am  Tage  darauf 
(p.  18  Nr.  47)  zur  Weitergabe  an  die  deutsche  Regierung  den 
englischen  Standpunkt  auseinander,  im  Springbokfall  habe  England 
den  jetzigen  Standpunkt  vertreten,  Lushington  sei  nicht  mass- 
gebend, Holland  habe  in  der  Times  eine  andere  Meinung  ver- 
treten, um  fortzufahren: 

„Diese  Meinung  (dass  die  Bestimmung  des  Schiffes  für  die  Bestimmung 
der  Ladung  massgebend  sei),  kann  nicht  gelten  für  Kriegskonterbande  an 
Bord  eines  neutralen  Schiffes,  wenn  diese  Konterbande  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme an  einen  Agenten  des  Feindes  konsigniert,  oder  wenn  geplant  war,  sie 
ihm  auszuliefern,  oder  wenn  sie  in  Wirklichkeit  für  Feindesland  bestimmt  war". 

Am  14.  und  16.  Januar  1900  (Nr.  51  und  53)  teilte  dann 
Salisbury  Lascelles  mit,  dass  keine  deutschen  Postschiffe  allein 
auf  Verdacht  hin  beschlagnahmt  werden  sollen  ^^). 

b)  Die  angebliche  und  wirkliche  Haltung  Englands  im  Springbokfall. 

Der  Hinweis  auf  den  Springbokfall  hat  die  englische  Regierung 
bestimmt,  die  Korrespondenz  zu  ihm  zur  grundsätzlichen  Recht- 
fertigung  ihrer  Haltung   nach  rund   40  Jahren  (!)   ans  'Tageslicht 


")  Vgl.  Baty,  South  Africa  40,  der  sich  mit  treffenden  Worten  für  den 
von  Deutschland  vertretenen,  übrigens  auch  der  amerikanischen  Gerichtspraxis 
entsprechenden  (Myer  29  §  .S26)  Standpunkt  ausspricht  und  missbilligt,  dass 
das  offizielle  Buch  von  Lushington  nicht  anerkannt  worden  ist. 


§  10.     Piurenkrieg  und  amerikanischer  Bürgerkrieg  63 

hervorzuziehen  (Mise.  Nr.  1  [1900]  Cd.  34).  Schon  diese  Tatsache 
einer  so  späten  Veröifentlichung'  muss  auffallen,  um  so  mehr, 
als  die  englische  Regierung  in  der  kritischen  Zeit  der  60er  Jahre 
des  19.  Jahrhunderts  zwei  umfangreiche  Bände  mit  vielen  Einzel- 
Drucksachen  über  die  diplomatischen  Verhandlungen  mit  den  Nord- 
staaten veröffentlicht  hat,  von  denen  hier  nur  der  eine  (siehe  Zu- 
sammenstellung 1863)  interessiert.  Wenn  man  nun  mit  der  da- 
nach erforderlichen  besonderen  Aufmerksamkeit  den  schliesslich 
ablehnenden,  eingehend  begründeten  Bescheid  des  Foreign  Office 
vom  24.  Juli  1868  (Nr.  33  p.  55  der  Drucksache  [Mise.  Nr.  1,  1900] 
971  des  Bandes)  prüft,  so  entdeckt  man,  dass  die  englische  Re- 
gierung das  Gesuch  von  Forbes  Campbell,  dem  Sprecher  der 
Springbok-Beteiligten,  um  diplomatische  Intervention  bei  den 
Vereinigten  Staaten  nur  aus  dem  tatsächlichen  Grunde  ablehnt, 
weil  die  Überzeugung  des  höchsten  Gerichtshofes  der  Vereinigten 
Staaten  nicht  zu  widerlegen  sei,  dass  gar  kein  Verkauf  der  Ladung 
des  Springbok  in  Nassau,  seinem  britischen  Bestimmungshafen, 
beabsichtigt  gewesen  sei,  sondern  ihre  unmittelbare  Beförderung 
nach  einem  von  den  Vereinigten  Staaten  blockierten  Hafen,  wie 
dies  zu  jener  Zeit  häufig  stattfand,  was  sich  aus  dem  übrigen 
Inhalt  der  sich  auf  jene  Zeit  beziehenden  englischen  und  ameri- 
kanischen Parlamentspapiere  in  der  Tat  ergibt.  So  wird  denn 
auch  der  grundsätzliche  Standpunkt  des  Gesuchstellers  in  dem  ab- 
lehnenden Bescheid  nicht  angefochten,  wie  er  in  dem  mitgeteilten 
Gutachten,  wie  folgt,  von  George  Mellish  und  dem  ange- 
sehenen W.  Vernon  Harcourt  treffend  zum  Ausdruck  gebracht 
ist  (p.  51) :         • 

„Wenn  die  Ladung,  wie  die  Kläger  behaupten,  befördert  wurde,  um  an 
die  Order  eines  Agenten  in  Nassau  ausgeliefert  zu  werden,  damit  sie  dort  an 
gutgläubige  Erwerber  verkauft  werde,  so  kann  die  Ladung  nicht  eingezogen 
werden,  selbst  wenn  sie  Konterbandecharakter  hat,  und  selbst  wenn  die  Er- 
werber in  Nassau  mit  der  deutlichen  Absicht  gekauft  haben  sollten,  die  Güter 
durch  die  Blockade  zu  bringen". 

Hiermit  stimmt  auch  der  Brief  Earl  Russells  an  Lord 
Lyons  vom  14.  März  1863  (Nr.  5  p.  2  und  918)  überein,  in  dem 
es  heisst: 

„Ich  füge  Briefe  bei,  die  ich  von  den  an  Schiff  und  Ladung  beteiligten 
Parteien  erhalten  habe  und  wegen  deren  ich  mich  an  die  Kronsyndizi  gewandt 
habe.  ...  Danach   scheint  es   überhaupt   keine  Rechtfertigung   für 


64       Viertes  Kapitel:    Unzulässigkeit  lIci-  britischen  Seekriegsraassnahmen 

die  Beschlaguahiiie  dieses  Schiffes  und  seiner  Ladung  zu  geben. 
Der  Scheingrund,  dass  nämlich  im  Ladungsverzeichnis  nicht  aufgeführte 
Artikel  vorhanden  waren,  rechtfertigt  die  Beschlagnahme  gewiss  nicht,  wozu 
noch  kommt,  dass  die  Bestimmung  des  Schilfes  neutral  gewesen  zu  sein  scheint'' . 

Die  Meinungsäusserung  beruht  oifenbar  auf  dem  Gutachten 
der  Kronsyndizi,  das  nicht  mitgeteilt  ist,  und  das  ich  auch  trotz 
eifrigsten  Suchens  in  den  amtlich  herausgegebenen  Papieren,  die 
sich  auf  jene  Zeit  beziehen,  nicht  habe  finden  können.  Aber  es 
dürfte  nach  den  Daten  identisch  sein  mit  dem  von  Halleck-Baker 
(II  342  ff.)  wiedergegebenen,  am  13.  März  1863  erteilten  Rat  von 
Sir  William  Atherton,  Sir  Boundell  Palmer  und  Dr.  Philli- 
more  (the  then  law  offlcers  of  the  Crown), 

„dass  nichts  die  Beschlagnahme  der  Bark  „Springbok"  und  ihrer  Ladung  zu 
rechtfertigen  vermöchte,  und  dass  Ihrer  Majestät  Eegierung  berech- 
tigt sein  würde,  wenn  sie  die  unmittelbare  Freigabe  von  Schiff 
und  Ladung  verlangte,  ohne  sie  der  richterlichen  Entscheidung 
eines  amerikanischen  Prisengerichts  zu  überlassen". 

In  dem  Brief  vom  Tage  darauf  erklärt  aber  im  Gegensatz 
zu  dem  letzten  Gesichtspunkt  seiner  Rechtsberater  Russell,  dass 
die  prisengerichtliche  Aburteilung  abgewartet  und  darüber  Bericht 
erstattet  werden  soll. 

Hieraus  wird  schon  die  allgemein  wichtige  Tatsache 
klar,  dass  die  Haltung  der  englischen  Regierung  zu  der 
Rechtsfrage  von  den  jeweiligen  politischen  Gesichts- 
punkten bestimmt  wird.  Das  wird  geradezu  dadurch  bewiesen, 
dass  nicht  bloss  jenes  wichtige  Gutachten  nicht  amtlich  veröffent- 
licht ist,  jedenfalls  nicht  an  den  hier  erörterten  Stellen,  wo  es 
hingehört,  sondern  auch  dadurch,  dass  die  von  Deutschland  über 
die  frühere  englische  Haltung  im  Springbokfall  aufgestellte  Be- 
hauptung offiziell  abgestritten  wird,  obgleich  die  zu  gleicher  Zeit 
veröffentlichte  Drucksache  über  den  Springbokfall  ausser  der  dar- 
gelegten Stelle  etwas  versteckt  den  klaren  Beweis  für  die  Rich- 
tigkeit der  deutschen  Behauptung  liefert:  p.  54  befindet  sich 
nämlich  in  einer  kleingedruckten  Bemerkung  aus  den  Parlaments- 
verhandlungen im  Hause  der  Gemeinen  vom  19.  Mai  1863^°)  die 
folgende  entscheidende  Erörterung: 


8")    Hansard    Parliamentary   Dcbates    18G3    III  Series    Vol.  170  Sp.  1834. 
Literatur  zur  Frage  Oppenheim  II  470  A.  6,  siehe  auch  477  £f. 


§  10.     Bnrcnbricg-  und  amerikanischer  Bürgerkrieg  65 

Lord  Derby:  „.  .  .  Ich  hoffe,  der  edle  Earl  hat  der  amerikanischen  Re- 
gierung gegenüber  nicht  irgendwie  anerkannt,  dass  sie  unter  diesen  Umständen 
berechtigt  ist,  wenn  sie  ein  Schiff  anhält,  das  von  einem  neutralen  Hafen 
nach  einem  anderen  fährt,  was  für  Zweifelsgründe  über  die  weitere  Eeise  sie 
auch  haben  mag". 

Earl  Russell:  „Der  edle  Earl  missverstand  mich,  wenn  er  annahm, 
ich  hätte  sagen  wollen,  dass  ein  Schiff,  welches  nach  Nassau 
geht,  um  hinterher  eine  andere  Rei.se  zu  machen,  auf  seinem 
Wege  dorthin  gekapert  werden  dürfte.  Worauf  ich  anspielte, 
war  ein  fall  vorgetäuschter  Bestimmung,  wie  er  vorliegt,  wenn 
ein  Schiff,  das  behauptet,  nach  Nassau  zu  gehen,  in  Wirklich- 
keit nach  einem  anderen  Hafen  fährf. 

Lord  Cranworth:  „.  .  .  Es  kann  kein  Zweifel  bestehen,  .  .  .  dass  ein 
neutrales  Schiff,  das  Kriegskonterbande  fährt,  auf  seinem  Wege  zu  einem 
neutralen  Hafen  gesetzlich  nicht  angehalten  werden  darf,  was  immer  seine 
weitere  Bestimmung  sein  mag*. 

Schon  Baty  (Anm.  79)  hat  sein  Befremden  darüber  ausge- 
sprochen, dass  die  englische  Regierung  in  ihrer  Korrespondenz 
mit  der  deutschen  über  den  Springbokfall  diese  offizielle  Erklärung 
ihres  damaligen  Vertreters,  die  mit  der  deutschen  Ansicht  in  der 
Tat  übereinstimmt,  verleugnen  und  behaupten  konnte,  sie  habe 
damals  einen  anderen  Standpunkt  eingenommen,  nach  dem  der  Ver- 
kehr neutraler  Schiffe  zwischen  neutralen  Häfen  nicht  frei  sei^^). 

Dieses,  wie  hier  bewiesen,  unrichtige  Bestreiten,  wird  noch 
befremdlicher,  ja  ganz  unbegreiflich,  wenn  man  einen  Blick  auf  die 
sonstige  Stellungnahme  Englands  im  amerikanischen  Bürgerkriege 
warft.  Diese  Stellungnahme  ist  in  den  bisher  nicht  berührten 
Beziehungen  geradezu  eine  glänzende  Widerlegung  der  zu  An- 
fang des  Kapitels"  bezeichneten  Grundsätze.  Ich  gebe  die  ein- 
zelnen Stellen  aus  den  Schriftstücken,  fast  ausnahmslos  in  zeit- 
licher Folge,  die  Ziffer  am  Rande  bezeichnet  den  betreffen- 
den,  zu   Anfang  ziffernmässig  aufgeführten  Grundsatz. 


*')  Schliesslich  sei  auch  noch  auf  die  mit  dem  Text  übereinstimmende 
Haltung  des  englischen  Vertreters  vor  dem  Schiedsgericht  zu  Washington  im 
Springbokfall  hingewiesen,  in  dem  rund  50ü0  Dollar  zugesprochen  wurden,  weil 
das  Schiff  nicht  bereits  in  erster  Instanz  freigegeben  sei  (Howard  138  ff., 
Haie  117j.  Der  ohne  Gründe  abgegebene  Schiedsspruch  selbst  erkennt  mit 
seiner  grundsätzlichen  Abweisung  der  geltend  gemachten  Ansprüche  offenbar 
aus  politischen  Gesichtspunkten  die  Lelire  von  der  fortgesetzten  Reise  an. 
Ebenso  Wehberg  21. 

Bendix,  Völkerrechtsverletzungen  5 


66       Viertes  Kapitel;  rnzulässigkeit  fJcr  britischen  Seekriegsmassnahnicn 

c)  Sonstige  Stellungnahme  Englands  im  amerikanischen  Bürgerkriege. 

1.  North  America  Nr.  14  (1863).  Nr.  11  (S.  19  u.  589.)  Russell s»*) 
an  Stuart ^^^'^j,  Auswärtiges  Amt,  den  18.  Juli  1862: 

Nr.  1  u.  H  „Jedoch   ist  Ihrer  Majestät  Regierung   nicht  in   der  Lage,   zu  verstehen, 

wie  die  Verweigerung  des  Abfahrscheins  an  Schiffe,  die  mit  gewöhnlicher 
Ware  beladen  sind,  mit  der  blossen  Behauptung  oder  dem  Verdacht  einer 
drohenden  Gefahr  begründet  werden  kann,  die  Ladung  könne  in  den  Besitz 
der  Insurgenten  gelangen,  wenn  nicht  wirklich  ein  vernünftiger  Grund  dafür 
angenommen  und  beigebracht  werden  kann,  dass  ein  Hafen  der  Konföderierten 
die  wahre  Bestimmung  genannter  Schiffe  oder  ihrer  Ladungen  ist.  Unter 
einem  so  vagen  und  unbestimmten  Vorwand,  wie  der  „drohender 
Gefahr  des  Gelangens  der  Ladungen  in  den  Besitz  der  Insur- 
genten" könnte  jede  Art  und  jeder  Grad  willkürlicher  Beschrän- 
kungen des  britischen  Händeis  eingeführt  und  ausgeübt  werden. 
Was  die  Massnahmen  anlangt,  die  von  der  Vereinigten  Staaten-Eegicrung 
anscheinend  in  bezug  auf  den  Handel  mit  den  Bahamas-Inseln  getroffen  sind, 
so  meint  Ihrer  Majestät  Regierung,  dass  ein  Unterschied  zwischen 
Verschiffungen  von  Kohle  und  anderen  Artikeln  doppelter  Ver- 
wendungsmöglichkeit (nämlich  für  Kriegs-  und  für  Friedenszwecke)  zu 
machen  sei,  deren  Ausfuhr  wegen  ihres  Konterbandecharakters  durch  allge- 
meine Verordnungen  der  Vereinigten  Staaten-Regierung  nach  Plätzen  inner- 
halb geographisch  bestimmter  Grenzen  verboten  werden  mag,  und  der  Ver- 
schiffung von  Lebensmitteln  und  anderen  Artikeln  unschäd- 
licher Verwendungsmöglichkeit  nach  den  Bahamas  oder  einem 
anderen  Teil  der  britischen  Besitzungen,  die  durch  keine  der- 
artigen allgemeinen  Verordnungen  verboten  oder  für  Konter- 
bande erklärt  werden  darf. 

2.  North  America  Nr.  14   (1863).    (Nr.  26  S.  42  und  612.)    Earl 
Russell 8ia)  an  Stuart^i^)^  22.  September  1862: 

Nr.  1—3,  5  „Der  Schluss,   dass  die  Artikel,   selbst  wenn  sie  wirklich  und  gutgläubig 

(Nr.  G)  eine  britische  Bestimmung  haben,  wahrscheinlich  später  für  die  Zwecke  des 
Handels  zwischen  Nassau  und  den  sogenannten  konföderierten  Staaten  ver- 
wendet werden,  wird,  wie  Zolleinnehraer  Barney  auseinandersetzt,  gezogen 
von  der  Grösse  der  Verschiffungen,  von  einem  Vergleich  zwischen 
dem  Umfang  des  Handels  in  gleichen,  zwischen  New  York  und 
Nassau  früher  beförderten  Artikeln  und  seinem  Umfang  während 
■  des  Krieges,  von  der  offenkundigen  Tatsache  eines  ausgedehnten 
Handels  zwischen  den  sogenannten  konföderierten  Staaten  und 
Nassau  während  des  Krieges,  von  der  bekannten  oder  vermeint- 
lichen Verbindung  bestimmter  Kaufleute  oder  Handelshäuser 
in    England    und   Nassau    mit    diesem    Handel.     Die   Möglichkeit 


81  a)  Englischer  Minister  des  Auswärtigen. 

81b)  Englischer  Gesandter  in  den  Vereinigten  Staaten. 


§  10.     ßarenkrieg  und  amerikunisclier  Bürgerkrieg  67        ' 

o<lcr  AVahrscheiiilichkeit  einer  späteren  derartigen  Verwendung 
dieser  Artikel  nach  ihrer  Ankunft  in  Nassau,  so  wird  geschlossen, 
berechtigt  die  Vereinigten  Staaten-Regierung,  sie  in  New  York 
festzuhalten. 

Ihrer  Majestät  Regierung  weicht  von  dieser  Schlussfolgerung 
ab.  Der  Handel  z-näschen  Nassau  und  den  sogenannten  konföderierten  Staaten 
ist  den  Beschränkungen  unteiAvorfen,  die  das  Völkerrecht  als  recht- 
mässig für  den  Handel  zwischen  Grossbritannien  und  irgend- 
einem andern  Teil  der  Welt  festgesetzt  hat. 

.  .  .  Wenn  aber  der  Handel  zwischen  Nassau  und  den  sogenannten  kon- 
föderierten Staaten  oder  einem  Teil  von  ihnen  nach  den  Regeln  des  inter- 
nationalen Rechts  auf  hoher  See  der  Beschlagnahme  ausgesetzt  ist,  so  bleibt 
das  Handeln  britischer  Staatsangehöriger  mit  den  Artikeln,  in  denen  dieser 
Handel  besteht,  innerhalb  britischer  Gerichtsbarkeit  ebenso  gesetz- 
mässig  und  unschuldig,  als  wenn  er  jener  Beschlagnahme  nicht  ausgesetzt 
wäre ;  viel  weniger  berechtigt  dies  eine  kriegführende  Regierung,  den  be- 
kannten Kriegsführungsrechten  der  Blockade  und  des  Kaperns  in  ihren 
eigenen  Häfen  ein  Embargo  auf  irgendeinen  Teil  des  Handels 
einer  neutralen  Nation  mit  einer  ihrer  kolonialen  Besitzungen 
hinzuzufügen,  bloss  weil  dies  möglicherweise  dahin  wirkt,  einen 
andern  gesetzmässigen  Handel  zwischen  diesem  Lande  und  dem 
Lande  des  an  dem  Kriegsführenden  zu  lähmen  oder  zu  hindern"  *^). 

-    3.  North  America  Nr.  4  (1863)  und  Nr.  14  (1863).     Aus  der 
Note  vom  25.  September  1862  (S.  432  =  610  des  Bandes  72): 

„Der    Unterzeichnete   hat    Anweisungen    vom    Hauptstaatssekretär   Ihrer    Nr.  i_3 
Britischen  Majestät  erhalten,   an  den  Staatssekretär  der  Vereinigten  Staaten 
eine  weitere  Vorstellung   über  die  Beschränkungen   zu  richten,   die  von   den 
Vereinigten   Staaten   dem  Handel   zwischen    New  York    und    den   Häfen   in 
Britisch  West-Indien  auferlegt  sind. 

Der  Unterzeichnete  erklärt  anweisungsgemäss,  dass  Ihrer  Majestät  Re- 
gierung die  Frage  für  sehr  bedeutsam  hält,  und  dass  es  ihr,  wie  wünschAis- 
wert  es  auch  sein  mag,  wegen  der  Schwierigkeit  in  der  Lage  der  Vereinigten 
Staaten  weitestes  Entgegenkommen  zu  zeigen,  unmöglich  ist,  sich  bei  dem 
System  der  Störung  des  rechtmässigen  Handels  Grossbritanniens  zu  beruhigen, 
wie  es  jetzt  von  den  Behörden  der  Vereinigten  Staaten  angewandt  wird,  eine 
Störung,   die  nicht  nur  geltende  Verträge  zwischen  Grossbritannien  und  den 


*^)  Im  chinesisch-japanischen  Krieg  bestritt  England  sogar  das  Durch- 
suchungsrecht für  neutrale  Schiffe,  die  zwischen  neutralen  Häfen  verkehrten, 
wie  seine  Haltung  im  Falle  Gaelic  beweist  (Takahashi,  Aeusserungen  6, 
22,29,  Cases  52  und  der  Fall  Sidney  ebendort  64;  sein  Hauptwerk:  Cases  on 
International  Law  during  the  Chino-.Japanese  war  habe  ich  in  deutschen  Biblio- 
theken nicht  erlangen  können).  Auch  Westlake  (bei  Takahashi,  Cases  XlXff. 
[=  Aeusserungen  S.  22])  verwirft  die  Lehre  von  der  fortgesetzten  Reise,  wenn 
in  dem  neutralen  Bestimmungshafen  eine  „neue  kommcrziale  Transaktion" 
den  Uebergang  der  dorthin  beförderten  Güter  zum  Feinde  herbeiführen  müsste. 


68       Viertes  Kapitel:   rnzuUlssigkcit  der  britischen  Scekriegsmassnahmeri 

Vereinigten  Staaten  verletzt,  sondern  auch  den  feststehenden  Grundsätzen 
des  internationalen  Rechts  widerspricht. 

Es  kommt  vor,  dass  britische  Schiffe,  die  rechtmässig  zwischen  New  York 
und  anderwärts  Handel  treiben  und  ordnungsmässig  von  den  Behörden  der 
Vereinigten  Staaten  in  voller  Kenntnis  der  an  Bord  befindlichen  Artikel  aus- 
klariert sind,  festgehalten,  durchsucht  und  aufgefordert  werden,  entweder 
Teile  ihrer  Ladung  wieder  an  Land  zu  bringen  oder  für  eine  unbestimmte 
Zeit  eine  schriftliche  Verpflichtung  einzugehen,  dass  kein  Teil  der  Ladung 
von  den  Feinden  der  Vereinigten  Staaten  benutzt  werden  soll.  Es  wird  nun 
nicht  etwa  behauptet,  dass  dieses  Verfahren  durch  ein  allgemeines  Gesetz 
oder  eine  allgemeine  Handelsregel  vorgeschrieben  sei,  sondern  es  wird  zuge- 
standen, dass  es  vollständig  im  Ermessen  des  Zolleiunehmers  steht,  das  ge- 
schilderte Verfahren  zu  erzwingen,  wenn  immer  er  den  Verdacht  hegt  und 
annimmt,  dass  die  wirkliche  mittelbare  oder  unmittelbare  Bestimmung  der 
Ladung  ein  Hafen  im  Besitze  der  Feinde  der  Vereinigten  Staaten  ist,  oder 
wenn  er  überzeugt  ist,  dass  „eine  drohende  Gefahr  bestehe,  das  auf  diesen 
Schiffen  geladene  Hab  und  Gut  aller  Art  würde  in  den  Besitz  oder  unter  die 
Herrschaft  der  Insurgenten  kommen".  Der  Zolleinnehmer  legt  in  seinem  Be- 
Nr.  5  u.  6  riebt  vom  12.  Juni  dar,  dass  er  in  Ausübung  des  ihm  als  ßegierungs- 
beamten  eines  souveränen  Volkes  übertragenen  Ermessens  die 
Verschiffung  von  Kohlen,  Kurzwaren  und  Schuhen,  von  Chinin 
und  anderen  Apothekerwaren,  von  Zinnwaren  und  Kriegs- 
munition und  verschiedenen  anderen  Artikeln  nach  Nassau  und 
Westindien  und  andern  ausländischen  Häfen  verboten  habe, 
wenn  er  zu  dem  Verdachte  Grund  hatte,  dass  sie  nach  dem  Vor- 
haben der  Beteiligten  oder  den  besonderen  Verträgen  britischer 
Staatsangehöriger  bestimmt  waren,  unmittelbar  die  Lage  der 
Feinde  der  Vereinigten  Staaten  zu  verbessern. 

Der  Unterzeichnete  ist  angewiesen,  zu  erklären,  dass  Ihrer  Majestät  Re- 
gierung sich  keines  Grundsatzes  der  internationalen  Rechtswissenschaft  oder 
eines  vom  internationalen  Recht  gebilligten  früheren  Falles  erinnern  kann, 
durch  den  ein  solcher  Eingriff  in  den  Handel  der  Neutralen  gerechtfertigt  würde. 

Der  Unterzeichnete  möchte  dem  Kabinett  zu  Washington  zur  Erwägung 
anheimstellen,  dass  der  Handel  zwischen  Grossbritannien  und  den  Vereinigten 
Staaten,  zum  mindesten  zu  den  Häfen  und  Plätzen  im  ungestörten  Besitz  der 
Vereinigten  Staaten,  in  keiner  Weise  durch  den  Kriegszustand  berührt  wird, 
in  dem  sich  die  Vereinigten  Staaten  befinden,  und  dass  überdies  der 
Handel  zwischen  Grossbritannien  und  einem  Feinde  der  Ver- 
einigten Staaten  —  um  so  mehr,  als  das  erste  eine  strenge  Neutralität 
und  Unparteilichkeit  den  kriegführenden  Parteien  gegenüber  bewahrt  — 
nur  in  der  durch  das  internationale  Recht  der  Blockade  vorge- 
schriebenen Art  und  Ausdehnung  berührt  werden  kann. 

Die  Vereinigte  Staaten-Regierung  wird  zugeben,  dass  Verschiffungen,  wie 
die,  welche  jetzt  auf  ihrem  Wege  von  New  York  nach  Nassau  und  anderen 
britischen  Häfen   der  Anhaltung  ausgesetzt  sind,  wenn  sie  in  Friedenszeiten 


§  10.     Burenkrieg  und  amerikanischer  Bürgerkrieg  69 

erfolgten,  nicht  verhindert  werden  könnten,  ohne  Grossbritannien  offenbaren 
Grund  zu  gerechter  Beschwerde  zu  geben,  besonders  wenn  solche  Verschiffungen 
anderen  Nationen  offen  bleiben,  die  keine  günstigeren  Verträge  mit  den  Ver- 
einigten Staaten  haben.  Daraus  folgt,  dass  das  Verbot  solcher  Ver- 
schiffungen an  britische  Staatsangehörige  mit  gleichzeitiger 
Erlaubnis  für  die  Staatsangehörigen  anderer  Nationen  einen 
Zustand  der  Quasi-Feindseligkeit  gegenüber  Grossbritannien 
auf  Grund  der  Unterstellung  bedeuten  würde,  dass  es  aus  geo- 
graphischen oder  anderen  Umständen  sich  die  Interessen  des 
Feindes  der  Vereinigten  Staaten  zu  eigeti  macht. 

Die  von  den  Behörden  der  Vereinigten  Staaten  angenommene  Lehre 
scheint  darin  zu  bestehen,  dass  Güter,  die  regel-  und  rechtmässig 
durch  britische  Staatsangehörige  von  den  Vereinigten  Staaten 
nach  bestimmten  britischen  Häfen  in  britischen  Schiffen  ver- 
schifft werden,  mit  Embargo  belegt  werden  dürfen,  wenn  nach 
der  Meinung  eines  unteren  Beamten,  nämlich  des  Hafenein- 
nehmers, drohende  Gefahr  vorhanden  ist,  dass  der  Feind  sie  auf 
ihrer  Fahrt  nach  den  britischen  Häfen  gesetzwidrig  in  Beschlag 
nehmen  wird,  oder  dass  sie  nach  ihrer  glücklichen  Ankunft  in 
diesem  Hafen  mit  grösserer  Leichtigkeit  von  dort  zum  Feinde 
ausgeführt  werden,  oder  dass  sie  auf  irgendeinem  Wege  in  den 
Besitz  oder  unter  die  Herrschaft  ihres  Feindes  gelangen  können. 

Der  Unterzeichnete  ist  angewiesen,  zu  erklären,  dass  Ihrer  Majestät 
"    Regierung  einer  solchen  Lehre  nicht  zustimmen  kann. 

Ihrer  Majestät  Eegierung  meint,  es  würde  einen  neuen  und  einen 
gefährlichen  Grundsatz  in  das  Völkerrecht  einführen,  wenn 
Kriegführende,  anstatt  eine  effektive  Blockade  aufrecht  zu  er- 
halten, berechtigt  wären,  auf  blossen,  gut  oder  schlecht  be- 
gründeten Verdacht  oder  Glauben  hin,  dass  bestimmte  Waren 
schliesslich  ihren  Weg  in  das  Feindesland  finden,  zwischen  ihren 
Handelsvertragsgenossen  und  sich  selbst  jeden  Handel  abzu- 
schneiden. Dies  würde  an  die  Stelle  der  effektiven,  durch  das 
Völkerrecht  anerkannten  Blockade  eine  verhältnismässig  billige 
und  leichte  Methode  der  Unterbrechung  des  Handels  der  Neu- 
tralensetzen". 

4.  North  America  Nr.  12  (1863).     Earl  RusselPi*)  an  Lord 
Lyons ^2^),  Auswärtiges  Amt,  17.  Dezember  1862. 

I.    Russell    schildert   zunächst    die    Schicksale    des   Schiffes 
„Will  0  the  Wisp",   das  kurz   ausserhalb  der   neutralen  mexika- 
nischen Gewässer  beschlagnahmt  worden  sei,   als  es  gerade  dabei  Nr.  i- 
war,   Waren,   Schiesspulver   und   Munition   für  Matamoros,   einen 
neutralen  Hafen,  zu  löschen;    er  führt  aus,  dass  Verdachtsgründe 


82a)  Nachfolger  Stuarts  (siehe  Anm.  81b). 


70        Viertes  Kapitel:    rnzulässigkeit  der  britischen  Seekricgsraassnahmen 

durch  die  Tatsache  sofort  widerlegt  worden  seien,  dass  die  frag- 
lichen Artikel  gerade  auf  ihrem  Wege  zu  dem  neutralen  Käufer 
gewesen  seien,  und  fährt  dann  fort: 

,Es  ist  auch  naöh  den  Feststellungen  des  Vizekonsuls  Blackers  klar, 
dass  das  Schiff  von  dem  Kaperer  auf  Grund  einer  höchst  irrigen  Vor- 
stellung über  das  auf  den  Fall  anwendbare  internationale  Recht 
beschlagnahmt  worden  ist,  nämlich  auf  Grund  der  Meinung,  dass 
er  ein  Recht  hätte,  hinter  die  gegenwärtige  und  unniittelbare 
Bestimmung  der  Artikel  nach  einem  neutralen  Hafen  zu  sehen, 
und  zu  prüfen,  was  aus  ihnen  in  ihrem  weiteren  und  künftigen 
Geschäftsgange  wahrscheinlich  wird,  nachdem  sie  ihre  gesetz- 
mässige  Bestimmung  erreicht  haben.  ... 
Nr.  4  Demgemäss  weise  ich  Sie  an,  sich  an  Herrn  Seward^sb)  zu  wenden  und 

ihm  darzulegen,  dass  die  Prisengerichtsentscheidung  aus  diesen  Gründen  un- 
billig sei.  Sie  haben  darzulegen,  dass  Ihrer  Majestät  Regierung  der  Meinung 
ist,  dass  eine  gerechte  Entscheidung  des  Falles  eine  Verurteilung  zu  Schadens- 
ersatz erheischt  hätte ;  dass  aber  kein  begründeter  Zweifel  daran  möglich  ist, 
dass  die  Unterlassung  der  Verurteilung  des  Kaperers  zu  den  Kosten  dieser 
unberechtigten  Beschlagnahme  ein  Versehen  des  Richters  und  ein  Justizirrtum 
war,  der  einen  Anspruch  gegen  die  Vereinigte  Staaten-Regierung  auf  Wieder- 
gutmachung begründet". 

Diese  Ausführungen  hat  der  englische  Gesandte  in  Washington, 
Stuart,  durch  Note  vom  20. Oktober  1862  wörtlich  an  Seward^-"^) 
weitergegeben. 

II.  In  dem  Urteil  des  Richters  Wme.  Mar w in  vom  16.  Juni 
1862  im  Falle  „Will  o  the  Wisp"  heisst  es: 

Nr.  1—3  „■  ■  ■  es  wurde  gekapert,  weil  es  Pulver  und  Zündhütchen  an  Bord  hatte, 

und  ferner  hat  das  Gericht  angenommen,  dass  diese  Tatsache  die  Beschlag- 
nahme und  Verurteilung  des  genannten  Schiffes  oder  seiner  Ladung  oder  eines 
Teiles  davon  insoweit  nicht  rechtfertigt,  als  es  in  einem  Handel  zwischen 
neutralen  Nationen  oder  Häfen  kein  solches  Ding  wie  Kriegskonterbande  geben 
kann,  dass  vielmehr  der  Handel  von  Neutralen  untereinander  vom  Kriege  un- 
berührt bleibt ;  auch  beanspruchen  die  Vereinigten  Staaten  nicht,  den  Handel 
Mexikos  oder  eines  seiner  Häfen  mit  Neutralen  unterbrechen  oder  stören  zu 
dürfen". 

III.  Nr.  17  S.  39  (S.  553).    RusselF^^)  an  Lord  Lyons^saj, 

Auswärtiges  Amt,  den  3.  Januar  1863 : 

Nr.  i  „ ....    Es   ist  wahr,    dass  die  Vereinigte   Staaten-Regierung   antworten 

könnte,  den  Eigentümern  der  Will  o  the  Wisp  stände  die  Berufung  offen, 
aber  es  soll  dann  entschieden  betont  werden,  dass  ihnen  in  Anbetracht  aller 


82  b)  Minister  des  Auswärtigen  der  Vereinigten  Staaten. 


§  10.     BurenUrieg  und  ameiikanisclier  Bürgerkrieg  7t 

Umstände   nicht  zugemutet  werden  sollte,   noch  Aveitere  Aufwendungen   auf 
sich  zu  nehmen*. 

5.  North  America  Nr.  5  (1863).     Earl  Russell «i»)  an  Herrn 
Stuart «i").  Auswärtiges  Amt,  10.  Oktober  1862: 

N.  4  S.  5  (S.  453)  „.  .  .  Sie  wollen  (Herrn  Seward)  erklären,  dass  die  Nr.  i— 3 
Anordnung,  nach  der  offenbar  und  augenscheinlich  in  gesetz- 
mässigem  Handel  fahrende  Schiffe  auf  hoher  See  systematisch 
ohne  vorhergehende  Durchsuchung  oder  ohne  die  Entdeckung 
ernster  Verdachtsgründe  gegen  sie  beschlagnahmt  werden,  be- 
deuten würde,  die  Handelsmarine  von  Neutralen  einem  System 
der  Unterdrückung  und  Belästigung  zu  unterwerfen,  dessen 
Duldung  keine  neutrale  Regierung  gestatten  kann. 

Die  unrechtmässige  Beschlagnahme  eines  neutralen  Schiffes  unter  drin- 
genden Umständen  mag  als  eine  der  gelegentlichen  Beschwerden  angesehen 
werden,  die  ein  Kriegszustand  einem  Neutralen  auferlegt,  und  wird  teilweise 
durch  die  Verurteilung  des  Kaperers  in  Kosten,  oder  in  Kosten  und  Schaden 
ausgeglichen;  aber  die  ununterschiedene  und  allgemeine  Beschlag- 
nahme von  Handelsschiffen  ohne  vorhergehende  Durchsuchung 
verwandelt  eine  gelegentliche  Ausnahme  in  eine  unerträgliche 
Regel". 

6.  North    America   Nr.   14    (1863).      Russell  s^*)    an   Lord 
Lyons ^2*),  Auswärtiges  Amt,  17.  Dezember  1862: 

I.  S.  52  (622)  „Das  Ergebnis,  zu  dem  Herr  Seward  S2b)  im  ganzen  gelangt,  Nr.  i— 3 
ist  offenbar,  dass  er  das  von  Hirer  Majestät  Regierung  pflichtmässig  angefoch- 
tene Verfahren  aus  drei  Gründen  verteidigt :  erstens,  dass  dieses  Verfahren 
♦durch  ein  Gesetz  des  Kongresses  und  Verordnungen  der  Exekutiv-Regierung 
der  Vereinigten  Staaten  autorisiert  wäre,  Vorschriften,  die  als  Recht  inner- 
halb ihres  eigenen  Territoriums  in  Kraft  getreten  seien,  und  durch  die  nach 
den  ausdrücklichen  Bestimmungen  des  Vertrages  von  1815  der  Handelsverkehr 
Grossbritanniens  mit  den  Vereinigten  Staaten  beaufsichtigt  und  geregelt 
werden  darf;  zweitens,  dass  dieses  Verfahren  und  die  Gesetze  und  Verord- 
nungen, auf  denen  es  beruht  (wenn  auch  durch  die  Erfordernisse  des  gegen- 
wärtigen Bürgerkrieges  hervorgerufen),  mit  der  Blockade  in  keinerlei  Zu- 
sammenhang stehen,  und  ihre  Rechtfertigung  nicht  von  der  Bejahung  oder 
Ausübung  eines  Kriegsführungsrechtes  erhält,  sondern  von  der  Gebietshoheit 
der  Vereinigten  Staaten  über  Personen,  Ortschaften  und  Gegenstände  inner- 
halb ihrer  eigenen  ausschliesslichen  Gerichtsbarkeit ;  und  schliesslich,  dass  die 
Gesetze  und  Verordnungen,  auf  die  er  als  Autorisation  dieses  Verfahrens  sich 
stützt,  nicht  in  besonderer  oder  aussergewöhnlicher  Weise  gegen  Gross- 
britannien oder  gegen  eine  seiner  Kolonien  gerichtet  seien,  sondern  gleich- 
massig  und  ununterschieden  gegen  die  Schiffe  und  Staatsangehörigen  aller 
anderen  Nationen". 


72       Viertes  Kapitel:   Unzulässigkeit  der  britischen  Seekriegsmassnahmen 

Russell  führt  dann  aus,  dass  der  Vertrag  von  1815*^'*j  die 
von  ihm  angefochtenen  Massnahmen  verbiete,  und  dass  es  seinem 
Geiste  widerspreche,  ihn  durch  ein  Gesetz  praktisch  wirkungslos 
zu  machen.     Er  fährt  fort: 

„.  .  .  .  es  (der  unterstellte  Fall  eines  Handelsverbotes  mit  den  Bahamas) 
würde  einfach  auf  Seiten  des  Kongresses  eine  Weigerung  der  Erfüllung  der 
Verbindlichkeiten  des  Vertrages  bedeuten,  ohne  dass  Ihre  Majestät  zugestimmt 
hätte,  nach  Vorschrift  der  Vereinigten  Staaten  Gegenstände  zu  behandeln,  die 
vollständig  in  den  Rahmen  ihrer  eigenen  unabhängigen  Souveränität  fallen, 
und  bei  denen  ihr  weder  durch  Vertrag  noch  durch  das  Völkerrecht  eine  Ver- 
pflichtung auferlegt  ist,  zuzustimmen.  Es  ist  überflüssig,  hinzuzufügen,  dass 
es  mit  Treu  und  Glauben  nicht  verträglicher  ist,  den  Versuch 
zu  machen,  mittelbar  zu  tun,  was  unmittelbar  nach  Treu  und 
Glauben  nicht  getan  werden  darf.  Wenn  es  eine  Verletzung  des  Ver- 
trages durch  den  Kongress  sein  würde,  ein  Gesetz  zu  erlassen,  wie  es  hier 
unterstellt  wird  (Handelsverbot  mit  den  Bahamas),  so  ist  es  dies  nicht  weniger 
für  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten,  den  Weg  eines  in  vagen  und  all- 
gemeinen Ausdrücken  durch  den  Kongress  erlassenen  Gesetzes  zu  praktisch 
gleichen  Zwecken  zu  beschreiten,  und  dies  ist  in  Wahrheit  das  einzige,  was 
geschehen  ist". 
Nr.  1-3  II.     S.  56  (S.  626)     „ .  .  .  Ihrer  Majestät  Regierung  behauptet  jedenfalls, 

dass  der  Fall  keineswegs  ein  Fall  der  Landesgesetzgebung  ist; 
es  i.st  vielmehr  ein  Fall,  in  dem  die  Formen  der  Landesgesetzgebung  einem 
Bestreben  dienstbar  gemacht  sind,  einen  besonderen  Zweig  neutralen 
Handels  zu  beaufsichtigen,  der  nicht  im  Gebiete  der  Vereinigten 
Staaten  betrieben  wird,  sondern  ausschliesslich  in  dem  Gebiete 
der  neutralen  Macht;  das  bedeutet  aber  in  der  Tat  ein  Embargo  fü# 
solche  britischen  Güter,  die  auf  ihrer  Fahrt  von  Grossbritannieu  nach  den 
Bahamas  angehalten  worden  sind,  aus  Gründen,  die  nicht  durch  das  inter- 
nationale Recht  gerechtfertigt  werden;  und  für  die  unschuldige  und  recht- 
mässige Ausfuhr  von  den  Vereinigten  Staaten  eine  Absage  an  den  Handels- 
verkehr, der  durch  Vertrag  garantiert  ist,  unter  Ausnahmebedingungen,  denen 
keine  unabhängige  fremde  Nation  zustimmen  könnte,  ohne  die  Rechte  der 
Neutralität  und  ihrer  eigenen  Souveränität  innerhalb  der  Dominions  aufs 
Spiel  zu  setzen". 

7.    North  America   Nr.  11    (1863).     Memorandum    des   Lord 

Lyons  (nach  Instruktion  Russells  vom  24.  April  1863)   an  Se- 

ward82b)  Yom  7.  März«^)  1863: 
Nr.  1-3  S.  1  (S.  507)     „Der  Handel   mit  Matamoros   ist  jedenfalls   unzweifelhaft 

zulässig.  Er  wird  betrieben  von  New  York,  wie  von  London  und  Liverpool. 
Die  Behauptung,  dass  einige  nach  Matamoros  beförderte  Güter 


8»)  Bei  Malloy  I  624. 

8*)  Druckfehler,  muss  richtig  Mai  heissen. 


§  10.     Biu-(.'iikrieg  uiul  amerikanischer  Bürgerkrieg  73 

hinterher  über  die  Grenze  nach  Texas  geschafft  werden,  hebt 
den  rechtmässigen  Charakter  dieses  Handels  nicht  auf. 

Auch  ist  es  unmöglich,  von  vorneherein  zu  sagen,  dass  bestimmte  Güter 
in  Mexiko  verbraucht  und  gewisse  andere  Güter  nach  den  sogenannten  kon- 
föderierten Staaten  befördert  werden.  Es  kann  vorkommen,  dass  alle  von 
London  kommenden  Güter  in  Mexiko  gebraucht,  und  alle  von  New  York  ge- 
sandten über  Land  nach  Texas  befördert  Averden.  Das  ist  eine  Sache  jenseits 
des  Planes  und  der  Bestimmung  der  Seefahrt. 

Wenn  daher  der.  britische  Handel  aus  Handßlseifersucht  oder  unberech- 
tigtem Verdacht  der  Konterbande  oder  einem  anderen  Grunde  anscheinend 
absichtlich  und  systematisch  vexatorischen  Beschlagnahmen  und  willkürlichen 
Störungen  unterworfen  wird,  so  muss  selbstverständlich  Grossbritannien  da- 
•  zwischen  treten  und  seine  Flagge  beschützen.  Unter  Annahme  der 
strengsten  Auslegung  des  Völkerrechts  kann  es  nicht  erlauben, 
dass  unter  dem  Vorwande  dieses  Rechts  Feindseligkeiten  gegen 
einen  rechtmässigen  Zweig  seines  Handels  begangen  werden. 

8.  Papers  relating  to  foreign  affairs  1864. 
I.  Part  I   S.  534  —  Lord  Lyons  an  Sewarcl  vom  28.  März 
1863  —  betrifft  das  Schiff  „Labnan": 

„Ihrer  Majestät  ßegieruiig  *'')  meint,  dass  die  Angelegenlieit  nach  Lage  Nr.  4 
des  Falles  nur  zwischen  den  beiden  Regierungen  erledigt  werden  kann.  Denn 
-  Ihrer  Majestät  Regierung  kann  nicht  zugeben,  dass  die  dem  Klage-; 
anspruche  ungünstige  Entscheidung  des  Prisengerichts  die'Re- 
giernng  der  Vereinigten  Staaten  von  der  Verpflichtung  befreien 
würde,  in  weitestem  Masse  das  schwere  Vergehen  gegen  neutrale 
Rechte  wieder  gut  zu  machen". 

IL  Part  II  S.  394.  —  Lord  Lyons  an  Seward,  30.  Oktober 

1863  —  (betrifft  die  Beschränkungen  des  Handels  zwischen  New 
York  und  den  Bahamas) : 

„ .  .  .  .  sie  (Ihrer  Majestät  Regierung)  bleibt  bei  der  Meinung,  dass  der  Nr.  i— s 
wahre  Gegenstand  und  Zweck  dieser  Mas.snahme  darin  besteht,  an  den  fest- 
stehenden Grundsätzen  des  internationalen  Rechts  eine  Neuerung  vorzunehmen 
und  die  Lücken  einer  unzulänglichen  Bloqkade  durch  eine  Landesgesetzgebung 
auszufüllen,  welche  die  gesetzlichen  Schranken  unzulässig  überschreitet,  indem 
sie  die  nach  den  Handelsverträgen  bestehenden  Rechte  der  Neutralen  verletzt". 

III.   Part  II  S.  667.  —  Lord  Lyons  an  Seward,  4.  August 

1864  —  (betrift't  die  Auflage   an  britische  Staatsangehörige,   sich 
schriftlich  zu  verpflichten,  wie  zu  Nr.  3  oben  wiedergegeben): 


*^)  Es  ist  bemerkenswert,  dass  „government"  in  den  amerikanischen  Quellen 
mit  einem  kleinen,  in  den  englischen  mit  einem  grossen  Anfangsbuchstaben  ge- 
schrieben wird. 


74        Viertes  Kapitel:    ünzuUlssigkeit  der  britischen  Scekricgsmassnahmen 

ÜT.  i    n  ,,l)er    Versiicli,    durch    die    üesetzgebung    der    Vereinigten    Staaten    die 

Handelsfreiheit  zwischen  britisclien  Staatsangehörigen  niid  den  Vereinigten 
Staaten  von  1-^edingnngen  abhängig  zu  machen,  die  nicht  anf  ihr  Verhalten 
und  ihre  Führung  im  Gebiete  der  Vereinigten  Staaten  anwendbar  sind,  sondern 
auf  ihr  Verhalten  und  ihre  Führung  in  ihrem  eigenen  Lande  oder  in  anderen 
Ländern  und  Plätzen,  auf  die  sich  die  Gerichtsbarkeit  der  Vereinigten  Staaten 
nicht  erstreckt,  ist,  wie  Ihrer  Majestät  Regierung  ständig  behauptet  hat,  eine 
Verletzung  der  vertraglichen  Verpfliclitungen  und  ein  Eingriff  in  die 
rechtmässige  Souveränität  der  Königin  von  Grossbritannien". 

Sewarcl  antwortet  am  8.  August  1864  (S.  673),  ob  die 
Blockade  effektiv  sei  oder  nicht,  sei  eine  Frage,  die  höchst 
befriedigend  durch  eine  Prüfung  ihrer  Ergebnisse  ent- 
schieden werden  könne,  ...  er  meine  deshalb,  dass  entweder 
die  Blockade  der  Vereinigten  Staaten  als  ausreichend  anerkannt 
werde  oder  angenommen  werden  müsse,  dass  keine  gesetz- 
raässige  Blockade  gegen  Konterbande-Händler  aufrecht 
erhalten  werden  könne,  die  den  Vorteil  der  modernen 
Dampfschiffahrt  geniessen^^). 


Es  finden  sich  in  den  hier  ausgezogenen  englischen  und  ame- 
rikanischen Quellen  noch  viele  ähnliche  Stellen,  die  aus  Raum- 
gründen nicht  wiedergegeben  werden  können.  Die  mitgeteilten 
werden  genügen,  um  zu  veranschaulichen,  dass  es  sich  um 
typische,  sich  stets  wiederholende  Argumentationen  des 
neutralen  gegen  den  kriegführenden  Staat  und  umge- 
kehrt dieses  Staates  gegen  jenen  handelt.  Es  fällt  ja  in 
die  Augen,  dass  England  als  kriegführender  Staat  zur  Recht- 
fertigung seiner  Massnahmen  die  gleichen  Gründe  anführt,  welche 
die  Vereinigten  Staaten  für  ihre  Kriegführung  während  des  Bürger- 
krieges geltend  gemacht  hat,  und  dass  es  umgekehrt  deren  Un- 
rechtmässigkeit  mit  denselben  Gesichtspunkten  bekämpft,  welche 
die  Vereinigten  Staaten  und  andere  neutrale  Staaten  gegen  seine 
Kriegsmassnahmen  während  des  Weltkriegs  anführten. 

Das  gleiche  Schauspiel  wiederholt  sich  in   anderen  Kriegen 


««)  Vgl.  richtig  Kleen,  De  la  contrebande  128.  „Die  Bedürfnisse  der 
Kriegführenden  gehen  die  Neutralen  absolut  nichts  an.  Sie  haben  das  absolute 
Recht,  so  lange  ausserhalb  der  Feindseligkeiten  zu  bleiben,  als  sie  sich  nicht 
selbst  hineinmischen".  Vgl.  Takahashis  Rechtfertigung  der  japanischen  Krieg- 
führung an  den  verschiedensten  Stellen  seines  International  Law^. 


§  11.     Englische  Stellungnahme  (französisch-chinesischer  Krieg  1885)      75 

und  verdient  gleichfalls  festgehalten  zu  werden,  weil  es  die 
Rechtswidrigkeit  der  S.  60  zusammengestellten  Grundsätze  der 
Seekriegsmassnahmen  der  Entente  auf  Grund  der  eigenen  früheren 
Proteste  Englands  ausser  Zweifel  stellt,  die  es  in  gleicher  Lage 
erhoben  hat,  in  die  es  jetzt  die  Neutralen  gebracht  hat.  Auf  die 
naheliegenden  rechtspolitischen  Folgerungen  für  die  Notwendigkeit 
einer  Ausdehnung  der  internationalen  Schiedsgerichtsbarkeit  kann 
hier  nicht  weiter  eingegangen  werden. 

§  11 

Die  ciiglisebc  Stclluugiiahmc 

im    fraiizJisiscli-elnuesiselicii    Kriege    1SS5,     im    japaniseli- 

russiselicii  Kriege  1904  und   bei   den   Verhandlungen   über 

die  Ratifikation  der  Londoner  Delilaration. 

a)  Der  englische  Standpunkt  im  französisch-cliinesischen  Kriege  1885. 

England  hat  auch,  als  es  im  französisch-chinesischen  Kriege 
1885  neutral  war,  seine  damaligen  Interessen  mit  völkerrechtlich 
zutreffenden  Gründen  zu  vertreten  verstanden  und  von  dem  krieg- 
führenden Frankreich  eine  Antwort  erhalten,  deren  fast  wörtliche 
Ähnlichkeit  mit  den  jetzigen  Argumenten  Grossbritanniens  zur 
Rechtfertigung  seiner  Kriegsmassnahmen  gegen  die  Proteste  der 
neutralen  Staaten  in  die  Augen  springt. 

Die  betreffenden  Stellen  lauten^''): 

Nr.  3.     Earl  Granville'^^)    an    Herrn    Waddington^''^),    Aus- 
wärtiges Amtj,  den  27.  Februar  1885. 

[Absatz  1  bestätigt  den  Empfang  der  Mitteilungen,  dass  Keis  in  den 
chinesischen  Häfen  des  Nordens  von  Kanton  als  Konterbande  behandelt 
werden  soll.] 

„Ich  bedaure,  Ihnen,  Herr  Gesandter,  mitteilen  zu  müssen,  dass  sich  Ihrer   Nr.  i— 3 
Majestät  Regierung   gezwungen   sieht,   gegen   die   geplante  Massnahme   Ein-   Nr.  5 
Wendungen  zu  erheben,   da  sie  nicht  zugeben  kann,   dass   es   mit  dem 
Völkerrecht,   der  Staatenpraxis   und   den  Rechten   der  Neutralen 
übereinstimme,   Lebensmittel   im  allgemeinen   als  Kriegskonter- 
bande   zu    behandeln.     Ihrer    Majestät   Regierung    bestreitet    nicht,    dass 


«')  Mise.  Nr.  2   (1911)   Cd.  5520.     Siehe   Bismarcks   Stellungnahme   oben 
Anm.  47.     Vgl.  hierzu  Pyke  131  u.  l.')7. 

87  a)  Englischer  Minister  des  Auswärtigen. 
87b)  Französischer  Gesandter  in  London, 


76       Viertes  Kapitel:   T'nzulässigkeit  der  britischen  Seekriegsmassnahmen 

Lebensmittel  unter  besonderen  Umständen  diesen  Charakter  erhalten,  wie  zum 
Beispiel,  wenn  sie  unmittelbar  an  die  Flotte  eines  Kriegführenden  oder  nach 
einem  Hafen  konsigniert  sind,  in  dem  sich  etwa  die  Flotte  befindet,  und 
Tatsachen  vorhanden  sind,  welche  die  Vermutung  ergeben,  dass 
sie  im  Begriffe  stehen,  zur  Versorgung  des  Feindes  verwendet 
zu  werden.  Aber  Ihrer  Majestät  Regierang  kann  nicht  zugeben,  dass  die 
Lebensmittel,  wenn  sie  nach  dem  Hafen  eines  Kriegführenden 
(mag  es  selbst  ein  Hafen  für  Ausrüstung  der  Kriegsflotte  sein) 
konsigniert  sind,  deshalb  notwendig  als  Kriegskonterbande  an- 
zusehen sind. 

Nach  Meinung  Ihrer  Majestät  Regierung  ist  der  entscheidende  Gesichts- 
punkt, ob  in  bezug  auf  eine  besondere  Ladung  oder  ihre  Be- 
stimmung Umstände  vorliegen,  welche  die  Vermutung  zurück- 
drängen, dass  Artikel  dieser  Art  dem  ordentlichen  Lebensbedarf 
dienen®*),  und  augenscheinlich  und  unbedingt  beweisen,  dass  sie 
für  militärische  Zwecke  bestimmt  sind". 

Waddington  an  Granville,  10.  März  1885. 

Nacli  Rechtfertigung  der  französisclien  Massnahmen  und  ge- 
schichtlichen Auseinandersetzungen  über  die  Anerkennung  dieser 
Massnahmen  in  früheren  Fällen  durch  England  und  seine  Schrift- 
steller heisst  es: 

„Die  eigentümlichen  Umstände,  unter  denen  die  Feindseligkeiten  gegen 
China  durchzuführen  sind,  haben  meine  Regierung  bestimmt,  bei  passender 
Gelegenheit  die  Entscheidung  zu  treffen,  zu  der  Eure  Exzellenz  Vorbehalte 
zu  erklären  sich  für  verpflichtet  gehalten  haben.  Nun  aber  wird  die  Regierung 
diese  besonderen  Umstände  nicht  verkennen,  über  welche  die  franzö- 

Kr.  4  sischen  Behörden  die  besten  Richter  sind  und  welche  die  fran- 
zösischen Prisengerichtshöfe  gegebenenfalls  endgültig  zu  beur- 
teilen haben  werden.     Die  Bedeutung  von  Reis   für   die  Ernährung   der 

Nr.  1  Bevölkerung  und  der  chinesischen  Armeen  erlaubte  meiner  Regierung  nicht, 
die  Beförderung  nach  dem  Norden  Chinas  zu  gestatten,  wenn  sie  sich  nicht 
eines  der  wirksamsten  Zwangsmittel  berauben  wollte,  die  zu  ihrer  Verfügung 
standen.  Zweifellos  konnte  sie  durch  Erklärung  der  Blockade  über  die  dem 
fremden  Handelsverkehr  offenen  chinesischen  Häfen  dieses  Ziel  erreichen,  ohne 
die  neutralen  Schiffe  auf  hoher  See  anzuhalten,  aber  eine  derartige  Massregel 
würde  auf  die  Interessen  der  Neutralen  vernichtend  gewirkt  haben, 
und  gerade  dem  wollte  sie  befreundete  Mächte  nicht  aussetzen. 
Es  schien  ihr  vielmehr  vorteilhafter  für  alle,  die  fremden  Kaufleute  ihren  fried- 
lichen Handel  in  den  chinesischen  Gewässern  fortsetzen  zu  lassen,  mit  der  ein- 
zigen Ausnahme  von  Reis;  und  sie  ist  der  Meinung,  dass  keine  der  Be- 
stimmungen des  Völkerrechts  über  den  Gegenstand  ihr  verbietet, 


")    Anerkannt    im   Falle  Commercen  (1816)   bei   Scott,   Gases  765    und 
Myer  29  §  398  f. 


§  11.     Englische  Stellungnahme    japanisch-russischer  Krieg  19C4)  77 

durch  die  Erklärung,  dass  Frankreicii  den  Keis  als  Kriegskonterbande  behandeln 
würde,  die  beiden  von  ihr  verfolgten  Zwecke  zu  erreichen;  so 
schnell  wie  möglich  den  Feind  kampfunfähig  zu  machen  und 
hierbei  die  Interessen  der  Neutralen  möglichst  zu  schonen. 

Übrigens    würde    die    endgültige    Entscheidung    nach    der    in    der 
Rechtswissenschaft    allgemein    anerkannten   Ansicht    dem    in   Paris    tagenden 
Prisengericht   zustehen,    das   nicht   verfehlen  wird,    alle   die  Umstände   in    Nr.  4 
Ervyägung  zu  ziehen,  welche  zugunsten  der  Eigentümer  von  beschlagnahmten 
Ladungen  geltend  gemacht  werden  können". 

Granville  an  Waddington  (am  4.  April  1885)  erkennt  an, 

,dass  das  Prisengericht  in  erster  Linie  über  die  Gesetzmässigkeit  der  Be- 
schlagnahme zu  entscheiden  hat,  aber  jede  solche  Entscheidung  muss,  um  für 
neutrale  Regierungen  bindend  zu  sein,  mit  den  Regeln  und  Grundsätzen  des 
internationalen  Rechts  im  Einklang  stehen,  jedoch  sieht  sich  Ihrer  Majestät 
Regierung  veranlasst,  ihre  Rechte  durch  sofortigen  Protest  gegen  Nr.  i— 3 
die  Lehre  vorzubehalten,  dass  es  Sache  des  Kriegführenden  sei, 
ohne  Rücksicht  auf  die  wohlbegründeten  Rechte  der  Neutralen 
zu  entscheiden,  was  Kriegskonterbande  sei  und  was  nicht.  .  .  . 

.  .  .  Ich  halte  es  für  richtig,  zu  bemerken,  .  .  .  dass  die  Beschlagnahme 
solcher  Verschiffungen  (von  Reis,  der  nach  China  geht)  unter  neutraler  Flagge 
mit  der  Pariser  Deklaration  unvereinbar  sein  würde,  die  be- 
stimmt, dass  die  neutrale  Flagge,  mit  Ausnahme  von  Kriegskonterbande,  das 
feindliche  Gut  deckt,  und  dass  Ihrer  Majestät  Regierung  in  allen  Beziehungen 
an  den  Ansichten  festhält,  die  in  meiner  letzten  Protestnote  vom  27.  Februar 
gegen  die  allgemeine  Behandlung  von  Reis  als  Kriegskonterbande  zum  Aus- 
druck gebracht  worden  sind,  und  dass  sie  sich  nicht  durch  die  Ent-  Nr.  4  u.  5 
Scheidung  eines  Priseugerichts  für  gebunden  erachtet,  die  eine 
entgegengesetzte  Meinung  vertreten  würde". 

b)  Der  Standpunkt  der  englischen  Regierung  Im  russisch-japanischen  Kriege  1904. 

Nach  Ausbruch  des  russisch-japanischen  Krieges  und  nach 
Veröffentlichung  der  kaiserlich  russischen  Verordnung  vom  14.  Fe- 
bruar 1904,  betreffend  die  Regeln,  welche  die  kaiserliche  Regierung 
während  des  Krieges  mit  Japan  anwenden  will,  und  unter  denen 
sich  besonders  wichtige  Bestimmungen  über  die  Behandlung  des 
neutralen  Handels  befinden  ^^),  nimmt  die  britische  Regierung  zu 
ihnen  und  gegen  sie,  wie  folgt,  grundsätzlich  Stellung^"): 


»«)  In  Russian  Gases  346. 

"0)  Russia  Nr.  1  (1905)  Cd.  2348.   Vgl.  Holland,  Neutral  duties  11  :   Ta- 
kahashi  495  f. ;   Hershej',  War  160  f.;   Lawrence,  War  154  f. 


78       Viertes  Kapitel:   T'nzulässigkeit  der  britischen  Scekriegsaiassuahmen 

Lallsclo^Ync,  Staatssekretär  des  Auswärtigen,  an  Hardingc, 
den  englischen  Gesandten  in  Petersburg,  unterm  1.  Juli  1904 
Nr.  16  p.  9: 

[Absatz  1  referiert  die  Übersendung  der  russiscben  Order.] 

Absatz  3  :  ^ Seiner  Majestät  Regierung  bemerkt  mit  grossem  Befremden,  dass 
Reis  und  Lebensmittel  als  unbedingte  Konterbande  behandelt  werden  sollen, 
ein  Schritt,  den  sie  mit  dem  Völkerrecht  und  der  Staatenpraxis 
für  unvereinbar  hält. 

Seiner  Majestät  Regierung  bestreiten  nicht,  dass  unter  besonderen  Um- 
ständen Lebensmittel  einen  Konterbandecharakter  erlangen  können,  wenn  sie 
zum  Beispiel  unmittelbar  dem  Feinde  oder  der  Flotte  eines 
Kriegführenden  zugesandt  werden,  oder  nach  einem  Hafen,  in  dem 
dessen  Flotte  liegt,  und  wenn  Tatsachen  vorliegen,  welche  die  Vermutung  . 
begründen,  dass  sie  im  Begriffe  sind,  die  Flotte  des  Feindes  zu  versorgen. 
Es  wird  nicht  geleugnet,  dass  in  solchen  Fällen  der  andere  Kriegführende 
berechtigt  sein  würde,  die  Lebensmittel  als  Kriegskonterbaude  zu  beschlag- 
nahmen, weil  sie  zur  unmittelbaren  Hilfeleistung  bei  der  Durchführung  der 
Kriegsoperationen  bestimmt  sind. 

Seiner  Majestät  Regierung  könnte  jedenfalls  nicht  zulassen,  dass  Lebens- 
Nr.  1—3     mittel,   wenn    sie   für   den   Hafen   eines   Kriegführenden,    mag   es 
selbst   ein  Hafen   für  Schiffsausrüstungen   sein,   bestimmt   sind, 
deshalb     notwendigerweise     als     Kriegskonterbande     angesehen 
werden. 

Nach  Ansicht  Seiner  Majestät  Regierung  dürfte  das  ent- 
scheidende Merkmal  sein,  ob  bei  einer  besonderen  Ladung  Um- 
stände vorliegen,  aus  denen  sich  ergibt,  dass  sie  für  den  Ge- 
brauch des  Landheeres  oder  der  Kriegsflotte  bestimmt  ist. 

Seiner  Majestät  Regierung  vertritt  die  Meinung,  dass  die  Entscheidung 
Nr.  4—7  der  Prisengerichte  des  Kaperers  in  solchen  Sachen  in  Überein- 
stimmung mit  den  anerkannten  Regeln  und  Grundsätzen  des 
internationalen  Rechts  sein  muss,  um  für  neutrale  Staaten  bin- 
dend zu  sein.  Seiner  Majestät  Regierung  hält  sich  für  verpflichtet,  durch 
Protest  ihre  Rechte  gegen  die  Lehre  vorzubehalten,  nach  der  es  Sache  des 
Kriegführenden  ist,  zu  entscheiden,  dass  bestimmte  Artikel  oder  Klassen  von 
Artikeln  selbstverständlich  und  ohne  Bfeziehung  zu  den  früheren  Ausführungen 
in  diesem  Schreiben  als  Kriegskonterbande  ohne  Rücksicht  auf  die  wohl- 
begründeten Rechte  der  Neutralen  behandelt  werden;  und  Seiner  Majestät 
Regierung  kann  sich  nicht  für  verpflichtet  halten,  die  Entscheidung 
eines  Prisengerichts  als  gültig  anzuerkennen,  welche  diese  Rechte 
verletzt  oder  auch  sonst  mit  den  anerkannten  Grundsätzen  des  internationalen 
Rechts  nicht  in  Einklang  steht. 

Nr.  17  p.  10.  Har dinge  an  Lausdowne,  Petersburg, 
8.  Juni  1904 : 


§  11.     Englische  Stellungnahme   fjapanisch-russischer  Krieg  1904)         79 

jlch  bemerkte  zur  gleichen  Zeit  zu  Graf  Lamsdorf f  wa).  (]ass  ich  bei 
iliesem  Schritt  nur  in  Übereinstimmung  mit  Präzedenzfällen  und  mit 
den  stets  von  Seiner  Majestät  Regierung  vertretenen  Ansichten 
vorginge,  nach  denen  Lebensmittel,  die  unter  einer  neutralen 
Flagge  nach  dem  Häfen  eines  Kriegführenden  gesandt  wären,  Nr.  i  u.  ü 
nicht  allgemein  als  Kriegskoiiterbande  angesehen  werden  dürfen, 
es  sei  denn,  wenn  bewiesen  wird,  dass  sie  für  Kriegsmarine-  oder 
Militärzwecke  bestimmt  sind,  und  ich  führte  das  Beispiel  der  Warnung 
an.  welche  in  gleichem  Sinn  von  Seiner  Majestät  Regierung  an  die  franzö- 
sische Regierung  während  des  französisch -chinesischen  Kriegs  gerichtet 
worden  war". 

Nr.  20.     Lansdowne  an  Har dinge,  10.  August  1904: 

,..  .  .  unter  der  6ten  dieser  Regeln  (der  Kaiserlich  Russischen  Regierung) 
wurde  jede  Art  von  Feuerung,  wie  Kohlen,  Naphtha,  Alkohol  und  andere 
ähnliche  Materialien,  und  allgemein  alles,  was  für  die  See-  oder  Landkriegs- 
führung bestimmt  ist,  ebenso  wie  Reis,  Lebensmittel  und  Pferde,  Lastvieh 
und  andere  Tiere,  die  für  einen  Kriegszweck  gebraucht  werden  können,  wenn 
sie  auf  Rechnung  des  Feindes  befördert  wurden  oder  für  ihn  bestimmt  waren, 
für  Kriegskonterbande  erklärt,  und  es  wurde  in  einer  gleichzeitig  veröffent- 
lichten offiziellen  Erklärung  klargestellt,  dass  sie  als  „unbedingte  Konter- 
bande" angesehen  würden. 

p.  12  ...  für  den  gegenwärtigen  Zweck  genügt  es,  auf  die  Tatsache 
aufmerksam  zu  machen,  dass  diese  noch  nicht  da  gewesene  Ausdehnung 
der  Lehre  von  der  Kriegskonterbande  den  grössten  Teil,  wenn 
nicht  das  Ganze  des  ausgedehnten  Handels,  der  jetzt  zwischen 
Grossbritannien  und  dem  fernen  Osten  betrieben  wird,  den 
Strafen  aussetzt,  deren  sich  alle  derartige  Konterbande  befördernde  Per- 
sonen schuldig  machen. 

Die  Wirkung  dieser    Einmischung   in   den    neutralen   Handel    Xr.  i— 3 
wird    für   den   gesetzmässigen    Handelsverkehr   von   einem   briti-    '^^-  ^ 
sehen   Hafen    im  Vereinigten  Königreich   nach    einem   britischen 
Hafen  im  Fernen  Osten  verheerend  sein". 

[Russland  nimmt  das  Recht  in  Anspruch,  neutrale  Schiffe  unter  bestimmten 
Umständen  zu  versenken  (Maugel  an  Prisenmannschaft,  Kohle,  weite  Entfernung 
von  den  Heimatshäfen  u.a.m.).] 

„Die  Anwendung  solcher  Massnahmen  muss  eine  vollständige 
Vernichtung  jedes  neutralen  Handelsverkehrs  verursachen. 

Es  scheint  Seiner  Majestät  Regierung,  dass  die  russische  Regierung  keine 
Bemühungen  unterlassen  sollte,  ohne  Zeitverlust  einem  Zustande  ein 
Ende  zu  machen,  der  so  vernichtend  für  den  Handel  dieses 
Landes,  so  entgegengesetzt  den  anerkannten  Grundsätzen  des 
internationalen  Rechts  und  so  unerträglich  für  alle  Neutralen 
ist.  .  .  .  Aber  sie  (Seiner  Majestät  Regierung)  widersetzt  sich  und  kann  nicht 


90 a)  Russischer  Minister  des  Auswärtigen. 


80        Viertes  Kapitel:    Fnzulässigkcit  rler  hritisfhcH  Seekriegsmassnahmen 

ruliig  sein  bei  tlor  Einführung  einer  neuen  Lehre,  nach  der  die  ■wolilbegründefe 
Unterscheidung  zwischen  bedingter  und  unbedingter  Konterbande  gänzlich 
fallen  gelassen  ist,  und  nach  der  überdies  bei  Entdeckung  von  angeblichen 
Konterbandeartikeln  das  Schiff,  das  sie  befördert,  ohne  Verfahren  und  trotz 
seiner  Neutralität  Strafen  unterworfen  wird,  die  selbst  gegen  ein  feindliches 
Schiff  widerstrebend  vollstreckt  werden". 

Nr.  21   p.  13.     Lansdowne   an   Hardinge,    Foreign  Office 
am  2.  Oktober  1904 : 

[Absatz  3  zitiert  die  russische  Order  vom  14.  Februar  1904,  insbesondere 
Sektion  8  und  10  des  Artikels  6,  wie  in  der  vorhergebenden  Note.] 

,Es  ist  in  unserem  Lande  angenommen  worden,  und  unsere 
Offiziere  sind  so  instruiert  worden,  dass  der  Ausdruck  „Kriegs- 
konterbande"  nur  Artikel  einschliesst,  welche  feindliche  Be- 
stimmung oder  feindlichen  Zweck  haben.  Solche  Artikel  werden  in 
zwei  Klassen  eingeteilt:    1.  absolute,  2.  bedingte  Konterbande". 

[Das  wird  weiter   ausgeführt   and  dann  die  Note  vom  1.  Juli  1904  wört- 
lich wiederholt.] 
Nr.  1—3  p.  14:    „Sie  wollen  hinzufügen,   dass  es  unmöglich  für  uns  ist,   die- 

neue  russische  Lehre  anzunehmen,  die  der  entgegengesetzt  ist,  welche 
die  russische  Regierung  bei  früheren  Gelegenheiten  vertreten  hat,  dass  näm- 
lich Kohle  und  Feuerungsmaterial  jeder  Art  Konterbande  wäre, 
unabhängig  davon,  ob  sie  für  den  Gebrauch  der  feindlichen  Streit- 
kräfte bestimmt  sind  oder  nicht.  Noch  weniger  können  wir  zugeben, 
dass  eine  Macht  die  Kompetenz  habe,  mit  einem  Federstrich  den 
schon  lange  eingeführten  Unterschied  zwischen  Artikeln,  die 
bedingt,  und  solchen,  'die  unbedingt  Kriegskonterbaude  sind,  zu 
vernichten,  und  plötzlich  ihre  Absicht  zu  verkünden,  in  die 
letzte  Kategorie  eine  Anzahl  von  Artikeln  selbst  unschuldiger 
Art  aufzunehmen,  und  nun  gar,  wenn  der  Handel  neutraler  Staaten 
einen  grossen  Umfang  hat.  Wir  sind  nicht  imstande,  zuzugeben,  dass 
Nr.  G  die. Beschlagnahme  von  Ladungen  oder  der  sie  enthaltenden  Schiffe,  dieser 
fast  bloss  aus  dem  Grunde,  weil  sie  derartige  Artikel  mit  sich  führen,  und 
ohne  Beweis  solcher  Bestimmung  im  internationalen  Recht  begründet 
ist,  und  Seiner  Majestät  Regierung  wird  demgemäss  es  für  ihre  Pflicht  halten, 
Nr.  4  die  Schadensersatzansprüche  entschieden  zu  unterstützen,  welche  von  britischen 
Staatsangehörigen  geltend  gemacht  werden,  deren  Interessen  durch  die  An- 
wendung dieser  Regeln  beeinträchtigt  worden  sind.  .  .  . 
Nr.  1—3  Wir  können  jedenfalls  nicht  zugeben,   dass   das  Recht,    Vor- 

sichtsraassregeln  zu  ergreifen,  um  zu  verhindern,  dass  ein  Feind 
Zufuhren  erhält,  das  weitere  Recht  des  betreffenden  Krieg- 
führenden in  sich  schliesst,  die  Artikel  zu  bestimmen,  die  er  in 
jeder  Entfernung  vom  Kriegsschauplatz  und  ohne  Beweis,  das.? 
die  in  Frage  stehenden  Zufuhren  wirklich  für  den  Gebrauch  der 
feindlichen  Streitkräfte  bestimmt  sind,  als  Kriegskonterbande 
ansieht". 


§  11.     Englische  Stcllungnalime   (japaiiiscli-russischer  Krieg  1904)         81 

Hardinge  an  Lansdowiie,  Petersburg,  16.  August  1904. 
Nr.  24.  Graf  Lamsdorff"^^)  erbittet  Zeit  auf  die  beiden  letzten 
Noten  vom  10.  August  und  verweist  auf  die  Entscheidungen  der 
Prisengerichtshüfe.  Hardinge  weist  dies  zurück,  weil  diese  Ge- 
richte gar  nicht  zuständig  seien,  und  die  Vorstellungen  sich  gegen 
die  Politik  der  Regierung  richten. 

„Ich    fügte   hinzu,    dass   es   kein   genügender   Grund   sei,    den    Nr.  1—3 
Handel   der  ganzen  Welt  mit  Rücksicht   auf  die  Kriegführenden   Nr.  g 
zu  verlegen,  weil  Russland   und  Japan   sich   entschlossen   haben, 
einander  zu  bekriegen". 

Lansdowne  an  Hardinge,  25.  August  1904.     Nr.  25; 
„Die  Bemerkungen,  welche  Sie  zum  Grafen  Lamsdorff  über  die  Pflichten 
der  Kriegführenden  gegen  den  neutralen  Handel  gemacht  haben,  waren  höchst 
angemessen". 

Note  von  Hardinge  an  Lansdowne  vom  27.  August  1904. 
Nr.  17  wiederholt  die  Bemerkung  aus  Nr.  24. 

Nr.  28.  Hardinge  an  Lansdowne,  8.  September  1904,  S.  19: 

„Ich  führte  Graf  Lamsdorff  gegenüber  aus,   dass  Lebensmittel,  Kohlen 
usw.  nur  als  Kriegskonterbande  behandelt  werden  dürfen,  wenn  sie  an  Streit- 
kräfte des  Feindes  adressiert  sind.  Ich  meine,  dass  in  einem  solchen  Falle,  wie  er 
ihn  erwähnte,  der  Kapitän  ganz  schlüssigen  Beweis  der  Bestimmung   Nr.  5 
der  A.rtikel  für  Heer  oder  Kriegsflotte  erbringen  müsste". 

Nr.  29.  Hardinge  an  Lansdowne,  18.  September  1904, 
S.  19.  Neue  Instruktionen  zur  Anwendung  von  Sektion  10  Artikel  6 
seien  erlassen,  danach  sei  Beschlagnahme  und  Einziehung  zulässig, 
wenn  die  Personen  im  Feindesland  Agenten  oder  Lieferanten  der 
See-  oder  Militärbehörden  sind. 

„In  Antwort  auf  meine  Bemerkung,  dass  die  Beweislast  in  solchem  Falle 
dem  Kaperer  obliege,  bemerkte  Graf  Lamsdorff  zustimmend,  dass  es  im 
Interesse  des  Eigentümers  läge,  den  Entlastungsbeweis  zu  führen". 

Nr.  33.     Hardinge  an  Lansdowne,    21.  Sept.  1904,   S.  21: 

„Ich  sagte  ihm  (Graf  Lamsdorff),  Seiner  Majestät  Regierung  könne  un- 
möglich zugeben,  dass  ein  Kriegführender  das  Recht  habe,  den  bri-   j^j.  ^_^ 
tischen  Handel   mit  einem   im  Kriege  befindlichen  Lande  zu  ver-    und  g 
tilgen,   wenn   dieser  Handel  friedlichen  Charakters  ist,   oder  dass 
Kohle  als  Konterbande  angesehen  wird,  gauz  unabhängig  davon,  ob  sie 
für  die  Streitkräfte  des  Feindes  bestimmt  ist". 

Nr.  34  S.  22.     Lansdowne   an   Hardinge,    30.  Sept.  1904: 

„Wenn  auch  Seiner  Majestät  Regierung  nicht  behauptet,    die  blosse  Tat- 
sache,   dass  der  Empfänger   eine  Privatperson    ist,    würde    ohne   weiteres   die 
Bendix,  Völkerrechtsverletzungen  6 


82       Viertes  Kapitel:   Unzulässigkeit  der  britischen  Seekriegsmassnahmen 

Kapenuig  ausschliesseii,  so  meint  sie  docli  andererseits,  dass  die  Einbringuii  g 
Nr.  6  von  Schiffen  zur  Aburteilung,  bloss  weil  ilire  Bestimmung  das 
Land  des  Feindes  ist,  Beunruhigung  verursachen  und  eine  un- 
gerechtfertigte Einmischung  in  den  neutralen  Handel  bedeuten 
würde. 

Um  ein  Schiff  solchem  Verfahren  zu  unterwerfen,  müssen  nach  Meinung 
Seiner  Majestät  Regierung  Umstände  vorliegen,  die  den  Verdacht  begründen, 
Nr.  5  dass  die  Vorräte  für  Eechnung  des  Feindes  gehen,  und  in  solchem  Falle  ist 
es  Sache  des  Kaperers,  zu  beweisen,  dass  die  Verdaclitsgründe  hinreichend 
sind,  und  die  Tatsache  der  Bestimmung  für  die  feindlichen  Streitkräfte  fest- 
zustellen, bevor  der  Versuch  gemacht  wird,  ihre  Verurteilung  herbeizuführen". 

Nr.  24  S.24.  Hardinge  an  Graf  Lamsdorff^o^),  9.  Okt.  1904: 

Nr.  1-3  »Die    neue    Lehre,     welche    in    vollständigem    Widerspruch 

zum  Völkerrecht  und  zur  Staatenpraxis  steht,  wie  sie  liurcir 
internationale  Übung  geheiligt  sind,  kann  unmöglich  von  Seiner 
Majestät  Regierung  anerkannt  werden,  dass  nämlich  Kohlen  und 
Feuerungsmaterial  jeder  Art,  unabhängig  von  ihrer  Bestimmung, 
Konterbande  seien,  und  dass  die  Beschlagnahme  von  Ladungen 
oder  der  sie  enthaltenden  Schiffe  deshalb  im  internationalen 
Recht  begründet  sei,  weil  sie  solche  Artikel  umfassen. 
Nr.  c  I'"'e  Exzellenz  wird  sicherlich  zugeben,  dass  die  Tatsache  des  Kriegs- 

zustandes zwischen  den  Regierungen  von  Russland  und  Japan 
für  sich  selbst  kein  genügender  Grund  ist,  um  den  friedlichen 
Handel  zwischen  Grossbritannien  und  Handelshäusern  in  Japan 
mit  einer  Strenge  zu  behandeln,  die  den  Handel  für  beide  ge- 
fährlich macht  und  sogar  verhindert". 

[Es  wird    dann  weiter   verlangt,    dass   Baumwolle   und   Kohle   auch    be- 
dingte Konterbande  werden.] 

c)  Der  Fall  des  englischen  Schiffes  Oldhamia  in  diesem  Kriege. 

Einige  Jahre  nach  Beendigung  des  russisch-japanischen  Krieges 
hat  dann  die  englische  Regierung  Gelegenheit  genommen,  zur 
prisengerichtlichen  Verurteilung  des  englischen  Schiffes  Oldhamia 
den  Standpunkt  des  neutralen  Staates,  wie  folgt,   zu  vertreten  ^*) : 


*")  Mise.  Nr.  1  (1912)  Cd.  6011.  England  ist  hier  gemeinschaftlicii  mit  den 
Vei einigten  Staaten  vorgegangen  und  hat  aus  deren  zeitlich  voraufgegangenen 
Noten  vieles,  insbesondere  Zitate,  übernommen  (vgl.  Papers  relating  to  the  Foreign 
Relations  of  the  United  States  1904,  S.3H2f.,  730  f.,  760— 777).  Bemerkenswert 
ist  die  lustruktion  vom  10.  Juni  1904,  S.  730,  1905,  S.742f.,  insbesondere  S.746. 
Auch  im  englischen  Parlament  ist  die  Frage  der  Konterbande  im  russisch-japa- 
nischen Krieg,  insbesondere  der  Behandlung  von  Lebensmitteln  als  solchen  im 
fciinne  des  Textes  zur  Sprache  gekommen  (The  Parlamentary  Debates  1904,  Bd.  189 
Sp.  269,  190Ö,  Bd.  141  Sp.  6  und  29).  Ebenso  die  Reden  Lansdownes  und 
Balfours  vom  12.  und  26   August  1904  bei  Smi  th-.':^i  bley   226  f. 


§  11.     Englische  Stellungnahme  (japanisch-russischer  Krieg  1904)        83 

Nr.  3  S.  15.  Edward  Grey^^^)  an  A.  Nicolson^^^),  Auswärtiges 
Amt,  den  4.  Januar  1910 : 

„Sehr  geehrter  Herr!  Seiner  Majestät  Eegierung  hat  Ihrer  Exzellenz 
Schreiben  vom  9.  Juni  des  vorigen  Jahres  in  Erwägung  gezogen,  das  eine 
Übersetzung  der  Entscheidung  des  höchsten  russischen  Prisengerichts  im  Falle 
des  Dampfschiffs  „Oldhamia"  enthielt,  welche  zu  dem  Ergebnis  gekommen 
ist,  dass  der  von  den  Eigentümern  des  Schiffs  und  den  Ladungseigentümern 
geltend  gemachte  Schadensersatzanspruch  deshalb  zurückzuweisen  sei,  weil 
die  Ladung  von  destilliertem  Petroleum  als  Kriegskonterbande  angesehen 
werden  muss,  da  nicht  genügend  bewiesen  sei,  dass  sie  für  friedliche  Zwecke 
bestimmt  sei. 

Seiner  Majestät  Regierung  kann  nur  ihren  entschiedenen  Wider- 
spruch gegen  die  Entscheidung  dieses  Falles  durch  das  höchste 
russische  Prisengericht  zum  Ausdruck  bringen.  In  modernen 
•  Zeiten  und  unter  Berücksichtigung  der  Bedingungen,  unter 
denen  gegenwärtig  Handel  betrieben  wird,  würde  eine  Ladung, 
wie  sie  von  der  „Oldhamia"  befördert  wurde,  von  einem  britischen 
Prisengericht  als  Kriegskonterbande  nicht  verurteilt  worden 
sein,  weil  der  Kaperer  den  Beweis  nicht  geführt  hat,  dass  das  Öl 
für  die  Eegierung  des  Staates  bestimmt  war,  mit  dem  unser  Land  in  dem  zu 
unterstellenden  Falle  im  Kriegszustand  sich  befindet,  oder  weil  es  an  Tat- 
sachen fehlte,  eine  solche  Vermutung  klar  zu  begründen. 

Seiner  Majestät  Regierung  wünscht  deshalb,  festzustellen,  dass  ihre 
Meinung  von  der  durch  das  russische  Gericht  erlassenen  Entscheidung  ab- 
weicht, und  ich  ersuche  Eure  Exzellenz,  einen  Ausdruck  ihrer  Ansichten  zur 
Sache  an  die  russische  Regierung  gelangen  zu  lassen  und  dieses  Schreiben 
Herrn  Iswolski^ic)  vorzulesen   und   eine  Abschrift  bei  ihm  zurückzulassen. 

Ich  bin  etc.  E.  G." 

Nr.  5  S.  17.  Edward  Grey  an  O'Beirne^^''),  Auswärtiges  Amt, 
den  22.  August  1910: 

„In  Anbetracht  aller  dieser  Erwägungen  kann  Seiner  Majestät  Regierung 
zu  keinem  anderen  Schlüsse  kommen,  als  dazu,  dass  die  Ansicht  des  höchsten 
Gerichts,  nach  der  die  Ladung  der  „Oldhamia"  für  Kriegskonterbande  zu 
halten  ist,  in  deutlichem  Gegensatz  steht  zu  dem  Gewicht  des  Be- 
weismaterials,  das  im  Laufe  der  Verhandlungen  beigebracht  worden  ist. 

Aber  selbst  unterstellt  einmal,  dass  die  in  Frage  kommende  Verschiffung 
Konterbandecharakter  haben  könnte,  was  Seiner  Majestät  Regierung  aus  den 
schon  dargelegten  Gründen  nicht  zugeben  kann,  so  müsste  schliesslich  doch 
festgestellt  werden,  dass  sie  für  den  Gebrauch  der  feindlichen  Streitkräfte 
bestimmt  ist.   und   in  dieser  Beziehung   ist   tatsächlich   keine  Spur 


91  a)  Englischer  Minister  des  Auswärtigen. 
91b)  Englischer  Gesandter  in  Petersburg. 
91  c)  Russischer  Minister  des  Auswärtigen. 
91  d;  Nachfolger  von  Nicolson  (siehe  Anm.  91b). 


84       Viertes  Kapitel:  T^nzulässigtccit  der  britischen  Seckriegsmassnahmen 

eines  Beweises  vor  dem  russischen  Priseiigericht  beigebracht 
Avorden.  Aus  allen  diesen  (! runden  hält  sich  deshalb  Seiner  Majestät  Re- 
gierung für  berechtigt,  zu  behaupten,  dass  die  Verurteilung  der  „Uldhamia'" 
in  keiner  Weise  gerechtfertigt  werden  kann,  und  hofft  ernstlich,  dass  die 
Kaiserliche  Regierung  in  eine  erneute  Prüfung  eintreten,  diese  Ansicht  an- 
nehmen und  den  Eigentümern  angemessenen  Ersatz  für  den  ernsten  Verlust 
zubilligen  wird,  den  sie  durch  die  Zerstörung  ihres  Schiffes  erlitten  haben". 
[Gegebenen  Falles  wird  schiedsgerichtliche  Entscheidung  des  Schiedshofes 
im  Haag  vorgeschlagen.] 

S.  17.   Auswärtiges  Amt  an  die  Herren  Siveweight,  Bacon  &  Co. 
(die  Hauptbeteiligten),  den  27.  August  1910: 

„Sie  (die  von  uns  der  russischen  Regierung  auseinandergesetzten  Gründe) 
haben  dargelegt,  dass  der  Spruch  des  Gerichts,  soweit  er  sich  auf  den  Konter- 
bandecharakter des  an  Bord  des  Schiffes  befindlichen  Petroleums  bezieht,  im 
Gegensatz  steht  zu  dem  Gewicht  des  Beweismaterials,  und  dass  es  nur  für 
Beleuchtungs-,  nicht  aber  für  Feuerungszwecke  hat  benutzt  werden  können, 
und  dass,  selbst  bei  Brauchbarkeit  für  den  letztgenannten  Zweck,  nicht  be- 
wiesen sei,  dass  es  für  die  feindlichen  Streitkräfte  bestimmt  war". 

Die  Regierung  Englands  in  ihrer  Instruktion  vom  10.  August 
1904  sprach  ihre  kategorische  Weigerung  aus, 

„einem  Vertrage,  einer  Vereinbarung  oder  Erklärung  irgend- 
welcher Art  zuzustimmen,  welche  die  Anerkennung  der  Kohle 
als  Konterbande  einsehliessen  würde". 

d)    Der  Standpunkt   der  englischen  Regierung    bei   den  Verhandlungen   über  die 
Ratifikation  der   Londoner  Deklaration   mit  den   ihr  widerstrebenden   englischen 

Handelskammern. 

Schliesslich  hat  die  englische  Regierung,  als  sie  die  Londoner 
Deklaration  gegen  die  heftigen  Angriffe  im  eigenen  Lande  zu 
verteidigen  hatte,  zur  Begründung  ihres  Standpunktes  für  die 
Ratifikation  der  Deklaration  eine  Reihe  von  allgemeinen  Gründen 
geltend  gemacht,  die  mit  den  jetzt  von  den  Neutralen  angeführten 
Argumenten  im  wesentlichen  übereinstimmen  und  mit  diesen  die 
Unzulässigkeit  der  jetzt  durchgeführten  Kriegsmassnahmen  ohne 
weiteres  ergeben.    Die  betreffenden  Stellen  lauten  wie  folgt  ^-'): 


»')  Mise.  Nr.  4  (1910)  Cd.  5418.  (Siehe  die  Fortsetzung  Mise.  Nr.  8  (1911) 
Cd  5718.  Vgl.  auch  Mise.  Nr.  4  (1909)  Cd.  45.Ö4  und  Beckenkamp  §  14  und 
andere  Stellen).  Nachdem  in  S.  22  Nr.  7  ausgeführt  worden  ist.  dass  die  Haupt- 
aufgabe sei,  die  Meinungen  und  Auslegungen  des  anerkannten  Völkerrechts  mit- 
einander in  Einklang  zu  bringen,  weil  die  meisten  der  geltenden  Regeln  aus 
einer  Zeit  der  Segelschiffahrt  stammen ,  als  Verbindungen  durch  elektrisclie 
Telegraphen  noch  unbekannt  waren,  und  weil  einander  widersprechende  Regeln 


§  11.     Englische  Stellungnahme  (Londoner  Deklaration)  85 

Nr.  1.     Vorstellungen    der    Glasgower    Handelskammer    vom 

10.  August  1910  an  Sir  Edward  Grey. 

Nr.  2.     Antwort   des   Foreign   Oflice   vom    13.  Oktober   1910 

verteidigt  die  Deklaration  gegen  alle  Angritfe : 

[Absatz  6]  „Sir  Edward  Grey  wäre  in  der  Tat  froh  gewesen,  wenn  er 
eine  ausgedehntere  Liste  von  Gütern  hätte  erlangen  können,  die  nicht  als 
Konterbande  erklärt  werden  durften,  aber  er  meint,  die  Kammer  wird  mit 
ihm  darin  übereinstimmen,  dass  es  für  die  Neutralen  von  grossem  Vorteil  ist, 
wenn  sie  unter  der  Ägide  einer  internationalen  Vereinbarung  es 
ohne  Gefahr  unternehmen  können,  nicht  nur  Haushaltuugs- 
gegenstände  und  Naturprodukte,  sondern  auch  die  Rohmateria- 
lien der  Grossindustrie  zu  befördern.  Es  sei  zu  erinnern,  dass  einige 
Mächte  bisher  das  Recht  beansprucht  und  angewandt  haben,  einen  für  Kriegs- 
zwecke verwendbaren  Artikel  als  bedingte  Konterbande  zu  erklären,  dass 
während  des  russisch-japanischen  Krieges  Wolle  von  den  Russen  tatsächlich 
auf  die  Liste  der  Gegenstände  absoluter  Konterbande  gesetzt  worden  ist. 

[8]  Die  von  der  Londoner  Deklaration  aufgestellte  Regel,  dass  Lebens- 
mittel nur  Konterbandecharakter  erlangen,  wenn  bewiesen 
wird,  dass  sie  für  die  Streitkräfte  oder  eine  Regierungsstelle 
des  feindlichen  Staates  bestimmt  sind,  ist  keine  Neuerung  im 
geltenden   Völkerrecht.      Lebensmittel,    die   unter   Umständen   verschifft 

,  werden,  die  es  wahrscheinlich  machen,  dass  sie  für  die  Streitkräfte  eines 
Kriegführenden  bestimmt  sind,  sind  vor  den  britischen  Prisengerichten,  wie 
denen  anderer  Länder,  stets  als  Konterbande  behandelt  worden,  während 
einige  unter  den  Grossmächten,  bekanntlich  Frankreich.  Deutschland.  Öster- 
reich und  Russland,  sogar  behauptet  haben,  dass  Lebensmittel  für  absolute 
Konterbande  erklärt  und  deshalb  der  Kaperung  unterworfen  werden  können, 
wenn  sie  nur  für  die  friedlichen  Bewohner  des  feindlichen  Landes  bestimmt 
sind.  Dies  ist  ein  Streit,  dem  sich  die  britischen  Regierungen  in 
modernen  Zeiten  ständig  widersetzt  haben,  weil  er  dem  wahren 
Geiste  internationalen  Rechts  widerspricht,  und  seine  endgültige  Auf- 
gabe durch  alle  Signatarmächte  der  Londoner  Deklaration  ist 
nach  Meinung  Seiner  Majestät  Regierung  einer  der  vielen  durch 
dieses  Instrument  gesicherten  Vorteile". 


praktisch  bedeutungslos  und  unanwendbar  werden,  heisst  es  w^eiter;  ,Nach 
Meinung  Seiner  Majestät  Regierung  wird  in  solchen  Fällen  gefunden  werden, 
dass  durch  Rückgang  auf  die  obersten  Grundsätze  oft  eine  Verstän- 
digung erzielt  werden  kann,  wenn  unter  dem  Druck  der  sich  vereinigenden  Rich- 
tungen, die  überall  am  "Werke  sind,  um  die  Bedingungen  gleich  zu  machen, 
unter  denen  das  hochentwickelte  System  des  modernen  Seehandels 
und  Verkehrs  im  Gange  ist,  der  Widerstand  früherer  Lehren  sich 
als  unbegründet  herausgestellt  hat,  und  die  Uneinigkeit  einer 
durch  Interessen  und  Uebung  geschaffenen  Einheit  weicht". 


86        Viertes  Kapitel:  Unzniässigkeit  der  britischen  Seekriegsmassnahinen 

Ebenso  Nr.  6  Absatz  6  S.  18  in  dem  Schreiben  des  Foreign 
Office  an  die  Leith  Ship  owners  Society: 

S.  6  Nr;  14:  „Demnach  ist  die  Wirkung  des  Artikels  34  im  kurzen  nur, 
die  Beweislast  in  den  namentlich  angegebenen  Fällen  von  dem 
Kaperer  auf  die  Eigentümer  der  gekaperten  Güter  abzuwälzen".. 

Ebenso  Nr.  9  der  zweiten  Erwiderung  vom  26.  November  1910 
S.  12  und  Absatz  7  des  Schreibens  vom  4.  November  1910  S.  18: 

Absatz  8:  „.  .  .  Es  ist  zu  beachten,  dass  unter  den  geltenden  britischen 
Prisenregeln  die  Beweislast  dem  Kläger  in  allen  Fällen  qbliegt,  in 
denen  weiterer  Beweis  angeordnet  ist.  Ohne  eine  solche  Anordnung 
ist  überhaupt  für  keine  Partei  ein  weiterer  Beweis  zugelassen,  ausser  dem 
der  Schiffspapiere  und  der  Bekundungen  der  Schiffsoffiziere  und  -mannschaften. 
In  dieser  Hinsicht  bewirkt  deshalb  auch  die  Deklaration  dadurch  eine 
Verbesserung  der  Bedingungen  der  neutralen  Schiffahrt,  dass  sie  als  eine 
allgemeine  Regel  die  Beweislast  dem  Kaperer  auferlegt".  (Ver- 
gleiche oben  S.  44  f.) 

S.  21.  Foreign  Office  an  Edinburger  Handelskammer,  9.  No- 
vember 1910): 

A.  Wenn  die  Londoner  Deklaration  nicht  ratifiziert  wird,  gilt  folgendes: 
„Beispiele   sind    in   jüngeren   Jahren   vorgekommen,   dass   ein    mächtiger 

Kriegführender  mit  Zustimmung  anderer  Grossmächte  Lebensmittelzufuhren 
für  absolute  Konterbande  erklärte ;  und  solche  Beispiele  können  sich  unter 
gegenwärtigen  Bedingungen  in  Kriegszeiten  jeden  Augenblick  wiederholen". 

B.  Wenn  die  Deklaration  ratifiziert  ist: 

„Lebensmittelzufuhren  können  niemals  wieder  für  absolute  Konterbande 
erklärt  werden". 

Foreign  Office  an  Naval  League  (Bristol  Brauch)  25.  November 
1910,  welche  die  Ratifikation  der  Londoner  Deklaration  bekämpft, 
weil   diese   der  Sicherheit  der   englischen  Lebensmittelzufuhr  und 
dem  Rohmaterial  unserer  Industrien  in  Kriegszeiten  feindlich  sei : 
S.  23:    „Sie  (die  Deklaration  in  bezug  auf  Lebensmittel  und  Feuerungs- 
uiaterial)    setzt  der   bisher   von   mehreren   bedeutenden  Seestaaten 
in  Anspruch  genommenen  Praxis  ein  Ende,   nach  der   es  eine  gesetz- 
mässige   Kriegführung   sein   soll,   als   Konterbande   Lebensmittel   und 
Feuerungsmaterial  zu  behandeln,  die  für  die  gewöhnliche  Zivil- 
bevölkerung des  feindlichen  Staates  bestimmt  sind". 

e)  Rechtliche  Würdigung. 

In  der  englisch-russischen  Auseinandersetzung  macht  Gross- 
britannien unter  Übernahme  des  Hinweises  aus  der  amerikanischen 
Note  (s.  Anm.  Ol)  gelegentlich  geltend,  dass  Russland  selbst  bei 


§  11.     Englische  Stellungnahme  (Rechtliche  Würdigung)  87 

einer  früheren  Gelegenheit  im  Jahre  1884  den  gleichen  Standpunkt 
vertreten  habe,  wie  jetzt  England,  und  erhält  zur  Antwort,  dass 
Russland  mit  Rücksicht  auf  veränderte  Umstände  seine  Meinung 
geändert  habe.  Ähnlich  könnte  und  wird  hier  Grossbritannien 
jetzt  argumentieren.  Dem  steht  freilich  entgegen,  dass  Gross- 
britannien selbst  die  Lehren  aus  dem  russisch-japanischen  Krieg 
auf  den  Haager  Konferenzen  hat  verwirklichen  wollen  und  zum 
Teil  auch  verwirklicht  hat,  was  auszuführen  nicht  hierher  ge- 
hört''^).  Dagegen  ist  entscheidend,  dass  in  der  Zeit  von  1904  und 
nun  gar  von  1910  bis  1914  wirkliche  oder  richtiger  grundlegende 
Veränderungen  der  Welthandelsverhältnisse  nicht  gut  behauptet 
werden  können,  dass  aber  in  der  ersten  Zeitspanne  von  1904  bis 
1914  die  Haager  Abkommen  von  1907  und  die  Londoner  Dekla-, 
ration  von  1909  abgeschlossen  worden  sind  und  in  den  von  ihnen 
geregelten  Gegenständen  die  völkerrechtlichen  Beziehungen  der 
kriegführenden  zu  den  neutralen  Staaten  in  bestimmter  Weise 
völkerrechtlich  geordnet  haben.  Diese  vertragliche  Ordnung  kann 
nicht  einseitig  aufgehoben  oder  geändert  werden.  Auch  dies  ist 
bereits  in  dem  Annex  ^*)  zum  Londoner  Protokoll  vom  17.  Januar 
1871  betreffend  die  Abänderung  des  Pariser  Vertrages  vom 
30.  März  1856  anerkannt  worden.     Er  lautet: 

„Die  Bevollmächtigten  des  Norddeutschen  Bundes,  Österreich-Ungarns, 
Grossbritanniens,  Italiens,  Russlands  und  der  Türkei  erkennen,  in  der  heutigen 
Konferenz  vereinigt,  an,  dass  nach  einem  wichtigen  Grundsatz  des 
Völkerrechts  keine  Macht  sich  den  Verpflichtungen  eines  Ver- 
trages entziehen  oder  die  getroffenen  Abmachungen  ändern 
kann,  wenn  sie  nicht  durch  freundschaftliche  Verständigung 
die  Zustimmung  der  Vertragsparteien  erlangt". 

Wenn  sich  also  in  der  Zeit  von  1904  und  1910  bis  zu  den 
Kriegsmassnahmen  Grossbritanniens  während  des  jetzigen  Krieges 
etwas  geändert  hat,  so  ist  das  nicht  die  Rechtslage,  son- 
dern das  Interesse  gewesen.  Bei  einem  Widerspruch  beider 
entscheidet  über  die  Rechtmässigkeit  natürlich  nicht  das  einseitige 


"»)  Vgl.  Westlake,  International  Law,  Part  II  p.  320. 

«*)  Staatsarchiv  Bd.  20  S.  190.  Vgl.  dazu  Bruno  Schmidt  43,  93.  109  f. 
136,  ,,immer  nur  der  verpflichtete  Partner  ...  ist  es  gewesen,  der  sich  auf 
die  Umgestaltung  der  Verhältnisse  berufen  und  aus  ihr  das  Erlöschen  seiner 
Verbindlichkeit  hergeleitet  hat ;  dagegen  zeigt  sich  auf  der  andern  Seite  immer 
das  Bild,  dass  der  Richtigkeit  dieser  Argumentation  scharf  widersprochen,  der 
juristische  Fortbestand  des  Traktats  energisch  verfochten  wird"  (S.  54). 


88        Viertes  Kaititel:  Unzulässigkeit  der  britischen  Seeki'icgsmassnahmen 

Interesse  einer  Kriegspartei,  sondern  die  vun  ihr  selbst  in  früheren 
Fällen  vertretene  RecUtslag'e,  so  dass  die  Massnahmen,  welche 
allein  dem  Interesse  des  Kriegführenden  ihre  Entstelning  verdanken 
und  nur  insoweit  Verletzungen  des  Völkerrechts  sind,  als  sie  der 
anerkannten  Rechtslage  widersprechen.  Die  mit  merkwürdiger 
Bestimmtheit,  leidenschaftlicher  Sicherheit  und  Selbstverständlich- 
keit vorgetragenen  Ausführungen  zur  Verteidigung  der  britischen 
Kriegsmassnahraen  müssen  doch  befremdlich  ersclieinen,  wenn  sie 
aus  den  eigenen  Darlegungen  der  englischen  Regierung 
zu  gleichartigen  Massnahmen  der  russischen  Regierung 
als  völkerrechtswidrig  sich  ergeben.  Das  England,  das  sich 
im  Jahre  1904  mit  aller  Entschiedenheit  grundsätzlich  gegen  den 
^Standpunkt  der  russischen  Regierung  wendet,  dass  es  Sache  und 
Recht  des  kriegführenden  Staates  sei,  nach  seinem  Interesse  zu 
bestimmen,  welche  Gegenstände  er  als  Konterbande  behandeln 
wolle,  und  dass  er  deshalb  die  völkerrechtlich  anerkannte  Unter- 
scheidung von  absoluter  und  relativer  Konterbande  nicht  zu  be- 
achten brauche,  das  England,  das  demgemäss  die  betreffenden  Be- 
stimmungen der  Londoner  Deklaration  den  nach  seiner  Meinung 
bereits  bestehenden  Rechtszustand  festlegen  lässt,  nimmt  den 
selbst  verworfenen  »ussischen  Standpunkt  an  und  erklärt  am 
13.  April  1916  9^): 

»*)  Mise.  Nr.  12  (1916)  Cd.  8226. 

Es  gibt  auch  Engländer,  die  während  des  Kriegs  die  Völkerrechtswidrig- 
keit vieler  Kriegsmassnahraen  ihrer  Regierung  erkennen  und.  mehr  oder  weniger 
vorsichtig,  auch  aussprechen.  Vgl.  insbesondere  das  in  dieser  Beziehung  sehr 
beachtenswerte  Buch  der  Grotius  Society  S.  21  (C.  Stubbs:  Verhinderung  der 
Lebensmittelzufuhr  für  die  Zivilbevölkerung  ist  niemals  anerkannt  worden), 
S.  39  und  48  (Lawrence  und  Carter:  In  allen  grossen  Kriegen  eine  Tendenz 
auf  seitein  der  Kriegführenden,  die  Rechte  der  Neutralen  zu  missachten  und  zu 
verringern,  wenn  ihre  eigenen  Kriegsziele  dadurch  betroffen  und  beschränkt 
werden.  Keine  Seite  ist  ohne  Tadel!  Ein  Verbot  des  Handels  zwischen 
Neutralen  in  Gütern,  die  nicht  Konterbande  sind,  ist  ein  Bruch 
des  Völkerrechts),  S.  98  (Macdonell:  Beide  —  Order  in  Council  vom 
11.  März  1915  und  die  französische  gleichen  Inhalts  vom  12.  März  191ö  —  sind 
offensichtlich  nicht  im  Einklang  mit  den  Regeln  des  internationalen  Rechts). 
Siehe  auch  dort  S.  34. 

Siehe  auch  die  Bemerkung  Batys  in  American  Journal,  52  zur  Order  in 
Council  vom  11.  März  1915:  „Wenn  die  Vorschriften  etwas  bedeuten,  so  be- 
deuten sie,  dass  feindliche  Güter  nicht  mehr  sicher  auf  ein  neutrales  Schiff  ge- 
laden werden  können.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  sie  requiriert  oder  beschlag- 
nahmt werden,  und  dass  dafür  wälirend  der  Kriegsdauer  kein  Entgelt  gezahlt 
werden  wird.  So  folgt  die  Pariser  Deklaration  der  Londoner  Dekla- 
ration in  den  Orkus  der  Vergangenheit,  und  die  neutrale  Flagge 
deckt  nicht  länger  feindliches  Gut". 


§  11.     Englisclio  Stellungnalime  (Rechtliche  Würdigung)  89 

„Die  Umstände  des  gegenwärtigen  Krieges  sind  so  besonderer 
Art,  das3  Seiner  Majestät  Regierung  meint,  für  praktische 
Zwecke  habe  die  Unterscheidung  zwischen  den  beiden  Klassen 
von  Konterbande  keinen  Wert  mehr.  Ein  so  grosser  Teil  der  Ein- 
wohner des  feindlichen  Landes  ist  mittelbar  oder  unmittelbar  am  Kriege  be- 
teiligt, dass  die  bewaffnete  Macht  und  die  Zivilbevölkerung  in  Wirklichkeit 
jetzt  nicht  mehr  unterschieden  werden  können.  In  ähnlicher  Weise  führt  die 
feindliche  Regierung  auf  Grund  einer  Reihe  von  Erlassen  und  Verordnungen 
die  Aufsicht  über  so  gut  wie  alle  Artikel  aus  der  Liste  von  Gegenständen 
bedingter  Konterbande,  so  da.ss  sie  jetzt  für  Regierungszwecke  verfügbar 
sind.  Solange  dieser  ausserordentliche  Zustand  fortdauert,  gilt  das  gleiche 
für  unsere  Kiiegführungsrechte  in  bezug  auf  die  beiden  Arten  von  Konter- 
bande, und  beide  müssen  gleichmässig  behandelt  werden". 


,.Lord  Crewes  Erklärung  vom  21.  Dezember  1915,  die  Order  bedeute  nur, 
dass  in  Gemässheit  der  anerkannten  Grundsätze  des  internationalen  Rechts  jede 
denkbare  Anstrengung  gemacht  würde,  ein  Gut  zu  verhindern,  sei  es  nach 
Deutschland  herein  oder  aus  ihm  herauszukommen,  und  sicherlich  könne  niemand 
sich  vorstellen,  dass  Herr  Asquith,  wenn  er  sagte.  Güter  aller  Art  würden 
von  Deutschland  ausgeschlossen,  alle  anerkannten  Regeln  des  internationalen 
Rechts  in  Fetzen  reissen  AvoUte,  diese  Erklärung  von  Lord  Crewe  kann  bei 
aller  Achtung  nur  Verwunderung  hervorrufen.  .  .  .  Wenn  die  Order  nur  als  eine 
nachdrückliche  Bestätigung  des  gemeinen  Rechts  gewollt  war,  ist  sicherlich 
nicht  damit  gerechnet  Avorden,  dass  sie  auch  so  ausgelegt  werden 
würde". 

Im  gleichen  Geiste  heisst  es  S.  374  des  in  Anm.  28  genannten  Werkes, 
nachdem  ausgeführt  ist,  dass  der  Handel  mit  holländischen  Häfen  immer  der 
Annahme  feindlicher  Bestimmung  unterworfen  sein  kann,  und  holländische  Schiffe, 
die  das  unschuldigste  Kargo  nach  ihren  eigenen  Häfen  tragen,  der  Konfiskation 
ausgesetzt  seien,  wenn  von  einem  energischen  Prisenrichter  die  Annahme  als 
bewiesen  angesehen  werde:  „  Jede  Gewissheit  und  Sicherheit  ist  dahin*. 
Dies  mag  f  ür  Grossbritanuien  Inder  unmittelbaren  Gegenwart  zu- 
träglich sein.  Es  ist  nur  unsere  Pflicht,  daraufhinzuweisen,  dass  es  weit 
über  das  hinausgeht,  was  Neutrale  in  vergangenen  Zeiten  sich 
haben  gefallen  lassen;  und  mag  sie  vielleicht  in  die  Arme  eines 
Kriegführenden  treiben.  ...  Nachdem  einmal  die  objektiven  Merk- 
male aufgegeben  Avorden  sind,  gibt  es  keinen  Avirklichen  Schutz 
für  Neutrale  mehr'". 

Dagegen  siehe  den  unbedingten  Parteigänger  der  englischen  Regierung, 
den  Late  Chief  justice  of  Hongkong  Sir  Francis  Piggott,  der  S.  46  seines 
Buches  erklärt:  „Aber  in  der  höchsten  Entfaltung  der  Seemacht,  als  Blockade 
bekannt,  erlangt  nach  unserer  Meinung  unvermeidlich  das  Recht  des  Krieg- 
führenden die  Oberhand,  und  das  Recht  des  Neutralen  verschwindet",  und  hier- 
bei zur  Begründung  auf  die  französischen  Sprichwörter  verweist:  ,Wer  die 
ZAvecke  will,  muss  auch  die  Mittel  wollen"  und  „Wer  alles  kann,  kann  gar 
nichts",  und  schliesslich  S.  98  mit  dem  Satze  ,.Es  wird  vermutet,  dass  alles 
ordnungsmässig  geschieht"  jede  Kritik  für  unzulässig  erklärt.  Einen  ähnlichen 
Standpunkt  vertritt  Pyke,  der  die  neuere  Praxis  Englands  als  solche  ohne 
rechtliche  Nachprüfung  für  rechtmässig  hält  und  die  frühere  Uebung  ohne 
weiteres  als  veraltet  hinstellt,  L.  A.  Atherley  Jones  87  und  Phillimore  in 
Three  Genturies  120  f.,  169  f.,  wie  Piggott  ein  früherer  hober  richterlicher 
Beamter  (Lord  justice  of  appeal). 


90        Füiil'tcs   Kapitel:    Uiiziilässiokcit  britischer  Laiiil'kriegsriiassnalinicii 

Fünftes  Kapitel 

Die  Unzulässigkeit  britischer  Landkriegsmassnahmen 
in  englischer  Beleuchtung. 

„Keine  Kriegsandrohung  würde  in  l'rühereu  Zeiten  Gross- 
britannien  dahin  gebracht  haben ,  den  «Schutz  (her  asylum) 
politischer  Flüchtlinge  aufzugeben". 

Phillimore,  Three  centuries,  174. 

Schon  oben  S.  24  if.  sind  die  Angriffe  auf  das  feindliche 
Privateigentum  als  Verletzungen  der  vertraglichen  Verpflichtungen 
des  Artikels  23  h  der  Landkriegsordnung  dargetan.  Nicht  minder 
völkerrechtswidrig  sind  die  Angriffe  auf  die  persönliche  Freiheit 
der  bei  Kriegsausbruch  im  Lande  befindlichen  Feinde"'^)  oder  der 
auf  neutralen  Schiffen  reisenden  feindlichen  Reservisten^^).  Hierauf 
soll  aber  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  eingegangen  werden,  es 
mögen  hier  die  aus  den  Anmerkungen  ersichtlichen  Verweisungen 
genügen.  Jedoch  verdient  eine  britische  Landkriegsmassnahme 
besondere  Aufmerksamkeit,  weil  sie  einen  noch  nicht  dagewesenen, 
vor  Kriegsausbruch  von  jedem  Engländer  und  Nichtengländer  für 
unmöglich   gehaltenen  Bruch  mit  den  besten,  ja  heiligsten  Über- 


0«)  Siehe  Spaight  S.  28,  Pillet  S.  80,  Phillipson,  Effect  30,  Satow 
S.  1,  Eysinga  S.  108,  Borchard  S.  113  Anm.  1,  Huberich  S.  83  und  die  all- 
gemeinen, hier  stets  als  bekannt  vorausgesetzten  Werke  über  Völkerrecht;  siehe 
auch  die  nächste  Anmerkung. 

")  Notice  des  Foreign  Office  vom  1.  November  1914  (London  Gazette  of 
Nov.  3rd,  1914,  bei  Pullin g,  Supplement  Nr.  2  S.  122):  „In  Anbetracht  des 
Verhaltens  .der  deutschen  Streitkräfte  in  Belgien  und  Frankreich,  alle  militär- 
pflichtigen Personen  als  Kriegsgefangene  zu  entfernen,  hat  Seiner  Majestät 
Eegierung  Anweisung  gegeben,  alle  feindlichen  Reservisten  auf  neutralen 
Schiffen  zu  Kriegsgefangenen  zu  machen".  Uehereinstimmend  italienische 
Prisenregeln  vom  15.  Juli  191ö  Nr.  8.  Mise,  Nr.  18  (1915)  Cd.  8104  Nach  der  öster- 
reichischen Sammlung  von  Nachweisen  über  Völkerrechtsverletzungen,  abge- 
schlossen am  31.  Januar  1915  Band  I  S.  13,  Brief  vom  27.  Oktober  1914  (!)  des 
österreichischen  Gesandten  in  Japan  an  Graf  Berchtold,  wurden  schon  im 
Oktober  1914  Reservisten  auf  neutralen  Schiffen  angehalten,  so  dass  die  Instruktion 
vom  I.November  1914  wohl  nur  eine  etwas  verspätete  Rechtfertigung  früher  an- 
gewandter Massnahmen  darstellt.  Diese  selbst  werden  in  allgemeiner  Ueberein- 
stimmung  für  unzulässig  erklärt.  Siehe  Holland,  Letters  S.  67  und  Manual 
Nr.50,  Lushington  Nr.  164,  Phillipson  S.  369,  Baty  S.  391,  Overzicht  Juli 
1914  bis  Oktober  1915  S.  26,  Recueil  133,  Pohl,  England  S.  35ff.,  Prize  Gases 
S.350  und  Bernard  S.  197,  216,  223.  Grundsätzlich  anerkannt  im  Falle  Friend- 
ship  bei  Robinson,  Reports  and  Cases.  Bd.  6  S.  428-  und  ebendort  S.  434  im 
Falle  Orozembo;  hierzu  Lushington  Nr.  190  S.  39  f.,  Hall  131,  im  Falle 
Nigretia   bei  Takahashi  S.  639  (vgl.  Aeusserungen,  28)  und  Marstrand  462, 


§  12.     Hei-aiizieliung  russischer  Staatsangehöriger  zum  Heeresdienst      91 

lieferungen    des    englischen    Staatslebens    darstellt.      Es    ist    die 
Heranziehung  russischer  Flüchtlinge  zum  englischen  Heeresdienst. 
Es   heisst   in   Nr.  37  S.  390    Regulations   pp.    („Aliens  Act", 
1905,  Cd.  2879): 

„Die  Vorschrift  des  Gesetzes  ist  weiter  bemerkenswert,  dass  dem  Ein- 
wanderer der  Aufenthalt  an  Land  wegen  Mittellosigkeit  oder  der  Wahrschein- 
lichkeit, dass  er  der  Armenpflege  zur  Last  fällt,  nicht  verweigert  wird,  wenn 
er  beweist,  dass  er  in  diesem  Lande  nur  Zuflucht  sucht,  um  einer  Verfolgung 
oder  Bestrafung  aus  religiösen  oder  politischen  Gründen  oder  wegen  eines 
Vergehens  von  politischem  Charakter  oder  einer  Verfolgung  auf  Grund  reli- 
giösen Glaubens  zu  entgehen,  bei  der  Freiheits-  oder  Todesstrafe  angedroht  ist". 

§  12 

Die   cng:lisclieii  Cresctzc   über   die  Heraiizieliung  russisclier 
Staatsaiigeliöriger  zum  englischen  Heeresdienst. 

Im  Widerspruch  mit  diesem  altüberlieferten  Grundsatz  steht 
eine  Vereinbarung^**),  geschlossen  zwischen  Seiner  Majestät  Re- 
gierung und  der  provisorischen  Regierung  von  Russland,  betreffend 
die  gegenseitige  Wehrpflicht  der  britischen,  in  Russland  wohnen- 
den, und  der  russischen,  in  Grossbritannien  wohnenden  Staats- 
angehörigen : 

Auf  Befehl  Seiner  Majestät  beiden  Häusern  des  Parlaments  in  Verfolg 
des  Gesetzes  7  &  8  Geo.  5  Ch.  am  26.  Juli  1917  vorgelegt. 

Die  Kegierung  Ihrer  Britannischen  Majestät  und  die  Provisorische  Re- 
gierung Russlands,  davon  überzeugt,  dass  es  zum  Zwecke  der  besten  Fort- 
setzung des  gegenwärtigen  Krieges  im  Interesse  ihrer  Länder  liegt,  wenn 
die  britischen  Staatsangehörigen,  die  in  Russland  wohnen,  ebenso,  wie  die 
russischen,  die  in  Grossbritannien  wohnen,  in  ihr  betreffendes  Land  zurück- 
kehren, um  ihre  Militärpflicht  in  dem  Heeresverbande  ihres  Landes  zu  er- 
füllen oder  auch  sich  in  dem  Heere  des  Landes  ihres  Wohnsitzes  einschreiben 
lassen,  haben  die  folgende  Vereinbarung  abgeschlossen : 

1.  Die  Regierung  Ihrer  Britannischen  Majestät  und  die  Provisorische 
Regierung  Russlands  werden  gegenseitig  ihre  betreffenden  Staatsangehörigen, 


®*)  Mise.  11  (1917)  Cd.  8588.  Ich  bringe  dieses  und  die  folgenden  Stücke 
im  Wortlaut,  um  einen  Eindruck  von  der  sehr  charakteristischen  englischen 
Gesetzestechnik  zu  vermitteln  und  zu  veranschaulichen,  in  wie  peinlicher  Weise 
die  Rechtskreise  von  Individuum  und  Staat  als  zwei  sich  zum  mindesten 
gleichberechtigt  gegenüberstehende  Parteien  gegeneinander  abge- 
grenzt werden,  wenn  nicht  gar  angenommen  wird,  dass  eine  gewisse  üeber- 
ordnung  des  Individuums  über  den  Staat  (der  Staat  im  Dienste  des  Individuums, 
nicht  umgekehrt,  wie  wir  es  kennen  (!),  als  selbstverständliche  gefühlsmässige 
Grundlage  in  den  wiedergegebenen  Regelungen  erkennbar  wird.    (Vgl.  §  17.) 


92        Fünftes  Kapitel:  l'nzulässigkeit  britischer  Liindkriegsmassnahmen 

die  in  ßussland  und  Grossbritannicn  wohnen  und  zu  den  in  ihrem  Vaterland 
zu  den  Fahnen  gerufenen  Altersklassen  gehören,  verpflichten,  sich  in  ihr  be- 
treffendes Land  zu  begeben. 

2.  Die  Regierung  Ihrer  Britannischen  Majestät  übernimmt  es,  soweit 
möglich  im  Laufe  des  Sommers  1917  die  Beförderung  der  bezeichneten  Per- 
sonen auf  dem  Seewege  zu  bewirken. 

'S.  Diejenigen  dieser  Personen,  die  sich  nach  ordnungsmässiger  Benach- 
richtigung weigern,  in  ihr  Vaterland  auf  eigene  Kosten  oder  unter  Benutzung 
des  in  Artikel  2  dieser  Vereinbarung  yorgesehenen  Weges  zurückzukehren, 
werden  in  dem  Lande  ihres  Wohnsitzes  zum  Militärdienst  ge- 
zwungen. 

Der  Aufruf  dieser  Personen  zu  den  Waffen  erfolgt  durch  die  zuständigen 
Behörden  ihres  Wohnsitzes,  die  zu  diesem  Zweck  die  Bestimmungen  anwenden, 
die  in  ihren  betreffenden  Ländern  auf  die  sich  der  Wehrpflicht  Entziehenden 
Bezug  haben. 

4.  Von  dem  im  vorigen  Artikel  vorgesehenen  obligatorischen  Aufrufe 
sind  die  Personen  ausgenommen,  welche  mit  rrkunden  versehen  sind,  die  von 
ihren  diplomatischen  oder  konsularischen  Behörden  ausgestellt  sind  und  ihre 
Befreiung  vom  Militärdienst  feststellen. 

5  Diese  Vereinbarung  wird  mit  dem  Ende  des  gegenwärtigen  Krieges 
rechtsunwirksam. 

Urkundlich  dessen  haben  die  Unterzeichneten,  der  Gesandte  Ihrer  Bri- 
tannischen Majestät  und  der  russische  Minister  für  Auswärtige  Angelegen- 
heiten, zu  diesem  Zwecke  gehörig  ermächtigt,  die  gegenwärtige  Vereinbarung 
abgeschlossen  und  ihre  Siegel  beigefügt. 

Geschehen  zu  Petrograd,  in  zweifacher  Ausfertigung  3./16.  Juli  1917. 
(Gez.)   W.  Buchanan. 
Michel  Terestchenko. 

Auf  diese  Vereinbarung-  folgte  der  Erlass  des  Military  Service 
(Coilventions  with  Allied  States)  Act  1917  —  7  &  8  Geo.  5 
Chapt.  26  -99), 

Seine  Majestät  im  Kronrat  zu  ermächtigen,  mit  verbündeten  und  anderen 
Staaten  Staatsverträge  über  die  wechselseitige  Verpflichtung  der  Staatsange- 
hörigen Seiner  Majestät  und  der  Staatsangehörigen  der  verbündeten  und 
anderen  Staaten  zum  Militärdienst  abzuschliesseii : 

Durch  des  Königs  Allerhöchste  Majestät,  durch  und  mit  Rat  und  Zu- 
stimmung der  geistlichen  und  weltlichen  Lords  und  der  im  gegenwärtigen 
Parlament  versammelten  Gemeinen  und  auf  Grund  der  ihnen  übertragenen 
Gewalt  wird  folgendes  bestimmt. 


**)  Ich  zitiere  nach  dem  mir  allein  vorliegenden  Gesetzentwurf  (brought 
from  the  Commons  26th  June  1917,  ordered  to  be  printed  4  July  1917),  dessen 
Wortlaut  aber  sicher  Gesetz  geworden  ist. 


§  12.     Heranziehung  rnssisclier  Staatsangehöriger  zum  Heeresdienst      9^ 


1.  Seine  Majestät  wird  ermächtigt,  wenn  er  bekanntgegeben  hat,  dass  mit 
einem  verbündeten  oder  sonst  im  See-  oder  Landkriege  mit  Seiner  Majestät 
gegenwärtig  zusammenwirkenden  fremden  Lande  (in  diesem  Gesetz  als  das 
vertragschliessende  Land  bezeichnet),  ein  Staatsvertrag  abgeschlossen  ist,  der 
eine  wechselseitige  Verpflichtung  zum  Militärdienst  den  britischen  Staats- 
angehörigen in  diesem  Lande  und  den  Staatsangehörigen  dieses  Landes  im 
Vereinigten  Königreich  auferlegt,  durch  Order  in  Council  zu  verordnen,  dass 
dieses  Gesetz  gegenüber  dem  vertragschliessenden  Lande  und  den  Staatsange- 
hörigen dieses  Landes  gelten  soll ;  und  für  eine  so  erlassene  Order  in  Council 
soll  demgemäss  dieses  Gesetz  Geltung  haben,  vorausgesetzt  dass 

a)  keine  derartige  Order  in  Council  erlassen  werden  darf,  wenn  nicht  der 
Staatsvertrag  ^Seiner  Majestät  Gesandten  oder  anderen  öffentlichen  Mini- 
stern in  dem  vertragschliessenden  Lande  das  Recht  gewährt,  in  jenem 
Lande  britische  Staatsangehörige  vom  Militärdienst  zu  befreien,  und  der 
Gesandte  oder  Minister  soll  in  jedem  Falle  Befreiung  bewilligen,  in  dem 
ein  britischer  Staatsangehöriger  beweist,  dass  er  in  dem  vertragschliessen- 
den Lande  keinen  Wohnsitz  hat,  und  dass  er  vor  seiner  Ankunft  in  dem 
vertragschliessenden  Lande  seinen  ordentlichen  Wohnsitz  ausserhalb 
Grossbritannien  in  einem  Teil  Seiner  Majestät  Dominions  hatte; 

b)  keine  derartige  Order  in  Council  erlassen  werden  darf,  wenn  der  Staats- 
vertrag keine  Vorschriften  dahin  enthält,  dass  britische  Staatsaugehörige 
in  dem  vertragschliessenden  Lande  und  Staatsangehörige  des  vertrag- 
schliessenden Landes  im  Vereinigten  Königreich,    bevor  sie  zum  Heeres- 

'  dienst  herangezogen  Averden,  eine  Gelegenheit  haben,  je  nach  dem  in  das 
Vereinigte  Königreich  oder  das  vertragschliessende  Land  zurückzukehren, 
wenn  sie  von  diesem  Recht  Gebrauch  machen  wollen ; 

c)  eine  Order  in  Council  nicht  erlassen  werden  darf,  bevor  30  Tage  nach 
dem  Tage  verstrichen  sind,  an  dem  der  Staatsvertrag  dem  Parlament 
vorgelegt  worden  ist. 

2.  (l)  Wenn  dieses  Gesetz  gegenüber  einem  Lande  angewandt  wird, 
so  sollen  Staatsangehörige  dieses  Landes  zum  Heeresdienst  unter  den  Militär- 
dienstgesetzen von-  1916  in  gleicher  Weise  wie  britische  Staatsangehörige 
herangezogen  werden,  wenn  sie  nicht  innerhalb  21  Tagen,  nach  dem  der 
Staatsvertrag  dem  Parlament  vorgelegt  worden  ist,  in  der  vom  Staats- 
sekretär vorgeschriebenen  Weise  ein  Gesuch  gestellt  haben ,  in  das  ver- 
tragschliessende Land  zurückzukehren,  oder  wenn  sie,  nachdem  sie  es  ge- 
stellt haben,  es  versäumen,  die  ihnen  gebotene  Gelegenheit  zur  Rückkehr  zu 
benutzen;  und  die  Militärdienstgesetze  von  1916  sollen  demgemäss  gelten, 
jedoch  unter  folgenden  Änderungen : 

a)- Soweit  Staatsangehörige  des  vertragschliessenden  Landes,  auf  welche  die 
Militärdienstgesetze  von  1916  und  1917  bei  der  Anwendung  dieses  Ge- 
setzes auf  das  vertragschliessende  Land  anwendbar  sind,  betroffen  werden, 
wird  als  Datum  der  30.  Tag  nach  der  das  Gesetz  anwendenden  Order  in 
Council  festgesetzt,  und,  soweit  Staatsangehörige  des  vertragschliessenden 
Landes   in  Betracht  kommen,   auf  welche   die  Militärdienstgesetze   nach 


Ausführung 
gegenseitiger 
Abmachungen 
mit  verbünde- 
ten Ländern 
über  die 

Wehrpflicht 


Anwendung 
der  Militär- 
dienst- 
gesetze 


94        Fünftes  Kapitel:  ünzulässigkeit  britischer  Landkriegsmassnahmen 

diesem  Datum  anwendbar  werden,  der  30.  Tag  nach  dem  Datum,  an  dem 
diese  Gesetze  auf  sie  anwendbar  werden,  mit  Ausnahme  des  Falles,  dass 
diese  Gesetze  auf  die  Staatsangehörigen  anwendbar  Aväreu,  weil  sie  ver- 
säumt haben,  die  ihnen  zur  Rückkehr  in  das  vertragschliessende  Land 
gebotene  Gelegenheit  zu  benutzen  ;  alsdann  wird  als  Datum  das  Datum 
dieser  Säumnis  festgesetzt ; 

b)  Ein  Staatsangehöriger  des  vertragschliessenden  Landes,  der  das  vorbe- 
zeichnete Gesuch  nicht  gestellt  hat,  in  dieses  Land  zurückzukehren,  soll 
in  bezug  auf  Befreiungen  und  Ausnahmen,  die  durch  die  Militärdienst- 
gesetze 1916  und  1917  festgesetzt  sind,  nicht  bloss  in  bezug  auf  die  in 
§  1  des  ersten  Artikels '"")  des  ersterwähnten  Gesetzes  erwähnten  Aus- 
nahmen, die  gleichen  Rechte  haben,  wie  wenn  er  ein  britischer  Staats- 
angehöriger wäre,  und  soll,  mag  er  nun  ein  Gesuch  gemacht  haben  oder 
nicht,  als  unter  die  Ausnahmen  der  Militärdienstgesetze  1916  und  1917 
fallend  angesehen  werden,  wenn  er  Inhaber  eines  für  die  fragliche  Zeit 
noch  geltenden  Befreiungszeugnisses  ist,  und  dieses  von  dem  Gesandten 
oder  einem  andern  ordnungsmässig  bestellten  öffentlichen  Vertreter  dieses 
Landes  im  Vereinigten  Königreich  ausgestellt  worden  ist ; 

c)  Bestimmungen,  die  nach  dem  Militärdienstgesetz  1916  und  1917  zu  er- 
lassen sind,  sollen  für  die  Errichtung  besonderer  Gerichtshöfe,  welche  die 
Gesuche  oder  Befreiungsansprüche  der  nach  diesem  Gesetz  zum  Heeres- 
dienst herangezogenen  Leute  zu  bearbeiten  haben,  und  für  die  Ernennung 
weiterer  Mitglieder  der  mit  den  Gesuchen  und  Ansprüchen  befassten 
Gerichtshöfe  Vorsorge  treffen; 

d)  Jeder  britische  Staatsangehörige,  der  von  dem  vertragschliessenden  Lande 
in  Grossbritannien  nach  dem  Datum  einer  Order  in  Council  ankommt 
welche  dieses  Gesetz  auf  die  Staatsangehörigen  dieses  Landes  anwendet, 
soll,  wenn  er  seinen  ordentlichen  Wohnsitz  in  Grossbritannion  nicht  hat, 
für  die  Zwecke  der  Militärdienstgesetze  1916  und  1917  so  angesehen 
werden,  als  wenn  er  von  dem  Tage  seiner  Ankunft  an  in  Grossbritannien 
seinen  ordentlichen  Wohnsitz  hätte,  wenn  er  nicht  beweist,  dass  der  Teil 
Seiner  Majestät  Dominions,  in  dem  er  zuletzt  wohnte,  ein  nicht  zu  Gross- 
britannieu  gehöriger  Teil  war. 

(2)  Für  die  Beschränkung  der  Zahl  von  Fremden,  welche  gleichzeitig  in 
einem  Korps  der  regulären  Streitkräfte 'dienen  dürfen,  wie  sie  in  §  95  des 
Heeresgesetzes"")    angeordnet    ist.    sollen    Staatsangehörige    eines    vertrag- 


'""j  Solche  Ausnahmen  sind  nach  dem  ersten  Zusatzariikel  (Chitty  1917, 
1085):  1)  Vorübergehender  Aufenthalt  (temporary  residence),  2)  Heeresange- 
hörigkeit  iMembers  of  the  forces),  3)  Kriegs-  oder  Handelsmarine-Ängehörigkeit 
(Men  in  the  navy  or  marines),  4)  Geistliche  (Men  in  holy  Orders  or  ministers), 
5)  Dienstuntauglichkeit  (Men  discharged  from  navy  or  army),  6)  Befreiungs- 
zeugnis  oder  Zurückgewiesensein  vom  Militärdienst  (Men  holding  certificate  of 
exemption  or  who  have  been  rejected).  Weitere  Bestimmungen  bei  Chitty 
ebendort  1378,  1387  und  sichernde  Strafbestimmungen  bei  Pulling,  Defence 
Art.  41  A  und  41  AA  S.  119.  411  u.  123. 

'*'^)    d)  Eine  Person,    die   in   der  fraglichen  Zeit   ein  Ausländer  ist,   darf. 


§  12.     Heranziehung  russischer  Staatsangehöriger  zum  Heeresdienst      93 

schliessenden  Landes,    die   durch  Anwendung   dieses  Gesetzes   auf   ihr   Land 
zum  Heeresdienst  herangezogen  werden,  nicht  mitgerechnet  werden. 

(3)  Für  die  Zwecke  dieses  Gesetzes  schliesst  der  Ausdruck  ,  Staats  vertrag" 
ein  anderweitiges  Abkommen  in  sich. 

3.  Dieses  Gesetz  soll  als  Militärdienst-  (Staatsvertrag  mit  verbündeten  Staaten) 
Gesetz  1917  angeführt  und  soll  unter  die  Gesetze  aufgenommen  werden, 
welche  als  Militärdienstgesetze  1916  und  1917  angeführt  werden. 

Auf  Grund  dieses  Gesetzes  ist  die  Order  vom  22.  August  1917 
—  London  Gazette  of  August  24,  1917,  p.  8600  —  ergangen, 
welche  folgenden  Wortlaut  hat: 

„In  Erwägung,  dass  durch  das  Militärdienst-  (Staatsvertrag  mit  verbün- 
deten Staaten;  Gesetz  1917  bestimmt  ist,  dass  Seine  Majestät,  wenn  sie  be- 
kannt gibt,  dass  ein  Staatsvertrag  oder  Abkommen  mit  einem  verbündeten 
Lande  abgeschlossen  ist,  das  britischen  Staatsangehörigen  in  diesem  Lande 
und  Staatsangehörigen  dieses  Landes  im  Vereinigten  Königreiche  eine  gegen- 
seitige Verpflichtung  zum  Heeresdienste  auferlegt,  ermächtigt  wird,  durch 
Order  in  Council  anzuordnen,  dass  das  genannte  Gesetz  auf  das  verbündete 
Land  und  seine  Staatsangehörigen  Anwendung  findet,  dass  aber  keine  solche 
Order  in  Council  erlassen  werden  darf,  ohne  dass  folgende  Bedingungen  er- 
füllt sind,  nämlich : 

a)  Ohne  dass  der  Staatsvertrag  oder  das  Abkommen  Seiner  Majestät  Ge- 
sandten oder  anderen  öffentlichen  Vertretern  in  dem  verbündeten  Lande 
das  Recht  verleibt,  britischen  Staatsangehörigen  in  diesem  Lande  Be- 
freiungen vom  Militärdienst  zu  bewilligen ; 
bi  Ohne  dass  der  Staatsvertrag  oder  das  Abkommen  Vorschriften  dahin 
enthält,  dass  britischen  Staatsangehörigen  in  dem  verbündeten  Lande  und 
Staatsangehörigen  dieses  Landes  in  dem  Vereinigten  Königreich  vor  ihrer 
Heranziehung  zum  Heeresdienst  eine  Gelegenheit  zur  ßückkehr  nach  dem 


Avenn  Ihre  Slajestät  geruht,  durch  einen  Staatssekretär  ihre  Zustimmung  kund 
zu  tun,  in  Ihrer  Majestät  reguläre  Streitmacht  aufgenommen  werden,  freilich 
nur  so,  dass  die  Zahl  der  in  einem  Korps  der  regulären  Streitmacht  gleichzeitig 
dienenden  Ausländer  das  Verhältnis  eines  Ausländers  zu  jedem  fünfzigsten  bri- 
tischen Staatsangehörigen  nicht  überschreitet,  und  dass  ein  so  aufgenom- 
mener Ausländer  keinen  höheren  Eang  in  Ihrer  Majestät  Armee 
erreichen  kann,  als  den  eines  Feldwebelleutnants  oder  Unteroffi- 
ziers. Trotz  der  vorstehenden  Vorschrift  dieses  Paragraphen  wird  voraus- 
gesetzt, dass  ein  Neger  oder  Farbiger,  selbst  wenn  er  Ausländer  ist,  frei- 
willig in  Gemässheit  dieses  Teils  dieses  Gesetzes  eintreten  darf  und  nach  seinem 
Eintritt  während  des  Dienstes  in  Ihrer  Majestät  Armee  zu  allen  Vorrechten 
eines  Staatsangehörigen  britischer  Abstammung  berechtigt  sein  soll.  fChittys 
Statutes  Vol.  I  S.  46  des  Artikels  Army  44  &  45  Vict.  e.  58.) 

Danach  stehen  die  in  das  englische  Heer  zwangsweise  eingestellten  An- 
gehörigen des  vertragschlie.ssenden  Landes,  insbesondere  also  Bussen,  formell 
jedenfalls  unter  dem  Farbigen  und  Neger,  sie  haben  nicht,  wie  diese  und  die 
englischen  Staatsangehörigen,  den  Marschallstab  im  Tornister,  da  ihre  Karriere 
kraft  Gesetzes  beim   Feldwebelleutnant  aufhört. 


96       Fünftes  Kapitel:   rnzulässigkeit  britisdicf  Landkriegsmassnahmen 

Vereinigten  Königreich  oder  dem  verbündeten  Lande,  wie  der  Fall  gerade 

liegen  mag,  erhalten,   wenn  sie  ein  solches  Gesuch  stellen; 

und  dass  ferner  vorgeschrieben  ist,  dass  eine  solche  Order  in  Council 
nicht  erlassen  werden  darf  vor  Ablauf  von  30  Tagen  nach  dem  Datum,  au 
dem  der  Staatsvertrag  oder  das  Abkommen  dem  Parlament  vorgelegt  ist : 

und  in  ErAvägung,  dass  ein  Abkommen,  datiert  vom  16.  Tage  des  Juli 
1917,  zwischen  Seiner  Majestät  Regierung  und  der  Provisorischen  Regierung 
von  Russland  über  die  gegenseitige  Wehrpflicht  britischer,  in  Russland  woh- 
nender Staatsangehörigen,  und  russischer,  in  Grossbritannien  Avohnender 
Staatsangehörigen,  abgeschlossen  worden  ist,  und  das  genannte  Abkommen 
die  vorbezeichneten  Bedingungen  erfüllt ; 

und  in  Erwägung,  dags  das  genannte  Abkommen  am  19.  Tage  des  Juli 
1917  dem  Parlament  vorgelegt  Avorden  ist: 

geruht  nunmehr  Seine  Majestät,  mit  und  auf  Grund  des  Rats  seines 
Privy  Council  kundzutun,  und  es  wird  hiermit  kundgetan,  dass  ein  solches 
Abkommen,  wie  es  in  dem  genannten  Gesetz  erwähnt  ist,  mit  Russland  ab- 
geschlossen ist,  und  weiter  geruht  Seine  Majestät,  mit  und  auf  Grund  des 
gleichen  Rats  zu  bestimmen,  und  es  wird  hiermit  bestimmt,  dass  das  genannte 
Gesetz   auf  Russland    und   russische  Staatsangehörige  Anwendung   findet'"*). 

Albert  Fitz  Roy". 

§   13 

Der  überlieferte  englisclie  Stnii(1i)iiiikt  über  die  iiiiyerletzliclie 
Keelitsstellung  der  eingewanderten  Fremden. 

a)  Die  Bedeutung  der  in  §  12  wiedergegebenen  einschneidenden 
Bestimmungen  wird  aus  wenigen  geschichtlichen  und  literarischen 
Gegenüberstellungen  klar: 

„Artikel  42  der  magna  Charta  (1215)  verspricht,  dass  ....  wenn  sie 
(Kaufleute)  aus  dem  Lande  sind,  das  mit  uns  im  Kriegszustand  ist,  und 
wenn  solche  Leute  bei  Kriegsbeginn  sich  in  unserem  Lande  befinden  sollten, 
so  sollen  sie  ohne  Schaden  für  ihre  Person  und  ihr  Eigentum  fest- 
genommen werden,  bis  durch  uns   oder  unsere  Justizverwaltung  festgestellt 


^°^)  Frankreich  ist  dem  Vorbilde  Englands  alsbald  gefolgt  durch  Gesetz 
vom  9.  November  1917  sur  les  obligations  militaires  des  nationaux  des  pays 
alliös  r^sidant  en  France  (bei  Dalloz  21.  u.  22.  Bd.  8.478,  Journal  officiel  vom 
10.  November  1917,  Nr.  305)  mit  dem  einzigen  Artikel:  „Die  Regierung  wird 
ermächtigt,  nach  Vertragsschluss  mit  den  verbündeten  Regierungen  die  in 
Frankreich  wohnhaften  Angehörigen  der  verbündeten  Länder  in  das  Heer  ein- 
zureihen, Avelche  den  militärischen  Verpflichtungen  ihres  Heimatlandes  unter- 
worfen sind,  und  diese  Verpflichtungen  noch  nicht  erfüllt  haben". 

Auch  Italien  hat  am  11.  Dezember  1917  mit  England  einen  Kriegsdienst- 
vertrag geschlossen  und  durch  Dekret  des  ReichsverAvesers  vom  20.  Dezember  1917 
Nr.  2Uo7  ausgeführt  (Amtsblatt  vom  27.  Dezember  1917,  Lex  1917  S.  1354  ff.). 
Diese  Daten  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Ed.  Thema. 


,  §  13.    Unverletzliche  Rechtsstellung  der  eingewanderten  Fremden        97 

ist.  wie  denn  unsere  Kaufleute  in  dem  mit  uns  im  Kriege  befindlichen  Lande 
behandelt  werden,  und  werden  die  unsrigen  dort  nichts  auszustehen  haben, 
sollen  die  andern  hier  auch  nichts  auszustehen  haben". 

Diese  Vorschrift  wurde  später  von  Fremden,  die  ihren  Wohn- 
>itz  in  England  haben,  auf  solche  ausgedehnt,  die  sich  nur  dort 
aufhalten  ^°=^). 

b)  Aus  der  kleinen  Schrift  von  N.  W.  Sibley  und  Alfred 
Elias,  Appendix  II  S.  125  ff.,  seien  die  folgenden  Stellen  hier 
wiedergegeben : 

Sir  Erskine  May^°*): 

,,  England  ist  stolz  auf  die  Auszeichnung,  Personen  jeden  Ranges  und 
Standes  ein  unverletzliches  Asyl  zu  bieten,  die  an  seinen  Küsten  vor  Ver- 
folgung und  Gefahr  Zuflucht  suchen,  die  ihnen  in  ihrem  eigenen  Lande  drohen 
.  alle  aus  ihrem  eigenen  Lande  Verbannten  —  ob  sie  nun  vor  Despotismus 
oder  Demokratie  flohen,  oder  ob  sie  entkrönte  Könige  oder  geringe,  in  Ge- 
fahren befindliche  Bürger  waren  —  haben  sich  nach  England  als  ihrer 
Heimat  hingewandt". 

Die  Verfasser  selbst: 
,, Ereignisse  vom  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  haben  bewiesen,   dass  das 
Asylrecht  eine  mit  feurigen  Buchstaben  auf  den  Tafeln  unserer 
Verfassung  eingebrannte  Schrift  ist^ 

S.  128.  May: 
„Es  genügt  nicht,  dass  die  Ge<jen\vart  oder  die  Handlungen  eines  Fremden 
einer  fremden  Macht  missfallen.  Wenn  diese  Regel  angenommen  wiirde,  wo 
würde  das  Asylrecht  bleiben?  Der  Flüchtling  würde  von  der  Rache  seiner 
eigenen  Regierung  verfolgt  und  aus  der  in  einem  freien  Lande  gewählten 
Heimat  vertrieben  werden.  In  diesem  Ehrenpunkt  sind  die  Engländer 
empfindlich.  Wenn  sie  einmal  den  Schutz  des  Fremden  übernommen  haben, 
nehmen  sie  jede  Drohung  gegen  ihn  als  eine  ihnen  selbst  zugefügte  Beleidigung 
übel.  Unzufriedenheit  mit  den  Regierenden  seines  eigenen  Landes  ist  bei 
einem  Flüchtling  natürlich:  seine  Verbannung  beweist  es.  Polen  hassen 
Russland.  Ungarn  und  Italiener  sind  Österreich  feindlich.  Französische  Roya- 
listen  schimpfen  auf  die  Republik  und  das  erste  Kaiserreich  .  .  .  Aber  alle 
sind  sicher  unter  dem  breiten  Schild  Englands". 


»03)  Latifi  43. 

»o*j  Chapter  XI  Liberty  of  the  subject  Vol.  III  der  fifth  edition  1875  p  49  f., 
Vol.  II  p.  124:  insbesondere  156  der  Ausgabe  von  Holland,  1912,  und  der 
deutschen  Uebersetzung  Bd.  II  S.  257.  262  Vgl,  Dicey,  Introduction  202  ff., 
Lectures  298.  Hatschek,  Verfas.sungsgeschichte  505.563.625.  Staatsrecht  11 
533  ff.  Siehe  auch  die  wirtschaftsgeschichtlichen  Aufklärungen  des  Einwan- 
derungsproblems bei  Hermann  Levy  S.  44  ff. 

Bendis.  Völkerrechtsverletzungen  ' 


Ö8        Fünftes  Kapitel:  tlnzulässigkeit  britischer  Landkriegsmassnalimell 
S.  130.     Die  Verfasser: 

„Und  jedenfalls  musste  die  Zahl  der  Emigranten  von  1792  weit  hinter 
der  der  Hunderttausende  von  Russen  und  Polen  bleiben,  die  während  der 
Jahre  1901  bis  1904  das  V^ereinigte  Königreich  betreten  haben.  Es  ist  wahrr 
scheinlich  die  bedeutendste  Eigentümlichkeit  des  Frenidengesetzes  ...  dass 
es  die  umfassendste  Erklärung  des  Asylrechts  enthält,  welche 
in  dem  ganzen  Umkreis  der  Landesgesetzgebuug  nicht  bloss  in 
der  Geschichte  unseres  Landes,  sondern  Inder  zivilisierten  Welt 
überhaupt  gefunden  werden  kann". 

S.  134.  Lord  Campbell  im  Falle  R.  v.  Bernard,  vielleicht 
dem  einzigen  Gerichtsfall,  in  dem  das  Asylrecht  erörtert  worden 
ist,  belehrte  die  Jury, 

„sie  sollte  sich  nicht  von  ihrer  Pflicht,  freizusprechen,  durch  die  Besorgnis 
abschrecken  lassen,  dass  ihr  Spruch  dem  A.syl  widerstreitet,  dessen  Ge- 
währung an  verfolgte  Ausländer  der  Kuhm  unseres  Landes  ist. 
Das  ist  ein  Ruhm,  der,  wie  ich  hoffe,  immer  diesem  Lande  zu- 
kommen wird.  Dieses  Asyl,  denken  Sie  daran,  besteht  jedenfalls  darin,  dass 
Ausländer  berechtigt  sind,  nach  ihrem  Willen  und  Belieben  in  dieses  Land 
zu  kommen  und  es  zu  verlassen,  und  dass  sie  hieran,  solange  sie  unseren 
Gesetzen  gehorchen,  von  der  Regierung  unseres  Landes  nicht  gehindert  werden 
dürfen«.     (1858!) 

c)  Eine  schärfere  Kritik,  als  der  Abfall  von  diesen  besten 
Zeiten  der  englischen  Geschichte  durch  Heranziehung-  der  Russen, 
die  in  England  ihre  Zuflucht  gesucht  und  durch  die  Überlieferungen 
des  Landes  und  die  Versprechungen  seiner  Regierungen  dort  eine 
neue  Heimat  zugesichert  erhalten  hatten,  ist  unmöglich.  Mag  man 
hier  über  die  Völkerrechtmässigkeit  der  Heranziehung  denken, 
wie  man  will,  mag  selbst  unterstellt  werden,  dass  die  Souveränität 
des  Staates  das  Recht  gewährt,  durch  neue  gesetzliche  Erlasse 
Versprechungen  zu  brechen,  die  einmal  den  einzelnen  gegeben 
worden  sind,  und  mag  sogar  das  Reclit  der  einzelnen  auf  Grund« 
solcher  Versprechungen  grundsätzlich  verneint  werden,  weil  das 
Völkerrecht  nur  Beziehungen  zwischen  Staaten  regelt,  so  tritt  doch 
hier  eine  Selbstbeschränkung  der  Souveränität  des  Staates  zu- 
gunsten bestimmter  Individuen  zutage,  deren  willkürliches  Aufgeben 
nicht  bloss  das  Vertrauen  derer  erschüttert,  die  sich  darauf  ver- 
lassen haben,  sondern  aller,  die  von  der  Willkürlichkeit  erfahren. 
Es  gibt  auch  einen  Ehrenkodex  für  das  Verhalten  der 
Staaten  und  ihre  Machtausübung.  Es  wäre  sehr  interessant, 
zu  erfahren,  wie  die  englische  Regierung  die  Heranziehung  russi- 


Sechstes  Kapitel:     §  14.    Die- Vergewaltigung  Griechenlands  99 

scher  Flüchtlinge  zum  Keeresclienste  gegenüber  dem  eigenen,  seit 
Jahrhunderten  mit  vielfach  bewundernswertem  Pathos  vertretenen 
Standpunkt,  wie  er  in  den  von  Sibley  und  Elias  wiedergegebenen 
Äusserungen  zum  Ausdruck  kommt,  rechtfertigen  will.  Oder  sollte 
hier  das  Aufgeben  des  Grundsatzes  der  persönlichen  Freiheit,  wie 
es  durch  die  gesamte  englische  Kriegsgesetzgebung  hindurchgeht, 
der  Beginn  eines  neuen  Staatslebens  für  das  englische  Volk  be- 
deuten? Muss  die  englische  Regierung  in  der  Wahrnehmung 
britischer  Interessen  vielleicht  bis  zu  den  äussersten,  vor  Kriegs- 
beginn für  ganz  ausgeschlossen  gehaltenen  Möglichkeiten  gehen, 
um  in  einer  dadurch  hervorgerufenen  allgemeinen  Entrüstung  und 
Vertrauensanfsage  die  Notwendigkeit  einer  Selbstbeschränkung 
auch  bei  der  Interessenwahrnehmung  zu  erfahren  und  die  Gebunden- 
heit an  völkerrechtliche  und  andere  Verpflichtungen  zu  erleben? 
Sollte  in  einer  in  dieser  Richtung  sich  bewegenden  Wandlung  des 
ethischen  Bewusstseins  vielleicht  eine  weltgeschichtliche  Bedeutung 
des  Krieges  für  das  englische  Volk  bestehen? 

Sechstes  Kapitel 

Die  Vergewaltigung  Griechenlands  und  der  Einmarsch  in 

Belgien. 

Die  Vergewaltigung  Grieclieiilaii(ls.^°*^) 

Der  erschütternde  Notenwechsel  zwischen  den  verbündeten 
'Regierungen  und -Griechenland  aus  dem  Juni  1916  spricht  für  sich 
selbst.  Welch  ein  Gegensatz !  Bei  den  Verbündeten  mit  Drohungen 
verbundene  Forderungen,  ihre  Begründung  aus  den  inneren  Ver- 
hältnissen Griechenlands  und  sich  wiederholende,  damit  unvereinbare 
Versicherungen  der  besten  Absicht  und  der  Wahrnehmung  griechi- 
scher Interessen!  In  Griechenland  schweigsame  Unterwerfung,  in 
der  sich  ohnmächtige  Erbitterung  unter  der  moralisch  vernichten- 
den Wiederholung  jener  als  Hohn  empfundenen  Versicherungen  in 
geradezu  tragisch  wirkender  Weise  zu  verbergen  weiss. 


104a)  AVähiencl  der  Drucklegung  ist  erschienen:  Strupp,  La  Situation 
internationale  de  la  Giece  il821  — 1917),  Recueil  de  documents  choisis  et  t^dit^s 
avec  une  introdnction  historique  et  dogmatique,  Zürich  1918.  Siehe  auch  Sphyris. 


100     Sechstes  Kapitel:  Vergewaltigung  Griechenlands  u.  Einmarsch  in  Belgien 

Die  an  die  griechische  Regierung  gerichtete  gemeinsame  Note 
der  französischen,  britischen  und  russischen  Minister  und  die  Ant- 
wort  der  griechischen  Regierung   (Mise.  Nr.  27   (1916)  Cd.  8298). 

Nr.  1.  Die  unterzeicliueten  Minister  und  Vertreter  Fraukreiclis,  Grüs.s- 
britauniens  und  RussUmds,  der  Garaiitiemächte  Griechenlands,  haben  die  Ehre, 
im  Auftrage  ihrer  Regierungen  der  hellenischen  Regierung  die  folgende  Er- 
klärung abzugeben,  welche  sie  nach  ihrer  Anweisung  in  gleicher  Weise 
zur  Kenntnis  des  griechischen  Volkes  bringen; 

Wie  die  drei  Garantiemächte  Griechenlands  schon  feierlich  und  schriftlicii 
erklärt  haben,  verlangen  sie  nicht,  das.s  Griechenland  aus  seiner  Neutralität 
heraustritt.  Sie  beweisen  dies  deutlich  dadurch,  dass  sie  die  Denio- 
bilisation  der  gesamten  griechischen  i\.rmee  zur  Sicherung  von 
Ruhe  und  Frieden  im  griechischen  Volke  an  die  erste  Stelle  ihrer' 
Forderung  rücken.  Aber  sie  haben  z  ahlreiche  her  echtigt  eVer  dach  ts- 
griinde  gegen  die  griechische  Regierung,  deren  Haltung  in  dieser 
Beziehung  mit  ihren  wiederholt  eingegangenen  Verpflichtungen  und  selbst 
mit  den  Grundsätzen  einer  loyalen  Neutralität  nicht  übereinstimmt.  So  hat 
sie  allzu  häufig  die  Umtriebe  gewisser  Ausländer  begünstigt,  welche  im 
Gegensatz  zur  Neutralität  des  Landes  und  unter  Gefährdung  der  Sicherheit 
der  Land-  und  Seestreitkräfte  der  Verbündeten  offen  duhin  gewirkt  haben, 
die  Meinung  des  griechischen  Volkes  irre  zu  führen,  seinem 
nationalen  Bewusstsein  eine  falsche  Richtung  zu  geben  und  auf 
dem  hellenischen  Boden  feindliche  Organisationen  zu  schaffen. 

Der  Einmarsch  bulgarischer  Streitkräfte  in  Griechenland,  die  Besetzung 
fies  Forts  Rnpel  und  anderer  strategisch  wichtiger  Punkte  mit  Einverständnis 
des  hellenischen  Kabinetts  begründen  für  die  verbündeten  Truppen  eine  neue 
Bedrohung,  welche  den  drei  Mächten  die  Verpflichtung  auferlegt,  Garantien 
und  unmittelbare  Sicherheiten  zu  fordern. 

Andererseits  ist  die  griechische  Verfassung  missachtet,  die 
freie  Ausübung  des  allgemeinen  Wahlrechts  verhindert,  die. 
Kammer  in  weniger  als  einem  Jahr  gegen  den  klar  ausge- 
sprochenen Willen  des  Volkes  aufgelöst  und  der  Aufruf  der 
Wähler  erfolgt,  während  die  Mobilisation  in  vollem  Gange  war, 
so  dass  die  gegenwärtige  Kammer  nur  einen  schwachen  Teil  der  Wähler- 
schaft vertritt,  ,das  Land  insgesamt  einem  Regiment  der  Unter- 
drückung und  Polizeityrannei  unterworfen  hat  und  ohne  Rück- 
sicht auf  gerechte  Vorstellungen  der  Mächte  zum  Ruin  führt. 
Diese  haben  nicht  nur  das  Recht,  sondern  die  gebieterische 
Pflicht,  gegen  solche  Verletzungen  der  Freiheiten  zu  pro- 
testieren, deren  Schutz  ihnen  dem  griechischen  Volke  gegen- 
über obliegt. 

Die  feindliche  Haltung  der  hellenischen  Regierung  gegen  die  Mächte, 
welche  Griechenland  vom  fremden  Joch  befreit  und  seine  Unabhängig- 
keit   sichergestellt    haben,    das    festa^estellte    heimliche    Einverständnis    des 


§  14.     Die  Vergewaltigung  Griechenlands  101 

gegenwäitigeu  Kabinetts  mit  ibren  Feinden  sind  für  sie  noch  stärkere  Gründe, 
mit  Bestimmtheit  aufzutreten,  indem  sie  sich  auf  die  Rechte  stützen, 
welche  ihnen  auf  Grund  der  Verträge  zustehen,  und  die  zum 
Schutze  des  griechischen  Volkes  immer  wieder  bekräftigt  worden 
sind,  wenn  es  in  der  Ausübung  seiner  Rechte  oder  in  demGenuss 
seiner  Freiheiten  bedroht  wurde. 

Infolgedessen  sehen  sich  die  Garantiemächte  Griechenlands  genötigt,  die 
unmittelbare  Durchführung  folgender  Massregelu  zu  verlangen: 

1.  Wirkliche  und  vollständige  .Deraobilisation  der  grie- 
chischen Armee,  die  in  kürzester  Frist  wieder  auf  Friedensfuss 
gebracht  werden  m  u  s  s ; 

2.  Unmittelbare  Ersetzung  des  gegenwärtigen  Ministeriums 
durch  -ein  Geschäf tskabiuett  ohne  i^olitische  Färbung,  das  alle 
notwendigen  Garantien  für  eine  loyale  Ausübung  der  wohlwollenden  Neutra- 
lität bietet,  die  Griechenland  den  verbündeten  Mächten  gegenüber  zu  beob- 
achten sich  verpflichtet  hat,  und  ebenso  für  die  Aufrichtigkeit  einer  neuen 
Geschäftsführung  im  nationalen  Sinne ; 

'6.  Unmittelbare  Auflösung  des  Abgeordnetenhauses,  mit 
darauffolgender  Neuwahl  in  dem  nach  der  Verfassung  vorgesehenen 
Zeitraum,  und  nachdem  die  allgemeine  Demobilisation  den  Wahlkörper  in 
normale  Verhältnisse  zurückgebracht  hat; 

4.  Beseitigung  gewisser  politischer  Beamten,  die  durch  fremde 
Einflüsse  bestimmt  werden,  die  Attentate,  die  gegen  friedliche  Bürger  be- 
gangen werden,  ebenso  zu  begünstigen,  wie  die  gegen  die  Gesandtschaften 
der  Verbündeten  und  ihre  Staatsangehörigen  verübten  Beleidigungen,  und 
zwar  im  Einverständnis  mit  den  Mächten. 

(t  e  g  e  n  Griechenland  von  wohlwollendstem  und  freundschaft- 
lichstem Geiste  stets  beseelt,  zugleich  entschlossen,  ohne  Er- 
örterungen und  Aufschub  die  Durchführung  dieser  notwendigen 
Massregeln  zu  erreichen,  müssen  die  Garantiemächte  die  ganze 
Verantwortung  für  die  Ereignisse,  die  eintreten  werden,  wenn  ihre  ge- 
rechten Forderung-en  nicht  sofort  angenommen  würden,  der  hellenischen 
Regierung  überlassen. 

Athen,   den  8./21.  Juni  1916. 

J.  Guilleniin 
F.  Elliot 
Demidof 

Nr.  2.  Herr  Zaimis,  Präsident  des  Rats,  Minister  der  Auswärtigen 
Angelegenheiten,  hat  von  der  gemeinsamen  Note  Kenntnis  genommen,  welche 
die  Minister  Frankreichs,  Grossbritanniens  und  Russlauds  im  Auftrage  ihrer 
Regierungen  am  8./21.  d.  M.  an  seinen  Vorgänger,  Herrn  Skouloudis,  ge- 
richtet haben,  und  in  der  sie  erklären,  sich  genötigt  zu  sehen,  die  sofortige 
Durchführung  folgender  Massnahmen  zu  verlangen :  .  .  .  (Hier  folgen  unter 
Nr.  1 — 4  wörtlich  die  vier  in  der  vorangehenden  Note  gestellten  For- 
derungen.) 


1Ö2     Sechstes  Kapitel:  Vergewaltigung  Uriechcnlamls  u.  Einmarsch  in  Belgien  ' 

Herr  Zaiinis  nimmt,  von  der  vorerwähnten  Note  Kenntnis  und  hat  die 
Ehre,  Euren  Exzellenzen,  den  Ministern  Frankreichs,  Grossbritanniens  und 
Russlands  zu  bestätigen,  dass  die  Königlich  Hellenische  Regierung  in  Anbe- 
tracht ihrer  Schlusserklärung,  nämlich,  dass  ....  (Hier  folgt  wörtlich  der 
Schlussabsatz  der  vorangehenden  Note  mit  seiuen  Freundschaftsversiuherungen 
auf  der  einen  und  der  damit  unvereinbaren  Drohung  auf  der  andern  Seile), 
sich  verpflichtet,  die  vorerwähnten  Forderungen  vollständig  zu  er- 
füUeu'"»). 

Athen,  den  10./28.  Juni  1916. 

§  15 
Der  Einmarsch  in  Belgien. 

Über  die  Berechtigung-  des  deutschen  Einmarsches  in  Belgien 
verweise  ich  auf  Ednardo  L.  Llorens  und  Fuehr.  Als  Er- 
gänzung dazu  vergleiche  man  das  juristisch  tüchtige  Buch  von 
C.  P.  Sanger  und  H.  T.  J.  Norton  mit  dem  Merkworte  Friedrichse 
des  Grossen:  „Toutes  les  garanties  sont  corame  de  l'ouvrage  de 
filigrane,  plus  propres  ä  satisfaire  les  yeux  qu'ä  etre  de  quelque 
utilite".  Hier  linden  sich  S.  117  und  119  die  ehrlichen,  die  offi- 
ziellen Erklärungen  der  englischen  Regierung  über  den  Kriegs- 
grund  (Neutralitätsverletzung  Belgiens)  widerlegenden  Worte,  die 
einen  weiteren  Beweis  für  die  Ausführungen  S.  20  abgeben : 

„Die  bisherigen  Ausführungen  ergeben,  dass  Diplomaten  und  Staats- 
männer —  jedenfalls  russische  Diplomaten  und  englische  Staatsmänner  —  nicht 
annehmen,  dass  eine  Garantie  der  Neutralität  eiue  unbedingte  Verpflichtung 
auferlegt,  gegen  ein  Land  zu  den  Waffen  zu  greifen,  das  die  garantierte 
Neutralität  verletzt. 

Die  Wahrheit  ist,  dass  britische  Staatsmänner  niemals  daran  gedacht 
haben,  dass  eine  absolute  Verbindlichkeit  —  unabhängig  von  allen  Umständen  — 


^*''')  Die  Unrechtmässigkeit  des  Vorgehens  der  Garantiemächte  folgt  aus 
den  Griechenland  betreffenden  Staatsverträgen  vom  6.  Juli  1827  (Artikel  4). 
3.  Februar  1830  (Artikel  8),  7.  Mai  1832  (Artikel  4),  13.  Juli  1863  (Artikel  III), 
abgedruckt  bei  Fleischmann,  Völkerrechtsquellen  S.  32  f.,  und  in  Strupps 
ausgewählten  Aktenstücken  60,  178,  184  (siehe  auch  Noradounghian  II,  177 
und  206)    (vgl.  Sauger-Nortou  29  ff.,    Engelhard  218). 

Es  handelt  sich  ganz  zweifellos  um  einen  völkerrechtswidrigen  Eingriff 
in  die  inneren  Verhältnisse  eines  unabhängigen  Staates,  eines  Eingriffs,  der  da- 
durch nicht  gerade  seine  Rechtswidrigkeit  verliert,  dass  ein  Gegensatz  von  Volk 
und  Regierung  konstruiert  wird,  der  die  Garantiemächte  ja  nichts  angeht;  und 
dass  immer  wieder  die  angebliche  Absicht  betont  wird,  die  Interessen  des  Volkes 
gegen  die  Regierung  zu  fördern.  Die  englische  ürlieberscliaft  der  gemeinsamen 
Note  ist  aus  der  Art  erkennbar,  die  ausschliessliche  und  rücksichtslose  Auf- 
fassung der  eigenen  Interessen  damit  zu  begründen  und  zu  verschleiern,  dass 
die  davon  betroffenen  fremden  Interessen  das  Vorgeben  erforderlich  macheu, 


§  15.     Der  Einmarsch  in  Belgien  103 

bestanden  hatte,  zur  Verteidigung  der  belgischen  Neutralität  zu  den  Waffen 
zu  greifen. 

Hierfür  wird  dann  aus  Mise.  Nr.  6  (1914)  Cd.  7467  Nr.  119 
S.  63  schliesslich  noch  die  Äusserung-  angeführt,  die  Sir  Edward 
Grey  zu  Mr.  Cambon  am  31.  Juli  1914  gemacht  hat,  und  die 
festgehalten  zu  werden  verdient, 

„dass  der  Vorbehalt  der  belgischen  Neutralität,  ich  möchte  nicht  sagen, 
ein  entscheidender,  aber  ein  bedeutender,  auf  unsere  Haltung  einwirkender 
Faktor  sein  mag". 

Die  voraufgehenden  Sätze: 

„Bis  zum  gegenwärtigen  Augenblicke  .  .  .  fühlen  wir  nicht,  und  die 
öffentliche  Meinung  fühlt  nicht,  dass  irgendwelche  Verträge  oder  Verbindlich- 
keiten dieses  Landes  berührt  werden.  Weitere  Entwicklungen  mögen  diese 
Lage  ändern  und  Regierung  und  Parlament  bestimmen ,  die  Ansicht  zu  ver- 
treten, dass  Intervention  gerechtfertigt  sei", 

und  der  folgende : 

,0b  wir  dem  Parlament  vorschlagen,  in  einem  Kriege  zu  intervenieren 
oder  nicht  zu  intervenieren,  das  Parlament  würde  zu  wissen  wünschen,  wie 
wir  in  bezug  auf  die  Neutralität  Belgiens  stehen,  und  es  mag  sein,  dass  ich 
beide.  Frankreich  und  Deutschland,  fragen  würde,  ob  jedes  bereit  Aväre,  eine 
-Verpflichtung  zu  übernehmen,  dass  es  nicht  zuerst  die  Neutralität  Belgiens 
verletzen  würde", 

beweisen,  dass  Sir  Edward  Grey  in  seinem  Schreiben  an  den 
englischen  Gesandten  Sir  F.  Bertie  in  Paris  selbst  den  Stand- 
punkt vertrat,  England  habe  auch  bei  einer  Verletzung  der  Neu- 
tralität Belgiens  durch  Frankreich  oder  Deutschland  volle  Hand- 
lungsfreiheit, sei  zur  Intervention  nicht  verpflichtet.  Sanger 
und  Norton  drücken  dies  so  aus,  dass  sie  a.a.O.  sagen: 

„Es  ist  befriedigend,  dass  Sir  Edward  Grey  die  überlieferten  Ansichten 
von  unseren  Verbindlichkeiten  angenommen  hat", 

und  kommen  zu  dem  letzten  Schluss, 

„dass  die  Verbindlichkeiten  Grossbritanniens  unter  den  Verträgen  von  1839 
und  1867  äusserst  zweifelhaft  sind.  Wahrscheinlich  besteht  eine  gewisse 
Verbindlichkeit  auf  Grund  jedes  der  beiden  Verträge,  obgleich  sogar  dieses 
bestritten  werden  kann.  Aber  in  den  Umständen  des  Falles  trat  Sir  Edward 
Grey  den  überlieferten  Ansichten  der  englischen  Staatsmänner  bei.  Dies  war 
sicherlich  der  klügste  und  wahrscheinlich  der  richtigste  Kurs". 

Bei  dieser  von  „hervorragenden"  (vgl. S.  25)  englischen  Juristen 
und  der  englischen  Regierung  selbst  anerkannten  Rechtslage  sollten 
doch  wirklich  die   Entente   und  ihre  Freunde  aufhören,  die  Ver- 


104  Siebentes  Kapitel:  Schlussbetiachtung 

letzuiig  der  belgischen  Neutralität  als  engiisclieii  Kriegsgruiicl 
auszugeben,  ganz  davon  zu  schweigen,  dass  die  Vergewaltigung- 
Griechenlands  durch  die  Ententestaaten  daran  erinnern  müsste, 
dass  nicht  mit  Steinen  werfen  soll,  wer  selbst  im  Glashause  sitzt. 
Es  mutet  deshalb  eigentümlich  an,  wenn  es  in  der  britischen 
Antwort  vom  8.  Juni  1917  auf  die  Note  der  provisorischen 
russischen  Regierung  vom  3.  Mai  1917  und  ihre  Proklamation 
über  die  Kriegsziele  heisst: 

„In  der  Proklamation  des  russischen  Volkes,  die  in  der  Note  eingeschlossen 
war,  heisst  es,  dass  das  freie  JRussland  nicht  vorschlägt,  andere  Völker  zu  be- 
herrschen oder  ihnen  ihr  nationales  Erbteil  zu  nelimen  oder  fremdes  Terri- 
torium gewaltsam  zu  nehmen.  Mit  dieser  Auffassung  stimmt  die  britische 
Regierung  von  Herzen  überein.  Sie  ist  iu  diesen  Krieg  )iicht  als  einen  Er- 
oberungskrieg eingetreten,  und  sie  setzt  ihn  zu  solchem  Ziele  nicht  fort. 
Ihr  Zweck  bei  Kriegsanfang  war,  die  Existenz  ihres  Landes  zu  verteidigen 
und  Achtung-  vor  internationalen  Verptliclitungen  zu  erzwingen.  Zu  diesen 
Zielen  ist  nun  hinzugekommen,  Völker  zu  befreien,  die  durch  fiemde  Tyrannei 
unterdrückt  werden"  '•'''). 

Und   hier   mag   schliesslich   das    offene   Geständnis   Blatch- 
fords  (44)  Platz  haben: 

„Wir  fechten  nicht  für  Serbien,  wir  fechten  nicht  ausscliliesslich  oder  un- 
mittelbar für  belgische  Neutralität  oder  für  die-  Ehre  und  Unversehrtheit 
Frankreichs. 

Nein,  dieser  Krieg  ist  ebensosehr  ein  britischer,  wie  ein  französischer 
Krieg.  Wir  fechten  für  unsere  Unabhängigkeit  und  unseren 
Handel,  wir  fechten  für  unsere  Ehre,  unsere  Freiheit  und  für 
u  n  s  e  r  B  r  0 1  u  n  d  B  u  1 1  e  r " . 

Siebentes  Kapitel 

Schlussbetrachtung. 

§  16 
Die  praktisch-politische  Bedeutung  von  Staatsverträgen. 

Die  bisherige  Darstellung  drängt  zu  einer  kri1;ischen  Stellung- 
nahme.    Sie.  darf  die  nüchternen   Gesichtspunkte  nicht   aus   dem 


"8)  Mise.  Nr.  10  (1917)  Cd.  8587  S.  5.  Siehe  und  vergleiche  den  schon  ob- 
jektiver denkenden  Hobson,  Nr.  2.  179,  Dickinson,  Nr.  1,  7  und  die  mir 
nicht  zugäntiflichen  Zitate  aus  den  Veröffentlichungen  Russells  in  der  l'artei- 
schrift  von  Coulton  201,  247,  251  ff. 


§  16.     Pi'aktisch-politisclie  Bedeutung  von  Stautsverträgen  105 

Auge  lassen,  die  in  den  tief  dringenden,  den  wirklichen  Sach- 
verhalt klar  aussprechenden  Worten  Bismarcks  ^°^)  ihren  ewigen 
Ausdruck  gefunden  haben:  „Die  Haltbarkeit  aller  Verträge 
zwischen  Grossstaaten  ist  eine  bedingte,  sobald  sie  im 
Kampf  ums  Dasein  auf  die  Probe  gestellt  wird.  Keine 
grosse  Nation  wird  je  zu  bewegen  sein,  ihr  Bestehen  auf 
dem  Altar  der  Vertragstreue  zu  opfern,  wenn  sie  ge- 
zwungen ist,  zwischen  beiden  zu  wählen.  Das  ultra 
posse  nemo  obligatur  kann  durch  keine  Vertragsklausel 
ausser  Kraft  gesetzt  werden,  und  ebensowenig  lässt  sich 
durch  einen  Vertrag  das  Mass  von  Ernst  und  Kraftauf- 
wand sicher  stellen,  mit  dem  die  Erfüllung  geleistet 
werden  rauss,  sobald  das  eigene  Interesse  des  Erfüllen- 
den dem  unterschriebenen  Texte  und  seiner  früheren 
Auslegung  nicht  mehr  zur  Seite  steht".  Wenn  also,  wie 
unsere  Abhandlung  beweist,  völkerrechtliche  Verträge  allein  keine 
Gewähr  für  ihre  Erfüllung  bieten,  so  ist  die  in  unserer  Zeit  sehr 


'°')  Gedanken  und  Erinnerungen  II  249.  Aehnlich  Ponsonby  95  und 
Woolf  13.  Weitere  gleichartige  Aeusserungen  Bisniarcks  finden  sich 
Bei  Erich  Kaufmann  25  ff.,  (les.sen  reclitstheoretische  Begründung  der  Macht- 
politik von  Nelson  144  ff.,  bei  allen  Einwendungen  gegen  dessen  grundsätzlichen 
Standpunkt,  mit  zumeist  zwingenden  (iründen  und  eigentlich  schon  von  Fr  ick  er, 
1872, 97ff.,  und  von  v.  Bar,  Archiv  151,  widerlegt  wird  und  in  ihrer  panjuristischen 
Art  den  methodisch  richtigen  Ausgangspunkt  Bruno  Sciimidts  nicht  treffen 
kann.  Auch  die  englisch-amerikanische  Literatur  enthält,  was  viel  zu  wenig 
beachtet  wird,  viele  Veröffentlichungen  machtpoiitischen'Inlialtes,  die  den  ver- 
pönten Aeusserungen  Treitschkes  und  Bernhard is  durchaus  an  die  Seite 
gesetzt  werden  können.  Hierher  geiiöreu  Mahan,  Cramb,  Wyatt,  VVilkin- 
so  n,  Blatch  fo  r  d,  Cu  rzonofKed  leston,  Fox,  Bo  wies,  Rose,  Füller  ton, 
Colquhoun  401,  Thirlmere,  de  D.,  Legendre,  Sewill,  Froude  (the  English 
8,9,  13,  27,  31,820,  Oceana  59,  153,356),  dessen  andere  ausschliesslich  geschicht- 
lichen Werke  von  gleichem  imperialistischen  Geiste  erfüllt  sind.  Es  verdient  imnier- 
hiu  Beachtung,  dass  englische  und  amerikanische  Schriftsteller,  wie  Zimmern 
(in  der  erwähnten  Sammlung  13  u.  368),  Norman  Angell  (in  Foundation  140  f., 
great  illusion  125,  157,  182,  die  falsche  Rechnung  101  ff.,  America  Ch.  II,  Anglo- 
Saxon  Prus.sianism  114  f.,  280,  287,  Prussianism  74  ff.),  Mügge  23  ff.,  Hobson 
179,  Jefferson  151  (dagegen  Coulton  140  und  Willoughby  110  f.)  in  er- 
freulicher anerkennenswerter  Objektivität  feststellen,  die  Machtpolitik  und  die 
ihr  entsprechende  Blut-  und  Eisentheorie  und  Philosophie  der  Gewalt  sei  keine 
deutsche  oder  preussische  Erfindung;  einige  dieser  Verfasser  stellen  Aeusserungen 
zahlreicher  englischer,  amerikanischer  und  französisciier  Machttheoretiker  von 
zum  Teil  europäischem  Rufe  zusammen.  Die  vollständigste  und  beste  Ueber.sicht 
findet  sich  bei  Krehbiel  16  ff.,  dessen  Buch  in  seiner  nüchtern  berichtenden 
lind  aufzählenden  Art  besondere  Aufmerksamkeit  verdient.  Vgl.  auch  die  gute 
geschichtliche  Skizze  Roloffs.  —  Interessant  ist.  dass  jetzt  auch  die  Militari- 
sierung der  Vereinigten  Staaten  zur  Aufrechterhaltuug  der  Monroedoktrin  für 
notwendig  erachtet  wird  (Hart  384  ff.). 


106  Siebentes  Kapitel:  Schlussbetrachtung 

lebendig-  gewordene  Frage  imab  weislich,  ob  es  überhaupt  eine  solche 
Gewähr  gibt,  oder  wie  eine  solche  beschaffen  sein  müsste.  Die  erste 
Vonuissetzung  für  eine  befriedigende  Antwort  auf  die  Frage  ist 
das  Verständnis  und  die  Erkenntnis  der  besonderen,  vielfach  ver- 
schiedenen Gründe,  die  den  einzelnen  Staat  zu  der  von  ihm  be- 
gangenen Völkerrechtsverletzung  bestimmt  haben,  und  derjenigen, 
mit  denen  er  sein  Verhalten  zu  rechtfertigen  sucht.  Die  innere 
Verschiedenheit  der  Rechtfertigungsversuche  vermag  wichtige  Auf- 
schlüsse über  die  Richtung  zu  geben,  in  der  die  Beantwortung 
der  brennenden  Frage  zu  finden  sein  wird.  Die  hier  in  den 
Vordergrund  gerückten  Darlegungen  der  englischen  Staatsmänner 
zur  Begründung  der  völkerrechtswidrigen  britischen  Kriegsmass- 
nahmen  gestatten  vielleicht  folgende  allgemeine  Charakteristik. 

§  17 
Charakteristik  des  ciiglisclieii  Wesens. 

Der  Engländer  ist  nicht  bloss,  wie  allgemein  angenommen 
wird,  ein  nüchterner  Realpolitiker,  der  in  aller  Welt  die  fremden 
Interessen  mit  den  eigenen  zu  verschmelzen  versteht  und  sich 
hierbei  in  der  Wahl  der  Mittel  von  keinen  Skrupeln  leiten  lässt. 
Er  ist  vielmehr  zugleich  auch  eine  geschlossene  Persönlichkeit, 
die  ihr  Vorgehen  zu  einem  in  sich  abgerundeten  und  in  seiner 
Art  durchaus  berechtigtem  System  gestaltet  hat.  Dieses  System 
wird  bei  oberflächlicher  Betrachtung  und  unberechtigter  Anwendung 
der  dem  deutschen  Wesen  entsprechenden  Massstäbe  als  „englische 
Mentalität"  ^°^)  bezeichnet.  In  Wahrheit  ist  das  System  der  eigen- 
artige,  in  sich   durchaus   berechtigte  Ausdruck   einer  bestimmten 


'°*)  Gegen  diese  Annahme  englischer  Heuchelei  schon  Frischeisen- 
Köhler  und  von  der  Goltz  in  „Das  englische  Gesicht"  19  und  101  f.,  die 
freilich  beide  bei  allem  Streben  nach  Objektivität  in  ihrer  Darstellung  des  eng- 
lischen Wesens  ihre  Höherbewertung  der  deutschen  Art  nicht  unterdrücken 
können,  ebensowenig  wie  die  englischen  Schriftsteller  in  ihrer  Darstellung  des 
deutschen  Wesens  ihre  Höherbewertung  der  englischen  Art  verleugnen  (siehe 
hier  insbesondere  die  Sammlung  War  and  democracy).  Demgegenüber  ist 
die  mustergültige  Sachlichkeit  Oppenheims  (Zukunft  174  und  198)  in  der 
Gegenüberstellung  der  juristischen  Methode  des  Kontinents  einer-,  England- 
Amerikas  andererseits  lehrreich  und  nachahmenswert.  Vgl.  auch  nach  dieser 
Richtung  Lowell  I  1  f.,  II  471  f.  und  die  in  Deutsehland  überlieferte,  unrich- 
tige anthropomorphistische  Ansicht  bei  Bornhak  79. 


§  17.     rharakteristik  des  englischen  Wesens  107 

politisclieu  Weltanschauung^"^).  Der  Engländer  geht  von  der 
Meinung  aus,  dass  jeder  einzelne  unbedingt  für  sich  selbst  einzu- 
stehen habe  und  die  ihm  vorgelegten  Tatsachen  und  Ansichten 
selbständig  unter  eigener  Verantwortung  nachprüfen  müsse.  Wenn 
diese  Nachprüfung  den  Tatbestand  nicht  erschöpft  und  zu  seiner 
Verfälschung  führt,  so  hält  er  dies  ausschliesslich  für  eine  Ange- 
legenheit des  Nachprüfenden.  Er  hält  sich  nicht  für  verpflichtet, 
sein  eigenes  Wissen  und  Können  zur  Information  dem  anderen  zu 
unterbreiten,  wenn  sein  eigenes  Interesse  dies  nicht  er- 
fordert. Er  hält  sich  vielmehr  für  berechtigt,  unter  den  ihm 
bekannten  Tatsachen  und  Ansichten  eine  Auswahl  nach  seinem 
Interesse  vorzunehmen  und  die  Stellungnahme  und  Kritik  den 
anderen  zu  überlassen.  Diese  in  der  Entwicklung  des  englischen 
Geisteslebens  begründete  und  tief  eingewurzelte  Eigentümlichkeit 
führt  denn  auch  vielfach  dahin,  dass  aus  dem  ausgexyählten  Teil- 
gebiet der  Tatsachen  und  Ansichten  ethische  und  rechtliche 
Schlussfolgerungen  gezogen  werden,  die  auf  Grund  des  einseitig 
zusammengestellten  Materials  ihre  Rechtfertigung  finden.  Diese 
Eigentümlichkeiten  gehen  scliliesslich  so  weit,  dass  in  der  Tat 
nur  noch  die  den  eigenen  Interessen  entsprechenden  Tatsachen, 
Ansichten  und  Werturteile  erlebt  und  mit  starker  Überzeugung 
vertreten  werden  und  vertreten  werden  können. 

Es  kann  nicht  wundernehmen,  dass  dieses  individualistische 
Freiheitsbewusstsein  seine  eigenen,  besonderen  Lebensideale  schafft 
und  nach  ihnen  auch  die  höchsten  Ziele  der  ^Menschheit  ausge- 
staltet und  für  sich  in  Anspruch  nimmt,  ja  dass  die  diesem  Stand- 
punkt vermeintlich  entsprechenden  politischen  und  menschlichen 
Ideale  als  die  allein  erstrebenswerten  und  richtigen  hingestellt, 
und  die  davon  vermeintlich  abweichenden  als  bekämpfenswert 
und  niedriger,  wertloser  verworfen  werden.  Oder  es  werden,  zu- 
treffender ausgedrückt,  die  eigenen  Lebensideale,  wie  es  Menschen- 
art ist,    in   die  Welt  hinaus   projiziert   und  mit   den  allgemeinen 

1°^)  Hierin  liegt  der  tiefere  Grund  für  die  einseitigen  Zitate  und  logischen 
Widersprüche,  die  Mendelsso bn-Bartholdy  (17,  24,  38,  59,  74)  als  solche 
aufgedeckt  bat,  ohne  den  häufig  angeführten,  in  die  Tiefe  dringenden  Satz 
Sidnej'  Lows  zu  beachten:  ..Wir  Engländer  sind  stolz  darauf,  ein  unlogisches 
Volk  zu  sein".  Vgl  dagegen  das  interessante  Buch  von  Boutniy  (insbesondere 
256  f..  454  u.  455)  und  die  nietliodiscb  wertvolle,  gut  einfülirende  Arbeit  von 
Harwicg. 


108  Siebentes  Kapitel:  Schlussbetraclitung 

Meiischlieitsidealeii  gleichgesetzt,  und  die  Verfolgung  der  gleichen 
Ideale  auf  einem  anderen  Wege  als  ihre  Verneinung  und  Ver- 
letzung erlebt  und  verpönt,  wie  dies  auch  in  der  besten  Paraphlet- 
literatur  der  Entente  in  Übereinstimmung  mit  den  diplomatischen 
Veröffentlichungen  der  Ententestaaten  mit  einer  gewissen  wunder- 
lichen Selbstverständlichkeit  und  Naivität  zu  geschehen  pflegt  ^^°). 
Und  vielfach  pflegen  umgekehrt  auch  diejenigen  zu  empfinden 
und  sich  zu  äussern,  welche  mit  ähnlicher  Leidenschaftlichkeit 
die  verpönten  anderen  Wege  zum  gleichen  Ziele  einschlagen  und 
die  abweichenden  Auffassungen  des  individualistischen  Gedanken- 
kreises ohne  rechtes  Verständnis  für  ihn  als  einen  Abfall  von  der 
]\[enschheit  geringschätzig  zurückweisen.  In  beiden  Fällen  wird 
die  tiefsinnige  Lehre  Lessings  von  dem  echten  Ringe  und  die 
wissenschaftlich  unleugbare,  zu  Anfang  der  Abhandlung  gestreifte 
grundsätzliche  Mehrdeutigkeit  geschichtlicher  Tatsachen  und  ge- 
schichtlichen Seins  überhaupt  nicht  beachtet  und  kann  nicht  be- 
achtet werden,  weil  und  insoweit  es  Menschenart  ist,  die  Verfolgung 
der  als  lebensnotwendig  empfundenen  Interessen  für  berechtigt, 
ja  heilig  zu  halten.  Es  ist  in  der  Tat  Menschenart,  unter  Ver- 
drängung der  Vorstellungen  von  den  eigentlichen  Triebkräften  des 
Handelns  und  Denkens  von  der  Heiligkeit  des  Erlebnisses  der 
äusserstcn  Interessenwahrnehmung  und  ihrer  Notwendigkeit  ganz 
erfüllt  zu  sein ;  dieser  Art  entspricht  es,  in  einem  merkwürdigen, 
nicht  selten  vorkommenden  Schlussverfahren  aus  dem  Superlativ 
der  Empfindung  deren  Übereinstimmung  mit  dem  Höchsten  und 
Heiligsten,  was  es  nun  einmal  gibt,  den  ewigen  Menschheitsidealen, 
zu  folgern  und  die  Nichtübereinstimmung,  ja  Verwerflichkeit  des 
Gegners  auf  Grund  der  unkritisch  in  Anspruch  genommenen  Aus- 
schliesslichkeit und  Allgemeingültigkeit  der  eigenen,  alles  andere 
verdrängenden  Empfindung  und  Auffassung  zu  unterstellen.  Es 
handelt  sich  hier  um  einen  Kunstgriff  der  Natur,  weil  auf  andere 
Weise  eine  leidenschaftliche  und  ausschliessliche  Wahrnehmung 
eigener  Interessen  nicht  möglich  ist,  weil  sie  eben  nur  bei  voller 
Einseitigkeit  und  leidenschaftlicher  Überzeugung  von  dem  alleinigen 
Recht  des   eigenen  Standpunktes  möglich  ist.     Eine  groteske  und 


"•*)  Sielie  die  beiden  Werke  des  Late  Assistant.  Attorney-General  of  the 
U.S.  James  M.  Beck  und  James  Mark  Baldwin;  von  der  unüberseiibarcn 
Zeitschrifteuliteratur  ganz  zu  schweigen. 


§  17.     Charakteristik  des  englischen  Wesens  10() 

vielleicht   tragikomische  Anthropomorphisierimg   der  Menschheits- 
ideale ! 

Und  schliesslich  ist  noch  eine  Eigentümlichkeit  ^^^)  zu  berück- 
sichtigen, die  das  Geheimnis  der  politischen  Erfolge  Englands 
enthält  und  uns  so  schwer  verständlich,  gefühlsmässig  aber  fremd 
ist,  eine  Fremdheit,  die  dahin  geführt  hat,  das  Unverstandene 
und  Fremdartige  durch  Unterstellung  einer  englischen  Mentalität 
sich  verständlich  zu  machen.  Der  Engländer  liebt  die  Fiktion, 
insbesondere  die  Fiktion,  dass  das  Neue  in  dem  Alten  enthalten 
sei;-  er  lebt  und  erlebt  ganz  neue  Inhalte  in  den  überlieferten 
Formen  und  wird  sich  des  Widerspruchs  beider  nicht  bewusst, 
will  und  kann  sich  dessen  nicht  bewusst  werden.  Es  ist  seine 
Natur,  man  könnte  sagen,  seine  praktisch-politische  Technik, 
grundlegende  Neuerungen  in  alten,  liebgewordeneu  Gläsern  darzu- 
bieten, die  grundsätzlichen  Unterschiede  in  dem  Bestehenden  und 
Werdenden  abzuschwächen,  nicht  zu  erleben  und  deshalb  auch  ab- 
leugnen zu  können  und  längst  hinfällig  gewordene  Einrichtungen 
formell  bestehen  zu  lassen  ^^-).  Wir,  deren  Stärke  und  Schwäche 
die  grundsätzliche  Betrachtungsweise  ist'^^),  nehmen  es  mit  Er- 
staunen —  und  vielfach  auch  völlig  verständnislos  —  wahr,  wie 
der  praktische  Engländer,  der  sich  nun  einmal  in  Verfolgung 
seiner  Interessen  von  theoretischen  und  grundsätzlichen  Erwägungen 
oder   gar    Bedenken    nicht    beeinflussen    lässt^^*),    einen    völligen 


'")  Sie  tritt  besonders  anschaulich  in  den  Büchern  von  Sidney  Low  und 
Lowell  hervor.  Vgl.  auch  die  gute  Schilderung  von  Ernst  Bernhard  im 
Jalirbucli,  ferner  seineu  Aufsatz  in  Logos,  Hatschek.  Verfassunu^^geschichte 
508  (wirklich  „Advokatenkniffe"  ?),  581,  Staatsrecht  1161,543,  II  1  ff..  664 
Aum.  1,  Redlich  72  ff..  248,  281,  798,  Dicey,  Introduction  413,  Lectures  91, 
und  die  viel  zu  wenig  beachtete,  die  hier  nicht  in  Betracht  koinnieuden  leligiöseii 
Quellen  aufdeckende  Darstellung  von  Schulze-Gaevernitz  26  ff.  Vgl.  auch 
Lowell,  Public  opiniou  295. 

*'*)  Als  ein  Beispiel  solcher  Gesetzespetrefakte  kann  sec.  39  Naval  Prize 
Act  1864  (oben  Auui.  9)  dienen. 

"')  Vgl.  Naumanns  Schilderung  der  deutschen  Eigenart  II  58,  79,  99. 
167  und  Patten,  auch  Hurwicz  667,  Troeltsch82  mit  wertvollen  Literatur- 
angaben.  Schon  Heine  sagte  1828  in  den  „Englischen  Fragmenten''  IX  Bd.  3 
S.  483:  „Selten  in  ihren  parlamentarischen  Verhandlungen  ist  es  den  Engländern 
möglich,  ein  Prinzip  auszusprechen,  sie  diskutieren  nur  den  Nutzen  oder  Schaden 
der  Dinge  und  bringen  Fakta,  die  einen  pro,  die  andern  contra,  zum  A'orschein". 
Vgl.  auch  Bd.  4,  351  (Florentinische  Nächte)  und  Band  5,  373  (Shakespeares 
Mädchen  und  Frauen).  Erwähnenswert  sind  auch  die  etwas  einseitigen  Parallelen 
Fontanes  Bd.  4,  208  (vgl.  auch  Bd.  8,  585,  11,  305,  413). 

*'*)  Ein  gutes  Beispiel  ist  das  Buch  Phillipson-Buxtons,  in  dem  S.  239 
die  Tnternationalisieriing  und  Neutralisation    des  Bosporus  und  der  Dardanellen 


j  10  siebentes  Kapitel:  Schlussbctrachtung 

Bruch  der  sonst  in  England  so  mächtigen  Überlieferung  als  solchen 
nicht  bloss  nicht  empfindet,  sondern  mit  den  überkommenen  Ord- 
nungen durch  deren  Umdeutung^''')  vereinigt  und  durch  diese  viel-* 
fach  ungeschichtliche,  aber  innerlich  notwendige  Auslegung  zu  eiaer 
ihn  und  ...  die  von  ihm  Beherrschten  befriedigenden  Überein- 
stimmung des  Alten  mit  dem  Neuen  und  so  zu  einer  Fortentwicklung 
gelangt.  Man  spricht  hier  nicht  mit  Unrecht  von  einer  konser- 
vativen Veranlagung.  Doch  muss  auch  unter  ihr  die  Art  ver- 
standen werden,  die  Lebensverhältnisse  in  Anknüpfung  an  vor- 
handene oder  geschaffene  Interessen  ohne  alle  theoretischen  und 
rechtlichen  Bedenken  gefühls-  und  willensmässig  zu  gestalten,  und 
diese  Gestaltung,  wie  sie  auch  immer  sich  vollziehe,  mit  der  Ver- 
gangenheit und  der  Rechtslage  unter  dem  einigenden  praktischen 
Gesichtspunkte  der  Interessen-Notwendigkeit  innerlich  in  Einklang 
zu  bringen  und  vor  sich  und  andern  zu  rechtfertigen. 

§  18 
Folgerungen  und  Ausblicke. 

Es  erscheint  nicht  ausgeschlossen  —  ja,  es  ist  vielleicht  so- 
gar wahrscheinlich  — ,  dass  diese  skizzenhaft  entworfenen  eng- 
lischen Nationaleigentümlichkeiten  durch  den  Krieg  Veränderungen 
erfahren,  deren  Tragweite  nicht  abgesehen  werden  kann,  dass 
die  elementare  Vereinigung  unvereinbarer  Widersprüche  zur  kri- 
tischen Selbstbesinnung  und  damit  auch  durch  eine  bisher  wenig 
verbreitete  grundsätzliche  Stellungnahme  und  methodisch  und 
logisch    umfassende   Nachprüfung    zur    Überwindung    gelange  ^^^). 


nach  dem  Vorbilde  des  Vertrages  von  Könstantinopel  über  den  Suezkanal  ge- 
fordert wird,  oline  zu  bemerken,  dass  die  Verletzung  der  Vorschriften  dieses 
Vertrages  durch  die  militärische  Besetzung  des  Suezkanals  gegen  ein  solclies 
Vorbild  doch  recht  bedenklich  macheu  mü-sste.  Vgl.  auch  Oppenheim,  Zukunft 
174  und  198. 

"^)  Hierfür  bietet  Hughes  133  ein  sehr  gutes  Beispiel,  der  es  fertig 
bringt,  zu  erklären,  die  Wegnahme  feindlichen  Gutes  aus  neutralen  Schiffen 
erfolge  nicht  auf  Grund  der  Inanspruchnahme  eines  Rechts,  sondern  auf  Grund 
der  Anpassung  der  alten  Blockadegrundsätze  an  die  neuen  Verhältnisse,  ohne 
zu  bemerken,  dass  diese  Anpassung  jenes  Recht  in  sich  schliesst  oder  eben 
widerrechtlich  ist. 

"")  Vgl.  Lindsay  Rogers  S.  30:  „Kurz,  es  kann  nicht  länger  mehr  ge- 
sagt werden,  es  sei  Englands  Ruhm  und  Stolz,  dass  es  in  Kriegs- 
zeiten die  Scbutzrechte  des  Bürgers  gegen,  die  Exekutive  unbe- 
rührt liess:   seit  langem  geltende,  eifrig  beliütete  Vorschriften  der  Verfassung 


§  18.     Folgerungen  und  Ausblicke  lll 

Alsdann  würde  die  diesem  Buche  als  Motto  vorangestellte  Mahnung 
der  Westminster  Gazette^'")  sich  erübrigen,  weil  ihr  Ziel  bereits 
in  dem  englischen  Wesen  verwirklicht  ist,  und  weil  alsdann  die  ein- 
seitige Interessenwahrnehmung  im  Leben  der  Völker  für  den  Eng- 
länder ihre  natürliche  und  unüberwindlichen  Hemmungen  findet  in 
den  Grundsätzen,  die  er  selbst  bei  früheren  Gelegenheiten  der  Wahr- 
nehmung eigener  entgegengesetzter  Interessen  anerkannt  und  ver- 
treten hat.  Bismarck  hat  Recht  und  behält  so  lange  Recht,  als 
nicht  Wandlungen   in  der  Menschennatur  ^'^^)  eintreten,   die  dahin 


sind  zeitweilig-  ausser  Kraft  gesetzt  worden,  und  dies,  recht  bemerkenswert,  in 
einem  Kampf,  der  gegen  preussische  Autokratie  geht.  England  hat  sich 
gezwungen  gesehen',  despotisch  zu  werden".  .  .  .  Siehe  hierzu  Boutmj' 
296:  „Person,  Bör.se,  Haus  sind  für  jeden  Engländer  wie  drei  Festungen",  und 
S.  29:  „Alle  von  den  Vorfahren  he^^  eingewurzelten  Kräfte  kämpfen  für  ihn  und 
in  ihm  gegen  den  Despotismus  des  Staates*.  \'gl.  dagegen  die  aufschlussreiclien 
iJarlegungen  einer  sich  bildenden  neuen  Geistesverfassung  in  den  Werken  von 
Hermann  Levy,  von  Schulze-Gaeverni tz,  Dicey,  Lectures.  Siehe  auch 
Troeltsch,  Ansturm  112. 

"'■)  Es  verdient  Erwähnung,  dass  F.J.Lawrence  in  den  Problems  of  the 
war  Bd.  II  S.  110  die  Errichtung  neutraler  Gerichtshöfe  zur  Entscheidung  und 
Bestrafung  der  Zuwiderhaudlungen  gegen  zu  revidierende  Kriegsgesetze  vor- 
schlägt und  (S.  114)  im  Anschluss  an  die  übliche  Rechtfertigung  der  englischen 
Aushungerungspolitik  auf  Grund  der  vermeintlichen  Unmöglichkeit  einer  Unter- 
scheidung zwischen  Zivil-  und  Militärbevölkerung  die  Notwendigkeit  eines  neuen 
Konterbanderechts  betont,  das  „sich  von  dem  alten  erheblich  unterscheiden  wird". 
De  AI  on  tniorency  (ebendort  S.  28)  will  die  Zulässigkeit  (reasonabloness)  der 
Konterbandeliste  der  Nachprüfung  eines  internationalen  Gerichtshofes  unter- 
werfen. 

"*)  Erst  diese  schaffen  die  Wirkungsmöglichkeit  für  die  Zwangsmittel, 
von  denen  sich  Nippold  in  seinem  anregenden,  der  Gegenwart  aber  weit  voraus- 
eilenden Buche  (S.  107,  249  und  an  vielen  andern  Stellen)  über  das  Völkerrecht 
nach  dem  Weltkriege  alles  Heil  verspricht.  Sein  demokratisches  Völkerrecht 
muss  sich  auch  auf  Macht  gründen,  ja  kann  durch  sie  erst  verwirklicht  werden. 
Ein  demokratisches-  Völkerrecht  setzt  ein  demokratisches  Verhältnis  der  einer 
solchen  Völkerrechtsgemeinschaft  augehörenden  Staaten  voraus,  und  dieses  dürfte 
durch  die  selbst  nur  vermeintliche  Uebermacht  eines  Staates  zur  See  oder  zu 
Lande  immer  in  Frage  gestellt,  wenn  nicht  unmöglich  gemacht  werden  Nippold 
hat  in  seiner  vielfach  naturrechtlich  anmutenden  Betrachtungsweise  verabsäumt, 
seinen  Standpunkt  methodisch-kritisch  zu  untersuchen.  Alsdann  hätte  er  wohl 
bemerkt,  dass  die  Frage  der  Neugestaltung  des  Völkerrechts  in  einem  kleinen 
neutralen  Staate,  wie  der  Schweiz,  anders  erlebt  und  beurteilt  werden  wird,  wie 
in  einem  der  grossen  kriegführenden  Staaten,  dass  ein  logisch-deduktives 
Verfahren  olme  ein  historisch-induktives  keine  überzeugenden  uml 
praktisch  befriedigenden  Ergebnisse  zeitigen  kann.  Gleiches  gilt  auch 
gegen  das  ralioDali>tisclie  Verfahren  Redslobs  312  ff.  und  Norman  Angel Is 
in  Illusion  und  in  Introductiou  zu  Krehbiel:  während  Nelson  1Ü5  in  der 
Forderung,  wenn  auch  nicht  ihrer  von  ihm  gegebenen,  letzten  Endes  meta- 
physischen Begründung  nur  beigepflichtet  werden  kann,  dass  „einzig  ein  hin- 
reichend entwickeltes  und  einen  angemessenen  öffentlichen  Ausdruck  findendes  ■ 
RechtsbeAvusstsein  es  sei,  was  über  die  blosse  Stabilität  der  Organisation  hinaus 
die  Herrschaft  des  Rechts  im  Völkerleben  ijewährleisten  kann".    Aehniicli  schon 


1X2  Siebentes  Kapitel:  Schlussbetrachtung 

führen,  dass  der  Gedanke  einer  Vertragsverletzung  für  jeden 
Staatsmann  imwillkürlicli  mit  einer  Hemmungsvorstellung  ver- 
bunden ist,  die  es  ihm  unmöglich  macht,  die  Verantwortung  für 
die  Verletzung  zu  übernehmen,  weil  er  mit  einer  allgemeinen 
Missbilligung  und  Vertrauensentziehung  bei  den  Neutralen  und  im 
eigenen  Lande  rechnen  müsste  und  überzeugt  wäre,  dass  der  Vor- 
teil einer  Vertragsverletzung  den  Nachteil  dieser  Missbilligung  und 
Vertrauensentziehung  nicht  aufhebt.  Es  wird  hierbei  nicht  an  einen 
Zukunftstraum  des  ewigen  Friedens  gedacht,  sondern  nur  von  der 
Tatsache  ausgegangen,  dass  es  solche  Hemmungsvorstellungen  be- 
reits gibt,  dass  in  gewissem  Sinne  das  gesamte  Kriegsrecht  auf  ihnen 
beruht,  dass  insbesondere  die  Beschränkungen  ihr  Vorhandensein  be- ' 
weisen,  welche  sich  die  Ententestaaten  bei  ihren  völkerrechtswidrigen 
Seekriegsmassnahmen  immerhin  doch  noch  selbst  auferlegen,  indem 
sie  zum  Beispiel  das  feindliche  Gut  auf  neutralen  Schilfen  unter 
Verletzung  der  Pariser  Deklaration  beschlagnahmen  und  her- 
vorheben, es  würde  nicht  konfisziert^'^).  Ob  aber  dieser  Krieg 
bereits  jene  Wandlungen  hervorrufen  wird,  insbesondere  bei  jenen, 
die  ihnen  bei  ihrer  besonderen  Interessenlage  auf  meerumspültem 
Eiland  sehr  wenig  zugänglich  erscheinen,  ob  er  uns  die  am  meisten 
verletzten  Rechtsgüter,  die  Freiheit  der  Meere  '-*^)  und  den  Schutz 
des  Privateigentums'-^)  und  der  persönlichen  Freiheit  im  Kriege 
bringen  wird,  wer  könnte  heute  schon  darüber  eine  begründete  Meinung 


Oppenheim,  Zukunft  155,  der  von  dem  „Tiefstand  der  öffentlichen  Moral  in 
bezug  auf  die  iuteruationalen  Beziehungen "  spricht  (siehe  auch  157).  Ob  hier 
eine  vAenderuiig  zum  Besseren  eintreten  kann,  solange  der  Souveränitätsbegriff 
seine  schrankenlose  Herrschaft  ausübt?  (siehe  auch  Zorn  23).  Und  ob  hier 
nicht  die  Kritik  Nelsons  und  Angells  (z.  B.  foundation,  introductory  sum- 
mary  S.  XX)  sich  fruclitbar  erweist?  Vgl.  Problems  of  tlie  war  Bd.  II,  117 
(Bisshop)  uud  135  (Darby)  und  bei  Stier-Somlo,  121. 

^'^)  Siehe  Antwort  der  französischen  Regierung  auf  das  an  Seine  Exzellenz 
Herrn  M.  Shark,  den  Gesandten  der  Vereinigten  Staaten  zu  Paris,  gerichtete 
Schreiben  der  Vereinigten  Staaten  vom  5.  März  1915  über  Prisenmassnahmeu 
gegen  den  deutschen  Handel,  und  die  gemeinsame  Erklärung  der  französischen 
und  britischen  Eegierung,  in  der  die  Massnahmen  angekündigt  werden,  welche 
bezwecken,  die  Waren  zu  beschlagnahmen,  welche  Angehörigen  des  Deutschen 
Pieiches  gehören  oder  von  Deutschland  kommen  oder  dorthin  befördert  werden, 
Gegenmassnahmen  gegen  die  Versuche  Deutschlands,  die  Wiederverproviantierung 
Frankreichs  und  Grossbritanniens  zu  verhindern,  den  neutralen  Mächten  am 
1.  März  1915  notifiziert,  bei  M.  Paul  Fauchiile  II  S.  .S5  und  43.  Vgl.  auch  das 
Memorandum  vom  7.  Juli  1916  in  Mise.  Nr.  22  (1916)  Cd.  8293  und  hier  S.  117  ff. 

''°)  Selbst  in  der  Einschränkung  des  Begriffes  nach  seiner  Klärung  durch 
das  verdien,stvolle  Buch  Stier- Somlos. 

'2')  Loreburn  160  f. 


§  18.     Folgerungen  und  Ausblicke  HB 

aussprechen?  Weil  dies  nicht  möglich  ist  nnd  weil  für  alle  neu 
abzuschliessenden  Staatsverträge  wiederum  das  angeführte  Wort 
Bismarcks  gilt,  so  kann  es  sich  in  der  Tat  nur  darum  handeln, 
eigene  Interessen  der  Vertragsschliessenden  an  der 
Erfüllung  ihrer  neu  abzuschliessenden  Verträge  zu 
schaffen  und  zu  erhalten,  einen  Friedenszustand  herbei- 
zuführen, an  dessen  Aufrechterhaltung  alle  beteiligten 
Staaten  ein  möglichst  langandauerndes  Interesse  haben. 

Dieses  bescheidene  Ergebnis  soll  und  darf  uns  nicht  unzu- 
frieden machen.  Es  ist  mit  Staatsverträgen  nicht  anders  als  mit 
Verträgen  unter  Privaten.  Es  gibt  keine  Verträge,  die  alle  mög- 
lichen Lebenslagen  zur  Zufriedenheit  aller  Beteiligten  regeln, 
keinen,  der  nicht  einmal  bei  einer  vorher  nicht  übersehbaren  und 
vorher  nicht  regelbaren  Gestaltung  der  Dinge  den  einen  oder 
anderen  Vertragsschliessenden  drückt  und  ihn  an  den  Vertrags- 
fesseln rütteln  lässt  und  in  „zwingenden  Fällen"  auch  vertrags- 
brüchig und  schuldig  werden  lässt.  Das  Leben  steht  nicht  still: 
Tiokei-ios  Tiarr^q  Tiaviiov. 

Die  theoretischen  Ausführungen  haben  aber  auch  naheliegende 
praktische  Folgen: 

Die  Richtung  ist  bereits  durch  den  Jay-Vertrag  von  1794 
Artikel  7  und  den  Vertrag  von  Washington  von  1871  Artikel  12  ff. 
(siehe  oben  S.  37  f.)  gewiesen.  Grundsätzlich  erwächst  aus 
der  Völkerrechtsverletzung  eine  Schadensersatzpflicht^^^) 
(vgl.  Art.  3  des  IV.  Haager  Abkommens,  64  der  Londoner  Dekla- 
ration). Dies  ist  in  den  genannten  Verträgen  von  selten  Englands 
und  der  Vereinigten  Staaten  anerkannt  worden !  In  der  Ausführung 
dieser  Verträge  durch  Schiedskommissionen  und  den  umfang-  und 
lehrreichen  Verhandlungen  und  Berichten,  die  eine  Sonderdarstellung 
verdienten,  haben  sich  die  beteiligten  Staaten  in  der  Weise  dem 
Spruch  der  Schiedsrichter  unterworfen,  dass  sie  die  durch  die 
Kommission  festgesetzte  Zahlungspflicht  dem  andern  Staate  gegen- 
über erfüllten,  und  dieser  den  Beschädigten  die  zugesprochenen 
Beträge  abführte.     Hiernach  stehen  folgende  Sätze  fest: 


"^)  V.  Liszt  362  muss  zur  Verneinung  von  Schadensersatzansprüchen  ge- 
langen, wenn  er  die  Völkerrecbtsverletzuugen  in  berechtigte  Meinungsverschieden- 
heiten auflöst. 

Bendlx,  Völkerrechtsverletzungen  • 


114  Siebentes  Kapitel:  Sclilussbetrachtunfr 

1.  Die  völkerrechtliche  Eechtmässigkeit  der  Kriegsraassnahmen 
unterliegt  einer  richterlichen  Nachprüfung  durch  eine  unab- 
Iiängige,  endgültig  entscheidende  Instanz. 

2.  Der  wegen  Verletzung  der  Gerechtigkeit  oder  Billigkeit  oder 
des  Völkerrechts^-^)  in  Anspruch  genommene  Staat  hat  sich 
und  ist  dem  Spruch  dieser  Instanz  unterworfen. 

3.  Im  Schiedsgericht  ist  der  in  Anspruch  nehmende  und  der  in 
Anspruch  genommene  Staat  durch  die  gleiche  Zahl  der  von 
ihm  gewählten  Richter  vertreten. 

Gegen  die  Grundsätze  zu  1  und  2  wird  an  sich  nichts  zu  er- 
innern sein.  Die  Grundsätze  zu  1  und  3  werden  durch  die  auch  in 
ähnlichen  Fällen  bekannte  Tatsache  beleuchtet,  dass  der  Vertreter  der' 
in  Anspruch  genommenen  Partei  anderer  Meinung  ist,  wenn  der  Ver- 
treter der  in  Anspruch  nehmenden  Partei  für  die  Verurteilung  ist, 
und  dass  die  Entscheidung  letzten  Endes  von  dem  „unparteiischen" 
Obmann  abhängt,  wie  dies  insbesondere  aus  dem  amerikanischen 
Bericht  zur  Ausführung  des  Artikels  XII  des  Vertrages  von 
Washington  und  dem  englischen  Bericht  über  die  abweichenden 
Ansichten  des  englischen  Vertreters  bei  Entscheidung  des  i\.labama- 
falles  deutlich  hervorgeht,  bei  der  von  den  fünf  Schiedsrichtern 
nur  je  einer  von  den  beteiligten  Staaten,  je  einer  von  den  Staats- 
oberhäuptern Italiens,  Brasiliens  und  der  Schweiz  gewählt  war 
(North  America  No.  2  [1873]  S.  7—258).  Da  auch  auf  dem  hier 
fraglichen  Gebiete  von  der  grundsätzlichen  Mehrdeutigkeit  der 
Tatsachen  und  Rechtssätze  auszugehen  ist  und  auch  bei  den  un- 
beteiligten Neutralen  jene  überirdische  Unparteilichkeit  nicht  ge- 
funden werden  kann^-*),  die  zu  Unrecht  vielfach  als  Kriterium 
richterlicher  Tätigkeit  angenommen  wird,  auf  die  Persönlichkeii" 
der  Schiedsrichter  aber  schlechterdings  alles  ankommt,  so  kann 
nur  die  Forderung  aufgestellt  werden,  dass  die  Auswahl  der 
Schiedsrichter  unter  Mitwirkung  der  parlamentarischen  Vertretungs- 


^^')  Der  Jay- Vertrag  schrieb  deu  Schiedsrichtern  vor,  zu  entscheiden 
accordiiig  to  the  merits  of  the  several  cases  and  to  justice,  eqnity  and  the  law 
of  nations ;  im  Vertrage  von  Washington  steht,  sie  sollen  entscheiden  to  the 
best  of  their  judgnient  and  according  to  the  justice  and  eqnity.  Natürlich  ent- 
stand die  Frage,  ob  durch  die  letzte  Fassung  das  Völkerrecht  ausgeschlossen 
werden  sollte  (amerikanischer  Bericht  S.  246  Nr.  4) 

12*)  Darauf  haben  .schon  Root  141,  397,  Brailsford  165  und  Weh- 
berg  62  hingewiesen. 


§  18.    Folgei'utigen  und  Ausblicke  ll5 

kurper ^-•'•)  erfolge,  und  die  beteiligten  Staaten  sich  auf  gemein- 
schaftliche Instruktionen  zu  einigen  suchen  und  sich  verpflichten 
sollten,  keine  geheimen  Instruktionen  zu  geben. 

Vielleicht  Hesse  sich  hier  als  gemeinsame  Richtschnur  für  die 
Anwendung  des  zu  1  genannten  Grundsatzes  der  aus  unseren  Dar- 
legungen immer  wieder  hervortretende  und  bewiesene  Gedanke 
derart  praktisch  verwirklichen,  dass  im  Friedensvertrage  oder  in 
den  gemeinschaftlichen  Instruktionen  für  die  Schiedsrichter  das- 
jenige Verhalten  eines  Staates  als  unrechtmässig  aner- 
kannt wird,  das  in  seinen  eigenen  anderweitigen  Er- 
klärungen und  Massnahmen  als  unrechtmässig  hin- 
gestellt oder  vorausgesetzt  wird^-^),  wenn  das  Schiedsgericht 
nicht  einstimmig  die  Unrichtigkeit  der  früheren  Stellungnahme 
oder  ihre  Unübertragbarkeit  auf  den  zur  Entscheidung  stehenden 
Fall  feststellt. 

Und  schliesslich  wird  auch  zu  erwägen  sein,  ob  mit  dem 
Grundsatz  ^^^),  dass  der  Krieg  zu  einem  Kampf  der  Völker  ge- 
worden sei,  nicht  Ernst  gemacht  und  den  sich  verletzt  fühlenden 
Angehörigen^-^}  der  betreffenden  Völker  nicht  gegen  die  nach 
ihrer  Meinung  unrechtmässig  handelnden  Staaten  unmittelbar 
Schadensersatzansprüche  zugebilligt  werden  sollen  mit  dem  Recht,  sie 
selbst  vor  einem  internationalen  Schiedsgericht  zu  verfolgen  ^^^). 


^-^)  Webbergs  Vorscblag  8^  der  Eruenmiug  durch  eine  internatiouale 
Konimissioii  von  bochangesebeneu  Juristen  verkennt  das  Wesen  der  Recbt- 
sprecbnng,  die  nicht  bloss  eine  logisch-intellektuelle  Aufgabe  ist,  sondern  zu- 
gleich auch  und  hauptsächlich  eine  ethisch  weitende  Willensentscheidung.  Vgl. 
Schlief  27.S.  von  B-ar,  Burenkrieg  40  f.,  Oppenheim,  Zukunft  186.  Die 
besten  Gelehrten  können  schlechte  Richter,  und  die  besten  Richter  schlechte 
Gelehrte  sein. 

»2«)  Vgl.  das  Merkwort  zu  Kap.  4  S.  59. 

i27j  und  zwar  in  dem  Sinne  Uppenlieiras,  Zukunft  197,  dass  nunmehr 
auch  die  Zivilbevölkerung  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  ^aktiven  Krieg-sstand" 
besitze  oder  doch  ihr  passiver  Kriegsstand  in  seiner  praktischen  Behandlung  an 
den  aktiven  herangerückt  und  mit  Ausnahme  der  unmittelbaren  kriegerischen 
Aktionen  kein  Unterschied  mehr  gemacht  wird 

^'^^)  Vgl.  Art.  4  und  5  des  XII.  Haa<rer  Abkommens  und  dazu  v.  Liszt, 
Wesen  38,  Schücking,  Staatenverband  63  und  141. 

1-')  Die  hier  angedeutete  schied.srichterliche  Aufgabe  und  Lösung  rauss 
aus  dem  Streitstoff  und  den  Interessen  der  beteiligten  Staaten  als  eine  innere 
geschichtliche  Notwendigkeit  herauswachsen  (Aehnlich  Oppenheim,  Zukunft  157, 
und  Lammascii  45  f.)  Alle  theoretischen  Konstruktionen  einer  allgemeinen 
Lösung  internationaler  Konflikte  durch  stärkere  Parlameutskontrolle  der  aus- 
wärtigen Politik  fPonsonby,  vgl.  auch  des  Verfassers  Aufsatz  in  Schmollers 
Jahrbuch)  und  Oeffentüclikeit  der  Diplomatie,   internationale  Gesetzgebung  und 

8* 


\lQ  Siebentes  Kapitel:   Schlussbctrachtuiig 

Schiedsgerichtsbarkeit  [ausser  Nippoltl,  Retlslob,  der  viel  zu  wenig  beachtete 
Schlief,  der  schon  lö92  fast  alle  Gesiclitspiinkt.e  des  weltberüliuiten  Buclies 
von  Angell  gebracht  hat,  Fried,  Berger,  Seber,  Halpert,  auch  Meier, 
von  Bar,  Schücking,  Otlet,  Tscheou-W  ei ,  Duplessix,  Lange,  Scott 
[reconiniandations],  Yearbook,  Mügge,  Woolf .  Dickinson,  Hobsou,  Bux- 
ton,  Quin,  Bryce,  Stilwell,  Taft.  Nordenstoft,  Jefferson,  Jordan, 
Mackaye,  Moritzen,  Den  Beer  Poortugael ,  Toynbee,  Wells,  Biottot. 
Leroy,Ashbee,  Platcr,  Heath,Keen  ,Loder  .Mocli,  Schvan,  auch  Beuihani 
bei  Oscar  Kraus,  W.E.Wilson,  und  die  Beiträge  in  den  Sammlungen: 
Männer  der  Wissenschaft,  Veröf f en tliciiungen,  War  obviated  und 
Rapports,  weitere  literarische  Nachweise  bei  den  Genannten  und  besonders 
bei  Krehbiel],  so  viele  wertvolle  und  zu  verwertende  Einzelheiten  in  diesen 
Versuchen  auch  gelegen  sein  mögen,  helfen  über  die  Tatsache  nicht  hinweg, 
dass  mau  einen  Bau  nicht  am  Dache  anfangen  kann  oder  unhildlich,  dass  nicht 
nach  allgemeinen  Gesichtspunkten  aus  einer  immanenten  Logik  der  zugrunde 
gelegten  Begriffe  verfahren  werden  kann  und  darf,  dass  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung vielmehr  aus  sich  selbst  heraus  nur  an  die  einzelnen,  ihr  g er- 
stellten bestimmten  Aufgaben  in  der  darin  nach  Gegenstand  und 
Mitteln  gelegenen  Begrenzung  herantreten  kann,  und  dass  trotz  aller 
Kulturerrungenschaften  das  Grundwesen  des  Menschen  im  Irrationalen  und 
Triebhaften  liegt,  dass  dies  auch  für  den  Richter  und  die  richterliclie  Tätig- 
keit gilt,  und  dass  auch  deshalb  die  internationale  Gerichtsbarkeit  gar  nicht 
bei  ernsten  Streitigkeiten  leisten  kann,  was  sie  vermeintlich  leisten  soll  und 
■wird,  selbst  wenn  „das  Völkerrecht  so  entwickelt  wäre,  dass  eine  rein  recht- 
liche Erledigung  der  meisten  Streitfragen  möglich"  (Wehberg  10)  wäre. 
(Siehe  hierzu  die  im  Literaturverzeichnis  angeführten  Arbeiten  des  Verfassers.) 
Die  logische  Widerlegung  des  Krieges  (z.B.  beiNovikow)  vermag  die  praktisch- 
politischen  und  geschichtlichen  (Mahan,  Armaments,  siehe  die  Steilen  unter  dem 
Schlagwort  force  im  Index)  und  die  raethodisciien  (Frischeisen-Köhler,  Pro- 
blem 47)  Einwände  gegen  den  Pazifismus,  wie  sie  aus  jenem  Grundvvesen  not- 
wendig folgen  (vgl.  auch  die  praktischen  und  grnudsätzlichen  Bedenken  der 
„Männer  der  Wissenschaft",  z.  B  von  Bar,  Brentano,  Sombart,  Stoerk, 
Adolf  Wagner),  nicht  zu  beseitigen.  Das  leistet  auch  die  scharfsiunige,  wesent- 
lich im  Negativen  stecken  bleibende  Kritik  Nelsons  nicht,  die  aber  neben 
Schlief  die  ersten- Ausätze  einer  ernsten  methodischen  Begründung  des  Pazi- 
fismus enthält. 


Anhang:  Aus  Brewers;  Rechte  und  Pflichten  der  Neutralen  117 


Anlage   zu   Anmerkung  32   S.  24 
filbersetzuiis:] 

Aus  Brewers:  Rechte  und  Pflichten  der  Neutralen. 

New  York  und  London  1916. 

Kapitel  XV 

Sir  Edward  Greifs  Brief  zur  Verteidigimg  der  von  der  britischen 
Regierung  erlassenen  Order  in  Council  vom  März  1915. 

Die  genaue  Prüfung  einer  gegnerischen  Meinung  ist  immer  wertvoll.  Ent- 
weder werden  Avir  durch  sie  für  die  Wahrheit  gewonnen,  oder  wir  werden  in 
unserer  Stellungnahme  durch  die  Wahrnehmung  bestärkt,  dass  die  Gegenseite 
ihre  Sache  auf  Täuschungen  und  Ungenauigkeiteu  gründet. 

Für  den  unvoreingenommenen  Bürger  der  Vereinigten  Staaten  hat  die 
britische  Order  in  Council  vom  März  1915  eine  Politik  eingeleitet,  die  ebenso 
unhaltbar,  wie  für  die  Neutralen  schädlich  ist,  und  daran  ändert  auch  nichts  die 
ernsthafte  Absicht,  sie  möglichst  ohne  Belästigung  der  Nicht-Kriegführenden 
anzuwenden.  Der  Brief  von  Sir  Edward  Grey  vom  23.  Juli  kann  nur  diese 
Auffassung  bestärken.  Diese  offizielle  Mitteilung  wurde  am  24.  Juli  durch  den 
amerikanischen  Gesandten  überreicht.  Sir  Edward  Grey,  dessen  hohe  staats- 
männische Eigenschaften  allgemein  anerkannt  werden,  macht  neben  anderen 
Punkten  zur  Begründung  seiner  Ansicht  die  folgenden  Au-  und  Ausführungen, 
die  nachzuprüfen  sich  lohnt.  So  sorgfältig  diese  Gründe  auch  für  den  britischen 
Standpunkt  entwickelt  sind,  so  ist  es  doch  unmöglich,  dass  sie  auf  irgend  jemand 
Eindruck  machen.  Sie  wenden  sich  nicht  an  den  Verstand,  und  wer  eine  Wieder- 
gabe des  ursprünglichen  Textes  liest,  kann  nur  zugeben,  dass  Eari  Grey  offen 
alles  geltend  gemacht  hat,  was  zur  Unterstützung  einer  Unternehmung  gesagt 
werden  kann,  die  für  das  von  ihm  vertretene  Land  eine  Sache  höchster  Staats- 
politik ist,  gleichgültig,  ob  die  Giünde  dafür  überzeugend  sind  oder  nicht. 

1.  Notwendigkeit. 
„Ich  fasse  die  Mitteilung  der  Regierung  Eurer  Exzellenz",  so  heisst  es  in 
der  Note  des  Ministers  des  Äussern,  „nicht  so  auf,  als  wenn  sie  die  Notwendig- 
keit in  Frage  stellen  will,  alle  die  Schritte  zu  unternehmen,  die  uns  angemessen 
erscheinen,  um  den  Handel  des  Feindes  zu  vernichten,  sondern  ich  verstehe  sie 
dahin,  dass  sie  sich  allein  auf  die  Frage  der  Berechtigung  besonderer  Mass- 
nahmen  bezieht".    Offenbar   soll   diese  Wendung   den  Glauben  erwecken,    das» 


118  Anhang 

NütweiuligkeiL  in  ckn  Vereinigteu  Staaten  als  Entschuldigung  einer  sonst  nicht 
zulässigen  Handlung  anerkannt  sei;  zugleich  aher  enthält  sie  das  schlichte  Zu- 
geständnis, dass  es  Leute  gibt,  welche  die  Anwendung  von  Gewalt  durch  ein 
Land  lediglich  auf  gesetzliche  Massnahmen  beschränken  wollen.  Allerdings  gibt 
es  solche,  und  unter  ihnen  insbesondere  die  Verbündeten!  Wenn  es  anders  wäre, 
so  würde  Übergriffen.  Avegen  deren  sie  sich  mit  Recht  beschweren,  Tür  und  Tor 
geöffnet,  und  nicht  nur  würden  feindliche  Staaten  für  unzulässig  erklärte  Ge- 
setzesverletzungen wiederholen,  ja  sogar  Neutrale  würden  unter  dem  gleichen 
Verwände  (plea)  Notwendigkeit  als  eine  Entschuldigung  für  unuentrale  Hand- 
langen geltend  machen. 

Seit  langem  hat  jedes  Volk,  Avenn  Völker  miteinander  im  Streit  lagen,  sich 
geneigt  gefunden,  Notwendigkeit  als  eine  Entschuldigung  für  Taten  geltend  zu 
machen,  die  naclidrücklicliem  Widerspruch  unterlagen.  Die  Völker  haben  es  des- 
halb auch  vorgezogen,  weniger  Gewicht  auf  das  Losungswort  „Notwendigkeit" 
zu  legen,  als  vielmehr  Gründe  zum  Beweise  dafür  vorzubringen,  dass  die  von 
ihnen  angenommene  Politik  mit  dem  Recht  in  Übereinstimmung  sei. 

2.  Das  Recht  eines  Kriegführenden,   neutrale  Häfen  zu  hloehieren,  toenn   sich 

kein  anderer  Weg  bietet,  den  Feind  zu  treffen. 
Dieser  Satz  führt  nach  dem  britischen  Minister  auf  die  von  den  Vereinigteu 
Staaten  zugestandene  Regel  zurück,  dass  ein  Kriegführender  das  Recht  hat, 
einen  feindliclien  Hafen  zu  blockieren;  dies  ist  aber  nach  Ansicht  des  Verfechters 
nichts  mehr  noch  weniger  als  „Abschneidung  der  feindlichen  Übersee -Aus-  und 
-Einfuhr".  Die  Begründung  ist  etwa  folgende:  Wenn  man  nicht  den  feindlichen 
Hafen  selber  blockieren  kann  und  findet,  dass  dieser  über  neutrale  Häfen  Zu- 
fuhren erhält,  dann  ist  man  berechtigt,  die  vorgenannten  neutralen  Häfen  zu 
blockieren,  weil  man  ein  Recht  hat,  die  „feindliche  Übersee-Aus-  und  -Einfuhr" 
abzuschneiden.  Die  Unhaltbarkeit  dieser  Darlegung  liegt  natürlich  in  der  Irr- 
tümlichkeit der  vorausgesetzten  Annahme,  dass  das  Recht,  einen  feindlichen 
Hafen  zu  blockieren,  einfach  eiu  Teil  (phase)  des  unterstellten  (aber  nicht 
existierenden)  Rechts  sei,  seinen  Handel  mit  allen  zweckdienlichen  Mitteln  ab- 
zuschneiden. Wird  aber  diese  Grundlage  der  sonst  so  sorgfältig  aufgebauten 
Beweisführung  entzogen,  muss  sie  zusammenstürzen. 

3.  Dass  die  Blockade  der  Südküste  der  Vereinigten  Staaten  im  Bürgerkriege 
einen  Präzedenzfall  insofern  darbiete,   als   dies   eine  Ausdehnung  der  früheren 

Praxis  darstelle. 

Es  ist  wahr,  dass  die  angezogenen  Präzedenzfälle  des  Bürgerkriegs  eine 
Ausdehnung  einer  bekannten  Praxis  bedeutet  haben,  aber  es  wird  auch  für  den 
kühnsten  Geist  schwierig  sein,  zwischen  den  amerikanischen  Neuerungen  und  denen 
eine  Ähnlichkeit  zu  finden,  die  durch  die  erörterte  Order  in  Council  eingeführt  werden. 
Im  Gegenteil,  Kenner  des  internationalen  Rechts  werden  sich,  eingedenk  der 
Fälle  ,,Peterhoff"  und  „Springbok",  erinnern,  dass  der  höchste  Gerichtshof 
der  Vereinigten  Staaten  die  Tatsache  anerkannte,  dass  die  Völker  durch  un- 
wandelbare Grundsätze  beschränkt  werden,  und  dass  er  bei  Ausführung  der 
Lehre   von    der   fortgesetzten  Reise   zwischen   dem   Recht  des   Kriegführenden, 


Aus  Rrewers:  ßechte  und  Pflichten  der  Neutralen  119 

Konterbaude  in  Beschlag-  zn  nehmen,  und  dem  Recht  unterschieden  hat,  eine 
Blockade  auf  neutrale  Gewässer  auszudehnen,  eine  Praxis,  deren  Unterstützung 
der  Gerichtshof  zurückwies. 

4.    Geeignetheit  neutraler  Häfen  für  feindlichen  Gehrauch. 

„Angrenzend  an  Deutschland",  sagt  Earl  Grej',  „sind  verschiedene  neu- 
trale Länder,  was  ihnen  bequeine  Gelegenheit  bietet,  Handel  mit  andern  Ländern 
zu  treiben''.  Er  führt  Rotterdam  an,  das  für  bestimmte  feindliche  Zwecke  besser 
geeignet  sei,  als  die  Häfen  der  anderen  Länder.  Es  ist  unverständlich,  wie. 
diese  Angrenzung  neutraler  an  feindliche  Häfen  dem  Kriegführenden  irgend- 
welche Rechte  über  die  erstgenannten  geben  soll.  Wenn  Eisenbahnen  und 
Wasserwege  neutrale  Docks  für  feindlichen  Gebrauch  verfügbar  machen,  so  ist 
das  ein  Missgeschick  für  den  andern  Kriegführenden.  Österreich  hat  ein  Memo- 
randum über  die  Muuitionsausfuhr  der  Vereinigten  .Staaten  zu  den  Verbündeten  - 
vorgelegt  und  dringt  darauf,  dass  sie  verboten  werde,  weil  die  „Zeutralmächte"' 
an  dem  Handel  nicht  Teil  haben  können.  Hier  ist  ein  Beispiel,  dass  Lage  und 
Seegeltung  die  Verbündeten  begünstigen.  Internationales  Recht  ist  wie  Landes- 
recht feststehend  und  kann  nicht  für  besondere  Verhältnisse  zurecht  gemacht 
werden.  Die  Tatsache,  das.«  Deutschland  mit  nahen  neutralen  Seehäfen  Land- 
vevbinduug  hat,  gibt  andern  Kriegführenden  kein  Recht,  sich  geltende  Gesetze 
nur  insoweit  anzueignen,  als  dadurch  dieser  bemerkenswerte  Vorteil  wertlos  wird. 

5.  Bass  die  Unterbrechung  des  neutralen  Handels,  der  für  feindliche  Zwecke 
bestimmt  ist,  bevor  er  einen  neutralen  Staat  erreicht,  oder  nachdem  er  ihn  ver- 
lassen hat,  durch  den  einen  Kriegführenden  gerechtfertigt  sei  als  „Gegengewicht" 
gegen  die  Freiheit,   mit  der  der  andere  Kriegführende  seinen  Handel  durch  ein 

neutrales  Land  hindurchführt,  ohne  dessen  Neutralitat  Abbruch  2u  tun. 

Dass  solch  eine  Unterbrechung  ein  „Gegengewicht"  sei,  wird  jeder  zugeben, 
dass  sie  aber  gerechtfertigt  sei,  kann  nicht  aufrecht  erhalten  werden.  Die  be- 
troffenen neutralen  Mächte  sind  souveräne  Wesen.  Es  ist  ihre  Sache,  zu  sagen, 
was  sie  erlauben  wollen,  und  sie  sind  vijllig  frei,  beides,  ihren  Inland-  und  iiiren 
Überseehandel  mit  jedem  Kriegführenden  fortzusetzen;  einen  Konflikt  haben  sie 
nur  bei  eigener  Xachgiebigkeit  (contrabande)  oder  anlässlich  der  Kriegsblockade 
feindlicher  (nicht  neutraler)  Häfen  zu  gewärtigen. 

6.  Dass  eine  Ausdehnung  des  Grundsatzes  der  Blockade  berechtigt  ist,  wenn  diese 

dadurch  effektiv  wird. 
Dies  ist  eine  merkwürdige  und  ungewöhnliche  Begründung,  der  man 
schwerlich  schon  früher  einmal  begegnet  sein  wird.  Das  Wort  „effektiv",  von 
der  Blockade  gebraucht,  hat  es  mit  der  physischen  Behauptung  der  Souveränität 
über  feindliche  Gewässer  zu  tun.  Es  ist  bestimmt,  das  Merkmal  der  See-Eiu- 
schliessung  zu  bezeichnen.  Ob  eine  Blockade  tatsächlich  besteht  oder  nicht, 
hängt  daher  von  dem  Druck  ab,  der  von  aussen  her  auf  einen  Hafen  ausgeübt 
wird,  dagegen  nicht  von  irgendwelchen  inneren  Zuständen,  die  sich  in  einem 
feindlichen  Gebiet  anscheinend  als  Folge  einer  versuchten  Blockade  ergeben. 
Wenn  es  anders  wäre,  so  könnte  ein  Kriegführender   den  Schluss  ziehen  (post 


120  Anhang:- Aus  Brevvei's:  Hechte  und  rflichten  der  Neutralen 

hoc  ergo  proptcr  hoc),  dass  eiue  durch  schlechtes  Wetter  hervorgerufeuc  Miss- 
ernte des  Feindes  die  unmittelbare  Folge  einer  sonst  wirkungslosen  Demonstration 
feindlicher  Kriegsschiffe  sei.  Neutrale  Häfen  zu  blockieren  nnd  zu  behaupten, 
dass  die  darauf  folgende  Not  des  Feindes,  selbst  wenn  sie  dadurch  verursacht 
würde,  die  Blockade  effektiv  mache,  ist  ein  Schluss,  den  man  nicht  leicht  sich 
zu  eigen  macheu  wird. 

7.,  Dass  Grossbritannien  in  Iceinen  Handelsverkehr  eingegriffen  hat,  denes  nicht 
berechtigt  iväre,  durch  Blockade  zu  schliessen,  „wenn  die  geographische  Lage'  des 
Feindes  derart  war,  „dass  sein  Handel  durch  seine  eigenen  Häfen  hindurchging". 
Dies  muss  entschieden  bezweifelt  werden.  Ein  Kriegführender  kann  sich 
schwerlich  die  Aufsicht  über  die  neutrale  Schiffahrt  aumassen,  die  ürossbritannien 
in  der  sogenannten  „Zone"  ausübt,  ohne  empfindlichen  Schaden  zu  verursachen, 
•ganz  abgesehen  von  der  durch  eine  gesetzmässige  Blockade  bewirkten  Benach- 
teiligung der  Neutralen.  Zudem  ist  nicht  einzusehen,  warum  die  vorgenannte 
Macht  berechtigt  sein  sollte,  Vorrechte  auszuüben,  die  ihr  nur  zukommen  würden, 
wenn  die  geographischen  Bedingungen  ganz  andere  wären,  als  sie  wirklich  sind. 

S.  Dass  die  sogenannte  Blocicade  nur  den  verbotenen  neutralen  Handel  verhindert. 
Wenn  dies  zutrifft  —  es  darf  aber  nicht  übersehen  werden,  dass  die  Be- 
hauptung bestritten  wird  — ,  so  entschuldigt  es  keineswegs  den  Bruch  inter- 
nationaler Übung.  Sogar  Polizeibeamte  sind  unter  dem  Laudesgesetz  in  den 
Massnahmen  beschränkt,  die  sie  ergreifen,  um  sich  in  Besitz  dessen  zu  setzen, 
was  sie  zu  beschlagnahmen  berechtigt  sind.   Es  ist  nicht  anders  bei  den  Völkern! 

So  beschaffen  sind  einige  der  wichtigeren  Gesichtspunkte,  die  der  hervor- 
ragende britische  Minister  in  dem  Bemühen  geltend  macht,  die  Order  in  Council 
zu  rechtfertigen.  Sie  können  kaum  als  etwas  anderes  denu  als  ein  ernster  Ver- 
such der  englischen  Führer  aufgefasst  werden,  Massnahmen  iu  Schutz  zu  nehmen, 
gegen  deren  ßechtsgültigkeit  sie  selber  erhebliche  Zweifel  unterhalten  müssen. 
Drei  Tatsachen  unterstützen  den  Schluss,  dass  die  vorgenannten  Staatsmänner 
mit  ihren  Darlegungen  selber  keineswegs  zufrieden  sind: 

1.  Die  Mühen,  die  sie  sich  gemacht  haben,  um  die  Neutralen  ihrer  Absicht 
zu  versichern,  die  unglückliche  Verordnung  so  weitherzig  wie  angängig  auszulegen. 

2.  Ihre  eigene  Bildung,  die  es  unwahrscheinlich  macht,  dass  sie  lange  in 
Selbsttäuschung  befangen  bleiben  können. 

3.  Die  neuerliche  bedeutsame  Erklärung,  die  Baumwolle  zur  Bannware 
macht,  was  ein  Schritt  sein  dürfte,  sich  selbst  aus  einer  unhaltbaren  Lage  zu 
befreien. 


Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis  121 


Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis.*) 


Aggs,  siehe  Chi'tty. 

American  Journal  of  International  Law  (S.34  Anm.  47,  Anm.62,  Aam.95). 
Norman  An  gell  (Pseudonym  für  Ralph  Norman  Angell  Lane): 
(S.  105  Anm.  107,  Anra.  118,  Anm.  129). 

P    1.  Die  falsche  Rechnung,  Berlin  1913  (Übersetzung  von  Nr.  2). 

P    2.  The  great  illusion,  4.  ed.,  London  1914. 

P    3.  The  foundation  of  international  policy,  London  1914. 

P    4.  Prussianism  and  its  destruction,  London  1914. 

P    5.  Introduction  zu  Krehbiel  (siehe  diesen). 

P    6.  America  and  the  New  World  State,  a  Plea  for  American  Leadership 
in  International  Organization,  New  York  and  London  1915. 


*)  Die  neben  den  Werken,  Namen  und  Fällen  angegebenen  Seiten  (abge- 
kürzt mit  S.)  und  Anmerkungen  (abgekürzt  mit  A.  oder  Anm.)  bezeichnen  die  Stellen, 
in  denen  sie  im  Texte  des  Buclies  erwähnt  sind.  Es  sind  auch  nur  die  Werke. 
Namen  und  Fälle  zusammengestellt,  welche  ausdrücklich  erwähnt  sind,  während 
der  sonstige  wissenschaftliche  Apparat  nicht  angegeben  ist.  Er  ergibt  sich  aus 
den  Zitaten.    Die  Fälle  sind  durch  Fettdruck  ersichtlich. 

Bei  mehreren  Werken  eines  Verfassers  ergibt  ein  Zusatz  (Hauptwort  des 
Buchtitels  oder  Erscheinungsjahr  oder  -ort  oder  Ziffer  der  hier  aufgeführten 
Werke),  weiches  AVerk  gemeint  ist. 

Der  grosse  Buchstabe  P  oder  I  vor  dem  betreffenden  Werke  bedeutet,  dass 
es  sich  um  eine  Arbeit  handelt,  die  sich  auf  den  Pazifismus  oder  den  Imperia- 
lismus im  weitesten  Sinne  dieser  Worte  bezieht;  es  verdient  Beachtung,  dass 
in  besonderen  Fällen  zweifelhaft  sein  kann,   wohin  das  Werk   zu  rechnen  ist. 

Ueber  den  Begriff  des  Imperialismus  (Machtpolitik  mit  dem  Ziel  der  Welt- 
herrschaft) zum  Unterschied  von  Weltpolitik  vgl.  Hintze,  121  und  132.  Frei- 
lich das  „genossenschaftliche  Prinzip  mit  dem  Ziele  des  Gleichgewichts  und  das 
herrschaftliche  mit  dem  Ziele  des  Uebergewichts"  sind  keine  brauchbaren  Unter- 
scheidungen, weil  sie  auf  nicht  nachweisbare  innerliche  Beweggründe  abstellen, 
Aveil  eben  jeder  Staat  erklärt,  nur  Weltpolitik  zu  treiben,  während  die  andern 
dies  ^ür  Machtpolitik  halten  und  als  Imperialismus  und  Triebwollen  zurückweisen. 
Dadurch,  dass  der  Deutsche  die  Weltpolitik  Englands  für  Imperialismus  v;nd  die 
Weltpolitik  Deutschlands  für  wahre  Weltpolitik,  und  ähnlich  der  Engländer  die 
Weltpolitik  Deutschlands  für  Imperialismus  und  die  Weltpolitik  Englands  für 
wahre  Weltpolitik  erklärt,  wird  nur  die  einseitige  Parteiauffassung  deutlich, 
aber  keine  wissenschaftliche  Erkenntnis  oder  auch  nur  ein  irgendwie  wertvoller 
Gesichtspunkt  zur  Erörterung  gestellt.  An  derartigen  Einseitig-  und  Kurzsich- 
tigkeiteu  ist  di^  Literatur  der  Gelehrten  hüben  und  drüben  überreich. 


1^22  Literatur-,  Namens-  und  Fall-\'crzcichni3 

An  liitrütliiction  siebe  Iiitroduction. 

Aiinuaire  international,  siehe  van  Eysinga. 

Archiv  für  Staats-  (später:  Rechts-)  und  Wirtscliat'tsphilusophie 

(S.  1  Merkwort,  S.  2  Anni.  2,  Anni.  107). 
Arjona  (United  States  versus)  (S.  59,  zweites  Merkwurt). 
P    Ashbee,  CR.  (Anm.  129),  The  American  League  to  enforce  peace,  au  english 

interpretation,  London  1917. 
Asquith  (S.  89  Anm.  95). 
Atherley-Jones,  L.  A.  (S.  89  Anm.  95),   Tlie  military  eft'ect  uf  attaeks  on 

commerce  in  Problems  of  the  war,  vol.  I. 
Athertou,  William  (S.  64). 
Ausnahmegesetze,  siehe  Znsammen  Stellung  1915. 

Bacquehem,  the  Marquis  (S.  11  Anm.  16). 

Baldwin,    James  Mark   (S.  108  Anm.  110),    American   iieutraiity,   its   cause 

and  eure,  New  York  and  London  1916. 
Balfour  (S.  82  Anm.  91). 
r    von  Bar,  Ludwig  (S.  1  Merkwort,  S.  2  Anm.  2,  Aum.  107,  Anm.  125,  Anm.  129j : 

1.  Der  Burenkrieg  pp.     Hannover  1900. 

2.  Grundlagen  und  Kodifikation  des  Völkerrechts  im  Archiv  für  Staats- 
und Wirtschaftspbilosophie,  Bd.  6  (1912)  S.  145. 

Barenfels,  The  (S.  11  Aum.  16). 

Batavier  V,  holländisches  Annuaire  1916,  167  (Anm.  44). 

Baty,  T.  (S.  18,  S.  31,  Anm.  79,  S.  65,  Aum.  95,  Anm.  97): 

1.  (J.  H.  Morgan)    War,  its  condact  and  legal  results,  London  1915. 

2.  Naval  war:    Law  and  licence  in  American  Journal   Vol.  10  (1916). 

3.  International  Law  in  South  Africa,  London  1900. 
Beck,  James  M.  (S.  108  Anm.  110): 

1.  The  evidence  in  the  case,  an  aualysis  of  the  diplomatic  records 
submitted  by  England,  Germany,  Russia  and  Belgium  in  the  supreme 
Court  of  the  civilisation  and  the  conclusions  deducible  as  to  the 
moral  responsibility  for  the  war,  revised  edition,  New  York  and 
London  1915. 

2.  The  War  and  humanity,  a  further  discussiun  of  the  Ethics  of  the 
World  war  and  the  attitude  and  duty  of  the  United  States,  New 
York  and  London  1916. 

Beckeukamp,   Otto   (Anm.  92),    Die  Kriegskouterbaude   in  der  Behandlung 

des  Instituts  für  internationales  Recht  und  nach  der  Londoner  Erklärung 

über   das  Seekriegsrecht.    Heft  21   der  Abhandlungen    aus   dem   Staats- 

uud  Verwaltungsrecht,  herausgegeben  von  Brie  und  Fleisch  mann. 

Beilot,  H.  L.  (S.  56  Anm.  75),  Destructiou  of  merchantman  by  a  belligerent, 

siehe  Problems  of  the  war,  Vol.  I. 
Bendix,  Ludwig  (S.  30  Anm.  40,  Anm.  63,  Anm.  129): 

1.  Fahnenflucht  und  Verletzung  der  Wehrpflicht  durch  Auswanderung, 
eine  rechtswissenschaftliche  und  -politische  Studie  zu  den  deutsch- 


Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis  123 

auierikanischeu  Bancroft-Verträgeu  (Bd.  V  der  Staats-  und  völker- 
rechtlichen Abhandlungen,  herausgegeben  von  Je  11  ine k  und  An- 
schütz,  Leipzig  1906). 

2.  Das  Problem  der  Rechtssicherheit  (Schriften  des  Vereins  Recht  und 
Wirtschaft,  Bd.  III  Heft  5),  Berlin  1914. 

3.  Die  freie  Bevveiswürdigung  des  Strafrichters,  Archiv  für  Strafrecht, 
Bd.  63  S.  31. 

4.  Die  Rechtspflicht  des  Schweigens  und  die  Haftung  des  Rechtsanwalts 
für  richterliche  Fehlsprüche,  im  Sächsischen  Archiv  für  Rechtspflege 
1916,  S.  369. 

5.  Ablehnung  von  Beweisanträg-eu  wegen  Nichternstlichkeit.  im  Ge- 
richtssaal, Bd.  85  S.  77. 

6.  Amtliche  Veröffentlichungen  über  auswärtige  Angelegenheiten,  Par- 
lamentskontrolle und  das  Staatswohl,  in  Schmollers  Jahrbuch  1906, 
S.  131. 

Bentham,  siehe  ü.  Kraus. 

Beutwich,  Norman  (S.  7  Ajira.  9.  Anm.  17,  S.  32  Anm.  43): 

1.  The  law  of  private  property  in  war,  London  1907. 

2.  The  declaration  of  London,  London  1911. 

3.  Students  leading  cases  and  Statutes  on  international  law.  London  1913. 
Berchthold,  Graf,  österreichischer  Gesandter  in  Japan  (S.  90  Anm.  97). 
Beresford,  Lord  (S.  8). 

Berger,  Emil  (Anm.  129),  Die  Organisation  der  internationalen  Friedensliga 
der  Staaten  (Soci^te  des  nations)  als  Eidgenossenschaft,  Zürich  1917. 

Bermuda,  The  (S.  37  Anm.  54). 

Bernard  (Fall),  siehe  Rex. 

Bernard,  Montague  (S.  43  Anm.  62.  Anm.  73,  Anm.  75,  Anm. 97),  Historical 
Account  of  the  neutrality  of  Great  Britain  during  the  american  civil  Avar, 
London  1870. 

Bernhard,  Ernst  (S.  109  Anm.  111): 

1.  Zur  Psychologie  des  englischen  Geistes,  in  Schmollers  Jahrbuch 
1910,  S.  332  ff. 

2.  Die  Struktur  des  französischen  Geistes,  im  Logos,  1912,  S.  80. 
Bernhardt  (S.  105  Anm.  107). 

Bertie,  englischer  Gesandter  in  Paris  (S.  103). 

Biottot,  Colonel  (Anm.  129),  L'Europe  qu'il  nous  laut  faire  Organisation 
du  droit  force,  Paris  1915. 

Bismarck,  Fürst  (S.  34  Anm.  47,  Anm.  87,  Anm.  107),  Gedanken  und  Er- 
innerungen, Stuttgart  1898. 

Bisshop,  W.  R.  (S.  112  Anm.  118).  International  Leagues  in  Problems  of 
the  war,  Vol.  II. 

Blatchford,  Robert  (S.  104  Anm.  107),  The  war  that  was  foretold.  Ger- 
many  and  England,  London  1914. 

ßoidin,  Paul  (S.  14  Anm.  20).  Les  lois  de  la  guerre  et  les  deux  Conferences 
de  la  Haye  (1899—1907),  Paris  1908, 


124  Literatur-,  Xaniens-  und  Fall-Verzeichnis 

Le  ßou,  Gustave   (S.  29  Merkwort),   Premieres  conse(iuences  de  la   guerre. 

Transforn>ation  mentale  des  peuples,  Paris  1916. 
Bonfils,   Henry   (Paul  Fauchille)   (S.  27  Anm.  37),    Manuel   de  droit  inter- 
national public,  Paris  1908—1914,  5.-7.  Edition. 
Borchard,   Edwin  M.    (S.  12  Anm.  17,  Anm.  77,  Anm.  961,   The   diplomatic 
protection  ot  Citizens  abroad  on    the  law  of  international  claims,   New 
York  1915. 
Bord  well,   Percy   (S.  27  Anm.  37),    Tiie   law  of  war   between   belligerents, 

Chicago  1908. 
Bornhak.  Conrad  (S.  25  Anm.  36,  Anm.  108),  Der  Wandel  des  Völkerrechts, 

Berlin  1916. 
Boutmy,  Emil   (S.  107  Anm.  109,  Anm.  111),   Essai  d'une  psychologie  poli- 
tique  du  peuple  anglais  au  XIX.  siecle,  Paris  1903,  2e  Edition. 
I     Bowles,  Thoraas  Gibson  (S.  7  Anm.  7,  Anm.  107): 

I     1.  The  declaration  of  Paris  of  1856  pp.,  London  1900. 
I     2.  The  declaration  of  London  pp.,  Nineteenth  Century  1909,  p.  745. 
I     3.  Sea  law  and  sea  power  pp  ,  London  1910. 
P    Brailsford,  H.  N.  (Anm.  124),  Th^  Organisation  of  peace,  in  der  Sammlung 
von  Charles  Roden  Buxtou,  siehe  diesen. 
Bray,  siehe  Eussian  and  Japanese  Prize  Cases. 
Brentano,  Lujo  (Anm.  129). 

Brewer,  Daniel  Chauncer  (S.  24  Anm.  32,  117  ff.),  Rights  and  duties  of  ueu- 
trals,  a  discussion  of  principles  and  practices,  New  York  and  London  1916, 
P    Bryce,  Viscount  (S.  116  Anm.  129),   Proposais  for  the  prevention    of  future 
wars,  London  1917. 
Buch  an  au,  George  W.,  englischer  Gesandter  in  Petersburg-  (S.  92). 
Bülow,  Graf,  deutscher  Reichskanzler  (S.  61). 
Bundesrat  (Fall)  (S.  60 ff.). 

Bustameute  y  Sirven,  Antonin  .S.  de  (George  Scelle)  (S.  27  Anm.  37),  La 
seconde   conförence   de  la  paix  reunie  de  la  Haye  en  1907,    Paris  1909. 
P    Buxton,    Charles  Roden   (S.  29   [Sidebotham],    Anm.  124  [Brailsford], 
S.  116  Anm.  129),   Towards  a  lasting  settlement,  London  1915. 
Buxton,  Noel,  siehe  Phillipson,  Question. 

Cambon,  französischer  Gesandter  in  London  (S.  103). 
Campbell,  Forbes  (S.  63). 
Campbell,  Lord  (S.  98). 
Caprivi,  Graf  (S.  34  Anm.  47). 
P    Carnegie  Endowment  for  International  Peace  (S.  116  Anm.  129),  founded 

December  14,  1910,  Yearbook  1912,  1913/14,  1915,  1916. 
Caroline,  The  (S.  55  Anm.  73). 

Carter,  Malcolm  (S.  88  Anm.  95),    siehe  T.  I.  Lawrence,  Neutrality. 
Chamberlain,  englischer  Kolonialminister  (S.  61). 
Chitty's   Statutes   of  practice   Utility    (S.  94  Anm.  100,  Anm.  101),    Vol.  I, 

London  1894  und  18,  sixth  edition  by  W,  H.  Aggs,  London  1917. 


Literatur-,  Kamens-  uikI  Fall-Verzeichnis  125 

Clapp,  Edwin  J.  (S.  52  Aum.  li),  Britisches  Seekriegsrecht  imd  die  Neutraleu 

im  Kriege,  Berlin  1916. 
Cobbett,  Pitt  (S.  7  Anm.  9,  Aum.  27,  Anm.  46,  Anm.  54),  Gases  and  opinious 
in  international  law,  Loudon,  part  I  (peace)  1909,  part  II  und  III  (war 
and  neutrality)  1913. 
Commercen,  The  (S.  76  Aum.  88). 
I     Colquhoun,   Archibald  R.   (S.  105  Anm.  107),    The   mastery  of  the  Pacific, 

Loudon  1902. 
I     Coulton,  G.  G.  (S.  104  Anm.  106,  Aum.  107V,  The  main  illa.sious  of  pacifi- 
cism.  a  criticism  of  Mr.  Norman  An  gell  and  of  the  Union  of  democratic 
coutrol,  Cambridge  1916. 
I     Cramb,  J.  A.  (S.  105  Anm.  107): 

1.  Germauy  aud  England,  London  1914. 

2.  The   origins   and   destiny   of   imperial   Britain   Nineteeuth  Century 
Europe,  Loudon  1915. 

Cranworth,  Lord  (S.  65). 
Crewe,  Lord  (S.  89  Anm.  95). 

Curti,  Arthur  (S.  40  Anm.  60).  Handelsverbot  und  Vermögen  in  Feindesland, 
Berlin  1916. 
I     Curzon  of  Kedlestou,  Lord   (S.  105  Anm.  107),   The  true   imperialism  in 
Nineteeuth  Century  aud  after.  Vol.  63  (1908)  p.  151. 

I     de  D.,  Le  partage  de  PAllemague  (L'öcheance  de  demain),  Paris  1914  (A.  107). 

Das    englische    Gesicht    (Aum.  59,  Anm.  107,   Anm.  108),    England    in 
Kultur,   Wirtschaft  und  Geschichte,  Berlin  1915. 

Dalloz  (S.  96  Anm.  102),   Guerre  de  1914,  Documeuts  officiels,  Paris. 
P    Darby,  W.  Evans   (S.  112  Anm.  118),   The  euforcement   of  the  Hague  Con- 
ventions in  Problems  of  the  war.  Vol.  II. 

Dashing  Wave,  The  (S.  37  Anm.  54). 

Decisions  du  Conseil  des  Prises  (S.  11  Anm.  16),  Paris  1916. 

Demidof,  russischer  Gesandter  iu  Athen  (S.  101). 

Derby,  Lord  <S.  65). 

Deutschland  uud  der  Weltkrieg  (Anm.  39,  Anm.  113),  Leipzig  1916. 

Dicey,  Albert  Venn  (S.  20  Anm.  30,  Anm.  104,  111,  116): 

1.  Introduction  to  the  study  of  the  laws  of  the  Constitution,    London 
1908,  seventh  edition  (8th  edition  1915  noch  nicht  zugänglich). 

2.  Lectures   on  the  relatiou  between   law  aud  public  opinion   in  Eng- 
land, London  1914,  2.  edition. 

P    Dickiusou,  G.  Lowes  (S.  104  Aum.  106,  Aum.  129): 
P    1.  After  the  War,  London  1915. 
P    2.  The  european  auarchy,  Londou  1916. 
P    3.  The  choice  before  us,  London  1917. 
Duplessix,  E.  (S.  116  Anm.  129j,  La  loi  des  nations,  Paris  1906. 

Elias,  Alfred,  siehe  Sibley. 


126  Literatur-,  Namens-  und  Fall- Verzeichnis 

Eiida  (Fall),  Zeitschrift  für  Völkerreclit,  Bd.  9  (1910)  S.  109  (Anni.  44). 

Eiliot,  F.,  englischer  Gesandter  in  Athen  (S.  101). 

Eltzbacher,  Paul  (S.  2  Auni.  2),  Totes  und  lebendes  Völkerrecht,  München 

und  Leipzig  1916. 
Engelhard t,  Ed.  (S.  102  Anni.  105),  Les  protectorats  anciens  et  nioderne.s, 

Paris  1896. 
Evans,  Lord,  englischer  Prisenrichter  (S.  7  Anna.  10,  S.  11,  S.  12,  S.  33). 
van  Eysinga,   J.  M.  (S.  5  Anni.  4,  S.  17  Anni.  24,  8.  49  Anni.  68,  Anm.  78, 

Anm.  78,  96),  Apperc^m  de  faits  internatioiiaux  juridiques  in  Grotius  An- 

nuaire  international  pour  l'annöe  1915  und  1916  (im  Zweifel  nur  dieses), 

La  Haye  1915  und  1917  (2  Bände). 

Fauchille,  Paul  (S.  112  Anm.  119),  La  guerre  du  1914,  Recueil  de  docu- 
ments  interessant  le  droit  international,  Paris  (ohne  Angabe  des  Er- 
scheinungsjahres). 

Fitz  Roy,  Albert  (S.  96). 

Fleischmann,  Max  (S.  37  Anm.  53,  Anm.  105),  Völkerrechtsquellen  in  Aus- 
wahl, 1905. 

Fontane,  Theodor  (S.  109  Amn.  113): 

1.  Der  englische  Charakter  heute  wie  gestern,  Berlin  1915  (Sammlung 
von  Schriften  zur  Zeitgeschichte). 

2.  Gesammelte  Werke,  2.  Serie  (hiernach  ist  zitiert). 

Forum,  The  (amerikanische  Zeitschrift)  (Anm.  113  [Patten],  Anm.  116). 
Fox  -  Fall  (8.  18,  S.  30,  S.  33,  S.  36). 
I     Fox,  Frank  (S.  105  Anm.  107),   Problems  of  the  Pacific,  London  1912. 

Freiheit,    Die   deutsche.    Fünf  Vorträge    von   Harnack,   Meinecke,  Sering, 

Troeltzsch,  Hintze,    Gotha  1917    (Anm.  116). 
Fricker    (S.  2  Anm.  2,  Anm.  107),    Das  Problem   des  Völkerrechts,   in  Zeit- 
schrift für  die  gesamte  Staatswisseuschaft  1872  8.  40  u.  347,  1878  S.  368. 
P    Fried,  Alfred  H.  (S.  116  Anm.  129): 

P    1.  Handbuch  der  Friedensbewegung,  Wien  und  Leipzig  1905. 
P    2.  Europäische  Wiederherstellung,  Zürich  1915. 
P    3.  Vom  Weltkrieg  zum  Weltfrieden,  Zürich  1916. 
Friedrich  der  Grosse   (8.  102). 
Frlendship,  The   (S.  90  Anm.  97). 
Frischeisen- Köhler,  Max  (Anm.  108,  Anm.  129): 

1.  Das  Problem  des  ewigen  Friedens,  Berlin  1915. 

2.  Das   englische  Volk   und   die   Kultur,    in    „Das  englische  Gesicht", 
Berlin  1915. 

I     Froude,  James  Anthony  (8.  105  Anm.  107): 

I     1.  üceans  or  England  and  her  Colonies,  London  1886. 
I     2.  The  English  in  the  West  ludies,  London  1888. 
Fuehr,    Alexander  (S.  102),    The   neutrality   of  Belgium,    a   study   of  the 
belgian  case  under  its  aspects  in  poiitical  history  and  international  law, 
New  Vork  und  London  1915. 


Literatur-,  Namens-  und  Füll- Verzeichnis  127 

I     Fiillcrtoii.  William  JMortou  (S.105A.  I07j,  Problems  of  Power,  London  1913. 

«aelic,  The  (S.  67  Anm.  82). 

General   (Fall)   (S.  60ff.). 

Geziena  Helligonda,  The  (S.  37  Anm.  54). 

von  der  Goltz,  Eduard  Freiherr  (S.  106  Anm.  108),  Das  englische  Volk  in 

Religion  nnd  Sitte,  in  „Das  englische  Gesicht",  Berlin  1915. 
Gondy,  H.  (S.  58  Anm.  77),   Introduction  zu  Problems  of  the  War,  Vol.  I). 
Granville,  Earl,  englischer  Minister  des  Äussern  (S.  75  ff.). 
Grey,   Edward,   englischer  Minister  des  Äussern   (S.  6,  8,  9,  35,  36,  41,  46, 

48,  83  ff,  103,  117  ff. 
Grotius  Annuaire  international,  siehe  van  Eysinga. 
Guillemin,  I.,  französischer  Gesandter  in  Athen  (S.  101). 
Gutenfels,  The  (S.  11  Anm.  16). 

Haie,  Robert  Safford,  siehe  Zusammenstellung  1874,  II. 

Hall,  William  Edward  (S.  47  Anm.  66,  Anm.  73,  Anm.  97),   The  rights  and 

duties  of  neutrals,  London  1874. 
Halleck,    Henry  Wager    (G.  Sherston  Baker)   (S,  64),    International   Law, 

4th  edition,  London  1908. 
Halpert  (Anm.  129),  siehe  Männer  der  Wissenschaft. 
Handelsabschnürnng    durch    die    sogenannten    schwätzen    Listen     (8.41 

Anm.  60).  Zeitschrift  für  Völkerrecht  X  (1917)  S.  189-198.       - 
Hanseatische  Gerichtszeitnng  (Anm.  44  [Zaanstroom]). 
Harconrt,  englischer  Kolonialmiuister  (S.  22  Anm.  31). 
Harcourt,  W.  Vernon  (S.  63). 

Hardinge,  englisclier  Gesandter  in  Petersburg  (S.  78  ff.). 
I     Hart,  Albert  Bushneil  (S.  105  Anm.  107),  The  Monroe  Doctrine,  London  1916, 
Hatschek,  Julius  (S.  97  Anm.  104,  Anra.  111): 

1.  Englisches  Staatsrecht,  2  Bde.,  Tübingen  1905  und  1906. 

2.  Englische  Verfassungsgeschichte,  München  und  Berlin  1913. 
Hatzfeldt,  Graf,  deutscher  Gesandter  in  London  (S.  61). 

P    Heath,   Earl  (Anm.  129),    The   pacific  settlement   of  international  disputes, 

London  1917. 
Heine,   Heinrich,    Sämtliche  Werke    (S.  109  Anm.  113),    herau.sgegehen   von 

Ernst  Elster,  vierter  Abdruck,  Leipzig  und  Wien. 
Hely-Hutchinson,  W,  (S.  61). 
Hershey,  Arnos  S.  (S.  27  Anm.  37,  Anm.  90): 

1.  The  international   law   and  diplomacy   of  the  Russo- Japanese  war, 
,           New  York  1906. 

2.  The  essentials  of  international  public  law.  New  York  1912. 
Herzog  (S.  60f.). 

Iliggins,  A.  Pearce  (S.  24  Anm.  34): 

1.  The  Hague  Peace  Conferences,  Cambridge  1909. 

2.  War  and  the  private  Citizen,  London  1912. 


128  Literatur-,  Namens-  and  Fall-Verzeichnis 

Hintze,  Otto  (Anni.  auf  S.  121),  Iiiipeiialisnius  uml  deutsche  Weltpolitik  in 
„Die  deutsche  Freiheit". 
P    Hobson,  J.  A.  (S.  104  Anni.  106,  Anm.  107,  Anni.  129): 
P    1.  Iniperialism,  London  1905. 

P    2.  Towards  international  Government,  London  1915. 
Holland,  F.  E.  (S.  5,  7  Anm.  9,  Anm.  10,   S.  12,  16,  26,  Anm.  37,  S.'28,  31, 
Anm.  51,  65,  69,  S.  62,  Anm.  90,  97)): 

1.  A  Manual  ot  naval  prize  law,  London  1888,  neue  Ausgabe  von 
Lushingtons  gleichnamigem  Werke. 

2.  Neutral  Duties  in  a  maritime  war  as  illustrated  bj'  recent  events 
from  the  proceedings  of  the  British  Academy,  Vol.  11,  London  190ö. 

3.  Studies  in  International  Law,  Oxford  1898. 

4.  The  laws  of  war  on  Jaud,  Oxford  1908. 

5.  The  law  Quarterly  Review,  vol.  28  (1912)  p.  94—98  =  Zeitschrift 
für  Völkerrecht,  Bd.  6  (1913)  S.  213,  betr,  Art.  23  h  Landkriegs- 
ordnung. 

6.  Letters  to  „the  Times"  upon  war  and  neutrality.,  second  edition, 
London  1914. 

7.  A  Supplement  to  letters  to  the  Times  upon  war  and  neutrality, 
second  edition,  London  1916. 

Howard,  Henry,  siehe  Znsammenstellung  1874,  I  a. 

Hub  er  (S.  25  Anm.  36),  Jahrbuch  des  öffentlichen  Rechts,  Bd.  IL 

Huberich.  Charles  Henry  (S.  90  Anm.  96),  Das  englische  Prisenrecht '  in 
seiner  neuesten  Gestalt,  Berlin  1915. 

Hughes,  J.  D.  .1.  (S.  HO  Anm.  115),  International  law  in:  An  Introduction 
to  the  study  of  international  relatiops,  siehe  dieses. 

Hüll,  William  J.  (S.  27  Anm.  37),  The  two  Hague  Conferences,  Boston  1908. 

Hurst,  siehe  Russian  and  Japanese  Pri.se  Cases. 

Hurwicz,  E.  (S.  107  Anm.  109,  Anm.  113),  Probleme  moderner  Völkerpsycho- 
logie, in  Zeitschrift  für  Sozialwissenschaft  1917,  S.  643. 

lay   (Vertrag  von    1794)    (Anm.  55,   Anm.  123),    Vertreter  der   Vereinigten 

Staaten,  siehe  Rechtsquellen. 
Imina,  The  (S.  47  Anm.  66). 

An  Introduction  to  the  study  of  international  relations  (S.  HO  Anm.  115) 
by    A.  J.  Grant,    Arthur  Greenwood,    J.  D.  J.  Hughes,    P.  H.  Kerr   and 
F.  F.  Urquhart,  London  1916. 
•     Iswolsky,  russischer  Minister  des  Äussern  (S.  83). 

Jonge  Margarete,  The  (S.  46  Anm.  64). 
P    Jefferson,    Charles  Edward,    Pastor   zu    New  York    (Anm.  107,  Anm.  129), 

Christianity  and  international  peace,  New  York  1915. 
P    Jordan,  David  Starr  (Anm.  129),  Ways  to  lasting  peace,  Indianapolis  1916, 

I     Kaufmann,  Erich  (Anm.  107),  Das  Wesen  des  Völkerrechts  und  die  clau- 
sula rebus  sie  .stantibus,  Tübingen  1911. 


Literatur-,  Xamens-  und  Fall- Verzeichnis  1^0 

P    Keeu,  Frank  Noel  (Anni.  129),  The  workl  in  alliauce,  London  1915. 
Kleeu,  Richard  (S.  47  Aum.  66,  Anm.  86): 

1.  De  la  contrebande  de  guerre,  Paris  1893. 

2.  Lois  et  usages  de  la  neutralite,  Paris  1898  und  1900. 

Kohler,  Josef  (S.  25  Anm.  36),  England  und  die  Haager  Landkriegsordnung, 

Zeitschrift  für  Völkerrecht,  Bd.  V  (1911). 
.Kraus,  Herbert  (S.  56  Anm.  73),  Die  Mouroedoktriu,  Berlin  1913. 
P    Kraus,  Oskar  (Anm.  129),  Jeremias  Benthams  Grundsätze  für  ein  künftiges 

Völkerrecht  und  einen  dauernden  Frieden,  Halle  1915. 
P    Krehbiel,    Edward    (S.  105  Anm.  107,   Anm.  118,  Anm.  129),    Nationalism, 
war  and   .society,   with  an  Litroduction  by  Norman  Angell,   New  York 
1916. 

Labuan   (S.  73). 

Lalaing,  Graf  von,  belgischer  Gesandter  in  London  (S.  21  Anm.  31). 
Lammasch,  Heinrich  (S.  115  Aum.  129),  Die  Lehre  von  der  Schiedsgerichts- 
barkeit in  ihrem  ganzen  Umfange.  Stuttgart  1914. 
Lamsdorff,  Graf,  russischer  Minister  des  Äussern  (8.  79  ff.). 
Laue  =  Norman  Angell  (Pseudonym). 
P    Lange,  Chr.  (Anm.  129): 

P    1.  Die  amerikanischen  Friedensverträge,  Kristiania  1916. 
P    2.  Die  Bedingungen  eines  dauernden  Friedens,  Kristiania  1917. 
P    3.  D^veloppement  de  l'oeuvre  de  la  Haye,  Organisation   de   la  Confe- 
rence de  la  paix,  La  Haye  1917. 
P    4.  Expose  des  travaux  de  l'orgauisation,  La  Haye  1917. 
Lansdowne,  englischer  Minister  des  Äussern  (S.  78  ff.). 
Lascelles,  englischer  Gesandter  in  Berlin  (S.  62). 

Latifi,  Alma  (S.  7  Anm.  9,  Aum.  21,  S.  27  Anm.  37,  S.  35  Anm.  47,  Anm.  103), 
The  effects  of  war  ou  property  being  studies   in  international  law  and 
policy,  London  1909. 
Law  Quarterly  Review.  The  (Aum.  37). 
Lawrence,  Thomas  Joseph  (S.  5  Anm. 4,  Anm.37,  Anm. 75,  Anm. 90,  Anm.  117;»: 

1.  War  and  neutrality  in  the  Far  East,  London  1904. 

2.  The  principles  of  international  Law,  4.  edition,  London  1911. 
~  (and  Malcolm  Carter) 

3.  Nationality  and  war  zones  in  Problems  pf  the  war,  vol.  I. 

4.  The   effect   of  the  war   on   international  Law   in  Problems  of  the 
war,  vol.  II. 

I     Legendre,  Maurice   (S.  105  Anm.  107),   La  guerre  prochaine   et  la   mission 

de  la  France,  Paris  1913. 
P    Leroy,  Maxim  (Anm.  129),  L'Ere  Wilson,  La  soci6t6  des  nations,  Paris  1917. 
Lessing  (S.  108). 

Levy,  Hermann  (S.  97  Anm.  104,  Anm.  116),  Die  Grundlagen  des  ökono- 
mischen Liberalismus  in  der  Geschichte  der  englischen  Volkswirtschaft, 
Jena  1912. 

q 
Bendix,  Völker  rech  tsverletzungen  " 


130  Literatur-,  Namens-  und  Fall- Verzeichnis 

von  Liszt,  Franz  (S.  28  Auiu.  38,  Anm.  59,  Anm.  122j: 

1.  Das  Wesen    des    völkerrechtlichen  Staats  Verbandes   und   der   inter- 
nationale Prisenhof,  in  Festgabe  für  Gierke,  Breslau  1910  (A.128). 

2.  England  und  das  Völkerrecht,  in  „Das  englische  Gesicht",  Berlin  1915. 

3.  Das  Völkerrecht,  Berlin  1918,  11.  Auflage. 

Llorens,  Eduardo  L.  (S.  102),  Der  Krieg  und  das  Recht,  Hamburg  1916. 
P    Loder,   B.  C.  J.   (Anm.  129),    Institutions   judiciaircs   et  de   conciiiatiou,    La 

Haye  1917. 
Loreburn,  Earl  (-Niemeyer)  (S.  15  Anm.  22,  Anm   121),   Privateigentum  im 

Seekrieg,  München  und  Leipzig  1914. 
London,  holländischer  Staatsmann  (S.  48  Anm.  68). 
Low,  Sidney  (S.  56  Anm.  75,  Anm.  109,  111): 

1.  The  governance  of  England,  London  1906. 

2.  dasselbe,  übersetzt  von  Hoop's,  Die  Regierung  Englands,  Tübingen 
1908. 

Lowell,  A.  Lawrence  (S.  106  Anm.  108,  Anm.  111): 

1.  The  Government  of  England,  London  1908. 

2.  Public  opinion  and  Populär  Government,  New  York  1913. 
Lushington,  Dr.  (englischer  Richter)  (S.  31). 

Lushington,  Godfrey  (S.  II,  S.  7  Anm.  9.  Anm.  65,  Anm.  69,  Anm.  74,  S.61, 

62,  Anm.  79),  A  Manual  of  Naval  Prize  Law,  London  1866. 
Lyons,  Lord,  englischer  Gesandter  in  Washington  (S,  43,  Anm. 75, S. 63, S.69ff.). 

Macdonell,    John    (S.  16  Anm.  23,  Anm.  95),   Some   notes   of  Blockade    in 
Problems  of  the  Avar,  vol.  I. 
P    Mackay e,  Percy  (Anm.  129),    A  Substitute  for  war,  New  York  1915. 

Mackintosh,  James,   englischer  Richter  (S.  30). 
I     Mahan,  A.T.  (S.  17  Anm.  26,  Anm.  107,  Anm.  129): 

I     1.  The  influence  of  sea  power  upon  the  french  revolutiou  and  empire 

1793—1812,  London  1893,  2  Bde. 
,1     2.  Some  neglected  aspects  of  war,  London  1907. 
I     3.  The  interests  of  America  in  international  conditions,  London  1910. 
I     4.  Armaments  and  arbitration  or  the  place  of  force  in  the  international 
relations,  New  York  and  London  1912. 
Maisonnaire  v.  Keating  (S.  33  Anm.  46). 

Malloy,  William  M.  (S.  37  Anm.  52,  Anm.  83),  Treaties,  Conventions,  Inter- 
national Acts,  Protocols  and  Agreements   betweeij^.  the  United  States  of 
America  and  other  Powers  1886—1909,  Washington  1910. 
Männer  der  Wissenschaft    über   die  Friedenskonferenz   (Anm.  129).   mit 

Vorwort  von  Halpert,  Berlin  1899. 
Mansfield,  Lord,  englischer  Richter  (S.  30,  S.  31). 
JMarstrand-Mecklenburg,  K.  (S.  90  Anm.  97),  Das  japanische  Prisenrecht, 

Berlin  1908. 
Marwin,  Wme.,  amerikanischer  Richter  (S.  70). 
Mason  (S.  55  Anm.  73). 


Literatur-,  Xarnens-  und  Fall-Verzeichnis  l31 

Matamoros,  auch  Matamoras,  cases  (S.  37  Anui.  54,  S.  72). 
Maj-,  Thomas  Erskine  (S.  97  Anm.  104): 

1.  The  constitutional  History  of  England  siuce  the  accession  of  George 
the  third  (1760—1860)  fifth  edition,  Lomion  1875. 

2.  dasselbe,  edited  and  continued  to  1911  by  Francis  Holland, 
London  1912  (3  Bde.j. 

3.  dasselbe.  Die  Verfassungsgeschichte  Englands  seit  der  Thron- 
besteigung Geoigs  IIL  (Übersetzung  von  Oppenheim),  Leipzig 
1864. 

Meier,  Friedrich  (Anm.  129),  Das  Ideal  des  Völkerrechts  und  die  Wirklich- 
keit, Rostock  1916. 

Mellish,  George  (8.  63). 

Mendelssohn-Bartholdy,  A.  (8.  107  A.  109),  Der  Kriegsbegriff  des  eng- 
lischen Rechts,  Mannheim  1915. 

Mercier  (S.  55  Anm.  73). 

Moch,  Gaston  (Anm.  129),  La  garantie  de  la  societä  des  nations,  Paris  1916. 

Montmerency,  J.  E.  G.  (S.  111  Anm.  117),  The  principles  underlying  con- 
traband and  Blockade  in  Problems  of  the  war,  vol.  II. 

Moore,  John  Basselt  (S.  37  Anm.  52,  Anra.  54): 

1.  History  and  digest  of  the  international  arbitrations  to  which  the 
United  States  has  been  a  party  pp.,  Washington  1898. 

2.  A  digest  of  international  law,  Washington  1906. 
Moratorien   und   andere   Sonderregelungen   des  Zahlungsverkehrs   im  Aus- 
lände (8.  40  Anm.  60),  5.  Auflage,  Berlin  1916. 

Morgan,  siehe  Baty. 

Moritzen,  Julius    (Anm.  129),   The  peace  Movement  of  America,   New  York 

1912. 
Mortensen  v.  Peters  (S.  32). 
Möwe  -  Fall   (8.  7  Anm.  10,  S.  11). 
Mügge,  Maximilian  A.  (S.  105  Anm.  107,  Anm.  129),  The  Parliament  of  Man, 

London  1916. 
Müller-Meiningen,    Ernst    (V,  S.  25  Anm.  36),    Der  Weltkrieg    und    der 

„Zusammenbruch  des  Völkerrechts",  4  Auflage,  Berlin  1917. 
Munro,  siehe  Stowell. 
Myer,  William  G.   (S.  33  Anm.  46,  Anm.  66.  67,  69,  79,  88).    Federal  deci- 

sions  pp.  (23  Bde.j,  St.  Louis  1885  ff. 

5fachweise,  siehe  Zusammenstellung  1915. 

Napoleon  (S.  33). 

Naumann,  Friedrich  (S.  109  Anm.  113),  Mitteleuropa  (Volksausgabe),  Berlin 
1916. 

Nelson,  Leonard  (S.  2  Anm.  2,  Anm.  107,  Anm.  118,  Anm.  129).  Die  Rechts- 
wissenschaft ohne  Recht,  Leipzig  1917. 

Nicolaus  II.,  Fall  des  Zaren  (S.  11). 

Nicolson,  A.,  englischer  Gesandter  in  Petersburg  (S.  83). 

9* 


132  Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis 

Niemeyer,  Tlieodor  (S.  7  Anni.  10,  Anni.  25).  Urkundenbuch  zum  Scekriegs- 

recht,  Berlin  1913. 
NIgretia  (Anm.  97). 

Nineteentli  Century  and  after  (Anm.  107)  [Cnrzon,  Wyatt]. 
Nippold,  Olfried  (S.  2h  Anm.  86,  Anm.  118,  Anm.  129): 

1.  in  Niemeyers  Zeitschrift,  Bd.  19  (1909). 

2.  Die  zweite  Haager  Friedenskonferenz,  Leipzig  1911. 

P    3.  Die  Gestaltung  des  Völkerrechts  nach  dem  Weltkriege,  Zürich  1917. 
Noradounghian,  Gabriel  Effendi  (S.  102  Anm.  105),  Recueil  d'actes  iuter- 
nationaux  de  i'Empire  Ottoman,  Tome  deuxienie  1769—1856,  Pari.s  1900. 
P    Nordentoft,  Severin  (Anm.  129),    Practica!    pacifism    and    its    adversaries, 
London  1917. 
Norton,  siebe  Sanger. 
P    Novicow,  Jacques   (übersetzt  von  Fried)  (Anm.  129),    Der  Krieg  und  seine 
angeblichen  Wohltaten,  Zürich  1915. 

O'Beirne,  englischer  Gesandter  in  Petersburg  (S.  83f.). 
Oldhamia  (S.  82 ff). 

Oppenheim,  L.  (S.  28  Anm.  38,  S.  32,  Anm.  54,  Anm.  80,  Anm.  108,  Anm.  118, 
Anm.  125,  Anm.  127,  Anm.  128): 

1.  siehe  Westlake,  collected  papers. 

2.  Die  Zukunft  des  Völkerrechts,  in  der  Festschrift  für  Karl  Binding, 
Leipzig  1911,   Erster  Band. 

3.  International  law,  London  1912  (second  edition). 
Orozembo,  The  (S.  90  Anm.  97): 

P    Dtlet,  Paul    (S.  116  Anm.  129),   Les  Problems  internationaux   et  la   guerre. 
Geneve-Paris  1916. 

Page,    amerikanischer  Gesandter  in  London   (S.  8,  41). 

Palmer,  Bouudel  (S.  64). 

Patten  (S.  109  Anm.  113),  The  German  way  of  thinking  in  the  Foruu),  vol. 
54  (1915)  p.  18  ff. 

Peel,  The  Sir  William  (S.  37  Anm.  54). 

Peterhoff,  The  (S.  37  Anm.  54,  S.  118). 

Peyreigne,  Ch,    (S,  58  Anm.  77),    Les   conflits   maritimes   contre  les   ^tats, 
Toulouse  1912. 

Philliraore,  Dr.   (S.  64). 

Phillimore,   Robert   (S.  17  Anm.  26,  S.  18,  S.  30),   Commentaries   on  Inter- 
national Law,  Vol.  III,  London  1885,  third  edition. 
I     Phillimore,  Walter  George  Frank   (S.  89  Anm.  95,  S.  90  Merkwort),  Three 
Centuries  of  Treaties  of  Peace  and  their  Teaching,  London  1917. 

P h  i  1 1  i p  s 0  n ,  Coloman  (S.  5  Anm.  4,  Anm.  18,  Anm.  35,  S.  27  Anm.  37,  Anm.  96, 97) : 

1.  The  effect  of  war  an  contracts,  London  1909.' 

2.  International  Law  and  the  Great  War,  London  1915. 

3.  mit    Buxton:    The    question    of    the    Bosphorus    and    Dardanells, 
London  1917  (Anm.  114). 


Literatur-,  Xaiiiens-  und  Fall- Verzeichnis  133 

I     Piggott,  Francis   (S.  20  Anm.  30,  S.  89  Anni.  95),  The  neutral  merchaut  iu 
relation  to  the  law  of  contraband  of  war  and  blockade  under  tbe  order 
iu   Council   of   11.  March  1915,   reprinted    by  permission   from  the   nine- 
teenth  Century  and  after,  London  1915. 
Pillet,    A.    (S.  9ü  Anm.  96),    Les    lois    actuelles   de   la   guerre,    2.  editiou, 
Paris  1901. 
P    Plater,  Charles  (Anm.  129),  A  primer  of  peace  and  war,  London -NewYork  1915. 
Pohl,  Heinrich  (S.  90  Anm.  97): 

1.  England  und  die  Londoner  Deklaration,  Berliu  1915. 

2.  Englisches  Seekriegsrecht  im  Weltkrieg,  Berlin  1917. 

Politis,    N.    (S.  27  Anm.  37),    Lois   et   coutumes   de    la   guerre   sur   terre, 

L'interprötation    anglaise   de  l'article  23  h   usw.,    in   Revue  Generale  de 

droit  international  public  1911,  Tome  XVIII  p.  249. 
I     Ponsonby,  Arthur  (Anm.  107,  Anm.  129),  Democracy  and  Diplomacy,  London 

1915. 
P    Poortugael,  den  Beer  (S.  116  Anm.  129),  Le  droit  des  gens  en  marche  vers 

la  paix  et  la  guerre  de  Tripoli,  La  Haye  1912. 
Porter  v.  Freudenberg  (S.  24 ff). 
Prize  Cases,  siehe  T rehern. 
Problems  of  the  War   (Anm.  23,  75,  77,  95,  96,  117.  118),  Papers  read  be- 

fore   the   (Grotius)   society  in  1915,  Vol.  I  und  II,  London  1916  und  1917. 

Im  Zweifel  ist  Vol.  I  gemeint. 
Problems  of  readjustment  after  the  war   (S.  2  Anm.  2  [G.G.  Wilson], 

Anm.  107  [Willoughby]),  NewYork  und  London  1915. 
Pulling,  Alexander  (S.  33  Anm.  45,  Anm.  97,  Anm.  100): 

1.  Manual   of  energency  legislation    1914  —  1915,   London  1914  ff.    mit 
4  Supplementen. 

2.  üefence  of  the  Realni  Manual  (3.  edition),  London  1917. 

Pyke,    H.  Reason    (S.  20  Anm.  30,    Anm.  43,    Anm.  47,    Anm.  51,    Anm.  72, 
Anm.  87,  Anm.  95),  The  law  of  contraband  of  war,  Oxford  1915. 

P    Cfcuin,  Malcoln'(Anm.  129),  The  problem  of  human   peace,   studies  from  the 
Standpoint  of  a  scientific  catholicism,  London  1916. 

Ralston,   Jackson  H.,    International  Arbitral  Law   and  procedure,    Boston 
und  London  1910. 
P    Rapports,   Recueil  de  (Anm.  129),    sur  les  diff^rents  poiuts  du  programme- 
minimum,  La  Haye  1916—1918  (4  vol.). 

Recommendations  (S.  59,  S.  116  Anm.  129),   siehe  Scott. 

Recueil,  siehe  Zusammenstellung  1916  (im  Zweifel  diese)  und  Rapports. 

Redlich,  Josef  (Anm. 111),  Recht  und  Technik  des  englischen  Parlamentaris- 
mus, Leipzig  1905. 

Redslob,    Robert    (Anm.  118.  Anm.  129),    Das    Problem    des    Völkerrechts, 
Leipzig  1917. 

Eevue  G6n6rale  de  droit  international  public  (Anm.  37  [Politis]). 


134  Literatur-,  Namens-  und  Fall- Verzeichnis 

Rex  versus  Bernard  (Fall)  (S.  98). 

Rio  Grande  Cases  =  Matamoros  Cases,  siehe  diese. 

Robinson,  Christopher  (S.  46  Auin.  64,  Anm.  65,  Anm.  73,  Anm.  97),  Reports 

and   cases   argued    and    determined   in   the   High    Court   of  aduiiralty, 

Boston  1853. 
Rogers,  Lindsay  (S.  110  Anm.  116),   The  War  and  the  english  Constitution 

in  the  Forum,  Vol.  54  (1915)  p.  30. 
Roloff,    Gustav  (Anm.  107).    Der  englische  Weltlierrschaftsansprnch    in  Ge- 
schichte und  Gegenwart,  iu  „Das  englische  Gesicht",  Berlin  1915. 
I     Rose,  J.Holland  (S.  105  Anm.  107),  The  development  of  the  European  Nations 

1870—1900,  London  1905. 
Root,   Elihu   (S.  2  Anm.  2,  Anm.  73,  Anm.  124),   Adresses   on   international 

Subjects,  Cambridge  1916. 
Russell,  Earl,  englischer  Minister  des  Äussern  (S.  43,  56,  63.  64,  65,  66,  69  ff.). 
Russian    and    Japanese    Cases    (S.  77  Anm.  89).    vol.  I    (Russian  Cases), 

London  1912,  herausgegeben  von  Hurst  und  Bray. 

Salisbury,  Marquis  of,  englischer  Minister  des  Äussern  (S.  61). 

Sanger,  C.  P.  (H.T.J.  Norton)  (S.  102  ff.),  Englands  guarantees  to  Belgium 

and  Luxemburg,  London  1915. 
Satow,  Ernest  (S.  90  Anm.  96),  The  treatment  of  euemy  aliens  in  Problems 
of  the  war,  vol.  II. 
P    Schlief,  Eugen  (Anm.  125,  129),  Der  Friede  iu  Europa,  Leipzig  1892. 

Schmidt,  Bruno  (S.  2  Anm.  2,  Anm.  75,  Anm.  94,  Anm.  107),  Über  die  völker- 
rechtliche Clausula  rebus  sie  stantibus,  Leipzig  1907,  Bd  VI  1  der  Staats- 
und völkerrechtlichen  Abhandlungen  von  Jellinek  und  Anschütz. 
Schön,  P.   (S.  2  Anm.  2),   Zur  Lehre  von   den  Grundlagen  des  Völkerrechts, 
im  Archiv  für  Rechts-  und  Wirtschaftsphilosophie,  Bd.  8  (1914/15)  S.  287. 
P    Schücking,  Walter  (Anm.  128): 

P    1.  Der  Staatenverband  der  Haager  Konferenzen,  München  und  Leipzig 

1912. 
P    2.  Der  Dauerfriede,  Leipzig  1917  (A.  129). 
I     Schulze-Gaevernitz,  G.  von  (S.  109  Anm.  111,  Anm.  116),    Britischer  Im- 
perialismus und  englischer  Freihandel,  Leipzig  1906. 
P    Seh  van,  Auguste  (Anm.  129),  Les  bases  d'une  paix  durable,  Paris  1917. 
Science,  The  (S.  37  Anm.  54). 

Scott,  James  Brown  (S.  7  Anm.  9,  S.  27  Anm.  37,  Anm.  43,  Anm.  54,  Anm.  64, 
Anm.  66,  S.  59  Merkwort,  Anm.  88): 

1.  Cases  on  international  law,  St.  Paul  1906. 

2.  The  Hague  Peace  Conferences   of  1899  and  1907,   Baltimore  1909. 
P    3.  Recoraraendations  on  international  law  of  the  second  pan  American 

scientific  Congress,  New  York  1916  (Carnegie  endowement  for  inter- 
national peace). 
P    Seber,  Max  (Anm.  129),  Die  Schicksalsstunde  des  Pazifismus,  Basel  1917. 
Seward,  Minister  des  Äusseren  in  Washington  (S.  43,  44,  57,  70  ff.) 


Literatur-,  Namens-  und  Fall- Verzeichnis  135 

Sewill  (S,  105  Aum.  107),  A  German  luvasiou,  London  1913. 

Shark,  amerikanischer  Gesandter  zu  Paris  (Anm.  119). 

Sibley,  N.  W.,   and  Alfred  Elias   (S.  97  ff.),   The  Alien  Act   and  the  Right 

of  Asylum,  Londou  1906. 
Sidebotham,  H.  (S.29),  The  freedom  of  the  seas  bei  Charles  Roden  Buxtou. 

Sidney  (Fall)  (Anm.  82). 

Sieveking,  Alfred  (S.  25  Anm.  36,  S.  35  Anm.  47),  Influence  of  war  on  private 
contracts  in  Association  de  droit  international,  Conipte  rendu  de  la  vingt- 
huitieme  Conference  teniie  ä  TAcademie  de  Jurisprudence  et  de  la  legis- 
lation,  Madrid,  Octobre  1-6,  1913,  London  1914. 

Sir  William  Peel,  siehe  Peel. 

Skoudoulis,  griechischer  Minister  des  Äussern  (S.  101). 

Slidell  (S.  55  Anm.  73). 

Smith,  F.  E,  and  N.W.  Sibley  (S.  46  Anm.  64,  Anm.  66,  Anm.  77),  Inter- 
national law  as  interpreted  during  the  Russo- Japanese  war,  London  1905. 

Snow,  Freeman,  Cases  and  opinions  on  international  law,  Boston  1893  (S.  7 
Anm.  9,  Anm.  54,  Anm.  64,  Anm.  66,  Anm.  91). 

Sombart,  Werner  (Anm.  129). 

Spaight,  M.   (S.  27  Anm.  37,  Anm.  96),   War  rights  on  laud,   London  1911. 

Sphyris,  K.  D.  (nach  S.  99ff.),  Griechenland  und  die  Internationale,  Bern 
1917. 

Springbok,  The  (S.  37  Anm.  54,  S.  61,  62  ff.,  Anm.  81,  S.  118). 

Staatsarchiv  (S.  87  Anm.  94),  Band  204,  siehe  Rechtsquellen. 

Stier-Somlo,  Fritz  (S.  5  Anm.  4,  S.  6  Anm.  5,  Anm.  118,  120),  Die  Freiheit 
der  Meere  und  das  Völkerrecht,  Leipzig  1917. 

Stephen  Hurt,  The  (S.  37  Aura.  54) 

Stilwell,  Arthur  Edward  (Anm.  129),  To  all  the  world  except  Germany, 
London  1915. 

Stoerk  (Anm.  129). 

Stowell,  Lord,  früher  Sir  Walter  Scott  (S.  18,  S.  30,  31,  32,  33,  36),  siehe 
Prize  Cases  p.  121  und  Mendelssohu-Bartholdys  Lebensbeschreibung. 

Stowell,  Ellefy  C,  and  Henry  F.Muuro  (S.  37  Anm.  54,  Anm.  73,  Anm.  75), 
International  Cases,  Boston  1916. 

Stuart,  englischer  Gesandter  in  Washington  (S.  66  ff.,  71). 

Stubbs,  C.  (S.  88  Anm.  95),  The  position  of  enemy  merchantmen  in  Pro- 
blems of  the  war,  vol.  I. 

Strupp,  Karl  (S.  25  Anm.  36,  Anm.  104  a,  Anm.  105): 

1.  Das  internationale  Landkriegsrecht,  Frankfurt  a.  M.  1914. 

2.  Niemeyers  Zeitschrift,  Bd.  23  (1913)  und  25  (1915). 

3.  Zeitschrift  für  Völkerrecht,  Bd.  8  (1914). 

4.  Ausgewählte  diplomatische  Aktenstücke  zur  orientalischen  Frage, 
Gotha  1916,  S.  57. 

5.  La  Situation  internationale  de  la  Grece  (1821 — 1917),  .Recueil  de 
documents  choisis  et  6dit6s  avec  une  introduction  historique  et  dog- 
matique,  Zürich  1918. 


136  Literatur-,  Namens-  und  Fall-Verzeichnis 

P    Taft,  William  H.  (Aum.  129),  The  United  States  and  l'eacc,  London  rJ14. 
Takahashi,  Sakuye  (S.  65  Anm.  81,  Anm.  86,  Anm.  90,  Aum.  97): 

1.  Cases  on  international   law  during   tlie  Chino-Japanese  war,   Cam- 
bridge 1899. 

2.  Äusserungen   über   völkerrechtlich    bedeutsame   Vorkommnisse    aus 
dem  chinesisch-japanischen  Seekrieg  pp.,  München  1900. 

3.  International   law  applied  to  the  Russo-Japanese  war  with  tlie  dc- 
cisions  of  the  Japanese  Prize  Courts,  London  19Ü8. 

Terestscheuko,  Michel,  russischer  Minister  des  Auswärtigen  (S.  92). 
I     Thirlmere,  Rowland  (S.  105  Anm.  107),  The  Clash  of  Empires,  London  19U7. 

Thoma,  Ed.  (S.  96  Anm.  102). 

Thouvenel  (S.  55  Aura.  73). 

Times,  The,  documentary  history  of  the  war  (S.  9  Anm.  12,  S.  22  Anm.  31, 
Anm.  68),  Vol.  III,  London  1917. 

Tiverton,  Viscount  (S.  7  Anm.  9,  Anm.  76),   The  principles  and  practica  of 
prize  law,  London  1914. 
P    Toynbee,  Arnold  J.  (Anm.  129),  Nationality  and  the  war,  London  1915. 

Treaties  pp.,  siehe  Malloy. 

Trehern  (S.  11  Anm.  16,  Anm.  45,  Anm.  46,  Anm.  97),  Prize  Cascs,  London 
1915. 

Treitscbke  (S.  105  Anm.  107). 

Trent  -  Fall  (S.  43,  Anm.  73,  S.  ,56,  59). 

Triepel,  Heinrich  (S.  2h  Anm.  36,  Anm.  40,  Anm.  491: 

1.  Völkerrecht  und  Landesrecht,  Leipzig  1899. 

2.  Die  Zukunft  des  Völkerrechts,  1916. 
Troeltsch,  Ernst  (S.  109  Anm.  113,  Anm.  116): 

1.  Der  Geist   der   deutschen   Kultur,    in  „Deutschland   und   der  Welt- 
krieg", 2.  Auflage,  Leipzig  1916. 

2.  Der    Ansturm    der    westlichen    Demokratie,     in    dem    Sammelwerk 
„Die  Deutsche  Freiheit",  S.  79. 

P    Tsch6ou-Wei,  S.    (S.  116  Anm.  129),   Essai  sur  l'Organisation  juridique  de 
la  soci6t6  international,  Genöve-Paris  1917. 
Tudor,  Oven  Davis  (S.  46  Anm.  64),   A  selection  of  leading  cases  on  mer- 
cantile  and  maritime  law,  third  edition,  London  1884. 

P    Veröffentlichungen    der   Verbandes    für    internationale   Verständigung 

(Anm.  129),  Berlin-Stuttgart-Leipzig  1913  ff. 
Versicherung  und  Krieg  (S.  25  Anm.  36),   Bd.  26  der  Veröffentlichungen 

des  deutschen  Vereins  für  Versicheruugswissenschaft,  Berlin  1914. 
Volant,  The  (S.  37  Anm.  54). 

Waddingtoü,  französischer  Gesandter  in  London  (S.  75  ff.). 

Wagner,  Adolf  (Anm.  129). 

Walte  (Chief  justice)  (S.  59,  Merkwort). 

Waker,  T.  A.  (S.  31).  Science  of  international  law. 


Literatur-,  Namens-  und  Fall-Vcizeicliiiis  137 

Wallace,  John  William  (S.  37  Auni.  54),  Gases  argued  aud  adjudged  in  tlie 
Supreme  Court  of  tbe  United  States,  Washington  1870  ff.  (23  vol.),  in 
den  United  States  Reports. 

War  and  Democracy,  The  (S.  106  Anm.  108),  by  ß.  W.  Seton  Watsou, 
J.  Dover  Wilson,  Alfred  E.  Zimmern  und  Arthur  öreenwood,  London  1916. 

War  obviated  by  an  international  police  (Anm.  129),  A  serie  of 
essays  written  in  various  countries,  The  Hague  1915. 

Wehberg,  Hans  (S.  65  Aura.  81,  Anm.  124,  Anm.  125,  Aura.  129),  Das  Pro- 
blem eines  internationalen  Staatsgerichtshofs,  München  und  Leipzig  1912. 

AVeissbuch,  siehe  Zusammenstellung  1907. 

Wells,  H.  C.  (Anm  129),  Wliat  is  coming?  A  European  Forecast,  New  York 
1916. 

Westlake,  John    (S.  5  Anm.  4,  S.  12  Anm.  17,  S.  14,  S.  15,  Anm.  81,  82,  93): 

1.  Introduction  zu  Takahashis  Gases. 

2.  The  doctrine   of  contiuuous  voyage,   in   Takaiiashis  Äusserungen 
S.  21  bis  30. 

3.  International  Law.  Cambridge  1907. 

4.  The  Collected  Papers  of  John  Westlake  on  public  international  law, 
Cambridge  1914,  edited  by  Oppenheim. 

Westminster  Gazette  (Titelblatt,  S.  111). 

The  Westrand  Central  Gold  Mining  Company  Ltd.  v.  Rex  (S  33  Anm.  46) 

Wheatons  International  law  (S.  26  Anm.  37)  byA.G.  Boyd,  2.  edition, 
London  1880. 

Wheaton,  Henry  (S.  17  Anm.  26),  A  digest  of  the  law  of  maritime  capture 
and  prizes,  Washington  1815. 

Wilkinson,  Spenser  (S.  105  Anm   107),  Britain  at  Bay,  London  1909. 

Will  0  the  WIsp  (S.  69ff) 

Willoughby,  Westel  W.  (S.  105  Anm.  107),  The  relation  of  the  individuel 
to  the  State  in  Problems  of  readjustment. 

Wilson,  George  Graftou  (S.  2  Anm,  2),  The  War  and  international  law 
in  Problems  of  readjustment. 

Wilson,  William  E.  (Anm.  129),  Christ  and  War,  London  1914  (revised  edition). 

Wilson,  Woodrow  (Günther  Thomas)  (S.  5  Anm.  4),  Der  Staat,  Berlin- 
Leipzig  1913. 

Woolf,  L.  S.  (S.  105  Anm.  107,  Anm.  129),  International  Government,  London 
1916. 

Wrangel,  Graf,  schwedischer  Gesandter  in  London  (S.  6). 

Wyatt,  Harold  F.  (S.  105  Anm.  107),  The  wings  of  war  in  Nineteenth  Cen- 
tury, vol.  66,  450. 

Yearbook,  siehe  Carnegie  Endowement  pp. 

Zaanstroom   (Fallj  (S.  32  Anm.  44),    in  Grotius  Annuaire    pour  1916   S.  202 

und  Hauseatische  Gerichtszeitung  1916,  Hauptblatt  157. 
Zaimis,  griechischer  Minister  des  Äussern  (S.  101). 


j^38  Literatur-,  Namens-  und  Fall- Verzeichnis 

Zeitschrift  für  Soziaiwissenschaft  (Anm.  109,  113  [Hurwicz]). 

Zeitschrift  für  Völkerrecht  (Anm.  31,  Anm.  37  [Bd.  6,  1913,  S.  213  = 
Law  Quarterly  Review  Bd.  28,  1912,  S.  94,  siehe  Holland,  5],  Anm.  44, 
S.  41  Anm.  60). 

Zamora-Fall  (S.  33,  S.  37). 

Zimmermann,  Alfred  (S.  21  Anm.  31),  Der  gescheiterte  Versuch  der  Neu- 
tralisierung Mittelafrikas,  in  Zeitschrift  für  Völkerrecht  X  (1917)  (S.  38ff.). 

Zimmern,  Alfred  E.  (S.  106  Anm.  108),  1.  Introductory  und  2.  German  Cul- 
ture  and  the  British  Commonwealth,  in  War  and  Democracy. 

Zitelmaun  (S.  25  Anm.  36,  Anm.  39,  Anm.  43): 

1.  Archiv  für  öffentliches  Recht,  Bd.  35  S.  26. 

2.  Der   Krieg   und   das  Völkerrecht,    in    „Deutschland   und   der  Welt- 
krieg", 2.  Aufl.,  Leipzig  1916. 

Zorn,  Philipp  (S.  112  Anm.  118),  Das  deutsche  Reich  und  die  internationale 
ychiedsgerichtsharkeit,  Berlin  1911. 


Zusammenstellung  der  benutzten  Parlamentspapiere  139 


Zusammenstellung 

der  im  Text  benutzten,  insbesondere  englischen  Parlaments- 
papiere und  sonstigen  amtlichen  Veröffentlichungen'^) 


1863 

Hansard  Parliamentary  Debates  1863  III.  Series  Vol.  170  (S.  64  Anm.  80). 
Accounts  and  Papers  [44]  State  Papers  North  America  Vol.  LXXII,  1863 : 
North  America  a)  No.4  [3119]  Despatch  from  Her  Majestys  Minister  at  Washing- 
ton  8. 12. 1862   (enthält   extracts   of  Papers  relating   to  foreign  affairs 

1862)   (S.  67). 
North  America  b)  No.  5  [3127]  Correspondence  respecting  Instructions  given  to 

naval   offlcers    of   the   United   States   in   regard   to  neutral  vessels   and 

mails  (S.  71). 
North  America  c)  No.  11  [3183]  Correspondence  respecting  the  trade  with  Mata- 

moros  (S.  72). 
North  America  d)  No.  12  [3195]  Correspondence   respecting   the   seizure   of  the 

British  Schooner  „Will  o'  the  Wisp"   by  the  United  States  ship  of  war 

Montgomery  at  Matamoros,  June  3,  1862  (S.  69). 
North  America  e)  No.  14   [3231]    Correspondence    respecting    Interference    with 

trade  between  New  York  and  the  Bahamas  (S.  66,  71). 

1864 

Papers  relating  to  foreign  affairs   (Exec.  Doc.  No.  1,  38.   Congr.  1.  sess.  House 
of  Representatives  Part  I  and  second  sess.  Part  II)   (S.  73). 

1873 

Accounts  and  Papers  Vol.  74 ; 

North  America  No.  2  (1873)  [c.  689]  p.  419  Papers  relating  to  the  proceedings  of 

the  tribunal  of  Arbitration  at  Geneva  (S.  114). 
Part  II  Containing  the  award  of  the  tribunal  and  the  reasons  of  Sir  Alexander 

Cockburn  for  dissenting  from  the  award. 


*)  Die  Stellen,  an  denen  die  Veröffentlichungen  im  Text  vorkommen,  sind 
neben  ihnen  angegeben.  Die  nicht  aufgeführten,  ziemlich  zahlreichen  und  um- 
fangreichen englischen  Parlamentspapiere,  die  während  des  Krieges  erschienen 
und  hier  erhältlich  gewesen  sind,  sind  unter  den  erörterten  grundsätzlichen 
Gesichtspunkten  ohne  Interesse.  Mise.  No.  9  und  11  von  1916  und  British  trade 
after  the  war  (1916)  sind  des  allgemeinen  Interesses  wegen  hier  unter  Hinweis 
auf  die  in  Frage  kommenden  Stellen  des  Buches  aufgenommen,  ohne  dort  er- 
wähnt zu  sein. 


140  Ziisanimenstellinig  der  bcmitztoii   Parlaineiifspapierc 

1874 

I.  Accounts  and  Papers  1874  Vol.  75: 

a)  [englischer  Bericht]  North  America  No.  2  (1874)  |c.  1046]  Reports  hy 
Her  Majesty's  Agent  [Henry  Howard]  of  the  proceeding  and  awards 
of  tho  mixed  commission  on  British  and  American  Claims,  establised  under 
the  XII th  article  of  the  treaty  between  Great  Britain  and  the  United 
States  of  America  concluded  and  signed  at  Washington,  May  8,  1871 
(S.  38  Anm.  54,  S.  65  Anm.  81). 

b)  North  America  No.  3  (1874)  [c.  1047]  Papers  respecting  the  proceedings 
of  the  mixed  Claims  commission  (Anm.  55). 

II.  Foreign  ßelations  of  the  United  States  I.  Session  43.  Oongress  1873/74  Vol.  III. 
[amerikanischer  Bericht]  Papers  relating  to  the  American  and  British 
Joint  Commission  Report  of  Robert  S.  Haie  Esqu.  Agent  and  Counsel  of 
the  United  States  before  the  commission  .  .  .  under  the  XII  article  of  the 
Treaty  of  8.  May  1871  (8.  37  Anm.  54,  S.  38  Anm.  54;  A.  55,  56,  81,  123). 

1900 

Africa  No.  1  (1900)  Cd.  33  in  Accounts  and  Papers  1900  Vol.  56  p.  83  Corre- 
spondence  respecting  the  actions  of  Her  Majesty's  Naval  Authorities  with 
regard  to  certain  foreign  vessels  (S.  61). 

Miscellaneous  *)  No.  1  (1900)  Cd.  34  in  Accounts  and  Papers  1900  Vol.  105  p.  913 
Correspondence  respecting  the  seizure  of  the  British  Vessels  „Springbok* 
and  „Peterhoff"  by  United  States  Cruisers  in  1863  (S.  37  Anm.  54,  S.  63). 

1904 

Papers  relating  to  the  foreign  Relations  of  the  United  States  1904  (S.  82  Anm.  91). 
The  Parlamentary  Debates  1904  Vol.  189  (S.  82  Anm.  91). 

1905 

Russia  No.  1  Cd.  2348  Correspondence  respecting  contraband  of  war  in  connection 

with  the  hostilities  between  Russia  and  Japan  (S.  77  Anm.  90j. 
The  Parlamentary  Debates  1905  Vol.  141  (S.  82  Anm.  91). 

1907 

Deutsches  Weissbuch  vom  6.  Dezember  (Nr.  52),  12.  Legislaturperiode  1907, 
Bd.  244  der  Verhandlungen  des  deutschen  Reichstags  (S.  25  Anm.  36). 

1909 

Mise.  No.  4  Cd.  4554  Correspondence  and  Documents  respecting  the  international 
Naval  Conference,  held  in  London,  December  1908  —  February  1909 
(S.  84  Anm.  92). 

1910 
Mise.  No.  4   Cd.  5418    Correspondence    respecting    the    Declaration    of   London 
(S.  84  Anm.  92). 

1911 
Mise.  No.  2  Cd.  5520   Correspondence  with  the  French  Government  in   1885  re- 
specting the  treatment  of  Rice  as  contraband   (S.  75  Anm.  87). 


*)  Stets  abgekürzt:  Mise. 


Zusammenstellung  der  benutzten  Parlamentspapiere  l41 

Mise.  Xo.  8   Cd.  5718    Correspondencc    respecting-   the    Declaration    of   London 

(S.  34  Anm.  47.  Anm.  92). 

1912 
Mise.  Xo.  1  Cd.  6011  Torrespondence  respecting  destruction  of  the  British  Steam- 

ship  „Oldhamia^    bj'   Ensign   Tregonboff    of  the   Russia  Oruiser   Oleg   in 

May  1905  (S.  82  Anm.  91). 

1914 

Mise.  Xr.  6   (1914)    Cd.  7467    Correspondence    respecting    the    European    Crisis 

(S.  103). 
Englisch-niederländische  Korrespondenz  vom  Oktober  1914  in  The  Times  Docu- 

mentary  History  of  the  War,   London  1917,  Vol.  III  p.  69  (Anm.  68). 
European  war. 

1.  Cd.  7607  Correspondence  regarding  the  naval  and  military  assistance 
afforded  to  His  Maj.  Gov.  by  His  Maj.  Oversea  Dominions  September 
1914  (S.  22  Anm.  31). 

2.  Cd.  7608  und  7646  betr.  Gifts  of  foodstoffs  and  other  supplies  from  the 
nversea  dominions  and  Colonies  September  u.  Dezember  1914  (S.22  Anm.  31». 

1915 

Mise.  Xo.  6  Cd.  7816  Correspondence  between  His  Majesty's  Government  and  the 

f  nited  States  Government  respecting  the  rights  of  belligerents  (S.  34  Anm.  47. 

S.  45.  46). 
Mise.  Xo.  18  Cd.  8104  Italian  Decrees  relative  to  enemy  merchant  vessels  together 

with  the  Italian  Xaval  Prize  Regulations  (S.  90  Anm.  97). 
Cd.  7875  Correspondence  on  the  subject  of  the  proposed  naval  and  military  ex- 

pedition    against  German  South- West  Africa  April  1915    (S.  22  Anm.  31). 
European  war. 

1.  Gold  Coast.  Cd.  7872  Correspondence  relating  to  the  military  Opera- 
tions in  Togoland.  April  1915. 

2.  Cd.  7972  Correspondence  relating  to  the  occupation  of  German  Samoa  by 
an  expeditionary  force  from  Xew  Zealand  (September  1915)  (S.  22  Anm.  31). 

Union  of  South  Africa.  Cd.  7873  Return  laid  upon  the  table  of  the  House 
of  Assembly  on  the  11  th  march  1915,  of  Correspondence  on  the  subject 
of  the  proposed  naval  and  military  expedition  against  German  South- 
West  Africa. 

Army.     1.  Cd.  7679  Memorandum  on  the  Censorship  (S.  55  Anm.  7.S). 

2.  Cd.  7680  Memorandum  on  the  Official  Press  Bureau  (S.  55  Anm.  73). 

Ausnahmegesetze  gegen  deutsche  Privatrechte  in  England,  Frankreich  und  Russ- 
land, Denkschrift  des  Auswärtigen  Amtes  (S.  40  A.  60). 

österreichische  Sammlung  von  Xachweisen  über  Völkerrechtsverletzungen,  ab- 
geschlossen am  31.  .Januar  1915  (S.  24  Anm.  35,  Anm.  97). 

Overzicht  1914—15  siehe  unter  1916. 

1916 

Mise.  Xo.  2  Cd.  8145  Statement  of  the  Measures  adopted  to  intercept  the  sea- 
borne  commerce  of  Germany  (S.  18  Anm.  29). 


142  Zusammenstellung  der  benutzten  Parlamentspapiere 

Mise.  No.  5  Cd.  8173  Memorandum  prescnted  by  Ilis  Majesty's  Government  and 
the  French  Government  to  Neutral  Governments  regarding  tlie  examina- 
tion  of  parcels  and  letter  mails  (S.  55  Anm.  73). 

Mise.  No.  9  Cd.  8223  Memorandum  preseuted  by  His  Majesty's  Government  and 
the  French  Government  to  Neutral  Governments  regarding  the  examina- 
tion  of  parcels  and  letter  mails  (S.  55  Anm.  73). 

Mise.  No.  11  Cd.  8225  Correspondence  with  the  United  States  Ambassador  re- 
specting  the  Trading  with  the  enemy  (Extension  of  Powers)  Act,  1915 
(S.  19,  41). 

Mise.  No.  12  Cd.  8226  List  of  Articles  declared  to  be  contraband  of  war 
(S.  88  Anm.  95). 

Mise.  No.  14  Cd.  8233  Further  Correspondence  between  His  Majesty's  Govern- 
ment and  the  United  States  Government  respecting  the  rights  of  belli- 
gerents  (in  continuation  of  No.6  [1915]  Cd.  7816)  (S.  35  Anm.  48,  Anm.  50). 

Mise.  No.  15  Cd.  8234  Further  Correspondence  between  His  Majesty's  Govern- 
ment and  the  United  States  Government  respecting  the  rights  of  belli- 
gerents  (in  continuation  of  Mise.  Nr.  14  [1916]  Cd.  8233):  (S.  8  Anm.  11, 
S.  13  Anm.  19,  Anm.  24,  58,  71). 

Mise.  No.  20  Cd.  8261  Note  from  the  United  States  Government  regarding  the 
examination  of  parcels  and  letter  mails  (Titelblatt,  S.  55  Anm.  73). 

Mise.  No.  22  Cd.  8293  Note  addressed  by  His  Majesty's  Government  to  neutral 
representatives  in  London  respecting  the  withdrawal  of  the  declaration 
of  London  Orders  in  Council  (S.  112  Anm.  119). 

Mise.  No.  23  Cd.  8294  Note  addressed  to  the  United  States  Ambassador  regard- 
ing the  examination  of  parcels  and  letter  mails  (S.  55  Anm.  73). 

Mise.  No.  24  Cd.  8295  Correspondence  with  the  United  States  Ambassador  re- 
garding the  relief  of  allied  territories  in  the  occupation  of  the  enemy 
(S.  21  Anm.  31). 

Mise.  No.  27  Cd.  8298  Collective  Note  addressed  to  the  Greek  Government  by 
the  French,  British  and  Russian  Ministers  and  the  Reply  of  the  Greek 
Government  (S.  100). 

Mise.  No.  28  Cd.  8322  Correspondence  with  the  Swedish  Minister  on  the  sub- 
ject  of  the  detention  by  the  Swedish  Government  of  the  British  Transit 
Mail  to  Russia  as  a  ßeprisal  for  the  Search  of  parcels  mail  by  His 
Majesty's  Government  (S.  6  Anm.  6,  Anm.  24,  Anm.  73). 

Mise.  No.  32  Cd.  8348  Correspondence  respecting  the  Relief  of  Allied  Territories 
in  the  occupation  of  the  enemy  (S.  21  Anm.  31). 

Mise  No.  36  Cd.  8353  Further  Correspondence  with  the  United  States  Ambas- 
sador respecting  the  Trading  with  the  enemy  (Extension  of  Powers)  Act 
1915  (in  continuation  of  No.  11  [1916]  Cd.  8225)  (S.  41  Anm.  61). 

Overzicht  der  voornaamste  van  Juli  1914  tot  October  1915  und  van  October 
1915  —  Juli  1916  dorch  het  Ministerie  van  Buitenlandsche  Zaken  be- 
haandelde  en  voor  Openbarmaking  geschickde  Aangelegenheden  (2  Bände) 
(S.  10  Anm.  13,  S.  17  Anm.  24,  Anm.  97). 


Rechtsquelien  143 

Mededeelingen  desselben  Ministers,   Juli — Dezember  1916   (S  10  Anm.  13,   S.  17 

Anm.  24). 
Recueil  de  diverses  Communications  du  ministre  des  affaires  etrangeres  aux  Etats- 

Generaux  par  rapport  ä  la  neutralit^  des  Pays-Bas  et  au  respect  du  droit 

des  gens,   La  Haye,  Septerabre   1916    (S.  17  Anm.  24,  Anm.  32,  Anm.  68, 

Anm.  70,  Anm.  73,  Anm.  78,  Anm.  97). 
British  trade  after  the  War.   Cd.  8181   Report  of  a  sub-committee  of  the 

advisory  committee   to   the   Board   of   trade  on   commercial   intelligence 

with  respect   to   measures   for   securing    the  position  after  the  war,   of 

certain  branches  of  British  industry  (S.  19,  41). 

1917 

Mise.  No.  2  Cd.  8438  Memorandum  addressed  by  the  French  and  British  Govern- 
ment to  the  United  States  Government  regarding  the  Examination  of 
parcels  and  letter  maus  (S.  6  Anm.  6,  S.  9,  Anm.  31). 

Mise.  No.  5  Cd.  8468  Reply  of  the  Allied  Governments  to  the  Note  communi- 
cated  by  the  United  States  Ambassador  on  December  20,  1916  (Titelblatt). 

Mise.  No.  6  Cd.  8469  Report  drawn  up  by  the  Committee  on  the  Administration 
of  the  Order  in  Council  of  March  1915  (1916)  (S.  19  Anm.  30). 

Mise.  No.  8  Cd.  8478  Correspondence  with  the  Swedish  Government  respecting 
the  Mining  of  the  Kogrund  Passage  (S.  10  Anm.  14). 

Mise.  No.  10  Cd.  8587  Note  from  the  Russian  Provisional  Government  and  the 
British  Reply  respecting  the  allied  war  aims  (S.  104  Anm.  106). 

Mise.  No.  11  Cd.  8588,  siehe  Rechtsquellen:  An  agreement  usw. 

Journal  officiel  (Anm.  102). 

The  London  Gazette  (S.  7  Anm.  10,  90  Anm.  97,  S.  95). 
Belgisches  Graubuch  (Anm.  31). 
.Stenographische  Berichte  des  deutschen  Reichstages  (S.  35  Anm.  47). 


Rechtsquellen 

(zeitlich  geordnet). 
Siehe  auch  die  alphabetische  Ordnung  im  Sachregister. 


Magna  Charta  1215,    S.  96. 

Jay-Vertrag  von  1794,  S.  37,  38  Anm.  55,  S.  113,  114  Anm.  123. 
Handelsvertrag  von  1815,  englisch-nordamerikanischer,  S.  71,  72. 
Staatsverträge    (betreffend  Griechenland)    vom    6.  Juli  1827,    3.  Februar   1830, 

7.  Mai  1832  und  13.  Juli  1863,    Anm.  105. 
Englische  Deklaration  vom  29.  März  1854,    S.  7,  8. 
Französische  Deklaration  vom  29.  März  1854,    S.  7. 


144  Rcchtsquellen 

Order  in  Council  vom  15.  April  1854,    S.  7. 

Pariser  Deklaration  von  1856    S.  4,  6,  8.  9,  16,  24,  77  Anm.  95. 

Naval  Prize  Act  1864,    S.  7  Anm.  9,  S.  109  Anm.  112. 

Annexe  zum  Londoner  Protokoll  vom  17.  Januar  1871  betreffend  die  Abänderung 
des  Pariser  Vertrages  vom  30.  ülärz  1856  (Staatsarchiv  Bd.  20  S.  190) 
S  87. 

Vertrag  von  Washington  1871,  S.  37,  88,  113,  114  u.  Anm.  123. 

Vertrag  von  Konstantinopel,  S.  110  Anm.  114. 

Kongo-Vertrag,  Anm.  31. 

Russische  Verordnung  vom  14.  Februar  1904,    S.  77. 

Regulations  pp.  made  by  the  secretary  of  State  for  the  House  Department  with 
regard  to  the  Administration  of  the  Alien  Act  1905  Od.  2879    S.  91. 

Haager  Abkommen,  S.  4,  5,  8,  9,  10,  11  (auch  Anm.  16),  12  (auch  Anm.  18),  16. 
24,  87  f.,  113,  Anm.  128. 

Art.  23  h  Landkriegsordnung,  S.  6,  24  ff.,  90. 

Londoner  Deklaration,  S.  4.  6,  8,  10  Anm.  13,  12,  16,  24,  48,  86  f.,  Anm.  95,  113. 

Order  in  Council  vom  5.  August  1914.    S.  49,  50. 

Order  in  Council  vom  20.  August  1914,    S.  49,  50. 

Order  in  Council  vom  29.  Oktober  1914,    S.  49,  50. 

Prize  Court  Rules  1914    S.  .S3  Anm.  45. 

Proklamation  der  deutschen  Regierung  vom  4.  Februar  1915,    Anra.  19. 

Order  in  Council  vom  11.  März  1915,  S.  8,  19,  20  Anm.  .30,  49,  50,  Anm.  95, 
S.  117  ff. 

Französische  Verordnung  vom  12  März  1915.    Anm.  95. 

Italienische  Prisenregeln  vom  15.  Juli  1915.    Anm.  97. 

An  agreement  concluded  between  His  Majesty's  Government  and  the  Provisional 
Government  of  Russia  relative  to  the  Reciprocal  liability  to  military  Ser- 
vice of  British  subjects  resident  in  Great  Britain  [3.  16.  Juli  1917]. 
Mise.  No.  11  (1917)  Cd.  8588   S.  91  Anm.  98. 

Military  Service  (Conventions  with  Allied  States)  Act  1917.    S.  92  f. 

Military  Service  Act  1916  und  1917,    S.  94  und  Anm.  100. 

Englisches  Heeresgesetz  (44  &  45  Vict.  e.  58\    S.  94  Anm.  101. 

Order  vom  22.  August  1917,    S.  95. 

Französisches  Gesetz  vom  9.  November  1917  (sur  les  obligations  militaires  des 
nationaux  des  pays  alli^s  residant  en  France)   S.  96  Anm.  102. 

Italienisch-englischer  Staatsvertrag  vom   11.  Dezember  1917,    S.  96  Anm,  102. 

Italienisches  Dekret  vom  20.  Dezember  1917.    S.  96  Anm.  102. 


Sachregister 


145 


Sachregister*) 


Abfahrtschein   66. 

Ägypten    22  Anm.  31. 

Alien  enemy  siehe  Auswärtiger  Feind. 

Alkohol    79. 

Allbeteiligungsklausel  4  und  Anm.  18. 

Anhaltungsrecht    47,  52,  68. 

Annexion    22,  23  Anm.  31. 

Annex  zum  Londoner  Protokoll   87. 

Apothekerwaren   68. 

Artikel  23  h  der  Landkriegsordnung 
6.  241,  90. 

Asyl  und  Asylrecht    90  f. 

Äusserungen  diplomatischer  Vertreter  3. 

Aushungerung  Deutschlands  19  Anm. 
29,    21  Anm.  31. 

Ausländer    98.  100. 

Ausländer  im  englischen  Heere  95 
Anm.  101. 

Ausserrechtliche  Handlungen  im  Völ- 
kerrecht  4. 

Australien    22  Anm.  31. 

Auswärtiger  Feind    11.  40. 

Auswärtiges  Amt   34  Anm.  47. 

Autokratie    111  Anm.  116. 

Bahamas-Inseln   66  f.,  72,  73. 
Baumwolle    19  Anm.  29,  82. 
Belgien   3,  102  f. 

Beschlagnahme   49, 67, 71,  73,  77, 80, 82. 
Betrügereien   des  Feindes    siehe  Ver- 
stellungskünste. 


Beweislast   44  f.,  801,  83,  85  f. 
Beweismittel   49,  78. 
Beweisvermutungen   441,  66,  68 f.,  76, 

83.  89  Anm.  95. 
Blockade   8,  14.  18,  19  Anm.  29.  42.  56 

Anm.  74,  60,  63,  67,  681,  71,  73,  74, 

76,  89  Anm.  95,  Anm.  115,  118  1 
Bosporus    109  Anm.  114. 
Britischer  Handel    15. 
Bunkerkohle    18  Anm.  29. 
Burenkrieg    60  f. 
Bürgerkrieg,   amerikanischer  43,  46  f., 

50,  561,  59,  621,  118. 

Canada    22,  31. 

Chinesisch-japanischer  Krieg  Anm.  82. 
Chinin    68. 

Dardanellen  109  Anm.  114. 
Daressalam  21,  22  Anm.  31. 
Deklaration 

englische  von  1854    7,  8. 

französische  von  1854     7. 

Londoner,  siehe  dort. 

Pariser,  siehe  dort. 
Demobilisation    100  f. 
Demokratie   97. 

Despotismus    97,  111  Anm.  116. 
Deutsche  Kolonien    22  Anm.  31. 
Diplomatie,  Öffentlichkeit  der,  Anm.  129. 
Diplomatische  Schriftstücke   8,  9,  15. 


*)  Die  Zahlen  ohne  Zusatz  bedeuten  die  Seiten, 
ß  e n  d  i  X ,  Völkerrechtsverletzuiigen 


10 


Ü6 


Sachregister 


Durchsuchung  s.  Durchsuchungsrecht. 

Durchsuchungsrecht    47,  48  Anm.  68, 

49,  50,  52.  58  Anm.  77.  61.  fi8,  71. 

Ehrenkodex  für  das  Verhalten  der 
Staaten    98. 

Eingangsworte  siehe  Einleitungsworte. 

Einleitungsworte  zu  den  Haager  Kon- 
ventionen   5,  9,  10. 

—  zu  der  Londoner  Deklaration  6,  12. 

Einmarsch  in  Belgien   3. 

Einwanderungsproblem,    Anm.  104. 

Embargo    67,  69,  72. 

Emigranten    98. 

Englische  Geistesverfassung  10,  20  f., 
91  Anm.  98,  §  17,  99,  106  f. 

Englisch-Ostafrika    22  Anm.  31. 

Ewiger  Frieden    112. 

Farbige,  ihre  Stellung  in  der  englischen 

Armee    95  Anm.  101. 
Feindliche  Bestimmung  45  f.,  49,  52  f., 

58,  62,  69,  80,  82  f.,  85,  89  Anm.  95. 
Festhaltung  von  Schiffen,   Gründe  der 

52  Anm.  71. 
Fette    19  Anm.  29. 
Feuerung  79  f.,  86. 
Fiktion,  englische  Vorliebe  für    109. 
Fort  Rüpel    100. 
Fortgesetzte    Reise    60,    65   Anm.  81, 

67  Anm.  82. 
Französisch -chinesischer  Krieg  (1885) 

75,  79. 
Freiheit,    persönliche    90  f.,   99.    107, 

Anm.  116,  112. 
Freiheit  der  Meere   51,  112. 
Fremdenrecht  (englisches)   98. 

Garantie  der  Neutralität    102  f. 

Garant! emächte  Griechenlands    100  f. 

Gebietshoheit   71. 

Geistesverfassung,  englische,  siehe  eng- 
lische Geistesverfassung. 

Geographische  Lage  als  Grund  feind- 
licher Bestimmung   69, 


Gerechtigkeit,  Grundsätze  der   5l. 

Gerichtsentscheidungen  als  Zeugnisse 
der  Rechtsüberzeugung   3,  9. 

Gerichtsgewalt   51,  55  Anm.  73. 

Gesetzwidriges  Verhalten  des  Feindes 
18  Anm.  19,  siehe  auch  Verstellungs- 
künste. 

Griechenland   99,  104. 

Gummi    19  Anm.  29. 

Haager  Abkommen  siehe  S.  144. 

Handel,  Zerstörung  des  deutschen  19 
Anm.  29.  49. 

Handel  mit  dem  Feinde  40,49,58,117. 

Handel,  neutraler,  siehe  Neutrale. 

Handelsbedingungen,   moderne    48,  53. 

Handelsblockade    15,  18  Anm.  18. 

Handelskammer   34  Anm.  47. 

Handelsverträge   4. 

Haushaltungsgegenstände    85. 

Heranziehung  russischer  Staatsange- 
höriger zum  englischen  Heeres- 
dienst  91  f. 

Hongkong    54  Anm.  72,  89  Anm.  95. 

Hungerrevolten    19  Anm.  29. 

Jay- Vertrag  von  1794   siehe  S.  143. 

Imperialismus    121  Anm. 

Interesse  bei  Entscheidung  von  Rechts- 
fragen   1  f.,  16,  Anm.  129. 

Internationales  Recht  siehe  Völkerrecht. 

Internationalisierung  des  Bosporus  und 
der  Dardanellen,    Anm.  114. 

Intervention    103. 

Irrationalität     der     Rechtsprechung, 
Anm.  129. 

Kaperbriefe   8. 

Kaperei    7  (auch  Anm.  9),  8,  67. 

Klagerecht  des  feindlichen  Ausländers 

25. 
Kieler    Handelskammer,    Anfrage,    ob 

Reis  Kriegskonterbande  34  Anm.  47, 
Kohle    66,  68,  79  f. 
Konfiskation  neutralen  Gutes  .8, 


Sachregister 


147 


Konföderierte  Staaten    66. 

Kongo  vertrag,  Anm.  31. 

Kongress  (Gesetz  des  K.)    71. 

Konterbaude  siahe  Kriegskonterbande. 

Konterbandeliste   85,  89.  Anm.  117. 

Kontinentalsperre    17. 

Korrespondenzen  als  Beweismittel  20 
Anm.  30. 

Kriegführung,  Recht  der,  S.  II,  2, 10, 14 
Anm.  19,  16  Anm.  24,  20,  23,  60, 
67,  69,  71,  74  Anm.  86,  77,  78,  80  f., 
87  f.,  89  Anm. -95,  118. 

Kriegskonterbande  8,  45  f.,  60  f.,  70, 
75  f.,  79,  85  f.,  119. 

Kriegsnotwendigkeit  siehe  Kriegfüh- 
rung, Notwendigkeit  und  Selbst- 
erhaltung. 

Kriegsschauplatz    80. 

Kriegs  ziele    104. 

Kriegszone  siehe  Proklamation  der 
deutschen  Regierung  vom  4.  Februar 
1915. 

Kurzwaren   68. 

liandesrecht  siehe  Völkerrecht,  Verhält- 
nis zum  Landesrecht. 

Landkriegsordnung  (IV.  Haager  Ab- 
kommen)   12. 

Lastvieh   79. 

Lebensmittel  46  f.,  66,  75  f.,  78  f.,  81, 
82  Anm.  91,  85  f. 

Lehrmeinungen  der  Rechtsgelehrten 
3,9. 

Liste  der  Konterbandegegenstände  85, 
89. 

Londoner  Deklaration  siehe  144. 

lÄachtausübung  der  Staaten    98. 
Machtpolitik   105  Anm.  107,  121  Anm. 
Marschallinseln   22  Anm.  31. 
Matamoros    73. 
Mehrdeutigkeit    von    Tatbestand    und 

Rechtssatz    8.  VI,  1. 
Memorandum     vom     4.  Februar    1915 

siehe  Kriegszone. 


Menschlichkeit  13  Anm.  19  (auch  14 
Anm.  19). 

Mentalität,  englische    106,  109. 

Methode,  juristische    28  Anm.  38. 

Mexiko    70,  73. 

Milchprodukte    19  Anm.  29. 

Militarisierung  der  Vereinigten  Staaten 
Anm.  107. 

Minen    14  Anm.  19,  48  und  Anm.  68. 

Missbräuche  des  Feindes  siehe  Ver- 
stellungskünste. 

Monroedoktrin   Anm.  107. 

Montenegro    11. 

Munition    69. 

Munitionsausfuhr    119. 

Xaphtha   79. 

Naturprodukte    85. 

Nauru    22  Anui.  31. 

Neger   95  Anm.  101. 

Neu-Guinea   22  Anm.  31. 

Neuordnung  des  Völkerrechts    2. 

Neuseeland    22  und  23  Anm.  31. 

Neutrale  2,  5.  9,  13  Anm.  19,  14,  Anm. 
19,  15,  16  Anm.  24,  17,  22  f.,  35, 
37,  41,  42,  44,  45  f.,  50,  51,  53,  55 
Anm.  73,  56  Anm.  75,  61  f.,  70,  72, 
79  f.,  Anm,  95,  119  f. 

Neutrale  Gerichtshöfe    Anm.  117. 

Neutralität  Belgiens    102  f. 

Neutralität  des  konventionellen  Kongo- 
beckens    21  Anm.  31. 

New  York,  Handel  zwischen  N.  Y.  und 
Nassau   66  f.,  73. 

Notwendigkeit  angefochtener  Mass- 
nahmen als  Rechtfertigungsgrund 
18,  19  Anm.  30,  30,  46  f.,  53,  56 
Anm.  75,  74,  76,  87,  117. 

Objektivität  des  Ausgangspunktes   4. 
Öle   19  Anm.  29. 

Pamphlet-Literatur    108. 
Pariser  Deklaration   siehe  144. 


10* 


148 


Sachregister 


rarlauientskuutrolle    der    auswärtigen 

Politik   Anm.  129. 
Pazifismus    Anm.  129. 
Petroleum   83,  84. 
Pferde   79. 

Pleasant  Island    22  Anm.  31. 
Polen   97. 

Politische  Sympathie    14. 
Postbeschlagnahme  65  Anm.  73,  60,  61. 
Prisengericht,  Stellung  des  Pr.s   31  f., 

51,   58  Anm.  77,   64,   70,  73,  76  f., 

7&,  83. 
Privateigentum  zur  See   24  f.,  35  Anm. 

47,  90,  112. 
Proklamation  der  deutschen  Regierung 

vom  4.  Februar  1915    Anm.  19. 

—  Karls  I.  1625     7  Anm.  9. 
Pulver    70. 

Rationierungssystem    gegen    neutrale 

Länder    19  Anm.  29,  54. 
Kechte  des  Kriegführenden   13  f.,  siehe 

Kriegführung. 

—  der  Neutralen    13   (auch  Anm.'(6X 
siehe  Neutrale. 

Rechtsbruch  im  Völkerrecht   2. 

Rechtslehrer  siehe  Lehrmeinungen  der 
Rechtsgelehrten. 

Rechtssatz  (Mehrdeutigkeit)    1. 

Rechtsprechung  und  nationales  Inter- 
esse, 36,  42,  45,  57,  siehe  Interesse, 
Irrationalität. 

Rechtsverletzung  im  Völkerrecht  2 
Anm.  2,  10,  16  f. 

Rechtssatzung,  Verhältnis  zum  Sach- 
verhalt  3. 

Rechtsüberzeugung,  Zeugnisse  der  3,  5. 

Reis   35  Anm.  47,  75  f.,  78  f. 

Repressalien  siehe  Vergeltungsmass- 
nahmen. 

Reservisten   90  Anm.  97. 

Richter,  Stellung  des  englischen   31. 

Rohmaterialien   85. 

Royalisten,  französische    97. 

Rüpel  (Fort)  100. 


Russische  Flüchtlinge,  Heranziehung 
zum  britischen  Heeresdienst  91  f. 

Russisch-japanischer  Krieg  (1904)  77  f., 
Anm.  91,  87. 

Samoa    22  Anm.  31. 

Satzung    3. 

Satzungen  des  Völkerrechts    4. 

Schadensersatzpflicht  durch  Völker- 
rechtsverletzung   113. 

Schiedsgericht,  internationales  113  f., 
Anm.  129. 

Schiedsgericht  zu  Washington  Anm.  81. 

Schiedsgerichtsbarkeit  75, 114, Anm. 129. 

Schiedsrichter,  Auswahl  114  Anm.  125. 

Scbiesspulver   69. 

Schiffspapiere  als  Beweismittel  20  Anm. 
30,  49,  53,  86. 

Schuhe    68. 

Schwarze  Listen    40. 

Seekriegsrecht    15. 

Seemacht  Grossbritanniens    15. 

Selbsterhaltung,  Recht  der,  2,  10,  siehe 
Kriegführung. 

Serbien   11. 

Souveränität   98,  119. 

Souveränitätsbegriff    112  Anm.  118, 

Staatenpraxis   3,  5,  51,  75,  78,  82. 

Staatsverträge    2,  29,  104  f.,  118. 

Südafrika   22  Anm.  31. 

Tauglichkeit  angefochtener  Massnah- 
men als  Rechtfertigungsgrund    18. 

Täuschungskünste  des  Feindes,  siehe 
Verstellungskünste. 

Tatbestand  (Mehrdeutigkeit)    1. 

Telegramme  als  Beweismittel  20  A.  30. 

Texas   73. 

Tiere   79. 

Ueberlegenheit  zur  See,   britische   15. 
Unparteilichkeit  des  Schiedsrichters,  114 

Anm.  129. 
ünrechtmässigkeit  des  eigenen  Tuns  10. 
Unschuldige  Bestimmung   48. 


Sachregister 


149 


Veränderte  Umstände  87,  siehe  auch 
Notwendigkeit  angefochtener  Mass- 
nahmen. 

Verbringung  neutraler  Schiffe  in  eng- 
lische Häfen   34. 

Vereinigte  Staaten   22  f.,  34,  66. 

Verfahren  in  Prisensachen,  älteres  49 f., 
53. 

Vergeltungsmassnahmen  13  (auch  Anm. 
19),  16  (auch  17  und  Anm.  24). 

Verpflichtung   zum  Eechtsverkehr   der 
Staaten    4. 

Verstellungskünste  des  Feindes    10. 

Verträge  als  Beweismittel  20  Anm.  30. 

Verwendungsmöglichkeit,  doppelte   66. 

Völkerrecht    1  f.,  5  Anm.  4,  51,  57,  59, 
61,  67  f.,  76,  78  f.,  Anm.  92,  87  f. 
Fortbildung  des  Völkerrechts   2  f. 
Neuordnung    des    Völkerrechts    2, 

Anm.  118. 
Verbindlichkeit   seiner  Rechtssätze 

If.,  6. 
Verhältnis    zum    Landesrecht     11 
Anm.  16,  29  f.,  72,73,74. 


Völkerrechtssatzungen    4. 
Vorbehalte    10. 

Wehrpflicht,  Staatsvertrag   91  f. 

Weltpolitik    121  Anm. 

Weltrecht    31. 

Westindien,    Britisch -W.    67  f.,    siehe 

Nassau. 
Wolle   19  Anm.  29. 
Wucherpreise   19  Anm.  29. 

Yap   22  Anm.  31. 

Zentralafrika,   englisches  Protektorat 

21  Anm.  31. 
Zeugnisse   der  Rechtsüberzeugung  im 

Staatenverkehr  3. 
Zinnwaren    68. 
Zivilbevölkerung     85  f.,    89   Anm.  95, 

Anm.  117,  Anm.  127. 
Zivilisation    13  Anm.  19. 
Zufuhren    14. 
Zündhütchen    70. 
Zypern   22  Anm.  31. 


Von  dem  Verfasser  sind  bisher  erschienen: 

1.  Kolonialjuristische  und  politische  Studien.  Berlin  1903,  Deutscher 

Kolonial-Verlag-.    173  Seiten.   Preis  3,60  M. 

2.  Terminologie  und  Begriffsbildung  im  Gesetzentwurf  über  den 

Versicherungsvertrag.  Berlin  1904,  J.  Guttentag.  126  Seiten. 
Preis  3  M. 

3.  Fahnenflucht  und  Verletzung  der  Wehrpflicht  durch  Auswan- 

derung. Eine  rechtswissenschaftliche  und  -politische  Studie 
zu  den  deutsch-amerikanischen  Bancroftverträgen.  Leipzig 
1906  (Bd.  V  der  Staats-  und  völkerrechtlichen  Abhandlungen, 
herausgegeben  von  Jellinek  und  Anschützj,  Duncker  &  Hum- 
blot.   540  Seiten.   Preis  13,20  M. 

4.  Substitution   und   Simultanzulassung    bei    den    Berliner    Land- 

gerichten.  Berlin  1910,  J.  Guttentag.   26  Seiten.   Preis  1  M. 

5.  Das  Problem  der  Rechtssicherheit.    Zur  Einführung  des  Rela- 

tivismus in  die  Rechtsanwendungslehre.  (Schriften  des  Vereins 
Recht  und  Wirtschaft  Band  III  Heft  5.)  Berlin  1914,  Carl 
Heymanns  Verlag.   46  Seiten.   Preis  1,40  M. 

6.  Der   gesetzliche    Zahlungsaufschub    im    Kriege    nebst   Anhang 

neuerer  und  neuester  Moratoriengesetze  des  In-  und  Auslandes. 
Berlin  1914,  Carl  Heymanns  Verlag.  70  Seiten.    Preis  2  M. 

7.  Bürgerliches   Kriegssonderrecht.     Systematische   und   kritische 

Darstellung  des  zivil-  und  prozessrechtlichen  Inhalts  der 
deutschen  Kriegsnotgesetze.  Berlin  1914,  Verlag  Georg  Bath. 
172  Seiten.     Preis  3,60  M. 


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/!t.508  Völkerrechtsverletzungen 

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